Loe raamatut: «Friedrich Wilhelm Nietzsche – Gesammelte Werke», lehekülg 11

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Von den Erhabenen

Still ist der Grund mei­nes Mee­res: wer er­rie­the wohl, dass er scherz­haf­te Un­ge­heu­er birgt!

Uner­schüt­ter­lich ist mei­ne Tie­fe: aber sie glänzt von schwim­men­den Räth­seln und Ge­läch­tern.

Ei­nen Er­ha­be­nen sah ich heu­te, einen Fei­er­li­chen, einen Büs­ser des Geis­tes: oh wie lach­te mei­ne See­le ob sei­ner Häss­lich­keit!

Mit er­ho­be­ner Brust und De­nen gleich, wel­che den Athem an sich ziehn: also stand er da, der Er­ha­be­ne, und schweig­sam:

Be­hängt mit häss­li­chen Wahr­hei­ten, sei­ner Jagd­beu­te, und reich an zer­ris­se­nen Klei­dern; auch vie­le Dor­nen hien­gen an ihm – aber noch sah ich kei­ne Rose.

Noch lern­te er das La­chen nicht und die Schön­heit. Fins­ter kam die­ser Jä­ger zu­rück aus dem Wal­de der Er­kennt­niss.

Vom Kamp­fe kehr­te er heim mit wil­den Thie­ren: aber aus sei­nem Erns­te blickt auch noch ein wil­des Thier – ein un­über­wun­de­nes!

Wie ein Ti­ger steht er im­mer noch da, der sprin­gen will; aber ich mag die­se ge­spann­ten See­len nicht, un­hold ist mein Ge­schmack al­len die­sen Zu­rück­ge­zo­gnen.

Und ihr sagt mir, Freun­de, dass nicht zu strei­ten sei über Ge­schmack und Schme­cken? Aber al­les Le­ben ist Streit um Ge­schmack und Schme­cken!

Ge­schmack: das ist Ge­wicht zu­gleich und Wag­scha­le und Wä­gen­der; und wehe al­lem Le­ben­di­gen, das ohne Streit um Ge­wicht und Wag­scha­le und Wä­gen­de le­ben woll­te!

Wenn er sei­ner Er­ha­ben­heit müde wür­de, die­ser Er­ha­be­ne: dann erst wür­de sei­ne Schön­heit an­he­ben, – und dann erst will ich ihn schme­cken und schmack­haft fin­den.

Und erst, wenn er sich von sich sel­ber ab­wen­det, wird er über sei­nen eig­nen Schat­ten sprin­gen – und, wahr­lich! hin­ein in sei­ne Son­ne.

All­zu­lan­ge sass er im Schat­ten, die Wan­gen bleich­ten dem Büs­ser des Geis­tes; fast ver­hun­ger­te er an sei­nen Er­war­tun­gen.

Ver­ach­tung ist noch in sei­nem Auge; und Ekel birgt sich an sei­nem Mun­de. Zwar ruht er jetzt, aber sei­ne Ruhe hat sich noch nicht in die Son­ne ge­legt.

Dem Stie­re gleich soll­te er thun; und sein Glück soll­te nach Erde rie­chen und nicht nach Ver­ach­tung der Erde.

Als weis­sen Stier möch­te ich ihn sehn, wie er schnau­bend und brül­lend der Pflug­schar vor­an­geht: und sein Ge­brüll soll­te noch al­les Ir­di­sche prei­sen!

Dun­kel noch ist sein Ant­litz; der Hand Schat­ten spielt auf ihm. Ver­schat­tet ist noch der Sinn sei­nes Au­ges.

Sei­ne That sel­ber ist noch der Schat­ten auf ihm: die Hand ver­dun­kelt den Han­deln­den. Noch hat er sei­ne That nicht über­wun­den.

Wohl lie­be ich an ihm den Na­cken des Stiers: aber nun will ich auch noch das Auge des En­gels sehn.

Auch sei­nen Hel­den-Wil­len muss er noch ver­ler­nen: ein Ge­ho­be­ner soll er mir sein und nicht nur ein Er­ha­be­ner: – der Aether sel­ber soll­te ihn he­ben, den Wil­len­lo­sen!

Er be­zwang Unt­hie­re, er lös­te Räth­sel: aber er­lö­sen soll­te er auch noch sei­ne Unt­hie­re und Räth­sel, zu himm­li­schen Kin­dern soll­te er sie noch ver­wan­deln.

