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Loe raamatut: «Die Ansiedlung auf dem Meeresgrunde», lehekülg 5

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Wahrhaftig, wenn Auge und Gesicht der Spiegel der Seele sind, so hatte er von diesen Männern nichts zu fürchten!

„Nun, willst Du Dich nicht ausziehen, Nummer Sechsundzwanzig?“ lachte ihm sein gefälliger Lehrer ins Telephon. „Du bist nicht mehr im Wasser, das mußt Du doch schon an der Schwere Deiner Beine merken.“

Der freundliche Mann war ihm auch noch behilflich, den Helm abzuschrauben. Jetzt nahte die Entdeckung, und sie kam noch eher, als man sein Gesicht richtig gesehen hatte.

„Wer ruft Nummer Sechsundzwanzig? Hier bin ich.“

Mit diesen Worten sprang nämlich ein mit Richard gleichaltriger Knabe herbei.

„Nummer Sechsundzwanzig! Der Schiffsjunge!“ erklang es da in grenzenlosem Staunen. „Ja, wer ist denn aber das?!“

Der Helm war abgenommen, Richards gebräuntes Antlitz zeigte sich.

Eine Bewegung der Bestürzung ging durch die Reihen der Umstehenden.

„Ein Fremder! In unserem Taucheranzug! Unsere Geheimnisse sind verraten worden!“

„Nein, sie sind nicht verraten worden,“ entgegnete Richard mit fester Stimme, „alle diese Erfindungen entspringen meinem eigenen Kopfe; hier waltet nur ein höchst sonderbarer Zufall ob.“

Die Männer beruhigten sich schnell, wenn ihr Staunen auch blieb; ebensowenig veränderte sich ihr milder Gesichtsausdruck.

„Wer Du auch seiest,“ nahm der Aelteste das Wort, „zu fürchten hast Du von uns nichts. Auch wir sind Menschen wie Du, und zwar gute Menschen. Entledige Dich vollends Deines Taucheranzuges, dann folge mir. Ich werde dem Meister Meldung machen, er wird entscheiden.“

Richard zog jetzt das Kostüm aus, unter dem er noch einen bequemen Anzug trug, und folgte dem Führer.

Das Geheimnis des Meeres

Sie schritten durch mehrere Gänge, deren Wände aus glatten, ungefügten Steinen bestanden, und traten in ein Kämmerchen. Da kam es Richard plötzlich vor, als verlöre er den Boden unter den Füßen – als befände er sich in einem Fahrstuhle, und es ginge in die Tiefe; dann kam noch ein Gang, diesmal aber ein luxuriös ausgestatteter Korridor, in dem die elektrischen Lampen von kostbaren Statuen gehalten wurden, und nach einer abermaligen Fahrt in die Tiefe sah Richard sich in einem freundlichen Wohnzimmer und wurde bedeutet, daß er hier warten solle, bis er vor den Meister geführt werden würde.

„Hast Du vielleicht Appetit?“ fragte der alte Mann.

„Größer als mein Appetit ist mein Wissenshunger.“

„Du wirst vom Meister alles erfahren. Doch mit leerem Magen ist man nur ein halber Mensch.“

Das war sehr freundlich und vernünftig gesprochen.

„Ja denn, ein Abendbrot wäre mir recht lieb,“ lachte Richard.

„In fünf Minuten wird es auf dem Tische stehen.“

Der Mann trat nun auf eine gekennzeichnete Platte in der Ecke und verschwand in einer Versenkung, die sich augenblicklich wieder über seinem Kopfe schloß.

Richard sah sich um. Es war ein in deutschem Geschmack gut möbliertes Wohnzimmer, etwa eine sogenannte gute Stube, in der er sich befand, nur daß der Ofen und auch Thüren und Fenster darin fehlten. Für Licht sorgte eine Ampel an der Decke, für Luftzufuhr einige Vergitterungen.

Noch suchte Richard nach einem Knopfe oder Hebel, der den Mechanismus des Fahrstuhles in Bewegung setzte, als es hinter ihm ein paarmal knackte. Rasch drehte er sich um und sah auf dem Tische, der mit keiner Decke belegt war, plötzlich einige Teller stehen. Bald erschienen noch mehr und auch Flaschen und Gläser, doch als er schnell hinzusprang, kam er schon zu spät, um den Mechanismus zu beobachten, und konnte nur so viel erkennen, daß der Tisch unten nichts weiter besaß, als eine starke Stütze, durch welche Speisen und Getränke spaziert sein mußten. Zauberei war das nun freilich nicht, wohl aber eine sehr sinnreiche und praktische Einrichtung.

