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Loe raamatut: «Die Dame von Monsoreau», lehekülg 6

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Sechstes Kapitel
Wie, ohne dass irgend Jemand die Ursache dieser Bekehrung wusste, der König Heinrich von einem Tag auf den anderen bekehrt wurde

So verliefen zwei Stunden.

Plötzlich erscholl ein furchtbarer Schrei. Dieser Schrei ging vom Zimmer des Königs aus.

Die Nachtlampe war indessen noch immer ausgelöscht, das Stillschweigen immer noch tief, und es ließ sich kein Geräusch vernehmen, außer diesem seltsamen Rufe des Königs: denn der König hatte gerufen.

Bald unterschied man den Lärmen eines umfallenden Gerätes, eines in Stücke zerbrechenden Porzellans und wahnsinnige Tritte im Zimmer umher. Dann erscholl neues Geschrei, vermischt mit dem Bellen von Hunden. Alsbald brannten die Lichter, die Schwerter glänzten in den Gallerten, und die plumpen, durch den Schlaf noch erschwerten Tritte der Wachen erschütterten die massigen Pfeiler.

»Zu den Waffen!« rief man von allen Seiten, »zu den Waffen! Der König ruft, laufen wir zum König.«

Und in demselben Augenblick stürzten, mit gleichem Schritte forteilend, der Kapitän der Garden, der Oberste der Schweizer, die Vertrauten des Schlosses, die Büchsenschützen vom Dienste in das königliche Zimmer, das auf der Stelle mit einer Flammenmasse sich übergoß: zwanzig Fackeln beleuchteten die Szene.

Bei dem umgestürzten Lehnstuhl und den zerbrochenen Tassen, vor dem in Unordnung gebrachten Bette, dessen Decke und Tücher Im Zimmer umher zerstreut lagen, stand Heinrich, bleich, die Haare gesträubt, die Augen starr, grotesk und furchtbar in seinem Nachtgewand anzuschauen.

Seine rechte Hand war, zitternd wie Laub im Winde, ausgestreckt.

Seine linke Hand klammerte sich krampfhaft an den Griff seines Degens an, den er maschinenmäßig gezogen hatte.

Eben so bewegt, wie sein Herr, schaute ihn der Hund, die Pfoten auseinander gestreckt an und heulte.

Der König schien stumm vor Schrecken, und diese ganze Welt, welche das Stillschweigen nicht zu brechen wagte, befragte sich mit den Augen und wartete in furchtbarer Angst.

Da erschien halb gekleidet, aber in einen weiten Mantel gehüllt, die junge Königin, Louise von Lothringen, ein blondes, sanftes Geschöpf, das das Leben einer Heiligen auf dieser Erde führte und von dem Geschrei des Königs erweckt worden war.

»Sire,« sagte sie, mehr zitternd als Jedermann, »Sire, mein Gott, was gibt es denn? … Euer Geschrei drang bis zu mir, und ich eilte herbei.«

»Es … es … es ist nichts,« antwortete der König ohne die Augen zu bewegen, welche In der Luft eine unbestimmte und für jeden Andern außer ihm unsichtbare Gestalt zu betrachten schienen.

»Aber Eure Majestät hat doch gerufen,« versetzte die Königin, »Eure Majestät ist also leidend?«

Der Schrecken war so sichtbar auf den Zügen von Heinrich ausgeprägt, dass er allmählich alle Anwesende erfasste. Man wich zurück, man ging vor, man verschlang mit den Augen die Person des Königs, um sich zu versichern, dass er nicht verwundet, nicht vom Blitze getroffen oder von einer Schlange gebissen worden wäre.

»Oh! Sire,« rief die Königin, »Sire, im Namen des Himmels, lasst uns nicht in einer solchen Angst. Wollt Ihr einen Arzt?«

»Einen Arzt,« entgegnete Heinrich mit demselben angstvollen Tone. »Nein, der Leib ist nicht krank, sondern die Seele, der Geist; nein, nein, keinen Arzt … einen Beichtiger.«

Alle schauten sich an, man befragte die Türen, die Vorhänge, den Boden, den Plafond; nirgends war die Spur des unsichtbaren Gegenstandes zurückgeblieben, der dem König einen so gewaltigen Schrecken eingejagt hatte.

Man nahm diese Forschung mit verdoppelter Neugierde vor: das Geheimnis verwickelte sich, der König verlangte seinen Beichtiger.

Sobald er dieses Verlangen ausgesprochen, schwang sich ein Bote auf sein Pferd. Tausend Funken sprangen aus dem Pflaster des Hofes vom Louvre. Fünf Minuten nachher war der Superior des Jesuitenklosters erweckt, gleichsam aus seinem Bette gerissen, und er erschien vor dem König.