Noch hat sei­ne Er­kennt­niss nicht lä­cheln ge­lernt und ohne Ei­fer­sucht sein; noch ist sei­ne strö­men­de Lei­den­schaft nicht stil­le ge­wor­den in der Schön­heit.

Wahr­lich, nicht in der Satt­heit soll sein Ver­lan­gen schwei­gen und un­ter­tau­chen, son­dern in der Schön­heit! Die An­muth ge­hört zur Gross­muth des Gross­ge­sinn­ten.

Den Arm über das Haupt ge­legt: so soll­te der Held aus­ruhn, so soll­te er auch noch sein Aus­ru­hen über­win­den.

Aber ge­ra­de dem Hel­den ist das Schö­ne al­ler Din­ge Schwers­tes. Un­er­ring­bar ist das Schö­ne al­lem hef­ti­gen Wil­len.

Ein We­nig mehr, ein We­nig we­ni­ger: das ge­ra­de ist hier Viel, das ist hier das Meis­te.

Mit läs­si­gen Mus­keln stehn und mit ab­ge­schirr­tem Wil­len: das ist das Schwers­te euch Al­len, ihr Er­ha­be­nen!

Wenn die Macht gnä­dig wird und her­ab­kommt in’s Sicht­ba­re: Schön­heit heis­se ich sol­ches Her­ab­kom­men.

Und von Nie­man­dem will ich so als von dir ge­ra­de Schön­heit, du Ge­wal­ti­ger: dei­ne Güte sei dei­ne letz­te Selbst- Über­wäl­ti­gung.

Al­les Böse traue ich dir zu: dar­um will ich von dir das Gute.

Wahr­lich, ich lach­te oft der Schwäch­lin­ge, wel­che sich gut glau­ben, weil sie lah­me Tat­zen ha­ben!

Der Säu­le Tu­gend sollst du nach­stre­ben: schö­ner wird sie im­mer und zar­ter, aber in­wen­dig här­ter und trag­sa­mer, je mehr sie auf­steigt.

Ja, du Er­ha­be­ner, einst sollst du noch schön sein und dei­ner eig­nen Schön­heit den Spie­gel vor­hal­ten.

Dann wird dei­ne See­le vor gött­li­chen Be­gier­den schau­dern; und An­be­tung wird noch in dei­ner Ei­tel­keit sein!

Diess näm­lich ist das Ge­heim­niss der See­le: erst, wenn sie der Held ver­las­sen hat, naht ihr, im Trau­me, – der Über-Held.

Also sprach Za­ra­thustra.

Vom Lande der Bildung

Zu weit hin­ein flog ich in die Zu­kunft: ein Grau­en über­fiel mich.

Und als ich um mich sah, sie­he! da war die Zeit mein ein­zi­ger Zeit­ge­nos­se.

Da floh ich rück­wärts, heim­wärts – und im­mer ei­len­der: so kam ich zu euch, ihr Ge­gen­wär­ti­gen, und in’s Land der Bil­dung.

Zum ers­ten Male brach­te ich ein Auge mit für euch, und gute Be­gier­de: wahr­lich, mit Sehn­sucht im Her­zen kam ich.

Aber wie ge­sch­ah mir? So angst mir auch war, – ich muss­te la­chen! Nie sah mein Auge et­was so Bunt­ge­spren­kel­tes!

Ich lach­te und lach­te, wäh­rend der Fuss mir noch zit­ter­te und das Herz dazu: »hier ist ja die Hei­mat al­ler Far­ben­töp­fe!« – sag­te ich.

Mit fünf­zig Kle­xen be­malt an Ge­sicht und Glie­dern: so sas­set ihr da zu mei­nem Stau­nen, ihr Ge­gen­wär­ti­gen!

Und mit fünf­zig Spie­geln um euch, die eu­rem Far­ben­spie­le schmei­chel­ten und nach­re­de­ten!

Wahr­lich, ihr könn­tet gar kei­ne bes­se­re Mas­ke tra­gen, ihr Ge­gen­wär­ti­gen, als euer eig­nes Ge­sicht ist! Wer könn­te euch – er­ken­nen!

Voll­ge­schrie­ben mit den Zei­chen der Ver­gan­gen­heit, und auch die­se Zei­chen über­pin­selt mit neu­en Zei­chen: also habt ihr euch gut ver­steckt vor al­len Zei­chen­deu­tern!

Und wenn man auch Nie­ren­prü­fer ist: wer glaubt wohl noch, dass ihr Nie­ren habt! Aus Far­ben scheint ihr ge­ba­cken und aus ge­leim­ten Zet­teln.

