Loe raamatut: «Mit dem Wohnmobil durch die Welt — trotz Rollstuhls im Gepäck», lehekülg 7

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- Vances -

einem alten Städtchen mit malerischer Altstadt, durchzogen von schmalen Gassen, an den Balken der Häuser lustige Schnitzereien, unter den mächtigen grauen Befestigungsmauern aus dem 13. bis 17. Jahrhundert mit ihren drei aufstrebenden Türmen bunte Blütenpracht. Herausragend die imponierende Kathedrale Saint-Pierre in spätgotischem Stil. Das Besondere an Vannes ist die Austernzucht, die Lage an einer großen, fast kreisrunden, durch einen schmalen Eingang sehr geschützten Bucht ist dafür geradezu ideal.

Eine tolle Bleibe fanden wir etwas weiter um die Bucht herum auf einem wunderschönen Naturparkplatz zwischen zwei breiten Wasserzügen, durch die allerdings wieder einmal herrschende Ebbe mehr einem Wattenmeer gleichend; in hohen Schaftstiefeln waren einige Angler unterwegs, nach Würmern oder anderem Kleingetier suchend, ebenso die pfeilgeschwind hin und her sausenden kreischenden schneeweißen Möwen. Einige der dort ankernden Yachten hatten bereits eine unangenehme Schieflage eingenommen. Wir genossen diese Idylle noch eine Weile in der angenehm warmen Sonne von unseren bequemen Stühlen aus. Natürlich hatten wir wieder nette Nachbarn, dieses Mal allerdings nur vier, mutterseelenallein war man in Frankreich offensichtlich nie, nun, aus Gründen der Sicherheit konnte es uns nur recht sein.

Der krönende Abschluss dieses herrlichen Tages war wieder ein exquisites Dinner in einem nahen, direkt an der Bucht gelegenen eleganten Hotelrestaurant. Trotz der hier natürlich angebotenen frischesten Austern wählte ich lieber die Hummerkrabben in delikater Kräutersoße als Vorspeise, das Lachsfilet vom Grill mit leicht knackigem Gemüse und Safranreis ließ keine Wünsche offen, ebenso wenig wie die sehr pikante Käseauswahl zum Abschluss, zu allem mundete vorzüglich ein spritziger Chablis. Für die Romantik sorgte ein blutroter Sonnenuntergang über dem Meer, den wir von unserem Fensterplatz aus in seiner atemberaubenden Schönheit genießen konnten.

Am Mittwoch ging es weiter um die nächste große Bucht herum, Wetter wie gehabt, Stimmung entsprechend. Durch weite, künstlich angelegte Pinienwälder erreichten wir gegen Mittag La Baule, ein sehr exklusives Seebad mit Luxushotels, einem Spielkasino und kilometerlangem feinen Sandstrand, einem der schönsten Frankreichs. Auf der belebten Hafenmole, per Zufall wurde in der Nähe ein Parkplatz frei, ergatterten wir unter einem der einladenden rotweißen Sonnenschirme eines kleinen Restaurants zwei bequeme Stühle und beobachteten bei eisgekühlten Getränken das bunte Treiben um uns herum, um dann mit Genuss eine große Portion knackigen, appetitlich angerichteten Salat Nicoise zu verspeisen; Hauptzutaten in Scheiben geschnittene gekochte Kartoffeln, Tomatenachtel, Paprikastreifen, hauchdünne Zwiebelringe, in kleine Stücke zerteilter Thunfisch, geviertelte Eier und schwarze Oliven.

Frisch gestärkt brachen wir wieder auf, schon nach 17 Kilometern fuhren wir in die geschäftige Hafenstadt Saint-Nazaire am Nordufer der breiten Loiremündung ein, im Zweiten Weltkrieg einer der wichtigsten deutschen U-Boot-Stützpunkte. Eine kühn geschwungene Rampe brachte uns auf dem hohen, an zwei mächtigen Pylonen aufgehängten Mittelteil der Brücke über den Fluss und an der anderen Seite auf sanft abfallender, aufgeständerter Fahrbahn wieder hinunter. Auf nach wie vor sehr schöner Küstenstrecke ging es weiter, bis wir in dem hübschen, aber sehr überlaufenen Badeort