Was da vor ihm stand, sah gerade so aus wie ein großes, appetitlich gebratenes Beefsteak, Kartoffeln und Spinat; die Flaschen aber enthielten Weiß- und Rotwein, ein besonderes Glas Milch; und ebenso wie die Speisen aussahen, schmeckten sie auch. Richard ließ es sich daher trefflich munden; Messer, Gabel und Löffel waren silberne Künstlerarbeiten, und spanische Namen waren darin eingraviert. Jedenfalls waren sie Funde aus gesunkenen Schiffen. Daher stammte sicherlich auch das kostbare, chinesische Porzellan. Das Beefsteak, die Milch und anderes ließen aber darauf schließen, daß die geheimnisvollen Taucher trotz ihrer kreideweißen Gesichtsfarbe, die von dem Fehlen des Sonnenlichtes herrührte, noch immer mit der Erdoberfläche in Verbindung standen.

Richard hatte die Schüsseln eben geleert, als sich die Platte in der Ecke hob, und der alte Mann wieder auftauchte. Wahrscheinlich mußte der Speisende beobachtet worden sein, weil der Führer so rechtzeitig eintraf.

„Bist Du bereit, mir zu folgen?“ fragte dieser.

„Ich bin bereit.“

Diesmal ging der Fahrstuhl nach oben, und bald stand Richard in einem mit Büchern und physikalischen Apparaten vollgepfropften Studierzimmer vor einem weißbärtigen Greise, dessen Gestalt von einem meergrünen Gewande umflossen war. Auch dieses Gesicht war weiß und ernst, und ebenso ruhig und freundlich wie dasjenige des anderen. Auf alle diese Gesichter hatte ein ungetrübter Seelenfriede seinen Stempel gedrückt – das war es, was Richard jetzt erkannte.

Die großen, blauen, scharfen Augen des Greises ruhten mit unverkennbarem Staunen auf Richard.

„Wer bist Du, Knabe, daß Du Dich in einem Taucheranzuge, der ganz dem unseren gleicht und dennoch nicht von uns gefertigt ist, was auch von allen anderen Zubehörteilen gilt, die man bei Deiner Ausrüstung fand, auf dem Meeresgrunde bewegst?“

Richard, der vor dieser würdevollen Erscheinung jede Befangenheit schwinden fühlte, erzählte frisch darauf los wie sein Name war, woher er kam, und daß das Taucherkostüm und alle Instrumente seine spielend leicht gemachte Erfindung seien, wie er sie geheim halte, um mit ihnen zum Vergnügen und aus Wißbegierde Forschungen zu unternehmen.

Wir haben Richard schon mehrmals als genialen Mathematiker und Physiker kennen gelernt, und auch bei dieser Erzählung offenbarte er genug von seinen Fähigkeiten, daß der Greis sofort wissen mußte, wessen Geistes Kind er vor sich hatte.

Dabei hatte er immer wieder erstaunt den Kopf geschüttelt.

„Es ist wunderbar,“ nahm der Greis dann das Wort. „Mein Staunen trifft teils die ungewöhnlichen Kenntnisse Deines Alters, mehr aber noch die Merkwürdigkeit, daß Du ganz die gleichen Erfindungen gemacht hast, wie wir im Laufe von einem halben Jahrhundert und sie auch in ganz gleicher Weise ausführtest. Und dennoch ist mein Staunen ungerechtfertigt, denn das alles ist nur ein Beweis für die Theorie, die ich verfechte. Der der Menschheit wohlgesinnte Erdgeist, Genius genannt, streift mit einem Hauche nicht nur einen einzelnen Menschen, nein, viele können ihn fühlen, und wer ihn verspürt, der schafft das aus göttlicher Eingebung, um was ihn dann die anderen Menschen als Genie bewundern. So sind die meisten großen Erfindungen gleichzeitig an mehreren Orten der Erde gemacht worden, ohne daß die Betreffenden miteinander verkehrt hätten; gleichzeitig und plötzlich wurden die Erfinder von dem großen Gedanken erfaßt. – Doch lassen wir das jetzt. Setze Dich, mein Sohn, ich will Dir erzählen, wo Du bist, und wer ich bin.“

Richard setzte sich, und ihm gegenüber nahm der Greis Platz.

