Lugege ainult LitRes'is

Raamatut ei saa failina alla laadida, kuid seda saab lugeda meie rakenduses või veebis.

Loe raamatut: «Der König der Zauberer», lehekülg 2

Font:

Die Galeere

„Steuermann, kommt herauf, ein neues Wunder!“ erklang da soeben auf Deck Gustavs ängstliche Stimme.

Richard sprang nach oben. Dort schoß ein Schiff heran – ziemlich groß, von ganz alter Bauart, mit übermäßig hoher Back und hohem Hinterteil, ohne Masten – nur von langen Rudern getrieben, die an jeder Seite in doppelter Reihe hervorsahen – eine alte Galeere im neunzehnten Jahrhundert! An eine französische Strafgaleere mußte wenigstens im ersten Augenblicke wohl jeder denken. Der klassisch gebildete Seemann dagegen erkannte sofort, daß er der Bauart nach ein römisches Ruderschiff aus dem Altertum vor sich hatte!

Das Rätsel wurde immer geheimnisvoller. Oder vielmehr jetzt fand es seine Lösung.

Das Ruderschiff fuhr nämlich auf den ausgestorbenen Schoner zu, und als jetzt Richard, dem Beispiel des Matrosen folgend, ebenfalls hinter die Leinewand sprang, die lose vor der Back hing, und durch deren Löcher man alles beobachten konnte, sodaß man im Falle der Not sich auch von hier aus ins Innere des Schiffes zurückziehen konnte, erkannte er deutlich den Mann, der das hochstehende Steuerrad drehte, während sonst kein Mensch bei der Höhe der Brüstung auf der Galeere zu sehen war. Seltsam, der Steuernde auf dem Ruderschiffe aus dem klassischen Altertume trug ebenfalls das holländische Kostüm mit Schoßrock und Wadenstrümpfen!

Mit einem Schlage wurden jetzt alle Ruder, jedes wohl acht Meter lang und die oberen noch länger, auf der einen Seite eingezogen, dann legte das Schiff an, fielen Enterhaken, öffnete sich die hohe Bordwand an einer Stelle, schob sich eine Brücke nach unten hervor, und ein Zug von Menschen schritt darüber und betrat das Deck des Schoners.

Voran ging ein ältlicher Mann, im holländischen Kostüm eine Art von goldenem Heroldsstab in der Hand, hinter ihm schritten zwei andere Holländer in Kniestrümpfen und Schnallenschuhen, dann aber kamen drei Männer von ganz anderem Aussehen.

Der erste von diesen, jedenfalls die Hauptperson, war ein Greis mit schneeweißem Bart und Haupthaar. Er war gekleidet in eine wallende Toga aus einem leichten, himmelblauen Stoffe, das Gewand, das die alten Römer trugen, auf dem Haupte hatte er eine Krone aus Elfenbein, über und über besetzt mit den prachtvollsten Diamanten, die in der Sonne ein sinnverwirrendes Farbenfeuer ausstrahlten, und in der Hand hielt er ein Scepter, das ebenfalls aus Elfenbein und Diamanten zusammengesetzt war. Sein Gesicht war alt und runzlig, aber von einer gesunden, bräunlichen Farbe; kalt und klug blickten darin die großen, blauen Augen. Wohl mochte er eine ehrwürdige Greisenerscheinung sein, doch wegen der an Krone und Scepter gezeigten Pracht konnte man kein Zutrauen zu ihm gewinnen, man bewunderte nicht, sondern fürchtete sich nur, denn auch ein maßloser Stolz, gepaart mit Eitelkeit, welche Eigenschaften durchaus nicht zu einem Greise paßten, prägten sich in den Zügen wie im ganzen Wesen des Alten aus.

Die beiden Männer hinter ihm, noch Jünglinge, waren in ebensolche faltige Gewänder gehüllt, die bis an die mit Sandalen bekleideten Füße reichten und aus einem schneeweißen Stoffe bestanden. Der eine trug an einer seidenen Schnur eine große, goldene Flasche, der andere einen kleinen goldenen Becher.