- Les Sables d’Olonne -

etwas abseits vom Getriebe direkt an der Mole für Gästelieger im dortigen Yachthafen unser „Nachtlager aufschlugen“. Draußen in der langsam untergehenden Sonne die mehr oder minder geglückten Anlegemanöver der hereinkommenden Boote beobachtend, wurden wir sehr an unsere aufregende Zeit mit der schon erwähnten „Gimoga“ erinnert. Unsere restlichen Vorräte ergaben noch ein leckeres Abendessen an Bord. Obwohl sich kein anderes Wohnmobil an diesen schönen Ort verirrt hatte, schliefen wir selig und süß, das leise Plätschern der sich an der Mole brechenden Wellen im Ohr.

Am nächsten Morgen, sonnig wie immer, kam uns ein Hinweisschild auf einen Supermarkt gerade recht, um uns wieder mit Lebensmitteln und Getränken einzudecken. Leider führte es uns in engste Gassen, ich musste aussteigen und als Lotse dienen; teilweise waren nur noch wenige Zentimeter Platz bis zu den Hauswänden, Fußwege gab es nicht; zurück ging nicht mehr, also durch; einige leichte Schrammen ließen sich leider nicht vermeiden. Das reichhaltige Angebot des Supermarktes, unter anderem entdeckten wir auch Pakete mit deutschem Schwarzbrot, entschädigte uns ein wenig. Durch ein anderes Labyrinth kehrten wir Gott sei Dank ohne weitere Blessuren wieder an unsere etwas breitere Küstenstraße zurück, die uns über die lebhafte Hafenstadt La Rochelle bis in das kleine Städtchen

- Roman -

am Nordausgang der Gironde, dem weiten Mündungstrichter der Garonne, führte.

Von dort wollten wir eigentlich mit der Fähre auf die andere Seite übersetzen, entdeckten aber links der Straße einen herrlichen See, der uns sofort stoppen ließ, um ihn wegen eventueller Bademöglichkeit zu erkunden, denn inzwischen war das Barometer auf fast 30°C gestiegen; der Atlantik zeigte sich wie fast immer wild bewegt und mit 17°C Wassertemperatur auch etwas kühl. Leider war das gesamte Gewässer in fester Hand eines Campingplatzes, da aber sehr schön, fuhren wir kurzerhand durch die offene Schranke, um uns für eine Nacht anzumelden. Obwohl eigentlich ausgebucht, gelang es uns nach einigem Verhandeln, zum Teil mit Händen und Füßen, der Französischunterricht lag schon so lange zurück, einen Traumplatz etwas abseits vom Getriebe zu ergattern, direkt am sandigen Ufer, beschattet von hohen Birken, mit Blick auf den sich auf der anderen Seite entlangziehenden dichten Wald. Innerhalb kürzester Zeit stürzten wir uns in die smaragdgrünen klaren Fluten, um uns hinterher unter unserem Sonnenschirm zu aalen, so ging es im Wechsel den ganzen Nachmittag. Auf dem See reges Treiben, Paddler und Ruderboote zogen ruhig ihre Kreise, dazwischen mehr oder minder geschickt Surfer auf ihren Brettern, die kunterbunten Segel leicht gebläht; auf einer nahen Sprungschanze versuchten Wasserskiläufer akrobatische Sprünge, die allerdings meistens mit einem gewaltigen Platsch endeten.

Abends fuhren wir mit dem Mobi zu einer kleinen Bar am Eingang des großen Platzes, um mit großem Appetit zunächst eine würzige Bouillabaisse und danach ein großes Stück Quiche Lorraine zu verspeisen, eine weit über die Landesgrenzen hinaus bekannte kulinarische Spezialität der Lothringer Küche, eine gebackene Specktorte; der mit dünnen Räucherspeckscheiben und Käse belegte Boden aus ungesüßtem Mürbe- oder Blätterteig wird mit einer gewürzten Mischung aus Eiern, Sahne und Milch übergossen, gebacken und heiß serviert, köstlich. Ein spätes Bad im hellen Mondschein unter schimmerndem Sternenhimmel war der romantische Abschluss dieses Tages.