Mit dem Beichtiger hat der Lärmen aufgehört, es tritt wieder Stillschweigen ein, man befragt sich, man mutmaßt, man glaubt zu erraten, hat aber vor Allem Furcht … Der König beichtet!

Am andern Morgen befiehlt der König, der sehr früh und vor allen Andern aufgestanden ist, die Türe des Louvre, welche sich nur geöffnet hat, um den Beichtiger durchzulassen, wieder zu schließen.

Dann beruft er den Schatzmeister, den Wachszieher, den Zeremonienmeister. Er nimmt sein schwarz eingebundenes Gebetbuch und liest die Gebete, unterbricht sich nur, um Heiligenbilder auszuschneiden, und befiehlt plötzlich, seine Freunde zu rufen.

Bei diesem Befehl geht man zuerst zu Saint-Luc, doch Saint-Luc leidet mehr als je. Er schmachtet, ist von Müdigkeit gefesselt, und sein Übel hat eine große Niedergeschlagenheit zur Folge; sein Schlaf oder vielmehr seine Lethargie ist so tief gewesen, dass er allein von allen Bewohnern des Palastes, obgleich ihn nur eine dünne Wand von dem König trennt, nichts von der Szene der Nacht gehört hat. Er verlangt auch, im Bette bleiben zu dürfen, wo er alle Gebete verrichten werde, die ihm der König zu sprechen befehle.

Bei dieser kläglichen Erzählung macht Heinrich das Zeichen des Kreuzes und befiehlt, ihm seinen Apotheker zu schicken.

Dann erteilt er den Auftrag, in den Louvre alle Geißeln des Klosters der Augustiner zu bringen; er geht schwarz gekleidet an Schomberg, welcher hinkt, an Épernon, der seinen Arm in der Schlinge trägt, an Quélus, der noch ganz betäubt ist, und an d'O und Maugiron, welche zittern, vorüber. Er verteilt unter sie im Vorübergehen Geißeln und empfiehlt ihnen, sich so hart, als ihre Arme schlagen könnten, zu züchtigen.

Épernon bemerkt, da er den rechten Arm in der Binde trage, so müsse er von der Zeremonie ausgenommen werden, in Betracht, dass er die Schläge, die man ihm erteile, nicht zurückgeben könne, was folglich einen Missklang in der Tonleiter der Geißelung herbeiführen müsste.

Heinrich III. antwortet ihm, seine Pönitenz werde darum Gott nur um so angenehmer sein.

Er gibt selbst das Beispiel, zieht sein Wamms und sein Hemd aus und schlägt sich wie ein Märtyrer. Chicot will nach seiner Gewohnheit lachen und spotten, doch ein furchtbarer Blick des Königs belehrt ihn, dass es hierzu nicht die Stunde ist; dann nimmt er eine Geißel wie die Andern, nur schlägt er seine Nachbarn, statt sich selbst zu peitschen, und sobald er keinen Rumpf mehr in seinem Bereiche findet, schlägt er Stücke von der Malerei der Säulen und des Tafelwerks ab.

Dieser Lärmen erheitert allmählich das Antlitz des Königs, obgleich sein Geist sichtbar stets tief erschüttert bleibt. Plötzlich verlässt der König sein Zimmer und befiehlt auf ihn zu warten. Hinter ihm hören die Geißelungen wie durch einen Zauber auf. Nur Chicot fährt fort d'O zu schlagen, den er haßt; d'O gibt es ihm nach Kräften zurück. Es ist ein Duell auf Peitschenhiebe.

Heinrich ist zur Königin gegangen. Er schenkt ihr ein Collier von Perlen im Werte von fünf und zwanzig tausend Thalern, küsst sie auf beide Wangen, was ihm seit mehr als einem Jahre nicht mehr begegnet ist, und bittet sie, ihren königlichen Schmuck abzulegen, und sich mit einem Sack zu bedecken.

Stets gut und sanft, willigt Louise von Lothringen sogleich ein. Sie fragt, warum ihr Gemahl, während er ihr ein Perlenhalsband gebe, wünsche, dass sie sich einen Sack auf die Schultern lege.

»Für meine Sünden,« antwortet Heinrich. Diese Antwort befriedigt die Königin, denn sie weiß besser als irgend Jemand, für welche ungeheure Summe von Sünden ihr Gemahl Buße zu tun hat. Sie kleidet sich nach dem Willen von Heinrich, der in sein Zimmer zurückkehrt, wohin er die Königin bescheidet.

Bei dem Anblick des Königs beginnt die Geißelung wieder. D'O und Chicot, welche nicht aufgehört haben, sind blutig. Der König lobt sie und nennt sie seine einzigen und wahren Freunde.

