Loe raamatut: «Mit dem Wohnmobil durch die Welt — trotz Rollstuhls im Gepäck», lehekülg 13

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Mit der Rückkehr auf den Highway One begann das wohl spektakulärste Wegstück, die kalifornische Zentralküste Big Sur, rau und von atemberaubender Schönheit. Schmal, kurvenreich und mit zahlreichen Steigungen und Gefällstrecken folgt die Straße der Kontur des Küstengebirges, von den Viewpoints boten sich uns Schwindel erregende Ausblicke auf den schäumenden Pazifik und die sich staffelnden Rücken der Coast Range.

Es wurde langsam dunkel, die Landschaft in ein diffuses, fast unheimliches Licht getaucht, keine Menschenseele weit und breit. Entgegen unserer sonstigen Gepflogenheit, rechtzeitig einen Stehplatz für die Nacht aufzusuchen, hatten wir immer noch keinen Campground gefunden, denn in dem angeblich so freien Amerika ist es leider nicht erlaubt in freier Natur zu stehen. Endlich wurden wir vor der kleinen Ortschaft

- Big Sur -

fündig, einem Hinweisschild folgend bogen wir in eine kleine Straße mit halsbrecherischem Gefälle ein, vor uns eine dunkle undurchdringliche Wand. Vorsichtshalber stieg ich aus, um mit einer Taschenlampe das stockdunkle Gelände näher zu erkunden. Der angesteuerte Platz befand sich unter riesigen Redwood-Bäumen mit weit ausladenden dichten Wipfeln, lag also noch mehr im Finstern als die Straße. Gott sei Dank stieß ich wie Hänsel und Gretel auf eine Hütte, aus deren Fenstern schummeriges Licht fiel. Auf mein Klopfen öffnete statt der Hexe allerdings der Pächter, der sich zusammen mit seiner Frau gerade eine der unzähligen Serien im Fernsehen ansah. Dank der von mir mitgebrachten Internationalen Campingkarte und der Master Card waren die Formalitäten schnell abgeschlossen, und er begleitete uns zu dem uns zugewiesenen Platz zwischen zwei gewaltigen Stämmen, hoch über dem Big Sur River, den man in der Tiefe rauschen hörte. Nachbarn waren nicht zu sehen. Bei gemütlichem Kerzenschein ließen wir uns ein schnell zubereitetes leckeres Abendessen schmecken und den langen, aber sehr schönen Tag noch einmal Revue passieren. Um 10.30 p. m. fielen wir todmüde in unser kuscheliges Doppelbett.

Da kaum Tageslicht durch die Kronen der riesigen Bäume fiel, beschlossen wir am nächsten Morgen, uns außerhalb des Campgrounds einen etwas helleren Frühstücksplatz zu suchen, was uns dann auch schon nach kurzer Zeit auf einem Viewpoint hoch über dem Meer gelang. Den Abgrund konnte man allerdings nur ahnen, da dichter Nebel den Blick in die Tiefe versperrte. Wir standen jedoch in hellem Sonnenschein und genossen zur anderen Seite hin einen herrlichen Blick auf die Santa Lucia Range. Frisch gestärkt brachen wir erneut auf zu Serpentinenfahrt in Schwindel erregende Höhen, kurze Blicke durch aufreißende Nebelschwaden führten zu beachtlichem Anstieg meines Adrenalinspiegels und etwas verstärktem Druck in der Magengegend. Auf steilen Kehren wand sich die Straße dann wieder hinab zu romantischen Sandbuchten und durch malerische kleine Orte.

Nach drei Stunden Auf- und Abstieg gönnten wir uns eine erholsame Kuchenpause auf einem Parkplatz über wild zerklüfteten Klippen, an denen sich der Pazifik mit donnerndem Getöse gischtend brach. Hier hatte sich der Nebel inzwischen verzogen, und eine nahe Vogelinsel, von der ohrenbetäubender Lärm herüberwehte, ließ uns wieder einmal zu unserem Fernglas greifen; auf den Felsen ein unübersehbares Gewimmel der verschiedensten Vogelarten, laut kreischende Möwen, mitten dazwischen eine Kormorankolonie, etwas abseits als ruhender Pol einige braune Pelikane mit ihren weißen Köpfen, die weiten Schwingen majestätisch ausgebreitet; in der Luft nicht minder voll, ein ständiges Starten, Landen, Kreisen und Schweben, plötzliches Herabstoßen zu zappelndem Fischfang, ein Wunder, dass es bei diesem Durcheinander nicht ständig zu spektakulären Zusammenstößen kommt!