Noch vor dem Frühstück am nächsten Morgen, die Sonne war bereits wieder aufgegangen, schwammen wir weit hinaus auf den See, den wir für uns ganz allein hatten, abgesehen von den gefiederten Bewohnern des nahen Schilfgürtels, die bereits auf Futtersuche unterwegs waren. Erst um 11.00 Uhr trennten wir uns von dieser Idylle, um kurz darauf in Royan auf die wartende Fähre zu gehen, die uns in einer halben Stunde über die Gironde brachte, allerdings für einen saftigen Preis von 219 FF, etwa 70,00 DM. Jetzt begann die Côte d’Argent, die Silberküste, fast schnurgerade und dünenreich; das Meer spült ständig neuen Sand heran, der sich zu einem fast 5 Kilometer breiten Dünensaum aufgetürmt hat. Dahinter haben die Flüsse und Bäche aus dem Inland, die sich, an dem Sandgebirge entlangwandernd mit Mühe einen Ausgang zum Meer suchen mussten, mehrere untereinander liegende Seen gebildet, durch natürliche Wasserwege und Kanäle miteinander verbunden, zusammen bringen sie es auf eine größere Wasseroberfläche als der Bodensee. An diesen klaren Gewässern mit ihren zum Teil schilfigen oder auch sandigen Ufern und einem großen Fischreichtum spielt sich der Hauptfremdenverkehr ab, weit mehr als am nahen kühlen und rauen Atlantik.

Das merkten wir sehr schnell, als wir durch schier endlose lichte Pinienwälder, die man vor etwa 200 Jahren zum Schutz gegen den Flugsand angepflanzt hatte, von einem restlos überlaufenen Ort zum anderen fuhren, bis wir schließlich an der weiten Bucht von Arcachon ankamen; auch hier keine Bleibe für Wohnmobile. Erst etwas weiter südlich im kleinen Örtchen

- Pyla s. Mer -

wurden wir nach einigem Suchen fündig; eine kleine Nebenstraße brachte uns unmittelbar an den rauschenden Atlantik, eingerahmt von windzerzausten Kiefern hatten wir einen freien Blick auf das weite Meer. In einem nahen kleinen „Salon de Thé“ gab es Muscheln satt in einer delikaten Weinsoße, dazu einen offenen leichten Blanc de Blancs, einen beliebten französischen Weißwein.

Die Nacht verlief allerdings etwas unruhig, in aller Herrgottsfrühe um 1.00 Uhr lautes Getöse durch die Sperrmüllabfuhr, und das am Samstagmorgen. Damit noch nicht genug, ab 5.00 Uhr wurden auf einem nahen Slip mit viel Geschrei Boote zu Wasser gelassen. Also ein wenig unausgeschlafen etwas früher als gewohnt aufgebrochen. Nur wenige Kilometer weiter südlich erreichten wir die mit stolzen 114 Metern höchste Düne Europas, die Dune du Pilat, die sich sehr imposant, in der Sonne hell strahlend, aus dunklem Kiefernwald erhebt. Ein von ihrem Grat aus gestarteter Drachenflieger schraubte sich langsam herab zum Strand, von dem wir uns jetzt entfernten, um die etwa 50 Kilometer im Landesinneren an der Garonne liegende größte Stadt Südwestfrankreichs, Bordeaux, zu besuchen, die trotz ihrer Entfernung zum Meer den nach Brest wichtigsten Hafen der Atlantikküste besitzt. Schon in der Antike war sie eine sehr betriebsame Hafenstadt, aus allen Epochen blieben Bauten erhalten, aus gallisch-römischer Zeit, aus dem Mittelalter, besonders aus den drei Jahrhunderten (1152 bis 1453), in denen die Stadt der englischen Krone gehörte; am eindrucksvollsten allerdings die Gebäude aus dem 18. Jahrhundert im prunkvollen Barock- oder klassizistischen Stil. Auf unserer privaten Sightseeingtour ließen wir uns langsam an den schönsten Sehenswürdigkeiten vorbeitreiben, wenn möglich Fotostopps einlegend. Das architektonische Prunkstück ist zweifellos das Grand Théâtre, das 1780 auf den Fundamenten eines gallisch-römischen Tempels entstand. Für die Hauptfassade wurden zwölf vor Ort gefundene korinthische Säulen verwandt; um den antiken Eindruck noch zu verstärken, schufen zeitgenössische Künstler zwölf annähernd klassische Statuen, neun Musen und drei Göttinnen, die sehr dekorativ das Gesims über dem Säuleneingang zieren.