Nach Verlauf von zehn Minuten kommt die Königin in einen Sack gekleidet. Sogleich verteilt man Kerzen an den ganzen Hof, und trotz des abscheulichen Wetters, trotz des Schnees und Eises ziehen die schönen Höflinge, die schönen Damen und die guten Pariser, dem König und Unserer lieben Frau ergeben, nach dem Montmartre. Anfangs schnatternd, bald aber erwärmt durch die wütenden Hiebe, welche Chicot an alle Leute austeilt, die das Unglück haben, sich im Bereich seiner Geißel zu finden.

D'O hat sich für besiegt erklärt und ist in die Reihe fünfzig Schritte von Chicot getreten.

Um vier Uhr Abends ist die traurige Fahrt beendigt; die Füße des ganzen Hofes sind aufgeschwollen, die Rücken aller Höflinge geschunden; die Königin war öffentlich in einem ungeheuren Hemd von grober Leinwand erschienen, der König mit einem Rosenkranz von Totenköpfen. Tränen, Geschrei, Gebete, Weihrauch, Gesänge, Alles hatte man hören und sehen können.

Der Tag war offenbar gut gewesen.

In der Tat, Jeder litt unter der Kälte und den Streichen, um dem König Vergnügen zu machen, ohne dass irgend Jemand zu erraten vermochte, warum dieser Fürst, der zwei Tage vorher noch so gut tanzte, zwei Tage nachher sich so heftig zerfleischte.

Die Hugenotten, die Liguisten und die Freidenker sahen lachend die Prozession der Geißler vorüberziehen und sagten als wahre Entwürdiger: »Was für Leute sind das!«

Heinrich ist nüchtern mit langen, blauen und roten Striemen auf den Schultern zurückgekehrt; er hat die Königin den ganzen Tag nicht verlassen und jeden Augenblick der Ruhe, jede Station bei den Kapellen benützt, um ihr neue Einkünfte zu versprechen und Pläne für eine Pilgerfahrt mit ihr zu machen.

Des Schlagens müde und ausgehungert durch die ungewohnte Anstrengung, zu der ihn der König verurteilte, hat sich Chicot etwas oberhalb der Porte Montmartre davongestohlen und ist mit einigen Atheisten3 vom Hofe in den Garten eines berühmten Wirtshauses getreten, um gewürzten Wein zu trinken und eine in den Sümpfen der Grange-Batelière geschossene Kriechente zu speisen. Bei der Rückkehr der Prozession hat er wieder seine Stelle eingenommen und ist, auf das Schönste, die Büßer und Büßerinnen schlagend und, wie er selbst sagte, vollen Ablass erteilend, in den Louvre gezogen.

Am Abend fühlte sich der König ermüdet durch sein Fasten, durch seinen Gang mit nackten Füßen und durch die wütenden Streiche, die er sich gegeben hat. Er ließ sich ein mageres Abendbrot vorsetzen, seine Schultern wärmen, ein großes Feuer anzünden, und ging zu Saint-Luc, den er munter und gestärkt fand. Seit dem vorhergehenden Abend hatte sich der König gewaltig verändert; alle seine Gedanken waren der Nichtigkeit der irdischen Dinge, der Buße und dem Tod zugewendet.

»Ah!« sagte er zu Saint-Luc mit dem tiefen Ausdrucke des Mannes, der des Lebens überdrüssig ist, »Gott hat in der Tat wohl daran getan, dass er das Dasein so bitter machte.«

»Warum dies, Sire?« fragte Saint-Luc.

»Weil der Mensch, müde dieser Welt, statt den Tod zu fürchten, sich darnach sehnt.«

»Verzeiht, Sire,« entgegnete Saint-Luc, »sprecht für Euch, denn ich sehne mich durchaus nicht nach dem Tode.«

»Höre, Saint-Luc,« versetzte der König den Kopf schüttelnd, »Du würdest wohl daran tun, meinen Rat, ich sage noch mehr, mein Beispiel zu befolgen.«

»Sehr gern, Sire, wenn dieses Beispiel mich anlächelt.«

»Ist es Dir genehm, dass wir, ich meine Krone und Du Deine Frau verlassen und in ein Kloster treten? Ich habe die Dispens von unserem heiligen Vater, dem Papst: schon morgen legen wir das Gelübde ab. Ich nenne mich Bruder Heinrich …«

»Verzeiht, Sire, verzeiht, Euch liegt wenig an Eurer Krone, die Ihr zu sehr kennt; aber mir liegt viel an meiner Frau, die ich noch nicht genug kenne. Ich willige also nicht ein.«

»Oh! oh!« rief Heinrich, »es scheint, es geht besser bei Dir.«

»Unendlich besser, Sire; ich fühle meinen Geist ruhig, mein Herz freudig. Meine Seele ist auf eine unglaubliche Weise für das Glück und das Vergnügen gestimmt.«

»Armer Saint-Luc!« sagte der König die Hände faltend.

