Du bist das Placebo

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Du bist das Placebo
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DR. JOE DISPENZA

DU BIST DAS PLACEBO

Bewusstsein wird Materie


Wichtige Hinweise

Die im Buch veröffentlichten Empfehlungen wurden von Verfasser und Verlag sorgfältig erarbeitet und geprüft. Eine Garantie kann dennoch nicht übernommen werden. Ebenso ist die Haftung des Verfassers bzw. des Verlages und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ausgeschlossen.

Der leichteren Lesbarkeit zuliebe wurde zumeist auf die Doppelung männlicher und weiblicher Formen nach dem Muster »der … oder die …«, »er bzw. sie« usw. verzichtet. Selbstverständlich soll die übliche männliche Form den weiblichen Teil der Bevölkerung umfassen.

Aus dem Englischen von Maria Müller-de Haën

Titel der Originalausgabe:

You Are the Placebo. Making Your Mind Matter. Copyright © 2014 by Joe Dispenza Originally published in 2014 by Hay House Inc. USA

Deutsche Ausgabe:

© 2014 KOHA-Verlag GmbH Burgrain

Alle Rechte vorbehalten

Lektorat: Nayoma de Haën

Illustrationen: John Dispenza

und Jeffrey L. Fannin, Ph.D. (Gehirnscan-Darstellungen)

Cover-design: Hayhouse U.K.

Gesamtherstellung: Karin Schnellbach

ISBN 978-3-86728-739-5

ebook-Herstellung und Auslieferung

Brockhaus Commission, Kornwestheim

www.brocom.de

Für meine Mutter Francesca

Inhaltsverzeichnis

Vorwort von Dawson Church, Ph.D.

Prolog: Der Weckruf

Einführung: Wie Geist zu Materie wird

Teil I: Information

1. Ist es wirklich möglich?

2. Eine kurze Geschichte des Placebos

3. Der Placebo-Effekt im Gehirn

4. Der Placebo-Effekt im Körper

5. Wie Gedanken Gehirn und Körper verändern

6. Suggestibilität

7. Einstellungen, Überzeugungen und Wahrnehmungen

8. Der Quanten-Geist

9. Persönliche Transformation – Drei Geschichten

10. Von der Information zur Transformation: Du bist das Placebo – Der Beweis

Teil II: Transformation

11. Vorbereitung auf die Meditation

12. Meditation zum Verändern von Überzeugungen und Wahrnehmungen

Nachwort: Jenseits dessen, was als natürlich gilt

Anhang: Anleitung für die Meditation zum Verändern von Überzeugungen und Wahrnehmungen

Vorwort

Wie fast alle seine Fans freue ich mich immer auf Joe Dispenzas provokative Ideen. Dr. Joe bringt solide wissenschaftliche Belege mit anregenden Einsichten zusammen und erweitert dadurch die Grenzen des Bekannten und den Horizont des Möglichen. Er nimmt Wissenschaft ernster als die meisten Wissenschaftler. In diesem faszinierenden Buch schreibt er neueste Entdeckungen in den Bereichen Epigenetik, Plastizität des Gehirns und Psychoneuroimmunologie zu ihrem logischen Schluss fort.

Das Ergebnis ist sehr aufregend: Wir alle formen unser Gehirn und unseren Körper durch die Gedanken, die wir denken, die Emotionen, die wir fühlen, die Absichten, die wir hegen, und die Zustände der Transzendenz, die wir erleben. »Du bist das Placebo« lädt uns dazu ein, dieses Wissen zu nutzen und uns einen neuen Körper und ein neues Leben zu erschaffen.

Das ist keine metaphysische Behauptung. Dr. Joe erklärt jedes Glied in der Kausalitätskette, die mit einem Gedanken beginnt und mit einer biologischen Tatsache wie einer höheren Anzahl von Stammzellen oder immunisierenden Proteinmolekülen im Blut endet.

Es beginnt mit einem Bericht über einen Unfall, bei dem Joe Dispenza sechs seiner Wirbel zerschmettert wurden. Ganz plötzlich befand er sich in einer Extremsituation und war herausgefordert, seine Überzeugung, unser Körper verfüge über eine angeborene Intelligenz, wozu auch wundersame Heilkräfte gehören, praktisch umzusetzen. Die Disziplin, mit der er seine sich neu aufbauende Wirbelsäule visualisierte, ist ein beeindruckendes Beispiel von Entschlossenheit.