Da nach der nächsten Kurve auch der nach wie vor ziemlich schmale Highway total im Nebel versank, ergriffen wir nach fast einstündiger „Blindfahrt“ hinter der verträumten Ortschaft San Luis Obispo die Gelegenheit, auf eine fast parallel verlaufende Straße im Landesinneren auszuweichen. In herrlichem Sonnenschein rollten wir dann durch eine wunderschöne hügelige Landschaft, rundum gepflegtes Ranchland, als malerische Tupfen hübsche weiße Farmhäuser, umgeben von den attraktiven nicht minder weißen Zäunen. Eine kleine Grocery lud uns dazu ein, unsere Vorräte etwas aufzustocken.

Weil wir nicht wieder riskieren wollten, in die Dunkelheit hineinzukommen, fingen wir etwas früher mit der Suche nach einem passenden Campground an und wurden kurz vor Beginn der Dämmerung hoch über dem

- Lake Cachuma -

idyllisch im Santa Ynez Valley gelegen, fündig. Wir bekamen einen tollen Platz mit direktem Blick auf den See und die sich dahinter auftürmenden Berge zugewiesen. Als Nachbarn hatten wir in einiger Entfernung ein sich als sehr nett entpuppendes schwarzes Ehepaar, mit dem wir uns eine Weile angeregt unterhielten, natürlich stellten sie u. a. die üblichen Fragen: „Where are you from and where are you going?“ Mit dem gegenseitigen Wunsch: „Enjoy your trip!“ trennten wir uns nach halbstündigem Plausch, inzwischen war es wieder 8 p. m. und somit stockdunkel.

Mit größtem Appetit verspeisten wir die kurz zuvor frisch erstandenen Brötchen und andere Leckereien, um uns dann mit einem kühlen Drink draußen auf einer der zu unserem Stehplatz gehörenden vier Bänke niederzulassen und bei Grillengezirpe und „melodischem“ Froschgequake den lauen Abend zu genießen. Ein herrlicher Vollmond, der sich unten im See spiegelte, machte die Szenerie perfekt! Gegen 10.30 p. m. siegte jedoch die Müdigkeit über die romantische Stimmung, und nach einer halben Stunde erhellte nur noch das fahle Licht des Mondes das Innere unseres Mobis.

Geweckt wurden wir von hellem Sonnenschein, und bei dem traumhaften Ausblick fand das ausgiebige Frühstück natürlich auf unserem Stehplatz statt. Bei schönstem Wetter (etwa 25°C) ging es bestens gelaunt gegen 11 a. m. wieder „on the road“. Durch die grandiose Bergwelt der überwiegend bewaldeten Santa Ynez Mountains erreichten wir schon bald das herrlich an einem langen feinsandigen Strand gelegene Seebad Santa Barbara, eine pulsierende Stadt, Anziehungspunkt für Touristen und auch ein beliebter Wohnort für Prominente. Verglichen mit anderen kalifornischen Städten blieb hier der spanisch mexikanische Einfluss im Stadtbild erhalten, obwohl Santa Barbara 1925 von einem schweren Erdbeben heimgesucht wurde. Die Stadtplaner entschieden sich zum Glück für den Wiederaufbau der vielen zerstörten Gebäude im Originalstil.

Eine übliche private Sightseeingtour führte uns kreuz und quer durch den belebten, sich weit hinziehenden Ort, von einigen der zum Teil recht steilen Straßen, die meisten dicht an dicht gesäumt von schönen alten Laubbäumen im Wechsel mit hohen schlanken, die niedrigen Dächer überragenden Palmen, ergaben sich spektakuläre Ausblicke auf die schroffen Gipfel der Santa Ynez Mountains und die sich zu ihren Füßen ausbreitenden zwischen viel Grün bebauten Hügel. Zuletzt „kletterten“ wir für ein Erinnerungsfoto zu der eigentlichen Keimzelle von Santa Barbara empor, der sich auf einer Anhöhe inmitten von Eukalyptushainen ausbreitenden gleichnamigen Franziskanermission, der so genannten Queen of the Missions, gilt sie doch mit ihren gepflegten weißen Gebäuden als eine der besterhaltenen unter den kalifornischen Missionen, gegründet im Dezember 1786 zur Bekehrung der damals in der Region lebenden Chumash Indianer. 1812 und ebenso 1925 bei schwerem Erdbeben zerstört und wieder aufgebaut, ist sie die einzige Mission in Kalifornien, die immer noch unter der Leitung von Franziskanermönchen steht.