»Sire, Ihr hättet mir dies gestern vorschlagen müssen. Gestern war ich mürrisch, verdrießlich, von Schmerzen geplagt. Ich hätte mich um nichts in einen Brunnen oder in ein Kloster gestürzt. Doch diesen Abend ist es etwas Anderes, ich habe eine gute Nacht und einen entzückenden Tag zugebracht. Und, bei Gott! es lebe die Freude!«

»Du schwörst, Saint-Luc?« sagte der König.

»Habe ich geschworen, Sire? Es ist möglich, doch Ihr schwört auch zuweilen, wie mir scheint.«

»Ich habe geschworen, Saint-Luc, doch ich werde nicht mehr schwören.«

»Ich wage dies nicht zu behaupten. Ich werde so wenig als möglich schwören; das ist das Einzige, wozu ich mich anheischig machen kann. Übrigens ist Gott gut und barmherzig gegen unsere Sünden, wenn dieselben von der menschlichen Schwachheit herrühren.«

»Du glaubst, der gute Gott werde mir vergeben?«

»Oh! ich spreche nicht für Euch, Sire, ich spreche für Euren Diener. Pest! Ihr habt gesündigt … als König … während ich als einfacher Privatmann sündigte; ich hoffe auch, der Herr wird am Tage des Gerichts zwei Gewichte und zwei Waagen haben.«

Der König stieß einen Seufzer aus, murmelte ein Confiteor und schlug sich bei dem mea culpa an die Brust.

»Saint-Luc,« sagte er endlich, »willst Du die Nacht in meinem Zimmer zubringen?«

»Je nachdem,« erwiderte Saint-Luc, »was werden wir in dem Zimmer Eurer Majestät tun?«

»Wir zünden alle Lichter an, ich lege mich nieder, und Du liest mir die Litaneien der Heiligen.«

»Ich danke, Sire.«

»Du willst also nicht?«

»Ich werde mich wohl hüten.«

»Du verlässest mich, Saint-Luc, Du verlässest mich?«

»Nein, im Gegenteil, ich verlasse Euch nicht.«

»Ah! wirklich.«

»Wenn Ihr wollt?«

»Gewiß will ich.«

»Doch unter einer Bedingung sine qua non

»Unter welcher?«

»Eure Majestät lässt Tische aufschlagen, Musikanten und Höflinge holen, und wir tanzen meiner Treue!«

»Saint-Luc! Saint-Luc!« rief der König im höchsten Schrecken.

»Hört, Sire, ich fühle mich heute Abend zu jedem Mutwillen aufgelegt. Wollt Ihr, Sire?«

Doch Heinrich antwortete nicht. Sein zuweilen so lebhafter und hellerer Geist verdüsterte sich immer mehr und schien gegen einen geheimen Gedanken zu kämpfen, welcher ihn beschwerte, wie ein Blei, befestigt an den Füße eines Vogels, der vergebens seine Flügel ausbreiten würde, um zu entfliehen.

»Saint-Luc,« sagte der König endlich, mit höchst kläglicher Stimme, »träumst Du zuweilen?«

»Oft, Sire.«

»Glaubst Du an Träume?«

»Aus Gründen.«

»Wie so?«

»Ah! ja, die Träume trösten über die Wirklichkeit. So habe ich diese Nacht einen herrlichen Traum gehabt.«

»Was träumtest Du?«

»Ich träumte, meine Frau …«

»Du denkst also noch an Deine Frau, Saint-Luc?«

»Mehr als je.«

»Ah!« machte der König mit einem langen Seufzer und zum Himmel empor schauend.

»Ich träumte,« fuhr Saint-Luc fort, »meine Frau habe, ihr reizendes Gesicht beibehaltend, denn sie ist hübsch, meine Frau, Sire …«

»Ach! ja,« sprach der König, »Eva war auch hübsch, Unglücklicher! und Eva hat uns Alle in das Verderben gestürzt.«

»Ah! daher rührt also Euer Ärger? Doch kommen wir auf meinen Traum zurück, Sire.«

»Ich habe auch geträumt …« sagte der König.

»Meine Frau hatte also, ihr reizendes Gesicht beibehalten, die Flügel und die Form eines Vogels angenommen, war, Pforten und Gittern trotzend, durch die Mauern des Louvre gedrungen und an meinen Scheiben erschienen, wo sie einen reizenden kleinen Schrei ausstieß, den ich gar wohl begriff; denn er sagte mir: ›Öffne, Saint-Luc, öffne mir, mein Gatte.‹

»Und Du hast geöffnet?« fragte der König beinahe in Verzweiflung.