Auf dem harmonisch von schönen klassizistischen Bauten umgebenen Place de la Bourse (Börsenplatz) legten wir dank Parkplatz und freiem kleinen Tisch in einem Straßencafé bei mit knackigem Salat, Schinken und Käse belegten Baguettes und erfrischenden Getränken eine Imbisspause ein, um uns danach der schönsten Kirche von Bordeaux, der Kathedrale St. André auf dem Place de Rohan näher zu widmen. Ihr ältester Teil ist das Langhaus, das bereits aus dem 12. Jahrhundert stammt, Querschiff und Chor entstanden in der Hochgotik im 15. Jahrhundert. An beiden Eingängen findet man kunstvolle Steinmetzarbeiten, sehr hübsch auch die Skulpturen, die den Chorumgang schmücken. Etwas abseits im Grünen erhebt sich der Glockenturm, nach seinem erzbischöflichen Erbauer Tour Pey Berland genannt. Auf der anderen Seite des Platzes ist in dem pompösen ehemaligen erzbischöflichen Palast aus dem 18. Jahrhundert das Rathaus (Hotel de Ville) untergebracht. Vorbei an dem wuchtigen dreitürmigen Tor Porte de las Grosse-Cloche, bei einem kleinen Schlenker nach rechts noch die sehenswerte spätgotische Kirche St-Michel mit ihrem ebenfalls frei stehenden 114 Meter hohen Glockenturm mitnehmend, erreichten wir die imposante, zu Beginn des 19. Jahrhunderts erbaute Brücke Pont de Pierre, die uns an das Ostufer der Garonne brachte. Da es wegen des starken Verkehrsaufkommens nur langsam voranging, konnten wir in aller Ruhe einen umfassenden Blick über die ausgedehnten Hafenanlagen werfen.

Allmählich verließen wir die Stadt und tauchten ein in ein wunderschönes Weinanbaugebiet, wohl das größte, was es auf der Welt gibt, die Hälfte aller französischen Weine stammt aus dieser Gegend. Mitten durch akkurat angelegte, zum teil hügelige Weinfelder, vorbei an hochherrschaftlichen Châteaus, überwiegend schlossähnlichen Weingütern, zuletzt am östlichen Ufer der Gironde entlang, und zwar wieder in nördlicher Richtung, trudelten wir schließlich im idyllischen Fährhafen

- Blaye -

ein mit seiner Zitadelle aus dem 17. Jahrhundert und einer imposanten gotischen Burg; ein hübscher Kontrast zu den verwitterten Festungsmauern, die den Ortskern umrunden, leuchtend rote Rosenpracht. Ein idealer Übernachtungsplatz direkt am Ufer der Gironde war schnell gefunden; zwischen den vorgelagerten kleinen grünen Inseln zogen noch einige Segler ruhig ihre Bahn, die leicht geblähten schneeweißen Segel leuchteten in der Dämmerung. Dieses Mal waren wir wieder zu fünft, d.h. vier Wohnmobile ließen sich noch in der Nähe nieder; in einiger Entfernung hatten sechs Caravane eine Art Wagenburg gebildet; kurz nach unserer Ankunft wurden wir von ihren Insassen umlagert, alt und jung, Männlein und Weiblein; es handelte sich um französische Nomaden, Zigeunern vergleichbar, unisono in bewunderndem Ton „Tabér, Tabér“ rufend. Erst allmählich dämmerte uns, dass es sich um die französische Aussprache des Herstellers unseres Mobis handelte, der Firma Tabbert, durch eleganten Schriftzug oberhalb der Frontscheibe und an den Seiten zu erkennen. Ihre Wohnwagen hatten sie über dieselbe Firma bezogen und standen jetzt zum ersten Mal einem Wohnmobil der von ihnen bevorzugten Marke gegenüber. Neugierig fragten sie nach allen Einzelheiten, Hände und Füße zu Hilfe nehmend; „très bon“ war ihre einhellige Meinung, eine bessere Beurteilung konnten wir uns nicht wünschen. Befriedigt zogen sie von dannen und wir uns zu einem leckeren Abendessen aus dem übervollen Kühlschrank zurück, dazu ein paar Gläschen wohlschmeckender roter Landwein, natürlich aus französischem Anbau, eine flackernde Kerze auf dem Tisch und ein hell leuchtender Mond am sternenübersäten Himmel, konnte das Leben schöner sein?!