Als diese das Deck des Schoners betreten hatten, fluteten ihnen noch eine Menge von Männern über die Brücke nach, die wieder wie Holländer aus vergessenen Zeiten, doch in gröbere Stoffe gekleidet waren und mehr den Eindruck von wirklichen Schiffern oder Arbeitern machten.

Zunächst stellten sie sich alle in militärischer Ordnung an der Bordwand des Schoners auf, als wenn sie weitere Befehle erwarteten.

Vor dem ‚König der Zauberer‘

Der vorausgehende Herold blieb jetzt stehen, stieß den Stab dröhnend aufs Deck nieder und wandte sich mit einer ruckmäßigen Bewegung gegen den Blaugekleideten um. Dann sagte er mit schallender Stimme auf holländisch, welche Sprache sowohl Richard als Gustav verstanden:

„Unser Gebieter hat befohlen, und sein Wort ist schon die Ausführung. Diese Flüchtlinge hier auf dem Schiffe sind des ersten Todes gestorben, als sie die Todesgrenze unserer Insel überschritten.“

Er stampfte darauf nochmals mit dem Stabe auf, machte eine scharfe, halbe Wendung und trat einen Schritt zurück, um nun, steif wie ein Soldat, stehen zu bleiben.

Dies alles war offenbar eine Ceremonie, die man dem Greise schuldete, und die etwas Militärisches an sich hatte. Welch ein buntes Durcheinander!

Römer und ein Ruderschiff aus dem klassischen Altertume, ein moderner Schoner, alte Holländer und preußische Disciplin!

Was waren das nur für Spukgestalten? Waren es die Seelen in verschiedenen Zeitaltern verstorbener Seeleute, die sich hier zusammengefunden? Doch nein, es waren lebende Menschen! Das Auge der beiden Versteckten sah ja so manches, was sich nicht mit Geistern zusammenreimte. Der eine der weiß gekleideten Jünglinge war zum Beispiel über eine Leiste gestolpert, wäre beinahe gefallen – und Geister stolpern doch nicht. Der Greis war mit seinem himmelblauen Gewand an einem Nagel hängen geblieben, ein Mann sprang hinzu und machte ihn frei, wobei in der Toga ein Loch entstand; auch lief ihm der Schweiß in großen Tropfen von der Stirn – das alles war ebenfalls durchaus nicht geisterhaft!

Aber nicht nur die versteckten Beobachter waren starr vor Schreck und Entsetzen; auch die holländischen Männer, selbst einer der hoheitsvollen Jünglinge – und das war vielleicht das Seltsamste – drückten in ihren Zügen und in ihrem ganzen Gebaren offenbar eine grenzenlose Furcht aus. Nur der Herold und der Jüngling mit dem Becher schienen nichts Ungewöhnliches in alledem zu finden.

„Zweifelst Du nun noch an meiner Macht, Scipio?“ wandte sich der Alte mit tiefer Stimme an den jungen Mann neben ihm, der scheu und zitternd dastand.

Der Gefragte raffte sich auf.

„Verzeihe mir, o, Gebieter, wenn ich es je gethan habe,“ entgegnete er mit der größten Demut und Scheu. „Ich bin kein Gottmensch wie Du, sondern ein einfacher Mensch, und Irren ist menschlich. Hast Du aber in Deiner Weisheit beschlossen, mich des zweiten Todes sterben zu lassen, so bin ich bereit dazu, denn ich habe ihn verdient.“

„Ich verzeihe Dir nochmals, Scipio.“ –

Wie? Hatten Richard und Gustav recht gehört? Wie, dieser Greis sollte Macht haben über Leben und Tod? Und er besaß solche Eigenschaften, daß man ihn sogar einen ‚Gottmenschen‘ nannte und ihn verehrte wie ein höheres Wesen? Nein, das konnte nicht sein, er war sicherlich auch nichts anderes, als ein gewöhnlicher Mensch!

Jetzt streckte der sogenannte Gottmensch seine Hand mit dem Scepter aus.

„Sie kannten meine Macht, und sie haben ihr zu widerstreben versucht,“ rief er drohend, „sie waren gewarnt, und sie haben die Warnung mißachtet. So sollen sie des zweiten Todes sterben. Ueber Bord mit ihnen!“

Da kam Leben in die regungslos dastehende Mannschaft. Sie hoben die Leichen auf und warfen sie einfach über Bord. Die Versteckten hörten ganz deutlich die Haifische schnappen, die sich um die Beute stritten, und das Haar sträubte sich ihnen. Was würde ihr Los sein, wenn man sie entdeckte? Von dem Alten dort hatten sie sicherlich kein Mitleid zu erwarten!

