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Loe raamatut: «Die Dame von Monsoreau», lehekülg 14

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»Gibt es nicht auch ein i darin?«

»Gewiß, es ist der letzte Buchstabe des Wortes Henri

»Wie groß ist doch die Bosheit der Menschen, dass sie so die Buchstaben trennen, welche gemacht sind, um an einander zu hängen!« sprach Chicot.

»Setzt mir das i neben das V. Gut, ist es geschehen?«

»Ja.«

»Suchen wir nun wohl, ob wir nicht ein I finden werden; es trifft sich, nicht wahr? ein a, ebenfalls; ein zweites i, wir haben es, endlich ein n. Gut. Kannst Du lesen, Nogaret?«

«Ich gestehe es zu meiner Schande,« sprach Épernon.

»Ah! Halunke, glaubst Du zufällig, Du seist von so vornehmem Adel, dass Du unwissend sein müsstest?«

»Bursche!« rief Épernon, sein Blaserohr über Chicot schwingend.

»Schlage, aber buchstabiere.«

Épernon lachte und buchstabierte:

»Vi-lain«

»Gut!« rief Chicot, »Du siehst, Heinrich, wie das beginnt, Dein wahrer Taufname ist bereits wiedergefunden. Ich hoffe, Du wirst mir eine Pension aussetzen, wie sie unser Bruder Karl IX. Herrn Amyot verlieh, wenn ich Deinen Familiennamen wiedergefunden habe.«

»Chicot, Du wirst Prügel bekommen,« rief der König.

»Wo holt man die Stöcke, mit denen man die Edelleute prügelt, mein Sohn, etwa in Polen?« entgegnete Chicot.

»Es scheint mir jedoch,« sagte Quélus, »Herr von Mayenne hat sich bei Dir der Prügel nicht enthalten, als er Dich bei seiner Geliebten fand.«

»Das ist auch eine Rechnung, die wir noch mit einander zu ordnen haben. Seid unbesorgt, Herr Cupido, die Sache ist ihm hier gut geschrieben.«

Chicot legte die Hand an die Stirne, was zum Beweist dient, dass man schon damals den Kopf für den Sitz des Gedächtnisses hielt.

»Höre, Quélus,« sagte Épernon, »Du wirst sehen, dass uns durch Deine Schuld der Familiennamen entgeht.«

»Befürchte dies nicht,« erwiderte Chicot, »ich habe ihn, zu Herrn von Guise würde ich sagen: an den Hörnern; doch zu Dir, Heinrich, begnüge ich mich, zu sagen: an den Ohren.«

»Den Namen! den Namen!« riefen alle junge Leute.

»Wir finden vor Allem in dem, was uns noch übrig bleibt, ein großes H, Nogaret, nimm das H.«

»Épernon gehorchte.«

»Dann ein e, dann ein r, dann in Valois ein o; ferner da Du das Fürwort vom Nennwort durch das trennst, was die Grammatiker die Partikel nennen, so lege ich die Hand auf ein d und ein e, was uns mit dem s, das den Geschlechtsnamen endigt, geben wird: buchstabiere, Épernon, H, e, r, o, d, e, s.«

»Herodes,« sprach Épernon.

»Vilain Herodes,« rief der König.

»Ganz richtig,« sagte Chicot, »und so unterschreibst Du jeden Tag mein Sohn? Oh!«

Und Chicot warf sich mit allen Zeichen eines schamhaften Schreckens zurück.

»Herr Chicot, Ihr überschreitet die Grenzen,« sagte Heinrich.

»Ich! ich sage, was ist, und nichts Anderes: doch so sind die Könige, macht sie auf etwas aufmerksam, und sie ärgern sich.«

»Das ist eine hübsche Genealogie,« sprach Heinrich.

»Leugne sie nicht, mein Sohn; beim Teufel! sie ist höchst erfreulich für einen König, der zwei bis dreimal im Monat der Juden bedarf.«

»Dieser Schuft soll nun einmal nicht das letzte Wort haben,« sagte der König. »Meine Herren, schweigt, dann wird ihm doch wenigstens Niemand etwas erwidern.«

Auf der Stelle trat das tiefste Stillschweigen ein. Und dieses Stillschweigen, das Chicot, äußerst aufmerksam auf den Weg, den man machte, durchaus nicht zu brechen geneigt schien, dauerte bereits einige Minuten, als man plötzlich, jenseits der Place Maubert, beim Eingang der Rue des Royers, Chicot sich aus der Sänfte schwingen und an der Ecke eines Hauses von ziemlich gutem Aussehen, an welchem ein Balkon von geschnitztem Holz auf einem Gesimse von angemalten kleinen Balken vor ragte, niederknien sah.