Der ganze über zwei Etagen gehende Gebäudekomplex mit weiß getünchten Wänden und hellroten, etwas verblichenen Ziegeldächern bildet ein großes Karree, in dessen Inneren kreuzweise aneinander gebaute Flügel wiederum mehrere Innenhöfe bilden, einige davon liebevoll in blühende Oasen verwandelt.

Besonders auffallend das auf der Vorderseite sich rechts an den lang gestreckten, von Pfeilern getragenen Arkadengang anschließende, etwas vorspringende weiß gemauerte Portal der Kirche. Eine breite Freitreppe führt zur mächtigen rundbogigen Eingangstür, zu beiden Seiten je drei schlanke, rosa getönte Säulen, bis an den hohen, kunstvoll gestalteten dreieckigen Giebel reichend, der Rand ebenfalls rosa eingefärbt; daneben jeweils ein wuchtiger quadratischer, sich nach oben hin verjüngender zweistufiger Glockenturm, hinter schmalen abgerundeten Maueröffnungen sind die dunklen Glocken zu erkennen. Passend zu der übrigen Gestaltung zeigen sich die Kanten der Türme ebenfalls in kräftigem Rosa sowie auch die krönenden Kuppeln.

Für weitere Farbtupfer sorgen exotische, teils üppig blühende Pflanzen in den ummauerten Beeten entlang der Arkaden und die hohen schlanken Palmen, deren windzerzauste Gipfel in die roten Dächer hineinragen. Der asphaltierte große Vorplatz wird aufgelockert durch mächtige weit verzweigte Laubbäume, jeweils durch einen sie umgebenden Holzzaun geschützt, und ein kantig gemauertes Brunnenbecken mit in leuchtenden Farben blühenden Seerosen; in der Mitte eine etwas verwitterte Skulptur, auf hohem Sockel übereinander zwei mit unterschiedlichen Gravuren gestaltete steinerne Schalen, die obere, etwas kleinere getoppt durch ein bauchiges grün schimmerndes Tongefäß.

Am kilometerweiten von großen Palmen beschatteten Sandstrand, an dem reges buntes Treiben herrschte, legten wir etwas später unsere gewohnte Kuchenpause ein, um dann frisch gestärkt auf den Freeway 101 zu gehen, der uns zu unserem nächsten Ziel, dem mit 3,5 Millionen Einwohnern zu den größten Städten Kaliforniens zählenden

- Los Angeles -

bringen sollte und schließlich in eine der achtspurigen Autobahnen mündete, die wie ein dichtes Netz die Stadt durchziehen und sich auf sieben Ebenen über elf Rampen und ebenso viele Brücken treffen. Wahnsinn, und genau so wahnsinnig war der Verkehr! Hier wurden wir zum ersten Mal mit der Intoleranz vieler amerikanischer Autofahrer konfrontiert. Äußerst rechts fahrend, zeigte uns schon nach kurzer Zeit ein Schild: Exit only! Da wir natürlich nicht die erste Ausfahrt nehmen wollten, mussten wir die Spur wechseln, was uns nur unter größten Schwierigkeiten gelang, es wurde wild gehupt und rücksichtslos vorbeigerast. Wir hielten uns also mehr in der Mitte, auf dem vor mir ausgebreiteten Stadtplan suchte ich die für uns günstigste Abfahrt heraus.

