Loe raamatut: «Die Herbst-Apparatur», lehekülg 2

Font:

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Wenn der Aktivator versagt – was tun?

Einleitung

Eine kieferorthopädische Behandlung des Distalbisses (Klasse II:1) im Wechselgebiss wird vorzugsweise mit einem abnehmbaren FKO-Gerät, wie zum Beispiel dem Aktivator, dem Bionator, der Fränkel-Apparatur oder dem Twin-Block durchgeführt. Von diesen abnehmbaren FKO-Geräten ist der Aktivator das älteste und bekannteste Gerät. Bei guter Patientenmitarbeit und Einhaltung gewisser Grundvoraussetzungen (Nasenatmung, Schlafstellung mit geschlossenem Mund, horizontales Kieferwachstum) sind die Behandlungsergebnisse sehr gut (Abb. 1).

Abb. 1a bis d Erfolgreiche Aktivator-Behandlung im Wechselgebiss. Vor der Behandlung (a). Dehnplatte im Oberkiefer, vor und nach Dehnung (b). Aktivator (c). Nach der Behandlung (d).

Abb. 1e und f Nachuntersuchung, 3 Jahre nach der Behandlung (e). Fotos des Gesichtsprofils (f).

In einer umfassenden Multicenterstudie der Universitäten Gießen und Bern1 konnte gezeigt werden, dass eine Aktivator-Behandlung (Korrektur der Klasse-II-Beziehung der Molaren und Verkleinerung des Overjets) bei 65 % der 222 untersuchten Patienten erfolgreich war. Bei 35 % der Patienten konnte aber die Behandlung als nicht erfolgreich angesehen werden. Die Hauptursache des Misserfolges war schlechte Mitarbeit (Nichttragen des Aktivators) der Patienten.

Das Problem ist: Was sollen (können) wir mit dem nicht erfolgreichen, unkooperativen Aktivator-Patienten machen? Die Lösung ist, das abnehmbare FKO-Gerät durch ein festsitzendes FKO-Gerät zu ersetzen. Damit ist das Behandlungsergebnis von der Patientenmitarbeit unabhängig.

An der kieferorthopädischen Abteilung in Gießen werden routinemäßig nicht kooperierende Aktivator-Patienten im Wechselgebiss mit einer festsitzenden Herbst-Apparatur weiterbehandelt. Da aber die Herbst-Apparatur besonders im bleibenden Gebiss effektiv ist2, geschieht die Neuaufnahme der Behandlung erst nach dem Durchbruch aller 28 bleibenden Zähne. Das bedeutet oft eine Pause zwischen der Aktivator- und der Herbst-Behandlung. Nachdem die Klasse-II-Molarenbeziehung und der Overjet mit der Herbst-Apparatur korrigiert sind, wird für die endgültige Feineinstellung der Zähne eine abschließende Multibracket-(MB)-Apparatur die Behandlung beenden (Abb. 2 und 3). Dieser Herbst-/MB-Ansatz hat sich als sehr effektiv bei nicht erfolgreichen, unkooperativen Aktivator-Patienten erwiesen.

Abb. 2a bis g Erfolglose Aktivator-Behandlung im Wechselgebiss, gefolgt von erfolgreicher Herbst-Behandlung im bleibenden Gebiss. Vor der Aktivator-Behandlung (a). Dehnplatte im Oberkiefer (links und mitte) und Aktivator (rechts [b]). Nach der Aktivator-Behandlung (c). Vor der Herbst-Behandlung (d). Beginn der Herbst-Behandlung (e). Nach der Herbst-Behandlung (zu beachten ist der frontale Kreuzbiss [f]). Beginn der MB-Behandlung (zu beachten sind die Klasse-III-Gummizüge [g]).