Alle Zei­ten und Völ­ker bli­cken bunt aus eu­ren Schlei­ern; alle Sit­ten und Glau­ben re­den bunt aus eu­ren Ge­bär­den.

Wer von euch Schlei­er und Über­wür­fe und Far­ben und Ge­bär­den ab­zö­ge: ge­ra­de ge­nug wür­de er üb­rig be­hal­ten, um die Vö­gel da­mit zu er­schre­cken.

Wahr­lich, ich sel­ber bin der er­schreck­te Vo­gel, der euch ein­mal nackt sah und ohne Far­be; und ich flog da­von, als das Ge­rip­pe mir Lie­be zu­wink­te.

Lie­ber woll­te ich doch noch Ta­ge­löh­ner sein in der Un­ter­welt und bei den Schat­ten des Ehe­mals! – feis­ter und vol­ler als ihr sind ja noch die Un­ter­welt­li­chen!

Diess, ja diess ist Bit­ter­niss mei­nen Ge­där­men, dass ich euch we­der nackt, noch be­klei­det aus­hal­te, ihr Ge­gen­wär­ti­gen!

Al­les Un­heim­li­che der Zu­kunft, und was je ver­flo­ge­nen Vö­geln Schau­der mach­te, ist wahr­lich heim­li­cher noch und trau­li­cher als eure »Wirk­lich­keit«.

Denn so sprecht ihr: »Wirk­li­che sind wir ganz, und ohne Glau­ben und Aber­glau­ben«: also brüs­tet ihr euch – ach, auch noch ohne Brüs­te!

Ja, wie soll­tet ihr glau­ben kön­nen, ihr Bunt­ge­spren­kel­ten! – die ihr Ge­mäl­de seid von Al­lem, was je ge­glaubt wur­de!

Wan­deln­de Wi­der­le­gun­gen seid ihr des Glau­bens sel­ber, und al­ler Ge­dan­ken Glie­der­bre­chen. Un­glaub­wür­di­ge : also heis­se ich euch, ihr Wirk­li­chen!

Alle Zei­ten schwät­zen wi­der ein­an­der in eu­ren Geis­tern; und al­ler Zei­ten Träu­me und Ge­schwätz wa­ren wirk­li­cher noch als euer Wach­sein ist!

Un­frucht­ba­re seid ihr: da­rum fehlt es euch an Glau­ben. Aber wer schaf­fen muss­te, der hat­te auch im­mer sei­ne Wahr-Träu­me und Stern-Zei­chen – und glaub­te an Glau­ben! –

Halboff­ne Tho­re seid ihr, an de­nen Tod­ten­grä­ber war­ten. Und das ist eu­re Wirk­lich­keit: »Al­les ist werth, dass es zu Grun­de geht.«

Ach, wie ihr mir da­steht, ihr Un­frucht­ba­ren, wie ma­ger in den Rip­pen! Und Man­cher von euch hat­te wohl des­sen sel­ber ein Ein­se­hen.

Und er sprach: »es hat wohl da ein Gott, als ich schlief, mir heim­lich Et­was ent­wen­det? Wahr­lich, ge­nug, sich ein Weib­chen dar­aus zu bil­den!

Wun­der­sam ist die Ar­muth mei­ner Rip­pen!« also sprach schon man­cher Ge­gen­wär­ti­ge.

Ja, zum La­chen seid ihr mir, ihr Ge­gen­wär­ti­gen! Und son­der­lich, wenn ihr euch über euch sel­ber wun­dert!

Und wehe mir, wenn ich nicht la­chen könn­te über eure Ver­wun­de­rung, und al­les Wi­d­ri­ge aus eu­ren Näp­fen hin­un­ter trin­ken müss­te!

So aber will ich’s mit euch leich­ter neh­men, da ich Schwe­res zu tra­gen habe; und was thut’s mir, wenn sich Kä­fer und Flü­gel­wür­mer noch auf mein Bün­del set­zen!

Wahr­lich, es soll mir darob nicht schwe­rer wer­den! Und nicht aus euch, ihr Ge­gen­wär­ti­gen, soll mir die gros­se Mü­dig­keit kom­men. – Ach, wo­hin soll ich nun noch stei­gen mit mei­ner Sehn­sucht! Von al­len Ber­gen schaue ich aus nach Va­ter- und Mut­ter­län­dern.

Aber Hei­mat fand ich nir­gends: un­stät bin ich in al­len Städ­ten und ein Auf­bruch an al­len Tho­ren.