»Ich glaube wohl,« rief Saint-Luc, »und zwar mit dem größten Eifer.«

»Weltkind!«

»Weltkind, so lang Ihr wollt, Sire.«

»Und Du bist dann erwacht?«

»Nein, Sire, ich hütete mich wohl, der Traum war zu reizend.«

«Und Du träumtest fort?«

»So viel ich konnte, Sire.«

»Und Du hoffst diese Nacht …«

»Abermals zu träumen. Ja, möge es Eurer Majestät nicht missfallen, aber ich habe deshalb das verbindliche Anerbieten, das Ihr mir gemacht, das Anerbieten, Euch die Litaneien zu lesen, ausgeschlagen. Wenn ich wache, Sire, so will ich wenigstens ein Äquivalent für meinen Traum finden. Beliebt es also Eurer Majestät, wie ich Ihr gesagt habe, Tische aufschlagen, Musikanten holen zu lassen …«

»Genug, Saint-Luc, genug,« sprach der König aufstehend. »Du stürzest Dich in das Verderben und würdest mich mit Dir zu Grunde richten, wenn ich länger hier bliebe. Gott befohlen, Saint-Luc, ich hoffe, der Himmel wird Dir statt des versuchenden Traumes irgend einen heilsamen Traum schicken, der Dich veranlasst, morgen meine Buße zu teilen und uns in Gesellschaft zu retten.«

»Ich zweifle daran, Sire, und bin meiner Sache sogar so gewiss, dass ich Eurer Majestät, wenn es mir erlaubt wäre, raten würde, den Freidenker Saint-Luc, der völlig entschlossen ist, unbußfertig zu sterben, noch diesen Abend vor die Türe des Louvre zu setzen.«

»Nein, nein, ich hoffe, die Gnade wird Dich zwischen heute und morgen berühren, wie sie mich berührt hat. Guten Abend, Saint-Luc, ich werde für Dich beten.«

»Guten Abend, Sire, ich werde für Euch träumen.«

Und Saint-Luc begann die erste Strophe eines mehr als leichtfertigen Liedes, das der König in seinen Augenblicken guter Laune zu singen pflegte, was den Rückzug des Königs noch beschleunigte, denn dieser schloss rasch die Türe, kehrte in sein Zimmer zurück und murmelte die Worte: »Herr, mein Gott, Dein Zorn ist billig und gerecht, denn die Welt wird immer schlimmer.«

Siebentes Kapitel
Wie der König Furcht hatte, Furcht zu haben, und wie Chicot Furcht hatte, Furcht zu haben

Als der König Saint-Luc verließ, fand er seinen ganzen Hof seinen Befehlen gemäß in der großen Gallerie versammelt.

Er verteilte einige Gunstbezeugungen unter seine Freunde, schickte d'O, Épernon und Schomberg in die Provinz, bedrohte Maugiron und Quélus, ihnen den Prozess machen zu lassen, wenn sie neue Streitigkeiten mit Bussy hätten, reichte diesem seine Hand zum Kusse und hielt lange seinen Bruder Franz an sein Herz gepresst.

Gegen die Königin zeigte er sich so verschwenderisch in freundschaftlichen Äußerungen und Lobeserhebungen, dass die Anwesenden darin die günstigsten Vorzeichen für die Thronfolge Frankreichs erblickten. Mittlerweile nahte die gewöhnliche Stunde zum Schlafengehen, und man konnte leicht sehen, dass der König diese Stunde so viel als möglich verzögerte; endlich schlug die Uhr des Louvre zehnmal; Heinrich warf einen langen Blick im Gemache umher; er schien unter allen seinen Freunden denjenigen zu wählen, welchem er die Funktion des Vorlesens übergeben würde, die Saint-Luc ausgeschlagen hatte.

Chicot schaute ihm zu und sprach plötzlich mit seiner gewohnten Keckheit:

»Höre, Du machst mir diesen Abend gar freundliche Augen, Heinrich. Solltest Du zufällig eine gute Abtei mit zehntausend Livres Rente anzubringen suchen? Teufel! welch ein Beter würde ich werden. Gib, mein Sohn, gib.«

»Kommt mit mir, Chicot,« sagte der König. »Gute Nacht, meine Herren, ich will mich schlafen legen.«

Chicot wandte sich gegen die Höflinge um, zog seinen Schnurrbart in die Höhe, machte freundliche Augen und sagte mit einer äußerst anmutigen Wendung, die Stimme des Königs parodierend:

»Gute Nacht, meine Herren, gute Nacht, wir wollen uns schlafen legen.«

Die Höflinge bissen sich in die Lippen, der König errötete.

»Holla! meinen Barbier,« rief Chicot, »meinen Kammerdiener, und besonders meine Creme.«

«Nein,« sprach der König, »ich brauche heute nichts von Allem dem; wir treten in die Fasten ein, und ich bin in der Buße.«

»Ich beklage die Creme,« sagte Chicot.