»Hei Heide,« rief der König, »wenn Du niederknien willst, so Knie wenigstens vor dem Kreuze nieder, das die Mitte der Rue Sainte-Geneviève bildet, und nicht vor diesem Hause; enthält es denn eine Kirche oder einen Ruhealtar?«

Doch Chicot antwortete nicht; er hatte sich auf beide Kniee auf das Pflaster geworfen und sprach ganz laut folgendes Gebet, von dem der König horchend kein Wort verlor:

»Guter Gott! gerechter Gott; hier ist es, ich erkenne es und werde es mein ganzes Leben erkennen, hier ist das Haus, wo Chicot, wenn nicht für Dich, mein Gott, wenigstens für eines Deiner Geschöpfe gelitten hat; Chicot hat Dich nie gebeten, es möge Herrn von Mayenne,6 dem Urheber seines Märtyrertums, oder Meister Nicolas David, dem Werkzeuge seiner Züchtigung Unglück widerfahren. Nein, Herr, Chicot wusste zu warten, denn Chicot ist geduldig, obgleich er es nicht ewig ist, und nun sind es sechs gute Jahre, worunter ein Schaltjahr, dass Chicot die Interessen der kleinen zwischen ihm, Herrn von Mayene und Nicolas David eröffneten Rechnung anhäuft; zu zehn vom Hundert aber, was der gesetzliche Zinsfuß ist, da der König hiernach entlehnt, verdoppeln in sieben Jahren die angehäuften Interessen das Kapital. Mache also, großer Gott! gerechter Gott! dass die Geduld von Chicot noch ein Jahr währt, damit die fünfzig Steigriemenhiebe, welche Chicot in diesem Hause auf die Befehle dieses Mörders von einem Prinzen Lothringen, und von diesem Raufer von einem Advokaten, welche aus dem Leibe von Chicot eine Pinten Blut gezogen haben, sich auf zwei Pinten Blut und hundert Steigriemenhiebe für jeden von ihnen belaufen mögen; so dass Herr von Mayenne, so dick er ist, und Nicolas David, so lang er ist, nicht mehr genug Haut und Blut haben, um Chicot zu bezahlen, und dass sie genötigt sind, einen Bankrott von fünfzehn bis zwanzig Prozent zu machen, indem sie unter dem achtzigsten oder fünf und achtzigsten Ruthenstreiche verscheiden.

»Im Namen des Vaters, des Sohnes, und des heiligen Geistes, Amen.«

»Amen!« wiederholte der König.

Chicot küsste die Erde und kehrte unter dem höchsten Erstaunen aller Zuschauer, welche nichts von dieser Szene verstanden, wieder an seinen Platz in der Sänfte zurück.

»Ah! Meister Chicot!« sagte der König, dem sein Rang, obgleich seit drei Jahren so vieler Vorrechte beraubt, welche er Andere hatte nehmen lassen, wenigstens das Recht verlieh, zuerst unterrichtet zu sein, »ah! mein lieber Chicot, warum diese lange und sonderbare Litanei, warum alle diese Schläge an die Brust, warum endlich alle diese Mummereien vor einem scheinbar so profanen Hause?«

»Sire,« erwiderte der Narr, »Chicot ist wie der Fuchs. Chicot beriecht und beleckt lange die Steine, wo er sein Blut gelassen, bis er auf diese Steine die Köpfe derjenigen stößt, welche es vergossen haben.«

»Sire!« rief Quélus, »ich wollte wetten, Chicot hat in seinem Gebet, wie Eure Majestät hören konnte, den Namen des Herzogs von Mayenne ausgesprochen; Sire, ich wollte also wetten, dass sich dieses Gebet auf die Bastonnade bezieht, von der wir so eben sprachen.«

»Wettet Seigneur Jacques von Levis, Graf von Quélus,« sagte Chicot, »wettet und Ihr werdet gewinnen.«

»Also hier …« sagte der König.

»Ganz richtig,« versetzte Chicot, »in diesem Hause hatte Chicot eine Geliebte, ein gutes, reizendes Geschöpf, ein Fräulein, meiner Treue! In einer Nacht, als er sie besuchte, ließ ein gewisser eifersüchtiger Prinz das Haus umstellen, Chicot packen und auf eine so grausame Weise prügeln, dass Chicot von diesem Balkon herab auf die Straße sprang. Da es nun ein Wunder ist, dass Chicot sich hierbei nicht tötete, so kniet er, so oft er an diesem Hause vorüber kommt, nieder, betet und dankt in seinem Gebete dem Herrn, dass er ihn einer so schlimmen Lage entrissen hat.«