Fremd sind mir und ein Spott die Ge­gen­wär­ti­gen, zu de­nen mich jüngst das Herz trieb; und ver­trie­ben bin ich aus Va­ter- und Mut­ter­län­dern.

So lie­be ich al­lein noch mei­ner Kin­der Lan­d, das un­ent­deck­te, im ferns­ten Mee­re: nach ihm heis­se ich mei­ne Se­gel su­chen und su­chen.

An mei­nen Kin­dern will ich es gut ma­chen, dass ich mei­ner Vä­ter Kind bin: und an al­ler Zu­kunft – die­se Ge­gen­wart!

Also sprach Za­ra­thustra.

Von der unbefleckten Erkenntniss

Als ges­tern der Mond auf­gieng, wähn­te ich, dass er eine Son­ne ge­bä­ren wol­le: so breit und träch­tig lag er am Ho­ri­zon­te.

Aber ein Lüg­ner war er mir mit sei­ner Schwan­ger­schaft; und eher noch will ich an den Mann im Mon­de glau­ben als an das Weib.

Frei­lich, we­nig Mann ist er auch, die­ser schüch­ter­ne Nacht­schwär­mer. Wahr­lich, mit schlech­tem Ge­wis­sen wan­delt er über die Dä­cher.

Denn er ist lüs­tern und ei­fer­süch­tig, der Mönch im Mon­de, lüs­tern nach der Erde und nach al­len Freu­den der Lie­ben­den.

Nein, ich mag ihn nicht, die­sen Ka­ter auf den Dä­chern! Wi­der­lich sind mir Alle, die um halb­ver­schloss­ne Fens­ter schlei­chen!

Fromm und schweig­sam wan­delt er hin auf Ster­nen-Tep­pi­chen: – aber ich mag alle lei­se­tre­ten­den Manns­füs­se nicht, an de­nen auch nicht ein Spo­ren klirrt.

Je­des Red­li­chen Schritt re­det; die Kat­ze aber stiehlt sich über den Bo­den weg. Sie­he, kat­zen­haft kommt der Mond da­her und un­red­lich. –

Die­ses Gleich­niss gebe ich euch emp­find­sa­men Heuch­lern, euch, den "Rein-Er­ken­nen­den!« Euch heis­se ich – Lüs­ter­ne!

Auch ihr liebt die Erde und das Ir­di­sche: ich er­rieth euch wohl! – aber Scham ist in eu­rer Lie­be und schlech­tes Ge­wis­sen, – dem Mon­de gleicht ihr!

Zur Ver­ach­tung des Ir­di­schen hat man eu­ren Geist über­re­det, aber nicht eure Ein­ge­wei­de: die aber sind das Stärks­te an euch!

Und nun schämt sich euer Geist, dass er eu­ren Ein­ge­wei­den zu wil­len ist und geht vor sei­ner eig­nen Scham Schleich- und Lü­gen­we­ge.

»Das wäre mir das Höchs­te – also re­det euer ver­lo­gner Geist zu sich – auf das Le­ben ohne Be­gier­de zu schaun und nicht gleich dem Hun­de mit hän­gen­der Zun­ge:

»Glück­lich zu sein im Schau­en, mit er­stor­be­nem Wil­len, ohne Griff und Gier der Selbst­sucht – kalt und asch­grau am gan­zen Lei­be, aber mit trun­ke­nen Mon­desau­gen!«

»Das wäre mir das Liebs­te, – also ver­führt sich sel­ber der Ver­führ­te – die Erde zu lie­ben, wie der Mond sie liebt, und nur mit dem Auge al­lein ihre Schön­heit zu be­tas­ten.

»Und das heis­se mir al­ler Din­ge un­be­fleck­te Er­kennt­niss, dass ich von den Din­gen Nichts will: aus­ser dass ich vor ih­nen da lie­gen darf wie ein Spie­gel mit hun­dert Au­gen.« –

Oh, ihr emp­find­sa­men Heuch­ler, ihr Lüs­ter­nen! Euch fehlt die Un­schuld in der Be­gier­de: und nun ver­leum­det ihr drum das Be­geh­ren!

Wahr­lich, nicht als Schaf­fen­de, Zeu­gen­de, Wer­de­lus­ti­ge liebt ihr die Erde!

Wo ist Un­schuld? Wo der Wil­le zur Zeu­gung ist. Und wer über sich hin­aus schaf­fen will, der hat mir den reins­ten Wil­len.