Der König und der Narr kehrten in das uns bekannte Zimmer zurück.

»Ah! ah! Heinrich,« rief Chicot, »ich bin also Dein Liebling? Ich bin Dein Unerlässlicher? Ich bin Dein sehr Schöner, schöner als dieser Cupido von einem Quélus?«

»Stille, Narr,« sprach der König, »und Ihr, meine Herren von der Toilette, geht hinaus.«

Die Diener gehorchten; die Türe schloss sich wieder. Heinrich und Chicot blieben allein. Chicot schaute Heinrich mit einem gewissen Erstaunen an.

»Warum schickst Du sie weg?« fragte der Narr. »Sie haben uns noch nicht eingesalbt. Gedenkst Du mich mit Deiner königlichen Hand einzusalben? Bei Gott! das ist eine Buße, wie jede andere.«

Heinrich antwortete nicht. Jedermann hatte das Zimmer verlassen, und die zwei Könige, der Narr und der Weise, schauten sich an.

»Beten wir,« sprach Heinrich.

»Ich danke,« rief Chicot, »das ist nicht unterhaltend genug. Wenn Du mich deshalb hast kommen lassen, so will ich lieber in die schlechte Gesellschaft, in der ich war, zurückkehren. Gott befohlen, mein Sohn, gute Nacht.«

»Bleibt,« sprach der König.

»Oh! oh!« sagte Chicot sich aufrichtend, »das artet in Tyrannei aus! Du bist ein Despot, ein Phalaris, ein Dionys. Ich langweile mich hier; den ganzen Tag hast Du mich die Schultern meiner Freunde mit Farrenschwänzen zerfleischen lassen, und nun bekommt es ganz das Ansehen, als ob wir diesen Abend wieder anfangen wollten. Pest! fangen wir nicht wieder an. Heinrich, wir sind nur zu zwei, und unter Zweien trifft jeder Schlag.«

»Schweigt, elender Schwätzer,« rief der König, »denkt an Eure Reue.«

»Gut! sind wir hieran? Ich bereuen! Und was soll ich bereuen? dass ich mich zum Narren eines Mönches gemacht habe? Confiteor … Ich bereue; mea culpa, Es ist meine Schuld, es ist meine größte Schuld!«

»Keine Gotteslästerung, Unglücklicher! keine Gotteslästerung,« sprach der König.

»Ah! ich möchte lieber in dem Gefängnis der Löwen oder im Käfig der Affen, als in dem Zimmer eines wahnwitzigen Königs eingeschlossen sein. Lebe wohl, ich gehe.«

Der König nahm den Schlüssel von der Türe.

»Heinrich,« sprach Chicot, »ich sage Dir, Du hast ein unseliges Aussehen, und wenn Du mich nicht gehen lässt, so rufe ich, so schreie ich, so zertrümmere ich die Türe, so zerbreche ich das Fenster. Ah! ah! Ah!«

»Chicot,« erwiderte der König. »Chicot, mein Freund, Du missbrauchst meine Traurigkeit.«

»Ah! ich begreife, Du hast Furcht, allein zu sein. So sind die Tyrannen. Lass Dir zwölf Zimmer machen wie Dionys, oder zwölf Paläste wie Tiber. Mittlerweile nimm meinen langen Degen und erlaube mir, die Scheide in mein Zimmer zu tragen.«

Bei dem Worte Furcht schoss ein Blitz aus den Augen von Heinrich; dann erhob er sich mit einem seltsamen Schauer und durchlief das Zimmer.

Es herrschte eine solche Aufregung in dem ganzen Körper von Heinrich, es verbreitete sich eine solche Blässe über sein Gesicht, dass Chicot zu glauben anfing, der König wäre wirklich krank, und, nachdem er ihn mehrere Male im Zimmer hatte auf und abgehen sehen, zu ihm sagte:

»Sprich, mein Sohn, was hast Du? Erzähle Deine Schmerzen Deinem Freunde Chicot.«

Der König blieb vor dem Narren stehen und erwiderte ihn anschauend:

»Ja, Du bist mein Freund, mein einziger Freund.«

»Die Abtei von Balencey ist erledigt,« versetzte Chicot.

»Höre Chicot, nicht wahr, Du bist verschwiegen?«

»Ebenso die von Pithiviers, wo man so gute Lerchenpasteten isst.«

»Du bist ein Mensch von Herz, trotz Deiner Narrheiten,« fuhr der König fort.