»Ah! armer Chicot, und Ihr verdammt Ihn, Sire! Es heißt jedoch, wie mir scheint, als guter Christ handeln, wenn man thut, was er thut.«

»Ihr seid also gehörig durchgeprügelt worden, mein armer Chicot?«

»Oh! vortrefflich, doch noch nicht so sehr, als mir lieb gewesen wäre.«

»Wie so?«

»Nein, in der Tat, es wäre mir nicht unangenehm gewesen, wenn ich einen tüchtigen Degenstich bekommen hätte.«

»Für Deine Sünden?«

»Nein, für die von Herrn von Mayenne.«

»Ah! ich begreife; es ist Deine Absicht, Cesar wiederzugeben…«

»Cesar, nein, verwechseln wir das nicht, Sire, Cesar ist der große General, der mutige Krieger, es ist der ältere Bruder, derjenige, welcher König von Frankreich sein will, nein, dieser steht in Rechnung mit Heinrich von Valois; bezahle Deine Schulden, Valois, ich werde die meinigen bezahlen.«

Heinrich hörte es nicht gern, wenn man von seinem Vetter Guise sprach; die Rede von Chicot machte ihn auch sehr ernst, so dass man nach Bicêtre kam, ohne dass das unterbrochene Gespräch wieder seinen Fortgang nahm.

Man hatte drei Stunden gebraucht, um vom Louvre nach Bicêtre zu kommen. Die Optimisten zählten darauf, man würde am Abend des andern Tages Fontainebleau erreichen, während die Pessimisten Wetten anboten, man würde erst am zweiten Tage gegen Mittag dort eintreffen.

Chicot behauptete, man werde gar nie dahin kommen.

Sobald der Zug vor Paris war, schien er sich bequemer zu bewegen; der Morgen war ziemlich freundlich; der Wind blies minder heftig; der Sonne war es endlich gelungen, ihren Wolkenschleier zu durchdringen, und man hätte glauben sollen, man befände sich in einem der schönen Oktobertage, an denen bei dem Geräusch der letzten fallenden Blätter die Spaziergänger ihre Augen mit einem sanften Bedauern in das bläuliche Geheimnis des murmelnden Gehölzes tauchen.

Es war drei Uhr Nachmittags, als man zu den ersten Mauern der Umfriedung von Juvisy gelangte, von wo aus man bereits die über die Orge gebaute Brücke und das große Gasthaus zur Cour de France sah, das dem scharfen Abendwinde den Wohlgeruch seiner Bratspieße und das freudige Geräusch seines Herdes anvertraute.

Die Nase von Chicot fing im Fluge die kulinarischen Ausströmungen auf. Er neigte sich aus der Sänfte hervor und erblickte von ferne vor der Türe des Gasthofes mehrere in ihre Mäntel gehüllte Männer. Mitten unter diesen Männern war eine kurze und dicke Figur, der ein breitkrempiger Hut das Gesicht völlig bedeckte.

Diese Männer gingen rasch hinein, als sie den Zug erscheinen sahen.

Doch der Kurze war nicht so schnell von der Stelle gewichen, dass sein Anblick Chicot nicht aufgefallen wäre. In dem Augenblick, wo dieser kurze, dicke Mann hinein ging, sprang unser Gascogner aus der königlichen Sänfte, verlangte von einem Pagen sein Pferd, das dieser am Zügel führte, und ließ, sich an die Ecke einer Mauer drückend und in den ersten Schatten der Nacht verborgen, den Zug seinen Weg gegen Essonnes fortsetzen, wo der König Nachtlager zu halten gedachte; als sodann die letzten Reiter verschwunden waren, als das entfernte Geräusch der Räder der Sänfte auf dem Straßenpflaster sich im Raume verloren hatte, kam er aus seinem Verstecke hervor, ritt hinter dem Schloss hin und erschien an der Türe des Gasthauses, als ob er von Fontainebleau käme. Sobald Chicot vor dem Fenster war, warf er einen raschen Blick durch die Scheiben und gewahrte zu seinem Vergnügen, dass die Männer, die er bemerkt hatte, sich immer noch hier befanden und unter ihnen der kurze, dicke Mann, dem er die Ehre einer besonderen Aufmerksamkeit zuzugestehen geschienen hatte. Da jedoch Chicot, ohne Zweifel aus Gründen, von dem genannten Manne nicht erkannt zu werden wünschte, so ließ er sich, statt in das Zimmer, wo dieser war, eine Flasche Wein in das Zimmer gegenüber bringen und setzte sich so, dass Niemand die Türe erreichen konnte, ohne gesehen zu werden. Von diesem Zimmer aus konnte der Blick von Chicot, der seinen Platz kluger Weise im Schatten genommen hatte, bis an die Ecke eines ungeheuren Kamins dringen. An dieser Ecke saß auf einem Schemel der kurze, dicke Mann und ließ sich, wahrscheinlich in der Voraussetzung, er hätte keine Nachforschung zu befürchten, von dem Scheine eines Herdes überströmen, dessen Wärme und Helle ein Arm voll Reben verdoppelt hatte.