Da uns das Civic Center mit seinen unzähligen hoch aufragenden modernen Verwaltungs- und Regierungsgebäuden nicht sonderlich anzog, beschlossen wir, zunächst einmal dem nordwestlich gelegenen Stadtteil Hollywood einen Besuch abzustatten. Schließlich wies uns das große bekannte Schriftband mit den 15 m hohen Buchstaben den Weg. Wir ließen uns Zeit für eine ausgedehnte Sightseeingtour, den langen Hollywood Boulevard mit seinen historischen Relikten aus ruhmvollen Zeiten rauf und runter. In der Nähe des prunkvollen Grauman`s Chinese Theatre, von Drachen bewacht und 1920 im Stil einer chinesischen Pagode erbaut eines der wohl bekanntesten Premierenkinos, ergatterten wir einen Parkplatz und konnten so auch den den berühmten Walk of Fame, der direkt vor dem Theater beginnt, in Augenschein nehmen. In den schwarzen Terrazzo-Belag des Bürgersteigs sind Messingschilder bzw. rosa Sterne aus Marmor mit den Namen berühmter Filmschauspieler eingelassen. Etwa 1.800 Hollywood-Größen und solche, die sich dafür halten, haben sich dort verewigen lassen, einige hinterließen im Zement ihre Visitenkarte in Form von Hand- und Fußabdrücken nebst Unterschrift, na ja!

Der etwas weiter südlich parallel verlaufende Sunset Boulevard, der Teil zwischen Hollywood und Beverly Hills auch Strip genannt, bildet das Zentrum des Nachtlebens von L.A., aber auch die Musikszene ist mit Plattenläden und Künstleragenturen vertreten, auf riesigen Plakatwänden stellen Film- und Musikindustrie ihre Neuerscheinungen vor. In westlicher Richtung brachte er uns direkt in das mondäne Villenviertel Beverly Hills, wo die Größen von Film- und Showbusiness ihre luxuriösen und vielfach recht extravaganten Wohnsitze haben, zum großen Teil verborgen hinter gewaltigen Hecken und Mauern. Ganz gemächlich ließen wir uns kreuz und quer durch die stillen, von hohen Palmen oder mächtigen Kiefern gesäumten Straßen treiben, Fußgänger waren weit und breit nicht zu sehen, über den Canon Drive, den Beverly Drive, den Crescent und Roxbury Drive, um zuletzt auf dem belebteren Rodeo Drive zu landen, der wohl teuersten Ladenzeile der USA.

Da inzwischen später Nachmittag war, wurde es Zeit, sich um einen Stehplatz zu kümmern, also wendeten wir uns der Pazifikküste zu, an der einige Campgrounds liegen sollten. In Santa Monica, einem am westlichen Stadtrand gelegenen hübschen Seebad, stießen wir wieder auf den Highway One, den wir in südlicher Richtung „abklapperten“. Einen angebotenen Platz nach dem anderen ließen wir jedoch rechts liegen, entweder war der Flugplatz in unmittelbarer Nähe oder ausgedehnte Industrieanlagen. Endlich entdeckten wir kurz vor dem Dunkelwerden um 7.30 p. m. eine ausgesprochene Perle im sich südlich an den Hafen von Los Angeles anschließenden

- Long Beach -

als Badeort gegründet und inzwischen einer der größten Häfen an der Pazifikküste. Im Shoreline Recreation Park bekamen wir einen sehr schönen Platz unweit der Mündung des Los Angeles River. Unser wohlverdientes Abendessen schmeckte besonders gut mit einem herrlichem Blick auf die Hauptattraktion von Long Beach, die am Pier vertäute hell erleuchtete Queen Mary, mit ihren 308 m Länge und 12 Decks damals das größte jemals gebaute Passagierschiff, inzwischen beherbergt sie ein Hotel, mehrere Restaurants und ein Museum. Ein wieder voller Mond und leuchtender Sternenhimmel verstärkten noch die romantische Stimmung, die wir wieder bis in den späten Abend hinein auskosteten.

Für den nächsten Tag hatten wir uns den Besuch des im nahen

- Anaheim -

gelegenen 1955 gegründeten Vergnügungsparks Disneyland vorgenommen, der zur größten Touristenattraktion des Westens aufstieg. Schon um 8.30 a. m. brachen wir bei wiederum hellem Sonnenschein auf, nicht ohne vorher die so imposante Queen Mary auf ein Foto gebannt zu haben, ebenso eine der nahe der Küste gelegenen riesigen Bohrplattformen, wegen des reichen Erdölvorkommens noch in Betrieb, durch die Bepflanzung mit hohen attraktiven Palmen wie zum Sonnenbaden einladende Urlaubsinseln wirkend.