Am Sonntagmorgen, heiter mit einigen Wölkchen, ging es weiter durch herrliche weite Weinfelder, dann wieder am Ufer der Gironde entlang, durch enge verwitterte Dörfer, sehr hübsch Talmont mit mächtiger Festungsmauer; danach ins Landesinnere abbiegend über Saintes, eine reizvolle alte Stadt; am Fluss Charente steht ein fast 2.000 Jahre alter Triumphbogen als eindrucksvolle römische Hinterlassenschaft, die Reste eines Amphitheaters zeugen noch von gewaltiger Größe. Spontan entschlossen wir uns, noch einmal an den Atlantik zurückzukehren und erreichten ihn am frühen Nachmittag in La Rochelle, der lebhaften Hafenstadt, die wir drei Tage zuvor auf dem Weg zum Fährhafen Royan nur kurz gestreift hatten. Am Sonntag waren jetzt noch mehr Menschen auf den Straßen unterwegs. Als wir gerade das sehenswerte Renaissancerathaus passiert hatten, bemerkten wir, dass irgendetwas mit dem Fahrzeug nicht stimmte, der Wagen zog dauernd nach links. Wild gestikulierende Passanten zeigten auf den hinteren Teil unseres Mobis. Als wir irritiert am Straßenrand anhielten, machte uns ein junger Franzose auf den kaputten linken Hinterreifen aufmerksam. Das hatte uns gerade noch gefehlt, da die Räder praktischerweise hinter den durchgehenden Verkleidungen angebracht und nur durch gänzliches Abschrauben derselben zu erreichen waren, konnten wir das Auswechseln in eigener Regie vergessen, brauchten also dringend eine Werkstatt, und das am Sonntagnachmittag!

Während der Suche, natürlich im Schleichgang, immer wieder wilde Gesten. Schließlich landeten wir auf einer kleinen Tankstelle, besetzt mit zwei Angestellten, der Chef, fein gemacht im sonntäglichen Anzug mit Schlips und Kragen, schaute gerade vorbei. Sofort entledigte er sich seiner Jacke und Binder, krempelte die Ärmel auf und machte sich mit seinen Leuten ans Werk. Die zum Teil rostigen Schrauben zu lösen, eine Heidenarbeit, und der Reservereifen unterhalb des Hecks war nur auf dem Rücken liegend, eng an den Boden gepresst, zu erreichen. Nach fast drei Stunden war das Kunststück vollbracht. Hocherfreut über einen fairen Preis trotz Sonntagsarbeit ließen wir unseren Tank noch randvoll füllen und zogen mit beiderseitigen guten Wünschen von dannen.

Inzwischen war es Zeit für die Stehplatzsuche; gleich direkt um die Ecke wurden wir fündig, eine naturbelassene Parkfläche, aufgelockert durch einzelne Baumgruppen, zwischen Hafeneinfahrt und mächtiger alter Festungsmauer war geradezu ideal. Ein in der Nähe befindliches Kartentelefon nutzte ich zunächst einmal für einige Anrufe bei den Lieben daheim, bei denen wir uns übrigens außer mit den üblichen Postkartengrüßen auf all unseren Fahrten in regelmäßigen Abständen per Telefon meldeten. Fünf Mobis und ein Caravan hatten es sich auf dem Platz bereits gemütlich gemacht. Wir reihten uns in eine etwas größere Lücke ein und beruhigten unsere knurrenden Mägen mit einem leckeren Abendessen an Bord; plötzlich am offenen Fenster ein dunkler Kopf: „Bella, bellissima“, ertönte es begeistert, wen oder was immer er damit meinte. Wir baten den Bewunderer herein, der sich als italienischer Schauspieler vorstellte und schon in der ganzen Welt herumgekommen war. Er stand mit einem kleineren, selbst ausgebauten Wohnmobil zwei Parkplätze weiter. Die Bitte, seiner französischen Ehefrau auch das Wageninnere zeigen zu dürfen, erfüllten wir ihm natürlich gern, ganz besonders hatte es den beiden unser „Bathroom“ angetan. Über eine Stunde saßen wir bei Rotwein und Knabbersachen in sehr angeregter, lustiger Unterhaltung beisammen, heraus kam ein herrliches Kauderwelsch in englisch, französisch, deutsch und italienisch.