»Ich habe mich nicht getäuscht,« sagte Chicot, »und als ich mein Gebet an dem Hause der Rue des Noyers verrichtete, war es, als hätte ich die Rückkehr dieses Mannes gerochen. Doch warum so verstohlener Weise in die gute Hauptstadt unseres Freundes Herodes zurückkommen? Warum sich verbergen, wenn er vorüberzieht? Ah! Pilatus! Pilatus! sollte mir zufällig der gute Gott das Jahr, um das ich ihn gebeten habe, nicht bewilligen und mich früher zur Heimbezahlung zwingen, als ich glaubte?«

Bald bemerkte Chicot mit Vergnügen, dass er von dem Orte, wo er saß, nicht nur sehen, sondern auch in Folge von einer jener akustischen Wirkungen, welche zuweilen der Zufall auf eine launenhafte Weise bereitet, hören konnte. Als er diese Wahrnehmung machte, fing er an, mit derselben Aufmerksamkeit zu horchen, mit der er seinen Blick zum Sehen anspannte.

»Meine Herren,« sagte der kurze, dicke Mann zu seinen Gefährten, »ich glaube, es ist Zeit zum Aufbruch. Der letzte Lackei ist längst vorüber, und die Straße ist meiner Ansicht nach zu dieser Stunde sicher.«

»Vollkommen sicher, Monseigneur,« antwortete eine Stimme, welche Chicot beben machte und aus einem Körper kam, dem er, ganz und gar in die Betrachtung der Hauptperson vertieft, bis jetzt keine Aufmerksamkeit geschenkt hatte.

Der Mensch, dem der Körper gehörte, aus welchem diese Stimme hervorkam, war eben so lang, als derjenige, welchem er den Titel Monseigneur gab, kurz, eben so bleich, als dieser hochrot, eben so untertänig, als er anmaßend war.

»Ah! Meister Nicolas,« sagte Chicot, geräuschlos lachend: »Tu quoque. … es ist gut. Wir müssten viel Unglück haben, sollten wir uns diesmal trennen, ohne ein paar Worte mit einander zu sprechen.«

Chicot leerte hiernach sein Glas und bezahlte den Wirt, damit ihn nichts zurückhielt, sollte er es für geeignet halten, aufzubrechen.

Diese Vorsicht war nicht schlimm, denn die sieben Personen, welche die Aufmerksamkeit von Chicot erregt hatten, bezahlten ebenfalls, oder der kurze dicke Mann bezahlte vielmehr für Alle; Jeder nahm sein Pferd aus den Händen eines Lackeis oder eines Stallknechts und schwang sich in den Sattel. Die kleine Truppe schlug den Weg nach Paris ein und vertiefte sich bald in den ersten Nebel des Abends.

»Gut!« sagte Chicot, »er gehe nach Paris, ich kehre auch dahin zurück.«

Und Chicot stieg ebenfalls zu Pferde und folgte ihnen von ferne, ohne einen Augenblick ihre grauen Mäntel aus dem Gesicht zu verlieren, oder wenn er sie aus Klugheit einen Augenblick aus dem Gesicht verlor, ohne dass er aufhörte, auf die Tritte ihrer Pferde zu horchen. Diese ganze Reitertruppe verließ die Straße in Fromenteau, nahm ihre Richtung querfeldein nach Choisy, zog auf der Brücke von Charenton über die Seine, erreichte Paris durch die Porte Saint-Antoine und verlor sich wie ein Bienenschwarm in dem Hotel Guise, das nur ihre Ankunft zu erwarten schien, um sich hinter Ihr zu schließen.

»Gut,« sagte Chicot, sich an der Ecke der Rue des Quatre-Fils verbergend, »darunter steckt nicht nur Mayenne, sondern auch Guise. Bis jetzt war es nur seltsam, doch es wird interessant werden. Warten wir.«

Chicot wartete in der Tat eine Stunde, trotz des Hungers und der Kälte, welche ihn mit ihren scharfen Zähnen zu packen anfingen. Endlich öffnete sich das Thor; doch statt sieben in ihre Mäntel gehüllter Reiter, waren es sieben in ihre Capucen gehüllte Genovever-Mönche, welche ungeheure Rosenkränze schüttelnd erschienen.