»Dann gib mir keine Abtei, sondern ein Regiment.«

»Und Du bist sogar ein Mann von gutem Rate.«

»Dann gib mir kein Regiment, sondern mache mich zum Rat. Ah! nein, wenn ich bedenke … ich will lieber ein Regiment oder eine Abtei. Ich will nicht Rat werden, denn ich wäre genötigt, stets der Ansicht des Königs zu sein.«

»Schweigt, schweigt, Chicot, die schreckliche Stunde naht.«

»Ah! es fasst Dich wieder.«

»Ihr werdet sehen, Ihr werdet hören.«

»Was sehen? wen hören?«

»Wartet, und das Ereignis selbst wird Euch die Dinge lehren, die Ihr wissen wollt, wartet.«

»Nein, nein, ich warte nicht; doch welcher wütende Hund hat Deinen Vater und Deine Mutter in der Nacht gebissen, wo sie den unseligen Gedanken hatten, Dich zu zeugen?«

»Chicot, Du bist mutig?«

»Ich rühme mich dessen, aber, den Teufel! ich stelle meinen Mut nicht so auf die Probe! Wenn der König von Frankreich und Polen in der Nacht dergestalt im Louvre schreit, dass Skandal dadurch entsteht, so bin ich ein gebrechliches Wesen und muss notwendig Deine Wohnung entehren. Gute Nacht, Heinrich. Rufe Deine Kapitäne der Garden, Deine Schweizer, Deine Türhüter und lass mich hinaus ins Freie. Pfui, über die unsichtbare Gefahr, pfui, über die Gefahr, die ich nicht kenne!«

»Ich befehle Dir, zu bleiben,« sprach der König mit gebieterischem Tone.

»Ein lustiger Herr, der der Furcht befehlen will. Ich habe Furcht. Ich habe Furcht, sage ich Dir, Hilfe! Feuer!«

Und bei diesem Rufe stieg Chicot, ohne Zweifel um die Gefahr zu beherrschen, auf den Tisch.

»Nun wohl, Bursche,« sagte der König, »da es sein muss, um Dich zum Schweigen zu bringen, so will ich Dir Alles erzählen.«

»Ah! ah!« versetzte Chicot, während er vorsichtig vom Tisch herabstieg und seinen ungeheuren Degen zog. »Weiß ich einmal, wie die Sache sich verhält, so ist es gut; wir wollen darauf losgehen. Erzähle, erzähle, mein Sohn. Es scheint, es ist irgend ein Krokodil! der Teufel, die Klinge ist gut, denn ich bediene mich derselben, um jede Woche meine Hörner damit zu beschneiden, und meine Hörner sind hart. Du sagtest also, Heinrich, es sei ein Krokodil.«

Hiernach setzte sich Chicot bequem in einen großen Lehnstuhl und steckte seinen bloßen Degen zwischen seine Schenkel, wie die Schlangen, ein Symbol des Friedens, den Stab des Mercurs umschlingen.

«In der vergangenen Nacht,« sagte Heinrich, »schlief ich…«

»Ich auch.«

»Plötzlich strömt ein Hauch über mein Gesicht hin.«

»Das Tier hatte Hunger und leckte Dein Fett ab.«

»Ich wache halb auf und fühle, wie mein Bart sich vor Schrecken unter der Maske sträubt.«

»Ah! Du bereitest mir einen köstlichen Schauer,« sprach Chicot, sich in seinem Fauteuil zusammenwickelnd und sein Kinn auf seinen Degenknopf stützend.

»Da geschah es,« sagte der König mit einem so schwachen Tone und so zitternd, dass der Klang seiner Worte kaum bis zu dem Ohre von Chicot gelangte, »da geschah es, dass eine Stimme im Zimmer mit so schmerzhaftem Ausdrucke erscholl, dass mein ganzes Gehirn dadurch erschüttert wurde.«

»Ja, die Stimme des Krokodils. Ich habe in dem Werke des Reisenden Marco Polo gelesen, das Krokodil habe eine furchtbare Stimme, mit der es das Geschrei der Kinder nachahme; doch beruhige Dich, mein Sohn, wenn es kommt, so töten wir es.«

»Höre mich wohl.«

»Bei Gott! ich höre,« sagte Chicot, sich wie durch eine Feder abspannend, »ich bin so unbeweglich wie ein Baumstamm und so stumm wie ein Karpfe.«

Heinrich fuhr mit einem immer düstereren, immer traurigeren, immer kläglicheren Tone fort:

›Elender Sünder,‹ sprach die Stimme …

»Bah!« unterbrach ihn Chicot, »die Stimme sprach; es war folglich kein Krokodil?«

›Elender Sünder,‹ sprach die Stimme, ›ich bin die Stimme Deines Herrn und Gottes.‹

Chicot machte einen Sprung und kauerte sich wieder rasch in seinem Stuhle zusammen.

»Die Stimme Gottes?« sagte er.