Abb. 2h bis m Nach 2-monatiger MB-Behandlung (zu beachten sind die Korrektur des frontalen Kreuzbisses und die Klasse-II-Gummizüge zur Kontrolle der sagittalen Okklusion [h]). Nach der MB-Behandlung (i). Retention: Oberkieferplatte (links), geklebter palatinaler Eckzahnretainer im Oberkiefer (mitte) und geklebter lingualer Eckzahnretainer im Unterkiefer (rechts [j]). Nachuntersuchung: 4,5 Jahre nach der Behandlung (k). Foto des Gesichtsprofils (l). Fernröntgenseitenbilder des Kopfes und ausgewählte kephalometrische Variablen (m).

Abb. 3a bis d Erfolglose Aktivator-Behandlung im Wechselgebiss, gefolgt von erfolgreicher Herbst-Behandlung im bleibenden Gebiss. Fernröntgenseitenbilder des Kopfes und ausgewählte kephalometrische Variablen von vier Patienten (a bis d).

Patientenbeispiele

Kasuistik 1: erfolgreiche Aktivator-Behandlung

Ein 10-jähriger Junge wurde im späten Wechselgebiss erfolgreich mit einem Aktivator behandelt. Der Patient hatte eine Klasse-II:1-Dysgnathie (beidseitige distale Molarenokklusion von einer ½ Prämolarenbreite und einem Overjet von 6,5 mm). Der Overbite betrug 5 mm (Abb. 1a). Um die Breite der oberen und unteren Zahnbögen zu koordinieren, wurde der obere Zahnbogen mit einer Dehnplatte expandiert (Abb. 1b). Danach wurde der Aktivator eingesetzt (Abb. 1c). Die Mitarbeit des Patienten war sehr gut: Der Aktivator wurde regelmäßig im Behandlungszeitraum von 3 Jahren 10 bis 12 Stunden am Tag (2 Stunden tagsüber und 10 Stunden nachts während des Schlafes) getragen. Nach der Behandlung lagen eine überkorrigierte Klasse-I-Okklusion und ein Overjet und Overbite von je 1 mm vor (Abb. 1d). Bei der Nachuntersuchung, 3 Jahre nach der Aktivator-Behandlung, waren die Molaren und die Eckzähne stabil in einer Klasse I verzahnt. Der Overjet und Overbite betrugen beide 2 mm (Abb. 1e). Das anfangs konvexe Gesichtsprofil hatte sich durch die Behandlung begradigt (Abb. 1f).

Kasuistik 2: erfolglose Aktivator-Behandlung

Ein 8,5-jähriger Junge wurde im frühen Wechselgebiss erfolglos mit einem Aktivator und danach erfolgreich mit einer Herbst-Apparatur im bleibenden Gebiss behandelt. Der Junge hatte eine Klasse-II:1-Dysgnathie (beidseitige distale Molarenokklusion von einer ganzen Prämolarenbreite und ein Overjet von 7 mm [Abb. 2a]). Der Overbite war 6 mm. Weiterhin lag eine Abweichung der Unterkiefermittellinie nach links vor (Abb. 2a).

Es wurde eine transversale Expansion des Oberkiefers vor dem Einsetzen des Aktivators (Abb. 2b) vorgenommen. Die Aktivator-Behandlung dauerte 1 Jahr, ohne Zeichen einer Verbesserung der Klasse-II-Okklusion oder des Overjets (Abb. 2c). Das Gerät wurde unregelmäßig, nur 1 bis 2 Stunden am Tag, getragen.

Aufgrund der schlechten Patientenmitarbeit wurde eine einjährige Pause bei der KFO-Behandlung eingelegt und der Durchbruch der bleibenden Zähne (13, 23 und 24) abgewartet. Im Alter von 10,5 Jahren waren alle 28 bleibenden Zähne durchgebrochen und eine Herbst-Behandlung erfolgte (Abb. 2e). Nach 9-monatiger Behandlung lag eine überkorrigierte Klasse-I-Okklusion mit einem frontalen Kreuzbiss vor (Abb. 2f). Diese frontale Überkorrektur ist bei einer Herbst-Behandlung oft erwünscht, da die Inzisivi im Unterkiefer während der Behandlung prokliniert werden3 und das erwartete Rezidiv der Frontzahnneigung nach der Behandlung3 dadurch berücksichtigt wird.