Solche Geschichten von spontanen Remissionen und »Wunderheilungen« sind für uns alle inspirierend. Doch Dr. Joe zeigt uns in seinem Buch, wie wir alle solche Wunderheilungen erfahren können. Erneuerung ist eine natürliche Fähigkeit unseres Körpers; Degeneration und Krankheit sind die Ausnahme, nicht die Regel.

Wenn wir erst einmal verstehen, wie unser Körper sich selbst erneuert, können wir uns diese physiologischen Prozesse willentlich zunutze machen und Anleitungen schicken: an die Hormone, die unsere Zellen synthetisieren, die Proteine, die sie aufbauen, die Neurotransmitter, die sie produzieren, und die Nervenbahnen, über die sie Signale ausschicken. Unsere Körperanatomie ist keineswegs statisch; in jedem Augenblick brodelt der ganze Körper vor Veränderung. Unser Gehirn köchelt die ganze Zeit und ist ständig damit beschäftigt, Nervenverbindungen auf- und abzubauen. Dr. Joe lehrt uns, wie wir diesen Prozess willentlich steuern und uns damit sozusagen ans »Steuer« setzen können, also Einfluss nehmen, anstatt passive Beifahrer zu sein.

In den 1990er-Jahren hat die Entdeckung, dass die Anzahl an Verbindungen in einem Nervenbündel durch wiederholte Stimulierung verdoppelt werden kann, die Biologie revolutioniert und dem Entdecker, dem Neuropsychiater Eric Kandel, den Nobelpreis eingebracht. Wie Dr. Kandel später herausfand, beginnen ungenutzte Nervenverbindungen hingegen schon nach drei Wochen zu schrumpfen. Auf diese Weise können wir unser Gehirn über Signale, die wir über unser Neuronennetz verschicken, umformen.

Im selben Jahrzehnt, in dem Dr. Kandel und andere Forscher die Neuroplastizität maßen, fanden andere Wissenschaftler heraus, dass nur wenige unserer Gene statisch sind. Die meisten Gene (Schätzungen reichen von 75 bis 85 Prozent) werden durch Signale aus unserer Umwelt ein- und ausgeschaltet; dazu zählen auch Gedanken, Überzeugungen und Emotionen, die sich im Gehirn ausbilden. Eine Art von Genen, die sogenannten immediate early genes (IEGs), braucht nur drei Sekunden, bis die Genexpression ihren Höchststand erreicht. IEGs fungieren oft als Regulatorgene; sie steuern die Expression von Hunderten von Genen und Tausenden von Proteinen an anderen Stellen im Körper. Solche pervasiven und schnellen Veränderungen sind eine plausible Erklärung für manche der radikalen Heilungen, von denen in diesem Buch berichtet wird.

Dr. Joe ist einer der wenigen Wissenschaftsautoren, der die Rolle der Emotionen in Transformationsprozessen weitgehend verstanden hat. Negative Emotionen können Ausdruck einer Sucht nach einem hohen Stresshormonspiegel sein, beispielsweise Kortisol und Adrenalin. Beide Stresshormone und auch Entspannungshormone wie DHEA und Oxytocin haben Schwellenwerte. Wenn wir Gedanken oder Überzeugungen hegen, die unser hormonelles Gleichgewicht aus dieser Komfortzone herausbringen, fühlen wir uns unwohl. Mit dieser Vorstellung betritt das wissenschaftliche Verständnis von Süchten und Gelüsten ein völlig neues Terrain.

Sie können Ihre äußere Realität verändern, indem Sie Ihren inneren Zustand verändern. Der von Dr. Joe meisterhaft erklärte Prozess beginnt mit willentlichen Absichten, welche ihren Ursprung im Frontallappen des Gehirns haben und durch chemische Botenstoffe, die sogenannten Neuropeptide, übertragen werden, welche wiederum Signale in den ganzen Körper schicken und genetische Schalter ein- bzw. ausschalten. Manche dieser chemischen Substanzen wie beispielsweise Oxytocin, das durch Berührung stimulierte sogenannte »Schmusehormon«, werden mit Gefühlen der Liebe und des Vertrauens assoziiert. Mit ein wenig Übung können wir lernen, unsere Schwellenwerte für Stress- und Heilhormone schnell anzupassen.