Eine Stunde später erreichten wir unser Ziel. Dank der Superorganisation, was den Umgang mit Behinderten anbelangt, bekamen wir ohne Schwierigkeiten einen der vielen, direkt neben dem Eingang speziell reservierten Parkplätze, das deutsche blaue Behindertenschild mit dem weißen Rollstuhlemblem wurde ohne weiteres anerkannt. Ein paar Schritte weiter nahmen wir die Chance wahr, für 8 Dollar einen Rollstuhl zu mieten, und von da an war mein Herzallerliebster nicht mehr zu bremsen, hemmungslos und ausgelassen stürzten wir uns ins Gewühl und machten die überwältigende Erfahrung, dass einem als Rollifahrer von allen Seiten spontane Hilfsbereitschaft entgegengebracht wird. Bei allen der so zahlreich angebotenen Attraktionen, überall lange Warteschlangen, wurden wir sofort sehr freundlich an den Anfang dirigiert und konnten so alles, was nur möglich war, ausnutzen, von der Postkutsche in die hypermoderne Monorail, in Gondeln durch die Lüfte schwebend, mit Expeditionsboot durch den Dschungel, mit dem Raddampfer Mark Twain in gemächlicher Fahrt über die Rivers of America, mit dem U-Boot auf Tauchgang, eine rasante Achterbahnfahrt durch das stockfinstere Weltall, und das mit einem Big Mac und Diet Coke im Magen, im Frontierland sich in den Wilden Westen und die Zeit der Goldgräber zurückversetzen lassen, im Tomorrowland einen Raketenstart miterleben usw. usw.. Mit enormem technischen Aufwand werden Illusionen geweckt und Traumwelten geschaffen, die groß und klein gleichermaßen begeistern; zur ganz besonderen Freude der Kleinen mischen sich die bekanntesten Figuren aus den Walt-Disney-Filmen, wie z.B. Mickey-Mouse, Goofy, Donald und Daisy Duck und viele andere mehr immer wieder unter die Besucher.

Nach acht wahnsinnig schnell vergangenen Stunden, kaum zu glauben, also gegen 5 p. m. belegten wir einen sehr schönen Platz auf einem in unmittelbarer Nähe liegenden Campingplatz. Hier konnten wir uns zum ersten Mal in der Kunst des Dumpings üben, d. h. der Inhalt des in amerikanischen Wohnmobilen überwiegend statt tragbarer Toilette üblichen Fäkalientanks musste entsorgt werden. Nach anfänglichen Schwierigkeiten mit dem sperrigen, leicht brechenden Schlauch klappte es endlich. Wir nutzten auch gleich die Gelegenheit, unseren 200 l Frischwassertank, der durch das Duschen schon ziemlich leer war, wieder aufzufüllen. Nach getaner Arbeit belohnten wir uns, landfein gemacht, mit einem viergängigen sehr leckeren Menü und einer Flasche kalifornischem Wein (dringend nötig nach dem mittäglichen Fast Food) in einem neben dem Platz liegenden eleganten Restaurant, man bediente in Frack und langen Abendkleidern. Bei Kerzenschein und leiser Musik ließen wir uns sehr viel Zeit, den wiederum tollen Tag ausklingen zu lassen.

Am nächsten Morgen stand eine andere Sehenswürdigkeit auf dem Programm, die Universal Studios im Norden von L.A., die größte Fernseh- und Filmfabrik der USA. Also fädelten wir uns schon um 8.30 a. m. in das verwinkelte Freeway-System ein. Es war Samstag und bei geringem Verkehrsaufkommen angenehmes Fahren. Zum ersten Mal in diesem Urlaub fiel etwas Regen, aber bereits, als wir nach einer Stunde wieder direkt am Eingang einen Behindertenparkplatz belegten, riss die Bewölkung auf und ließ allmählich die Sonne durch.

Nach der tollen Erfahrung am vorherigen Tag mieteten wir natürlich sofort einen Rollstuhl, dieses Mal für nur 2 Dollar. Zunächst stellten wir uns in die lange Reihe der Wartenden an der Glamour Tram, als diese jedoch nach ein paar Minuten eintraf, wurden wir wieder an den Anfang geholt und bekamen vom Fahrer freundliche Hilfe beim Einsteigen und Verstauen des Rollstuhls, erst dann stiegen ohne Hektik die anderen Fahrgäste ein, die bis dahin ganz geduldig gewartet hatten. In einer fast dreistündigen Tour ließen wir alle möglichen Schreckensszenarien über uns ergehen, die in Action-Filmen angewandt werden, wie z.B. ein Hausbrand, ein Brückeneinsturz, eine Springflut und ein Lawinenabgang; auch King Kong und riesige Dinosaurier kommen zum Zuge, und der nicht minder große Weiße Hai lauert auf Beute. Höhepunkt ist das Erdbeben mit der Stärke 8,3 auf der Richter-Skala in einer U-Bahnstation. Nun, man musste es einfach mal mitgemacht haben.