Für die endgültige Korrektur der Zahnstellung und Okklusion nach der Herbst-Behandlung wurde eine MB-Apparatur für 20 Monate eingesetzt (Abb. 2g). Es waren Klasse-III-Gummizüge für 2 Monate notwendig, um den umgekehrten frontalen Überbiss zu normalisieren. Danach waren Klasse-II-Gummizüge zur Stabilisierung des minimalen Overjets und Overbites erforderlich (Abb. 2h). Nach der MB-Behandlung war die Okklusion in einer stabilen Klasse I und der Overjet und Overbite betrugen beide 2 mm (Abb. 2i). Eine Retention nach Behandlung erfolgte im Oberkiefer für 2 Jahre mit einem Plattengerät und für 4,5 Jahre mit einem geklebten palatinalen Eckzahnretainer. Im Unterkiefer kam für 4,5 Jahre ein lingualer Eckzahnretainer zur Anwendung (Abb. 2j).

Bei der Nachuntersuchung, 4,5 Jahre später, war die Okklusion weiterhin stabil in Klasse I (Abb. 2k). Das Gesichtsprofil hatte sich während und nach der Behandlung verbessert (Abb. 2l). Das gleiche traf auf die kephalometrischen Werte zu: ANB und ML/NSL (Abb. 2m).

Kasuistik 3 bis 6: erfolglose Aktivator-Behandlung

Um das Problem einer schlechten Mitarbeit bei der Behandlung mit abnehmbaren FKO-Geräten (Aktivator) zu verdeutlichen, werden die Fernröntgenseitenbilder des Kopfes von weiteren vier Klasse-II:1-Kasuistiken vorgestellt (Abb. 3a bis d). Alle vier Patienten wurden erfolglos mit dem Aktivator im Wechselgebiss und danach erfolgreich im bleibenden Gebiss mit der Herbst-Apparatur, gefolgt von einer MB-Apparatur, behandelt. Alle vier Patienten zeigten eine schlechte Mitarbeit während der Aktivator-Behandlung. Die Pause zwischen der Aktivator-Behandlung und der Herbst-MB-Behandlung betrug 1 bis 3 Jahre.

Diskussion

Unter der Voraussetzung, dass die nachfolgend aufgeführten Indikationen berücksichtigt werden, ist der Aktivator ein zuverlässiges FKO-Gerät für eine erfolgreiche Behandlung der Klasse-II:1-Dysgnathie:

1.Die Behandlung sollte während der Wechselgebissphase stattfinden.

2.Es sollten keine oralen/perioralen Habits vorliegen.

3.Behandlungsvoraussetzung ist eine eine Nasenatmung.

4.Das Gerät sollte mindestens 10 bis 12 Stunden am Tag (hauptsächlich nachts) getragen werden.

Im Gegensatz zum Aktivator ist eine erfolgreiche Herbst-Behandlung unabhängig von den oben angegeben Faktoren. Sie ist an den Zähnen befestigt und dadurch während 24 Stunden täglich aktiv.

Normalerweise dauert eine Aktivator-Behandlung 2 bis 3 Jahre und wird beendet, wenn sich alle 28 bleibenden Zähne in einer stabilen Klasse-I-Verzahnung befinden (Abb. 1). Eine festsitzende MB-Apparatur, zur Feineinstellung der Zähne nach dem Aktivator, schließt oft die Behandlung ab.