»Oh! welch eine unerwartete Entwicklung!« sagte Chicot. »Ist das Hotel Guise so von dem Geruch der Heiligkeit durchschwängert, dass sich die Schufte, wenn sie nur seine Schwellen berühren, in Lämmer verwandeln? Die Sache wird immer interessanter.«

Chicot folgte den Mönchen, wie er den Reitern gefolgt war, denn er zweifelte nicht, dass die Kutten dieselben Leiber bedeckten, welche die Mäntel bedeckt hatten. Die Mönche gingen auf dem Pont-Notre-Dame über die Seine, zogen durch die Cité, schlugen den Weg über den Petit-Pont und über die Place Maubert ein und stiegen die Rue Sainte-Geneviève hinauf.

»Oho!« sagte Chicot, nachdem er seinen Hut vor dem Hause der Rue des Noyers abgenommen, wo er am Morgen sein Gebet verrichtet hatte. »Kehren wir zufällig nach Fontainebleau zurück? In diesem Falle hätte ich nicht den kürzesten Weg gewählt. Doch nein, ich täusche mich, wir werden nicht so weit gehen.«

Die Mönche blieben wirklich vor der Türe der Sainte-Geneviève Abtei stehen, und traten dann in die Vorhalle, in deren Tiefe man einen andern Mönch von demselben Orden erblickte, der mit der größten Aufmerksamkeit die Hände der Eintretenden zu beschauen bemüht war.

»Oh mein Gott!« dachte Chicot, »es scheint, um in die Abtei eingelassen zu werden, muss man diesen Abend reinliche Hände haben. Es geht offenbar etwas Außerordentliches vor.«

Chicot, der sehr in Verlegenheit war, was er tun sollte, um die Menschen nicht zu verlieren, denen er folgte, schaute nach dieser Betrachtung rings umher und sah zu seinem großen Erstaunen aus allen Straßen, welche gegen die Abtei liefen, Capucen hervorkommen, die einen vereinzelt, die andern zu zwei und zwei, doch insgesamt auf die Abtei zu schreitend.

»Ah!« sagte Chicot, »es wird also diesen Abend Generalkapitel in der Abtei gehalten und alle Genovever Frankreichs sind dazu berufen! Das ist, so wahr ich ein Edelmann bin, das, erste Mal, dass mich die Lust erfasst, einem Kapitel beizuwohnen.«

Die Mönche gingen alle unter die Halle, zeigten ihre Hände oder irgend einen Gegenstand, den sie in ihren Händen hielten, und traten ein. »Ich würde mit ihnen eintreten,« sagte Chicot, »doch hierzu fehlen mir zwei sehr wesentliche Dinge. Einmal das respektable Gewand, das sie umhüllt, insofern ich keinen Laien unter diesen heiligen Männern erblicke, und zweitens die Sache, die sie dem Bruder Pförtner zeigen; denn offenbar zeigen sie etwas. Ah! Bruder Gorenflot, mein würdiger Freund, wenn ich Dich hier bei der Hand hätte.«

Diesen Ausruf entriss Chicot die Erinnerung an einen der ehrwürdigsten Mönche des Ordens der Genovever, einen gewöhnlichen Gast von Chicot, wenn Chicot zufällig nicht im Louvre speiste, eben denselben, mit welchem am Tage der Prozession der Büßer unser Gascogner in der Schenke der Porte Montmartre angehalten, eine Krickente gegessen und gewürzten Wein getrunken hatte.

Und es strömten fortwährend Mönche herbei, so dass es war, als hätte die Hälfte der Bevölkerung von Paris die Kutte genommen, und der Bruder Pförtner prüfte sie insgesamt mit derselben Aufmerksamkeit.

»Sieh da! sieh da!« sagte Chicot zu sich selbst, »es geht offenbar diesen Abend etwas Außerordentliches vor. Wir wollen ganz und gar neugierig sein. Es ist halb acht Uhr und das Almosensammeln vorüber. Ich muss den Bruder Gorenflot im Füllhorn finden, denn zu dieser Stunde pflegt er zu Nacht zu speisen.«

Chicot ließ die Heerschar von Mönchen ihre Evolutionen in der Gegend der Abtei machen und in die Halle eintreten, setzte sein Pferd in Galopp und erreichte die Rue Saint-Jacques, wo, dem Benedictinerkloster gegenüber sich blühend und von Schülern und kampflustigen Mönchen sehr fleißig besucht das Gasthaus zum Füllhorn erhob.