Das Gleiche gilt für die verschiedenen Live-Shows, bei denen man Stuntmen bei ihrer Arbeit zusehen konnte. Da Wochenende, war es natürlich überall besonders voll, aber egal, wo wir auftauchten, bekamen wir einen Platz in der ersten Reihe. Für das leibliche Wohl gab es wieder Fast Food satt. Das weite, sehr großzügig angelegte Gelände mit künstlichen Seen und gewaltigen Wasserfällen, farbenprächtigen Blumenrabatten und den pittoresken Potemkinschen Straßenzügen, die als Filmkulissen gedient hatten, lud zu einem ausgedehnten Spaziergang ein.

Gegen 4 p m. hatten wir genug gesehen, über den Santa-Monica-Drive erreichten wir wieder die Küste, und stießen etwas weiter südlich auf die

- Marina Del Rey -

den eleganten Yachthafen von L.A. und beschlossen spontan, einmal nicht auf einen Campground zu gehen, sondern auf dem Parkplatz mit Blick auf die zum Teil traumhaften Yachten die Nacht zu verbringen, in der Nähe liegende Wohnhäuser gaben uns die nötige Sicherheit. Da weit und breit kein Restaurant zu sehen war, musste an Bord gekocht werden. Zu diesem Zwecke sollte eine Dose aus den Vorräten geöffnet werden. Leider spielte jedoch der vorhandene umständliche Öffner nicht mit, er brach in viele Einzelteile auseinander und landete im Mülleimer. Notgedrungen stiegen wir also auf belegte Brote und Obst um.

Die nahe Mole lud uns zu einem kurzen Spaziergang ein, dann ließen wir uns gemütlich mit einem kühlen Drink bei Kerzenschein auf unserer bequemen Bank nieder, einschmeichelnde Töne einer Pan-Flöte sorgten für die musikalische Untermalung. Aber das plötzliche laute Piepen unseres Gasdetektors und rotes Blinklicht rissen uns aus unseren Träumen. Schleunigst kramten wir die entsprechende Gebrauchsanleitung aus unseren Unterlagen; seitenlang in amerikanischem Englisch gehalten, war aus ihr nichts Vernünftiges zu entnehmen, danach war die Situation jedenfalls „very dangerous“ und wir sollten fluchtartig den Wagen verlassen und am besten die umliegenden Häuser räumen lassen. Nun, wir verließen zwar etwas genervt das Mobi, aber um draußen am Tank den Gashahn abzustellen. Vorsichtig machten wir eine Streichholzprobe, nichts passierte. Das Licht im Innenraum, das wir natürlich zum Lesen gebraucht hatten, wurde zusehends schwächer, wir warfen kurz den Motor an, sofort hörte der Detektor auf zu lärmen und das Blinklicht erlosch. Aha, beides zeigte also auch an, wenn die Batterie fast leer wurde. Wir ließen die Maschine noch eine Weile laufen und fielen dann nach all diesen Aktivitäten erst kurz vor Mitternacht todmüde in die Koje.

Der Sonntag bescherte uns wieder schönstes Spätsommerwetter. Entsprechend gelaunt brachen wir kurz vor 10 a. m. in südlicher Richtung auf, um zunächst bei der ersten sich bietenden Gelegenheit zu tanken, was etwas längere Zeit in Anspruch nahm, da man sich erst mit dem System vertraut machen musste, das bei weitem nicht an allen Tankstellen gleich ist. Ein riesiger direkt an der Straße gelegener Supermarkt verlockte uns dazu, unsere dezimierten Vorräte mit vielen Leckereien wieder aufzufüllen, wohlgemerkt am Sonntag!

Kurze Zeit später nahm der Highway One uns wieder auf und führte uns an herrlichen weißen Stränden entlang, nur unterbrochen durch die obligate Kuchenpause mit fast ofenfrischen Muffins, natürlich mit traumhaftem Ausblick auf den rauschenden Pazifik. Dann ging es weiter immer am Meer entlang bis zu unserem Tagesziel