Bei einer erfolgreichen Aktivator-Behandlung sollten eine Verbesserung der Klasse-II-Molarenrelation und eine Verkleinerung des Overjets schon 4 bis 6 Wochen nach Therapieanfang zu erkennen sein. Wenn nach spätestens einem Jahr keine Verbesserung zu sehen ist, sollte eine Behandlungspause eingelegt werden. Es ist schlechte klinische Praxis, eine Behandlung bei nicht kooperierenden Patienten lange Zeit weiterzuführen in der Hoffnung, dass sich die Mitarbeit bessern würde. Wartet der behandelnde Arzt mehr als 1 Jahr, kann es sehr schwierig und peinlich werden, dem Patienten und dessen Eltern zu erklären, dass die Aktivator-Behandlung versagt hat und jetzt ein alternativer Behandlungsweg eingeschlagen werden muss. Die typische Reaktion dazu ist: „Warum haben sie mir das nicht schon früher mitgeteilt?“

Deshalb wird dringend empfohlen, bei einer erfolglosen Aktivator-Behandlung im Wechselgebiss eine Pause einzulegen, um den Durchbruch der bleibenden Zähne abzuwarten und dann eine Neubehandlung mit der Herbst-Apparatur einzuleiten4.

Literatur

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3

Schrittweises Bite Jumping bis zum frontalen Kreuzbiss bei der Herbst-Behandlung

Einleitung

Bei der Herbst-Behandlung des Distalbisses gibt es unterschiedliche Meinungen über das Ausmaß und die Art der Unterkiefer-Vorverlagerung (Bite Jumping) während der Behandlung. Am häufigsten wird der Unterkiefer in einem Schritt zu einem normalen Overjet oder zu einer Kopfbissstellung der oberen und unteren Inzisivi vorverlagert1,2. Wissenschaftlich hat man nachweisen können, dass sich ein größeres Bite Jumping stärker auf die Okklusion und das Unterkieferwachstum auswirkt als ein kleineres Bite Jumping2. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass eine schrittweise Unterkiefer-Vorverlagerung effizienter ist als eine Einschritt-Vorverlagerung3,4.

Seit 1984 verwendet der Autor des Beitrags eine extreme Methode des schrittweisen Bite Jumpings, indem der Unterkiefer im letzten Schritt zu einem frontalen Kreuzbiss (Klasse III) vorverlagert wird.

In diesem Beitrag werden als Beispiel drei Herbst-Patienten vorgestellt, bei denen der Unterkiefer während der Behandlung in mehreren Schritten bis zum frontalen Kreuzbiss vorverlagert wurde: im ersten Schritt zu einer Kopfbissstellung der oberen und unteren Inzisivi und im zweiten Schritt zu einem umgekehrten frontalen Überbiss. Die Behandlung der Patienten fand an den Universitäten in Malmö/Schweden (Fall 1) und in Gießen/Deutschland (Fälle 2 und 3) statt.

Patientenfall 1

Ein 12,5 Jahre altes Mädchen mit einem Distalbiss (Klasse II:1) wurde erfolgreich mit einer Bänder-Herbst-Apparatur behandelt (Abb. 1). Während der Behandlung wurde der Unterkiefer in drei Schritten zu einem frontalen Kreuzbiss vorverlagert. Nach der Herbst-Behandlung erfolgte keine weitere Multibracket-Behandlung (MB) oder Retention. Bei der Nachuntersuchung 3 Jahre später, war das Ergebnis stabil.