„Ich habe keinen Namen mehr, habe auch nie einen bekannten gehabt,“ begann letzterer wieder, „ebensowenig brauchst Du meine Nationalität zu wissen. Man nennt mich hier den Meister, die anderen Mitglieder unserer Kolonie führen nur Nummern. Ich war bis vor fünfzig Jahren Ingenieur, zuletzt auf einem Taucherschiffe, hatte schon manche wichtige Erfindung gemacht und war immer um jeden Vorteil betrogen worden. Meine Gefühle damals und was ich alles erlitten habe, brauche ich Dir nicht zu schildern; ich könnte es auch gar nicht, weil schon längst alle Bitterkeit aus meinem Herzen geschwunden ist. Zuletzt konstruierte ich einen brauchbaren Taucheranzug, der jedem Drucke widerstand, und war diesmal so klug, meine Entdeckung für mich zu behalten. Diese vervollkommnete sich immer mehr, und bald konnte ich mich, frei wie ein Fisch, im Wasser und in jeder Tiefe bewegen. Aber immer tauchte ich allein, und so fand ich eine Perlenbank, und bald standen mir überhaupt alle Schätze des Meeresbodens zur Verfügung, kurz, ich war ein reicher Mann und konnte nun mein Ideal verwirklichen, von dem ich schon oft geträumt hatte.

Wir befanden uns im atlantischen Ocean, teils in, teils unter einem Felsenberge, der den Schiffern wohlbekannt und von ihnen gemieden ist. Er gilt als unersteigbar; niemand hatte ja auch auf der himmelhohen Klippe etwas zu suchen. Als ich in seiner Nähe einmal tauchte, fand ich zufällig einen unterseeischen Tunnel, denn dieser Felsenberg war nicht massiv, sondern hohl und nur von Wänden gebildet. Er paßte mir am besten als Ausgangspunkt meiner Pläne. Ich warb Leute, teils Kameraden, die mit mir harmonierten, teils solche, die aus bitteren Erfahrungen weltflüchtig geworden waren, teils bedeutende, aber verkannte Genies, die gern auf Ruhm und Ehre verzichteten, wenn sie nur ihre Pläne ausführen durften. Mit diesen siedelte ich hierher über; meine unerschöpfliche Schatzquelle erlaubte ja alles, was für Geld nur erreichbar war; wir luden alles Mitgebrachte aus und senkten das Schiff auf den Grund. Nun waren wir ganz allein auf uns angewiesen. Da legten wir den Schwur ab, nie wieder mit der Außenwelt in Berührung zu kommen, und was menschlicher Fleiß und menschlicher Geist im Laufe von fünfzig Jahren schaffen konnten, das wirst Du ja selbst nach und nach kennen lernen. Mehr brauche ich Dir eigentlich nicht zu erzählen. Wir sind von der Erdoberfläche unabhängig, das Meer liefert uns alles, was wir bedürfen. Das Beefsteak, das Du vorhin aßest, war von einer Seekuh, Kartoffeln und Gemüse von einem Seegewächs, den Wein gewinnen wir aus Beeren, die an Felsenklippen unter Wasser wachsen; die Milch, die Du nicht von frischer Kuhmilch unterscheiden kannst, ist ein chemisches Fabrikat. Unsere Eisenbahn hast Du schon gesehen. Die Stadt ist eine maurische, die vor vielen hundert Jahren im Meere versank. Wir benutzen die Steine, um uns das Behauen zu sparen. Einen Zwang zur Arbeit giebt es hier nicht. Wer Lust zur Arbeit hat, meldet sich freiwillig und ist dann nur für diesen Tag dazu verpflichtet. Die übrige Zeit geht in Studien und sonstigen Beschäftigungen auf. Bücher liefern uns ja die Schiffsbibliotheken. Wir sind alle sehr, sehr glücklich. – Hast Du sonst noch eine Frage? Später erfährst Du allerdings alles ausführlich.“

Aufmerksam hatte Richard zugehört. Jetzt aber kam der Kernpunkt der Unterhaltung.

„Ja, soll ich denn nun für immer hier bleiben?“

„Gewiß. Wie ich hörte, stehst Du ja ganz allein in der Welt, und es wird Dir hier schon gefallen.“

„Wenn ich aber nun nicht mag?“

Zwischen den Augenbrauen des Meisters entstand ein Fältchen.

„Dann mußt Du einfach hier bleiben, mein Sohn,“ sagte er mit Betonung, „wer einmal in unsere Geheimnisse eingeweiht ist, darf uns nicht wieder verlassen.“