Wo ist Schön­heit? Wo ich mit al­lem Wil­len wol­len muss; wo ich lie­ben und un­ter­gehn will, dass ein Bild nicht nur Bild blei­be.

Lie­ben und Un­ter­gehn: das reimt sich seit Ewig­kei­ten. Wil­le zur Lie­be: das ist, wil­lig auch sein zum Tode. Also rede ich zu euch Feig­lin­gen!

Aber nun will euer ent­mann­tes Schie­len »Be­schau­lich­keit« heis­sen! Und was mit fei­gen Au­gen sich tas­ten lässt, soll »schön« ge­tauft wer­den! oh, ihr Be­schmut­zer ed­ler Na­men!

Aber das soll euer Fluch sein, ihr Un­be­fleck­ten, ihr Rein-Er­ken­nen­den, dass ihr nie ge­bä­ren wer­det: und wenn ihr auch breit und träch­tig am Ho­ri­zon­te liegt!

Wahr­lich, ihr nehmt den Mund voll mit ed­len Wor­ten: und wir sol­len glau­ben, dass euch das Herz über­ge­he, ihr Lü­gen­bol­de?

Aber mei­ne Wor­te sind ge­rin­ge, ver­ach­te­te: ger­ne neh­me ich auf, was bei eu­rer Mahl­zeit un­ter den Tisch fällt.

Im­mer noch kann ich mit ih­nen – Heuch­lern die Wahr­heit sa­gen! ja, mei­ne Grä­ten, Mu­scheln und Sta­chel­blät­ter sol­len – Heuch­lern die Na­sen kit­zeln!

Schlech­te Luft ist im­mer um euch und eure Mahl­zei­ten: eure lüs­ter­nen Ge­dan­ken, eure Lü­gen und Heim­lich­kei­ten sind ja in der Luft!

Wagt es doch erst, euch sel­ber zu glau­ben – euch und eu­ren Ein­ge­wei­den! Wer sich sel­ber nicht glaubt, lügt im­mer.

Ei­nes Got­tes Lar­ve häng­tet ihr um vor euch sel­ber, ihr »Rei­nen«: in ei­nes Got­tes Lar­ve ver­kroch sich euer greu­li­cher Rin­gel­wurm.

Wahr­lich, ihr täuscht, ihr »Be­schau­li­chen«! Auch Za­ra­thustra war einst der Narr eu­rer gött­li­chen Häu­te; nicht er­rieth er das Schlan­gen­ge­rin­gel, mit de­nen sie ge­stopft wa­ren.

Ei­nes Got­tes See­le wähn­te ich einst spie­len zu sehn in eu­ren Spie­len, ihr Rein-Er­ken­nen­den! Kei­ne bes­se­re Kunst wähn­te ich einst als eure Küns­te!

Schlan­gen-Un­flath und schlim­men Ge­ruch ver­hehl­te mir die Fer­ne: und dass ei­ner Ei­dech­se List lüs­tern hier her­um­schlich.

Aber ich kam euch nah: da kam mir der Tag – und nun kommt er euch, – zu Ende gieng des Mon­des Lieb­schaft!

Seht doch hin! Er­tappt und bleich steht er da – vor der Mor­gen­rö­the!

Denn schon kommt sie, die Glü­hen­de, – ih­re Lie­be zur Erde kommt! Un­schuld und Schöp­fer-Be­gier ist alle Son­nen-Lie­be!

Seht doch hin, wie sie un­ge­dul­dig über das Meer kommt! Fühlt ihr den Durst und den heis­sen Athem ih­rer Lie­be nicht?

Am Mee­re will sie sau­gen und sei­ne Tie­fe zu sich in die Höhe trin­ken: da hebt sich die Be­gier­de des Mee­res mit tau­send Brüs­ten.

Ge­küsst und ge­saugt will es sein vom Durs­te der Son­ne; Luft will es wer­den und Höhe und Fuss­pfad des Lichts und sel­ber Licht!

Wahr­lich, der Son­ne gleich lie­be ich das Le­ben und alle tie­fen Mee­re.

Und diess heisst mir Er­kennt­niss: al­les Tie­fe soll hin­auf – zu mei­ner Höhe!

Also sprach Za­ra­thustra.

Von den Gelehrten

Als ich im Schla­fe lag, da frass ein Schaf am Epheu­kran­ze mei­nes Haup­tes, – frass und sprach dazu: »Za­ra­thustra ist kein Ge­lehr­ter mehr.«

Sprach’s und gieng stot­zig da­von und stolz. Ein Kind er­zähl­te mir’s.