Abb. 1 Ein 12,5 Jahre altes Mädchen, das erfolgreich mit einer Bänder-Herbst-Apparatur und schrittweisem Bite Jumping bis zum frontalen Kreuzbiss behandelt wurde. a) Vor der Behandlung. b) Start der Herbst-Behandlung (zu beachten ist der erste Bite-Jumping-Schritt bis zum inzisalen Kopfbiss). c) Nach 5-monatiger Herbst-Behandlung (zu beachten ist die Reaktivierung der Teleskope mit einer Vorverlagerung des Unterkiefers bis zum frontalen Kreuzbiss). d) Nach 7-monatiger Herbst-Behandlung und Entfernung der Apparatur (zu beachten ist der frontale Kreuzbiss). Nach der Herbst-Behandlung fand keine weitere Behandlung und keine Retention statt. e) 3 Wochen nach Abschluss der Herbst-Behandlung (zu beachten ist das frontale Rezidiv mit den Inzisivi in Kopfbissrelation). f) 3,5 Monate nach der Behandlung (zu beachten ist der normale Overjet). g) 3 Jahre nach der Behandlung (zu beachten ist das stabile Behandlungsergebnis).

Patientenfall 2

Ein 12 Jahre altes Mädchen mit einem Distalbiss (Angle-Klasse II:1) wurde erfolgreich mit einer gegossenen Schienen-Herbst-Apparatur, gefolgt von einer MB-Apparatur im Ober- und Unterkiefer, behandelt (Abb. 2). Während der Herbst-Behandlung wurde der Unterkiefer in zwei Schritten zu einem frontalen Kreuzbiss (Klasse III) vorverlagert. Ein Positioner wurde 6 Monate zur Retention nach der Herbst-MB-Therapie verwendet. Bei der Nachuntersuchung 3 Jahre nach der Herbst-MB-Behandlung, war das Ergebnis stabil.

Abb. 2 Ein 12 Jahre altes Mädchen, das erfolgreich mit einer gegossenen Schienen-Herbst-Apparatur und schrittweisem Bite Jumping bis zum frontalen Kreuzbiss behandelt wurde. a) Vor der Behandlung. b) Start der Herbst-Behandlung (zu beachten ist der erste Bite-Jumping-Schritt bis zum inzisalen Kopfbiss). c) Nach 5-monatiger Herbst-Behandlung (zu beachten ist die Reaktivierung der Teleskope durch Austausch der Führungsrohre zu längeren Varianten; der Unterkiefer ist bis zum frontalen Kreuzbiss vorverlagert). d) Nach 7-monatiger Herbst-Behandlung und Entfernung der Apparatur (zu beachten ist der frontale Kreuzbiss). e) Nach 1-monatiger MB-Behandlung, nach der Herbst-Behandlungsphase (zu beachten ist das frontale Rezidiv zu einem normalen Overjet). f) Nach Abschluss der Herbst-MB-Behandlung. g) 3 Jahre nach der Herbst-MB-Behandlung (zu beachten ist das stabile Behandlungsergebnis).

Patientenfall 3

Ein 18 Jahre alter männlicher Erwachsener mit einem Distalbiss (Angle-Klasse II:2) wurde erfolgreich mit einer gegossenen Schienen-Herbst-Apparatur, gefolgt von einer MB-Apparatur im Ober- und Unterkiefer, behandelt (Abb. 3). Vor der Herbst-Phase wurden die Oberkiefer-Inzisivi mit einer MB-Apparatur prokliniert, um eine Vorverlagerung des Unterkiefers zu ermöglichen. Während der Herbst-Behandlung wurde der Unterkiefer in zwei Schritten zu einem frontalen Kreuzbiss (Klasse III), vorverlagert. Eine 2-jährige Retention nach der Herbst-MB-Behandlung erfolgte mit einem Plattengerät im Oberkiefer und einem geklebten lingualen Eckzahn-zu-Eckzahn-Retainer im Unterkiefer. Bei der Nachuntersuchung 3 Jahre nach der Herbst-MB-Behandlung, war das Ergebnis stabil.