Chicot war in dem Hause bekannt, nicht als ein Stammgast, sondern als einer von jenen heimlichen Gästen, welche von Zeit zu Zeit kamen und einen Goldthaler und ein Teilchen ihrer Vernunft in der Anstalt von Meister Claude Bonhomet ließen. So hieß der Ausspender der Gaben von Ceres und Bacchus, welche beständig aus dem berühmten mythologischen Horne strömten, das dem Hause als Schild diente.

Siebzehntes Kapitel
Worin dem Leser das Vergnügen zu Teil werden wird, die Bekanntschaft des Bruder Gorenflot zu machen, von dem er bereits zweimal im Verlaufe dieser Geschichte hat sprechen hören

Auf den schönen Tag war ein schöner Abend gefolgt; nur da der Tag kalt gewesen, war der Abend noch viel kälter. Man sah unter dem Hute verspäteter Bürger den durch den Schimmer der Stocklaternen geröteten Dunst ihres Atems sich verdicken. Man hörte deutlich die Tritte der Vorübergehenden auf dem gefrorenen Boden und das schallende Hum! durch die Kälte entrissen und durch die elastischen Oberflächen zurückgeworfen, wie ein Physiker in unsern Tagen sagen würde. Kurz es war einer von den schönen, kalten Abenden des herannahenden Frühjahrs, bei denen uns die freundliche Rosenfarbe der Scheiben eines Gasthauses einen doppelten Reiz gewährt.

Chicot trat zuerst in den Saal, tauchte seinen Blick in alle Winkel und Ecken, und ging, als er Meister Claude, welchen er suchte, nicht fand, vertraulich in die Küche.

Der Herr des Hauses war eben im Zuge, hier eine fromme Vorlesung zu halten, während allmählich eine in einer ungeheuren Bratpfanne enthaltene Masse Schmalzes den erforderlichen Grad von Hitze erreichte, dass man in diese Pfanne mehrere mit Mehl überzogene Merlane werfen konnte.

Bei dem Geräusch, das Chicot eintretend machte, drehte Meister Bonhomet den Kopf um.

»Ah! Ihr seid es, edler Herr,« sagte er, sein Buch schließend, »guten Abend und guten Appetit.«

«Ich danke für den doppelten Wunsch, obgleich die Hälfte davon eben so wohl zu Eurem Nutzen gereicht, als zu meinem. Doch das hängt von Umständen ab.«

»Wie, das hängt von Umständen ab?«

»Ja, Ihr wisst, dass ich nicht allein speisen kann.«

»Wenn es sein muss, mein Herr,« erwiderte Bonhomet, seine pistaziengrüne Mütze lüpfend, »wenn es sein muss, so werde ich mit Euch speisen.«

»Ich danke, mein lieber Wirt, obgleich ich weiß, dass Ihr ein vortrefflicher Gast seid; doch ich suche Jemand.«

»Vielleicht den Bruder Gorenflot?« fragte Bonhomet.

»Ganz richtig,« antwortete Chicot.

»Hat er schon zu speisen angefangen?«

»Nein, doch beeilt Euch.«

»Warum mich beeilen?«

»Ja, denn in fünf Minuten wird er fertig sein.«

»Der Bruder Gorenflot hat noch nicht zu speisen angefangen und wird In fünf Minuten fertig sein, sagt Ihr?«

Chicot schüttelte den Kopf, was in allen Ländern der Welt für ein Zeichen des Unglaubens gilt.

»Mein Herr,« sprach Meister Claude, »es ist heute Mittwoch und wir treten in die Fasten ein.«

»Nun!« versetzte Chicot mit einer Miene, welche eben nicht sehr für die religiösen Bestrebungen von Bruder Gorenflot sprach, »und dann?«

»Ah, bei Gott!« erwiderte Claude mit einer Gebärde, welche offenbar bedeutete: Ich begreife es eben so wenig, als Ihr; doch es ist so.

»Sicherlich ist etwas in der sublunarischen Maschine in Unordnung geraten,« sprach Chicot, »fünf Minuten für das Abendbrot von Gorenflot! Ich bin heute bestimmt, wunderbare Dinge zu sehen.«

Und mit der Miene eines Reisenden, der zum ersten Male den Fuß auf einen unbekannten Boden setzt, machte Chicot ein paar Schritte gegen ein besonderes Kabinett, stieß dessen Glastüre auf, hinter der ein wollener Vorhang mit weißen und rosenfarbigen Vierecken angebracht war, und erblickte im Hintergrunde bei dem Scheine eines Lichtes mit rauchigem Dochte den würdigen Mönch, der auf seinem Teller eine magere Portion in Wasser gekochten Spinat umdrehte, den er dadurch schmackhaft zu machen suchte, dass er in diese Kräutersubstanz einen Rest von Suresner-Käse steckte.