Ger­ne lie­ge ich hier, wo die Kin­der spie­len, an der zer­broch­nen Mau­er, un­ter Dis­teln und ro­then Mohn­blu­men.

Ein Ge­lehr­ter bin ich den Kin­dern noch und auch den Dis­teln und ro­then Mohn­blu­men. Un­schul­dig sind sie, selbst noch in ih­rer Bos­heit.

Aber den Scha­fen bin ich’s nicht mehr: so will es mein Loos – ge­seg­net sei es!

Denn diess ist die Wahr­heit: aus­ge­zo­gen bin ich aus dem Hau­se der Ge­lehr­ten: und die Thür habe ich noch hin­ter mir zu­ge­wor­fen.

Zu lan­ge sass mei­ne See­le hung­rig an ih­rem Ti­sche; nicht, gleich ih­nen, bin ich auf das Er­ken­nen ab­ge­rich­tet wie auf das Nüs­se­knacken.

Frei­heit lie­be ich und die Luft über fri­scher Erde; lie­ber noch will ich auf Och­sen­häu­ten schla­fen, als auf ih­ren Wür­den und Acht­bar­kei­ten.

Ich bin zu heiss und ver­brannt von ei­ge­nen Ge­dan­ken: oft will es mir den Athem neh­men. Da muss ich in’s Freie und weg aus al­len ver­staub­ten Stu­ben.

Aber sie sit­zen kühl in küh­lem Schat­ten: sie wol­len in Al­lem nur Zuschau­er sein und hü­ten sich dort zu sit­zen, wo die Son­ne auf die Stu­fen brennt.

Gleich Sol­chen, die auf der Stras­se stehn und die Leu­te an­gaf­fen, wel­che vor­über­gehn: also war­ten sie auch und gaf­fen Ge­dan­ken an, die And­re ge­dacht ha­ben.

Greift man sie mit Hän­den, so stäu­ben sie um sich gleich Mehl­sä­cken, und un­frei­wil­lig. aber wer er­rie­the wohl, dass ihr Staub vom Kor­ne stammt und von der gel­ben Won­ne der Som­mer­fel­der?

Ge­ben sie sich wei­se, so frös­telt mich ih­rer klei­nen Sprü­che und Wahr­hei­ten: ein Ge­ruch ist oft an ih­rer Weis­heit, als ob sie aus dem Sump­fe stam­me: und wahr­lich, ich hör­te auch schon den Frosch aus ihr qua­ken!

Ge­schickt sind sie, sie ha­ben klu­ge Fin­ger: was will mei­ne Ein­falt bei ih­rer Viel­falt! Al­les Fä­deln und Knüp­fen und We­ben ver­stehn ihre Fin­ger: also wir­ken sie die St­rümp­fe des Geis­tes!

Gute Uhr­wer­ke sind sie: nur sor­ge man, sie rich­tig auf­zu­ziehn! Dann zei­gen sie ohne Falsch die Stun­de an und ma­chen einen be­scheid­nen Lärm da­bei.

Gleich Mühl­wer­ken ar­bei­ten sie und Stamp­fen: man wer­fe ih­nen nur sei­ne Frucht­kör­ner zu! – sie wis­sen schon, Korn klein zu mah­len und weis­sen Staub dar­aus zu ma­chen.

Sie se­hen ein­an­der gut auf die Fin­ger und trau­en sich nicht zum Bes­ten. Er­fin­de­risch in klei­nen Schlau­hei­ten war­ten sie auf Sol­che, de­ren Wis­sen auf lah­men Füs­sen geht, – gleich Spin­nen war­ten sie.

Ich sah sie im­mer mit Vor­sicht Gift be­rei­ten; und im­mer zo­gen sie glä­ser­ne Hand­schu­he da­bei an ihre Fin­ger.

Auch mit falschen Wür­feln wis­sen sie zu spie­len; und so eif­rig fand ich sie spie­len, dass sie da­bei schwitz­ten.

Wir sind ein­an­der fremd, und ihre Tu­gen­den gehn mir noch mehr wi­der den Ge­schmack, als ihre Falsch­hei­ten und falschen Wür­fel.

Und als ich bei ih­nen wohn­te, da wohn­te ich über ih­nen. Dar­über wur­den sie mir gram.

Sie wol­len Nichts da­von hö­ren, dass Ei­ner über ih­ren Köp­fen wan­delt; und so leg­ten sie Holz und Erde und Un­rath zwi­schen mich und ihre Köp­fe.