Abb. 3 Ein 18 Jahre alter männlicher Erwachsener, der erfolgreich mit einer gegossenen Schienen-Herbst-Apparatur und schrittweisem Bite Jumping bis zum frontalen Kreuzbiss behandelt wurde. a) Vor der Behandlung, nach der Proklination der oberen Inzisivi. b) Start der Herbst-Behandlung (zu beachten ist der erste Bite-Jumping-Schritt bis zum inzisalen Kopfbiss). c) Nach 2,5-monatiger Herbst-Behandlung (zu beachten ist die Reaktivierung der Teleskope mit einer Vorverlagerung des Unterkiefers bis zum frontalen Kreuzbiss). d) Nach 9-monatiger Herbst-Behandlung und Entfernung der Apparatur (zu beachten ist der frontale Kreuzbiss). e) Nach 1-monatiger MB-Behandlung, nach der Herbst-Behandlungsphase (zu beachten ist das frontale Rezidiv zu einem normalen Overjet). f) Nach Abschluss der Herbst-MB-Behandlung. g) 3 Jahre nach der Herbst-MB-Behandlung (zu beachten ist das stabile Behandlungsergebnis).

Diskussion

Die Methode der schrittweisen Vorverlagerung des Unterkiefers bis zum frontalen Kreuzbiss ist ein zuverlässiges klinisches Verfahren bei der Herbst-Behandlung des Distalbisses von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Die Methode ist komplikationsarm und wird von den Patienten in allen Altersgruppen gut akzeptiert.

Die klinische Überlegung zu den Vorteilen dieses Bite-Jumping-Verfahrens beruht auf der Erkenntnis, dass bei einer üblichen Herbst-Behandlung unabhängig von dem Ausmaß der Unterkiefervorverlagerung eine Proklination der unteren Frontzähne nicht zu vermeiden ist und dass nach der Behandlung die Frontzahnstellung zu rezidivieren neigt5. Das sollte bedeuten, dass auch bei einer Unterkiefer-Vorverlagerung bis zu einem frontalen Kreuzbiss eine Proklination der unteren Inzisivi stattfindet, aber dass das darauffolgende Rezidiv der Frontzahnneigung zu einem normalen Überbiss (Overjet) führt. Diese Klasse-III-Überbehandlung könnte somit letztendlich eine stabilere Okklusion sowie eine verkürzte Retentionszeit bedeuten.

Ein weiterer Vorteil des Klasse-III-Bite-Jumpings ist, dass die Patienten mit den Zähnen in einer frontalen Kreuzbissrelation nicht knirschen können. Somit wird eine Überbelastung des Teleskop-Mechanismus und ein damit verbundener Geräteschaden vermieden.

Speziell günstig ist das Klasse-III-Bite-Jumping-Verfahren bei Patienten mit einer vollen Distalokklusion im Bereich der Seitenzähne und einem moderat vergrößerten Overjet (weniger als 6 mm). Hier ist ein großes Jumping (in einem Schritt) bis zum frontalen Kreuzbiss vorteilhaft, um eine große Wirkung auf die Okklusion und das Unterkieferwachstum zu erreichen2,3,4.

Dagegen werden die Kiefergelenke bei einer vollen Distalokklusion in Kombination mit einem sehr großen Overjet (mehr als 10 mm) eine Klasse-III-Unterkiefervorverlagerung in einem Schritt nicht erlauben, da die maximale Bewegungsfreiheit des Unterkiefers nach vorne nur bei ca. 7 mm liegt. Somit ist hier ein Jumping in wenigstens drei Schritten notwendig:

•Im ersten Schritt ca. 4 bis 5 mm,

•im zweiten Schritt bis zum inzisalen Kopfbiss und

•im dritten Schritt bis zum inzisalen Kreuzbiss.

Auch wenn die klinischen Ergebnisse des extremen Bite Jumpings sehr zufriedenstellend sind, liegen bis heute keine wissenschaftlichen Untersuchungen zu diesem Thema vor. Interessant zu untersuchen wären folgende Fragestellungen:

•Wie beeinflusst das Verfahren die Position und das Parodontium der unteren Frontzähne?

•Wie wirkt sich das Verfahren auf das Wachstum und die Funktion der Kiefergelenke aus?

Literatur

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