»Ah! Chicot,« rief Heinrich, »es ist eine furchtbare Stimme.«

»Ist es eine schöne Stimme und gleicht sie, wie die Schrift sagt, dem Klang der Trompete?«

›Hörst Du mich?‹ fuhr die Stimme fort, ›hörst Du mich, verhärteter Sünder, bist Du entschlossen, in Deinen Missetaten und in Deiner Schlechtigkeit zu verharren?‹

»Ah! wahrhaftig, wirklich?« rief Chicot, »die Stimme Gottes gleicht ungemein der Deines Volkes, wie mir scheint.«

»Dann folgten tausend andere Vorwürfe, welche, ich beteure es Dir, sehr grausam für mich waren.«

»Fahre ein wenig fort, mein Sohn,« sprach Chicot, »erzähle mir ein wenig, was die Stimme sagte, damit ich weiß, ob Gott gut unterrichtet war.«

»Ruchloser!« rief der König, »wenn Du daran zweifelst, so lasse ich Dich bestrafen.«

»Ich zweifle nicht daran; ich wundere mich nur, dass Gott bis heute gewartet hat, um Dir diese Vorwürfe zu machen. Er ist seid der Sündfluth sehr geduldig geworden. Du hast also eine furchtbare Angst gehabt, mein Sohn?«

»Oh! ja.«

»Es war Grund vorhanden.«

»Der Schweiß lief an meinen Schläfen herab und das Mark erstarrte in meinen Knochen.«

»Wie im Jeremias, das ist ganz natürlich; bei meinem adeligen Ehrenwort, ich weiß nicht, was ich an Deiner Stelle getan hätte; und dann hast Du gerufen?«

»Ja.«

»Und man ist gekommen?«

»Ja.«

»Und man hat genau gesucht?«

»Überall.«

»Und keinen guten Gott gefunden?«

»Alles war verschwunden.«

»Bei König Heinrich anzufangen. Das ist furchtbar.«

»So furchtbar, dass ich meinen Beichtvater berief.«

»Ah! Gut! und er lief herbei?«

»Auf der Stelle.«

»Lass ein wenig sehen. Sei offenherzig, mein Sohn. Sei gegen Deine Gewohnheit wahr und aufrichtig. Was denkt Dein Beichtvater von dieser Geschichte?«

»Er hat gebebt.«

»Ich glaube es wohl.«

»Er hat sich bekreuzt und mir befohlen, Buße zu tun, wie es mir Gott vorgeschrieben.«

»Sehr gut! es ist nie etwas Schlimmes um die Buße. Doch was hat er über das Gesicht selbst, oder vielmehr über das Gehörte gesagt?«

»Es wäre ein Werk der Vorsehung; es wäre ein Wunder, und ich müsste an das Heil des Staates denken. Ich habe auch diesen Morgen …«

»Was hast Du diesen Morgen getan, mein Sohn?«

»Ich habe den Jesuiten hundert tausend Livres geschenkt.«

»Sehr gut!«

»Und meine Haut und die meiner jungen Edelleute mit Geißelhieben zerhackt.«

»Vortrefflich! doch hernach?«

»Nun hernach … was denkst Du, Chicot? Ich spreche nicht mit dem Spötter, sondern mit dem kaltblütigen Manne, mit dem Freunde.«

»Ah! Sire,« erwiderte Chicot mit ernstem Gesicht, »ich denke, der Alp hat Eure Majestät gedrückt.«

»Du glaubst?«

»Eure Majestät hat einen Traum gehabt, der sich nicht erneuern wird, wenn Eure Majestät sich den Geist nicht zu sehr zermartert.«

»Einen Traum?« versetzte Heinrich den Kopf schüttelnd. »Nein, nein, ich war ganz wach, dafür stehe ich Dir, Chicot.«

»Du schliefst, Heinrich.«

»Ich schlief so wenig, dass ich meine Augen weit offen hatte.«

»So schlafe ich, Sire.«

»Ja, doch ich sah mit meinen Augen, was nicht geschieht, wenn man wirklich schläft.«

»Und was sahst Du?«

»Ich sah den Mond an den Scheiben meines Zimmers und erblickte den Amethyst, der da, wo Ihr seid, Chicot, an meinem Degen in einem düsteren Lichte erglänzte.«

»Und was war aus der Lampe geworden?«

»Sie war erloschen.«

»Traum, lieber Sohn, ein reiner Traum.«

»Warum glaubst Du nicht, Chicot? Ist es nicht gesagt, dass der Herr mit den Königen spricht, wenn er eine große Veränderung auf der Erde bewirken will?«

»Ja, er spricht mit ihnen, das ist wahr, doch so leise, dass sie es nie hören.«

3.sehr ungenau, unter ihnen der Augustiner, der Bussy die Beichte abnehmen wollte.