Also dämpf­ten sie den Schall mei­ner Schrit­te: und am schlech­tes­ten wur­de ich bis­her von den Ge­lehr­tes­ten ge­hört.

Al­ler Men­schen Fehl und Schwä­che leg­ten sie zwi­schen sich und mich: – »Fehl­bo­den« heis­sen sie das in ih­ren Häu­sern.

Aber trotz­dem wan­de­le ich mit mei­nen Ge­dan­ken über ih­ren Köp­fen; und selbst, wenn ich auf mei­nen eig­nen Feh­lern wan­deln woll­te, wür­de ich noch über ih­nen sein und ih­ren Köp­fen.

Denn die Men­schen sind nicht gleich: so spricht die Ge­rech­tig­keit. Und was ich will, dürf­ten sie nicht wol­len!

Also sprach Za­ra­thustra.

Von den Dichtern

»Seit ich den Leib bes­ser ken­ne, – sag­te Za­ra­thustra zu ei­nem sei­ner Jün­ger – ist mir der Geist nur noch gleich­sam Geist; und al­les das »Un­ver­gäng­li­che« – das ist auch nur ein Gleich­niss.«

»So hör­te ich dich schon ein­mal sa­gen, ant­wor­te­te der Jün­ger; und da­mals füg­test du hin­zu: »aber die Dich­ter lü­gen zu­viel.« Wa­rum sag­test du doch, dass die Dich­ter zu­viel lü­gen?«

»Wa­rum? sag­te Za­ra­thustra. Du fragst warum? Ich ge­hö­re nicht zu De­nen, wel­che man nach ih­rem Wa­rum fra­gen darf.

Ist denn mein Er­le­ben von Ges­tern? Das ist lan­ge her, dass ich die Grün­de mei­ner Mei­nun­gen er­leb­te.

Müss­te ich nicht ein Fass sein von Ge­dächt­niss, wenn ich auch mei­ne Grün­de bei mir ha­ben woll­te?

Schon zu­viel ist mir’s, mei­ne Mei­nun­gen sel­ber zu be­hal­ten; und man­cher Vo­gel fliegt da­von.

Und mit­un­ter fin­de ich auch ein zu­ge­zo­ge­nes Thier in mei­nem Tau­ben­schla­ge, das mir fremd ist, und das zit­tert, wenn ich mei­ne Hand dar­auf lege.

Doch was sag­te dir einst Za­ra­thustra? Dass die Dich­ter zu­viel lü­gen? – Aber auch Za­ra­thustra ist ein Dich­ter.

Glaubst du nun, dass er hier die Wahr­heit re­de­te? Wa­rum glaubst du das?«

Der Jün­ger ant­wor­te­te: »ich glau­be an Za­ra­thustra.« Aber Za­ra­thustra schüt­tel­te den Kopf und lä­chel­te.

Der Glau­be macht mich nicht se­lig, sag­te er, zu­mal nicht der Glau­be an mich.

Aber ge­setzt, dass je­mand al­len Erns­tes sag­te, die Dich­ter lü­gen zu­viel: so hat er Recht, – wir lü­gen zu­viel.

Wir wis­sen auch zu we­nig und sind schlech­te Ler­ner: so müs­sen wir schon lü­gen.

Und wer von uns Dich­tern hät­te nicht sei­nen Wein ver­fälscht? Manch gif­ti­ger Misch­masch ge­sch­ah in un­sern Kel­lern, man­ches Un­be­schreib­li­che ward da gethan.

Und weil wir we­nig wis­sen, so ge­fal­len uns von Her­zen die geis­tig Ar­men, son­der­lich wenn es jun­ge Weib­chen sind!

Und selbst nach den Din­gen sind wir noch be­gehr­lich, die sich die al­ten Weib­chen Abends er­zäh­len. Das heis­sen wir sel­ber an uns das Ewig-Weib­li­che.

Und als ob es einen be­sond­ren ge­hei­men Zu­gang zum Wis­sen gäbe, der sich De­nen ver­schüt­te, wel­che Et­was ler­nen: so glau­ben wir an das Volk und sei­ne »Weis­heit.«

Das aber glau­ben alle Dich­ter: dass wer im Gra­se oder an ein­sa­men Ge­hän­gen lie­gend die Ohren spit­ze, Et­was von den Din­gen er­fah­re, die zwi­schen Him­mel und Erde sind.