Auch der Mann und die Frau wurden aus der Kajüte gebracht, und jetzt erkannte Richard, daß das bildschöne Mädchen kein Nachtgewand, sondern ein altrömisches Frauenkostüm trug.

„Cora kommt auf mein Schiff, ich nehme sie zurück, weil ich ihrer noch bedarf,“ ließ sich da der Alte mit seltsam zitternder Stimme hören, und Richard erkannte, daß große Thränen über seine Wangen in den weißen Bart rannen. Ja, es war nur ein Mensch!

Das Weib wurde dann auf das Ruderschiff geschafft, und der Mann wanderte über Bord. Unterdessen waren andere Matrosen in der Takelage beschäftigt, zogen die Segel ein und wandten das Schiff zur Rückfahrt, nachdem sie es mit der Galeere vertaut hatten. Bei diesen Arbeiten hörte Richard, wie sie sich leise unterhielten, und vernahm deutsche, englische, französische, italienische und spanische Worte, kurz und gut, die Sprachen aller Nationen. Auch diese Leute, die doch mit dem Gottmenschen auf dem Ruderschiff gekommen, waren voll Staunen, Angst und Ehrerbietung über das, was sie soeben zu sehen bekommen hatten. Das war wiederum sehr merkwürdig. –

Nochmals streckte jetzt der Greis das Scepter aus und wies direkt auf die vor der Back befindliche Segelleinwand. Dann sagte er:

„Dieser Vorhang verbirgt zwei fremde Männer. Führt sie mir auf meinem Schiffe vor.“ Hierauf wandte er sich ab, ohne den Erfolg seiner Worte abzuwarten, um auf das Ruderschiff zurückzukehren.

Im nächsten Moment waren Matrosen hinzugesprungen, hatten das Segeltuch zurückgerissen – und Richard und Gustav waren entdeckt!

Ihr Schreck über ihre Entdeckung hinter der Leinwand war zu groß, als daß sie ihre Gedanken hätten sammeln können. Sie waren völlig unfähig, ein Wort hervorzubringen.

Auch die beiden Jünglinge standen vor ihnen.

„Fürchtet Euch nicht,“ sagte der mit dem Becher, der vorhin keine Scheu gezeigt hatte, „unser Gebieter ist streng, aber gerecht. Euer Schicksal ist schon entschieden, und wenn Ihr ihm noch nicht begegnet seid, braucht Ihr auch nicht des ersten Todes zu sterben. Folgt mir!“

Ganz mechanisch folgten nun Richard und Gustav auf das Ruderschiff hinüber, und nur wie durch einen Nebel sah Richard, sobald er sich in dem Häuschen befand, das mitten auf dem Deck des ganz nach altrömischem Muster eingerichteten Schiffes stand, als wüßten diese Leute noch gar nichts von den Errungenschaften menschlichen Geistes in der Nautik und Schiffsbaukunst, wie sich die Matrosen auf die Ruderbänke setzten und den angehängten Schoner nach sich zogen. Er glaubte wirklich, dies alles gaukle ihm nur seine Phantasie vor.

Gustav war nüchterner, er hatte die Frage nicht überhört, ob sie Hunger und Durst hätten, und ließ sich die vorgesetzten Speisen, die aus Brot und verschiedenem kalten Fleisch bestanden, trefflich schmecken, nachdem er eine Flasche Rotwein in eine Kanne gegossen und diese ausgetrunken hatte.

„Vorläufig sind wir noch am Leben,“ sagte er mit einiger Lustigkeit, „und wenn man dreierlei Braten, Wurst, Schinken und solchen Wein vorsetzt – na, mit dem kann man auch nicht so Böses vorhaben! Ich denke, wir sind zwischen Insulaner geraten, die auf einer Insel im Archipel hausen und sich mit geheimnisvollem Hokuspokus umgeben, damit sie ungeladene Gäste von sich fernhalten.“