Während der würdige Bruder diese Mischung mit einer Verziehung des Gesichts bewerkstelligt, welche andeutet, dass er keine große Stücke auf die traurige Zusammensetzung hält, wollen wir es versuchen, ihn unsern Lesern unter einem Lichte vorzustellen, das sie dafür entschädigen soll, dass seine Bekanntschaft so lange hinausgeschoben wurde.

Bruder Gorenflot mochte ungefähr acht und dreißig Jahre und fünf Fuß Königsmaß haben. Diese etwas kleine Gestalt glich sich vielleicht, wie der Bruder sagte, durch die bewunderungswürdige Harmonie der Verhältnisse aus; was er an Höhe verlor, gewann er wieder an Breite, denn er erfreute sich eines Durchmessers von beinahe drei Fuß von einer Schulter zur andern, was, wie man weiß, einem Umkreise von neun Fuß gleichkommt.

Im Mittelpunkte dieser herkulischen Schulterblätter saß ein breiter, von zolldicken und strickartig hervorspringenden Muskeln befurchter Hals. Leider stand dieser Hals ebenfalls im Verhältnis zu dem Übrigen; er war nämlich kurz und dick, was bei den ersten zu starken Gemütsbewegungen, von welchen der Bruder Gorenflot heimgesucht würde, einen Schlagfluss befürchten lassen musste. Doch im Bewusstsein dieser Mangelhaftigkeit und der daraus hervorgehenden Gefahr gab sich Bruder Gorenflot nie heftigen Eindrücken hin; wir müssen sogar sagen, dass man ihn selten so sichtbar bewegt sah, als er es zur Stunde war, wo Meister Chicot in sein Kabinett trat.

»Ei! mein Freund, was macht Ihr denn da?« rief unser Gascogner, abwechselnd das Gemüse, Gorenflot, das nicht geputzte Licht und einen bis an den Rand mit kaum durch ein paar Tropfen Wein gefärbtem Wasser gefüllten Humpen anschauend.

»Ihr seht, mein Bruder, ich nehme mein Abendbrot,« antwortete Gorenflot, indem er eine Stimme so mächtig wie die Glocke einer Abtei erklingen ließ.

»Ihr nennt das Abendbrot, Gorenflot? Kraut, Käse? Geht doch!« rief Chicot.

»Wir sind an einem der ersten Mittwoche der Fastenzeit; denken wir an unser Heil, mein Bruder, denken wir an unser Heil,« erwiderte Gorenflot näselnd und gottselig die Augen zum Himmel aufschlagend.

Chicot war ganz erstaunt. Aus seinem Blicke konnte man entnehmen, dass er bereits mehr als einmal Gorenflot auf eine andere Weise die heilige Fastenzeit, in welche man eingetreten war, hatte verherrlichen sehen.

»Unser Heil!« wiederholte er, »was Teufels haben Wasser und Gras mit unserem Heile zu tun?«

 
»Freitags sollst Du kein Fleisch verzehren,
»Fastend halt auch den Mittwoch in Ehren.«
 

sprach Gorenflot.

»Um welche Zeit habt Ihr gefrühstückt?«

»Ich habe gar nicht gefrühstückt, mein Bruder,« antwortete der Mönch, immer mehr näselnd.

»Ah! wenn es sich nur darum handelt, zu näseln, so bin ich bereit, mich mit allen Genovevern der Welt in einen Kampf einzulassen. Doch wenn Ihr nicht gefrühstückt habt,« sagte Chicot unmäßig näselnd, »was habt Ihr denn getan, mein Bruder?«

»Ich habe eine Rede gemacht,« versetzte Gorenflot, stolz das Haupt erhebend.

»Ah bah! eine Rede? Und warum?«

»Um sie diesen Abend in der Abtei zu halten.«

»Halt,« dachte Chicot, »eine Rede diesen Abend, das ist komisch.«

»Und ich muss sogar,« fügte Gorenflot bei, indem er eine erste Gabel Spinat mit Käse an den Mund führte, »und ich muss sogar daran denken, nach Hause zu kehren; mein Auditorium könnte ungeduldig werden.«

Chicot fielen die zahllosen Mönche ein, die er nach der Abtei hatte gehen sehen, und da er sich erinnerte, Herr von Mayenne wäre wahrscheinlich unter diesen Mönchen, so fragte er sich, wie es komme, dass Gorenflot, der bis zu diesem Tage wegen verschiedener Eigenschaften geschätzt worden war, welche durchaus keine Beziehung zu der Beredsamkeit hatten, von seinem Superior, Joseph Foulon, dem damaligen Abte von Sainte-Geneviève, gewählt worden sei, um vor dem lothringischen Prinzen und einer so zahlreichen Versammlung zu predigen.