Und kom­men ih­nen zärt­li­che Re­gun­gen, so mei­nen die Dich­ter im­mer, die Na­tur sel­ber sei in sie ver­liebt:

Und sie schlei­che zu ih­rem Ohre, Heim­li­ches hin­ein zu sa­gen und ver­lieb­te Schmei­chel­re­den: des­sen brüs­ten und blä­hen sie sich vor al­len Sterb­li­chen!

Ach, es giebt so viel Din­ge zwi­schen Him­mel und Er­den, von de­nen sich nur die Dich­ter Et­was ha­ben träu­men las­sen!

Und zu­mal über dem Him­mel: denn alle Göt­ter sind Dich­ter-Gleich­niss, Dich­ter-Er­schleich­niss!

Wahr­lich, im­mer zieht es uns hin­an – näm­lich zum Reich der Wol­ken: auf die­se set­zen wir uns­re bun­ten Bäl­ge und heis­sen sie dann Göt­ter und Über­menschen: –

Sind sie doch ge­ra­de leicht ge­nug für die­se Stüh­le! – alle die­se Göt­ter und Über­menschen.

Ach, wie bin ich all des Un­zu­läng­li­chen müde, das durch­aus Er­eig­niss sein soll! Ach, wie bin ich der Dich­ter müde!

Als Za­ra­thustra so sprach, zürn­te ihm sein Jün­ger, aber er schwieg. Und auch Za­ra­thustra schwieg; und sein Auge hat­te sich nach in­nen ge­kehrt, gleich als ob es in wei­te Fer­nen sähe. End­lich seufz­te er und hol­te Athem.

Ich bin von Heu­te und Ehe­dem, sag­te er dann; aber Et­was ist in mir, das ist von Mor­gen und über­mor­gen und Einst­mals.

Ich wur­de der Dich­ter müde, der al­ten und der neu­en: Ober­fläch­li­che sind sie mir Alle und seich­te Mee­re.

Sie dach­ten nicht ge­nug in die Tie­fe: dar­um sank ihr Ge­fühl nicht bis zu den Grün­den.

Et­was Wol­lust und et­was Lan­ge­wei­le: das ist noch ihr bes­tes Nach­den­ken ge­we­sen.

Ge­s­pens­ter-Hauch und –Hu­schen gilt mir all ihr Har­fen-Kling­klang; was wuss­ten sie bis­her von der In­brunst der Töne! –

Sie sind mir auch nicht rein­lich ge­nug: sie trü­ben Alle ihr Ge­wäs­ser, dass es tief schei­ne.

Und ger­ne ge­ben sie sich da­mit als Ver­söh­ner: aber Mitt­ler und Mi­scher blei­ben sie mir und Halb-und-Hal­be und Un­rein­li­che! –

Ach, ich warf wohl mein Netz in ihre Mee­re und woll­te gute Fi­sche fan­gen; aber im­mer zog ich ei­nes al­ten Got­tes Kopf her­auf.

So gab dem Hung­ri­gen das Meer einen Stein. Und sie sel­ber mö­gen wohl aus dem Mee­re stam­men.

Ge­wiss, man fin­det Per­len in ih­nen: um so ähn­li­cher sind sie sel­ber har­ten Schal­thie­ren. Und statt der See­le fand ich oft bei ih­nen ge­sal­ze­nen Schleim.

Sie lern­ten vom Mee­re auch noch sei­ne Ei­tel­keit: ist nicht das Meer der Pfau der Pfau­en?

Noch vor dem häss­lichs­ten al­ler Büf­fel rollt es sei­nen Schweif hin, nim­mer wird es sei­nes Spit­zen­fä­chers von Sil­ber und Sei­de müde.

Trut­zig blickt der Büf­fel dazu, dem San­de nahe in sei­ner See­le, nä­her noch dem Dickicht, am nächs­ten aber dem Sump­fe.

Was ist ihm Schön­heit und Meer und Pfau­en-Zie­rath! Die­ses Gleich­niss sage ich den Dich­tern.

Wahr­lich, ihr Geist sel­ber ist der Pfau der Pfau­en und ein Meer von Ei­tel­keit!

Zuschau­er will der Geist des Dich­ters: soll­ten’s auch Büf­fel sein! –

Aber die­ses Geis­tes wur­de ich müde: und ich sehe kom­men, dass er sei­ner sel­ber müde wird.

Ver­wan­delt sah ich schon die Dich­ter und ge­gen sich sel­ber den Blick ge­rich­tet.

Büs­ser des Geis­tes sah ich kom­men: die wuch­sen aus ih­nen.

Also sprach Za­ra­thustra.

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