Etwas später trafen noch vier junge Deutsche mit einem VW-Käfer ein, drei Mädchen und ein Junge als Hahn im Korb. Geschickt bauten sie hinter uns auf dem Rasen zwei kleine Zelte auf. Durch unser weit offen stehendes Heckfenster ergab sich auch hier wieder ein fröhliches Gespräch; mit einem Dosenöffner - ihrer hatte den Geist aufgegeben - und etwas Senf für ihre Würstchen halfen wir gerne aus. Ein sehr nettes, etwas älteres französisches Ehepaar, das nicht weit entfernt ebenfalls zeltete, kam auch noch auf einen Schnack vorbei, Themen von Napoleon bis in die Gegenwart; fehlten die Vokabeln, half eine deutliche Zeichensprache. So ging der Abend schnell vorüber, man zog sich zum Schlafen zurück, bis auf ein französisches Paar, das mit seinem Wohnmobil links von uns stand; bei sperrangelweit offener Tür dröhnte ihr Fernseher über den ganzen Platz, ihre Mitinsassen, zwei riesige deutsche Schäferhunde, denen das Programm nicht sonderlich zuzusagen schien, taten ihr Missfallen in kurzen Abständen durch lautes Bellen kund.

Da dieser Lärm auch um 23.00 Uhr noch nicht aufhörte, wurde es meinem Schatz zu bunt, er wälzte sich von seinem Bett, riss unsere Tür auf, und als der Nachbar nach kurzem Rufen auf der Bildfläche erschien, gab er ihm in „fließendem Französisch“ zu verstehen: „Is it possible to fermez la porte, it’s très laut?!!!“ „Comment???“ kam es verständnislos von drüben, bei dem Sprachengemisch kein Wunder. Völlig konsterniert packte man seine Siebensachen, warf den Motor an und verließ diese ungastliche Stätte. Das wollten wir zwar nicht unbedingt erreichen, aber es herrschte wenigstens endlich Ruhe.

Auf landschaftlich wieder sehr schöner Nebenstrecke, hügelauf und -ab durch weite, teilweise schon gepflügte Felder, dunkle Kiefern- und verwilderte Laubwälder, durch fast menschenleere verwitterte Dörfchen, erreichten wir mit der uralten Stadt Nantes wieder die romantische Loire. Das trutzige herzogliche Schloss der Herren de Bretagne aus dem 14. bis 16. Jahrhundert mit seinen vielen Türmen und einem den ganzen Komplex umfassenden Burggraben war mein erstes Fotomotiv des Tages; in diesem Gemäuer unterschrieb im Jahre 1598 König Heinrich IV. das in allen Geschichtsbüchern erwähnte Edikt, in dem er den Hugenotten u .a. Religionsfreiheit zusicherte. Nicht weit entfernt an einem verkehrsreichen Platz die mächtige spätgotische Kathedrale, Bauzeit vom 15. bis Ende des 19. Jahrhunderts; im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt, wurde sie bis 1971 restauriert, nach einem Brand ein Jahr später in mühevoller Kleinarbeit wieder rekonstruiert. Ein Parkplatz fast vor dem Hauptportal machte es uns möglich, auch den imponierenden Innenraum von über 100 Metern Länge und im rechten Querschiff das prachtvolle Renaissancegrabmal des letzten bretonischen Herzogs, Franz II., zu besichtigen. Die sehr schöne Altstadt mit ihren prächtigen Häusern aus dem 15. bis 17. Jahrhundert erkundeten wir, soweit die schmalen Gassen es erlaubten, wieder per Mobi. Sie wird durch einen breiten Straßenzug, der über einem ehemaligen Flussbett verläuft, in zwei Hälften zerteilt, eine mittelalterliche im Osten und eine barocke im Westen.

Auf herrlicher Strecke, fast immer direkt am Südufer der Loire entlang ging es weiter; nach fast 75 Kilometern durch überaus reizvolle, von üppig tragenden Weinbergen durchzogene Landschaft stießen wir in dem kleinen idyllischen Ort