»Bah!« sagte er, »und zu welcher Stunde werdet Ihr predigen?«

»Von neun Uhr bis halb zehn Uhr, mein Bruder.«

»Gut; wir haben drei Viertel auf neun Uhr. Ihr werdet mir wohl fünf Minuten schenken. Es ist bei Gott acht Tage, dass wir keine Gelegenheit mehr gefunden haben, mit einander zu speisen.«

»Das ist nicht unser Fehler,« sprach Gorenflot, »und glaubt mir, geliebter Bruder, unsere Freundschaft wird dadurch keine Verminderung erleiden: die Pflichten Eures Amtes fesseln Euch an unsern großen König, Heinrich III., den Gott erhalten möge! Die Pflichten meines Amtes legen mir das Almosensammeln und nach dem Almosensammeln das Gebet auf; man darf sich also nicht darüber wundern, dass wir so lange getrennt sind.«

»Ja, doch das scheint mir gerade ein Grund mehr, freudig zu sein, wenn wir uns zusammenfinden.«

»Ich bin auch unendlich freudig,« erwiderte Gorenflot mit der kläglichsten Miene der Erde, »doch ich muss Euch darum nicht minder verlassen.«

Und der Mönch machte eine Bewegung, um aufzustehen.

»Esst doch wenigstens vollends Euer Kraut,« sagte Chicot, indem er ihm die Hand auf die Schulter legte und ihn wieder nieder sitzen machte.

Gorenflot schaute den Spinat an und stieß einen Seufzer aus; dann richteten sich seine Augen auf das rot gefärbte Wasser, und er wandte den Kopf ab.

Chicot sah, dass der Augenblick, den Angriff zu beginnen, gekommen war, und fuhr fort:

»Ihr erinnert Euch des kleinen Mittagsbrotes, von dem ich so eben sprach; wie? an der Porte Montmarte; Ihr wisst, wo wir, während unser großer König Heinrich III. sich und Andere geißelte, eine Krickente aus den Sümpfen der Grange-Batelière mit einer Kraftbrühe von Krebsen speisten und von jenem hübschen Burgunderweine tranken; wie nennt Ihr doch jenen Wein? Ist es nicht ein Wein, den Ihr entdeckt habt?«

»Es ist ein Wein aus meiner Gegend, aus der Romanée.«

»Ja, ja, ich erinnere mich, es ist die Milch, die Ihr eingesogen habt, als Ihr zur Welt kamt, würdiger Sohn von Noah!«

Gorenflot ließ mit einem schwermütigen Lächeln seine Zunge über seine Lippen hingehen.

»Was sagt Ihr zu jenem Weine?« sprach Chicot.

»Er war gut, doch es gibt bessern.«

»Das sagte auch eines Abends Claude Bonhomet, unser Wirt, welcher behauptet, es liegen davon in seinem Keller fünfzig Flaschen, wogegen der seines Bruders von der Porte Montmartre nur Treberwein sei.«

»Das ist die reine Wahrheit,« versetzte der Mönch.

»Wie, das ist die Wahrheit?« rief Chicot, »und Ihr trinkt von diesem abscheulichen, gefärbten Wasser, während wir nur die Hand auszustrecken haben, um einen solchen Wein zu trinken? Puah!«

Chicot nahm den Humpen und goss seinen Inhalt in das Zimmer.

»Alles hat seine Zeit, mein Bruder,« sprach Gorenflot. »Der Wein ist gut, wenn man, nachdem man ihn getrunken, nichts mehr zu tun hat, als Gott für seine Gaben zu verherrlichen. Doch wenn man eine Rede halten muss, so ist das Wasser vorzuziehen, nicht für den Geschmack, sondern für den Gebrauch: Facunda est aqua.«

»Bah!« rief Chicot. »Magis facundum est vinum, und zum Beweise mag dienen, dass ich, der ich auch eine Rede halten muss und Vertrauen zu meinem Rezepte habe, eine Flasche von dem Weine von der Romanée kommen lassen werde … und was ratet Ihr mir, dazu zu nehmen?«

»Nehmt nicht von diesem Kraute, es ist ganz außerordentlich schlecht.«

»Aeh,« sagte Chicot, indem er den Teller von Gorenflot an die Nase hielt, »äh!«

Dießmal öffnete er ein kleines Fenster und warf den Teller mit dem Gemüse auf die Straße. Dann wandte er sich um und rief:

»Meister Claude!« Der Wirt, welcher wahrscheinlich horchte, erschien auf der Schwelle.

6.Karl von Lothringen, Herzog von Mayenne, zweiter Sohn von Franz von Guise.