Die Vorstellung, wir könnten uns durch die Übersetzung von Gedanken in Emotionen einfach selbst heilen, klingt zunächst vielleicht überraschend. Nicht einmal Dr. Joe hatte die Ergebnisse erwartet, welche sich bei Workshop-Teilnehmern einstellten, als sie diese Ideen wirklich umsetzten: Spontanremissionen von Tumoren, an den Rollstuhl gebundene Patienten, die wieder laufen konnten, und Migräne, die einfach verschwand. Wie ein spielendes Kind forschte er mit aufrichtiger Freude und aufgeschlossener Experimentierlust weiter und fragte sich, wie schnell eine radikale Heilung auftreten könnte, wenn die Betroffenen den Placebo-Effekt des Körpers mit voller Überzeugung einsetzen würden. Der Titel dieses Buches, »Du bist das Placebo«, spiegelt seine daraus gewonnenen Erkenntnisse wider: Die Kette aus physiologischen Abläufen im Körper wird von unseren eigenen Gedanken, Emotionen und Überzeugungen verursacht.

 

Beim Lesen dieses Buches werden Sie sich manchmal nicht ganz wohl in Ihrer Haut fühlen. Aber bitte lesen Sie weiter. Hinter diesem unbehaglichen Gefühl stecken vermutlich einfach die durcheinandergebrachten hormonellen Schwellenwerte und Ihr altes Selbst, welches gegen die Unvermeidlichkeit transformativer Veränderungen protestiert. Wie Dr. Joe uns versichert, sind diese Gefühle des Unwohlseins vielleich einfach die biologische Empfindung des alten Selbst, das in Auflösung begriffen ist.

Allen, die weder Zeit noch Lust haben, diese komplexen biologischen Prozesse zu verstehen, leistet dieses Buch gute Dienste. Dr. Joe taucht tief in die wissenschaftlichen Hintergründe dieser Veränderungen ein und präsentiert sie auf verständliche, leicht verdauliche Weise. Er macht die intellektuelle Schwerarbeit und präsentiert dann elegante und einfache Erklärungen. Anhand von Analogien und Fallstudien demonstriert er, wie wir diese Entdeckungen im Alltag anwenden können, und veranschaulicht die dramatischen gesundheitlichen Verbesserungen von Menschen, die diese Erkenntnisse ernst genommen haben.

Die von Dr. Joe in diesem Buch beschriebene Praxis wird in der neuen Wissenschaft als selbst gesteuerte Neuroplastizität (englisch selfdirected neuroplasticity bzw. SDN) bezeichnet. Dahinter steht die Vorstellung, dass wir durch die Qualität der von uns geförderten Erfahrungen die Bildung neuer und den Abbau alter Nervenbahnen steuern. Meiner Meinung nach wird sich SDN für die nächste Generation zu einem der stärksten neurobiologischen Konzepte für die persönliche Transformation entwickeln, und dieses Buch wird an der Spitze dieser Bewegung mitspielen.

In den Meditationsübungen, die in Teil II dieses Buches erläutert werden, wird Metaphysik konkret manifestiert. Sie können diese Übungen ganz einfach selbst praktizieren und aus erster Hand erfahren, wie es Ihre Möglichkeiten erweitert, Ihr eigenes Placebo zu sein. Das Ziel ist, Überzeugungen und Wahrnehmungen über das Leben auf biologischer Ebene zu verändern, um eine neue Zukunft in die konkrete materielle Existenz zu lieben.

Machen Sie sich also auf diese verwunschene Reise, auf der Sie Ihren Horizont des Möglichen erweitern und herausgefordert werden, sich eine radikal höhere Heil- und Funktionsebene zu eigen zu machen. Sie haben nichts zu verlieren, wenn Sie sich voller Begeisterung auf diesen Prozess einlassen und Ihre bisherigen einschränkenden Gedanken, Gefühle und biologischen Schwellenwerte wegwerfen und »entsorgen«. Glauben Sie an Ihre Fähigkeit, Ihr höchstes Potenzial zu realisieren, und handeln Sie mit inspirierter Begeisterung, dann werden Sie zu dem Placebo, welches für Sie und unseren Planeten eine glückliche und gesunde Zukunft erschafft.

Dawson Church, Ph.D.

Autor von »Die neue Medizin des Bewusstseins – Wie Sie mit Gedanken und Gefühlen Ihre Gene positiv beeinflussen können«

Prolog

Der Weckruf

All das habe ich nie geplant. Meine derzeitige Arbeit als Vortragsredner, Autor und Forscher hat mich irgendwie gefunden. Manchmal brauchen wir einen Weckruf, um aufzuwachen. Mein Weckruf erreichte mich im Jahr 1986. An einem schönen Apriltag im südlichen Kalifornien hatte ich das Privileg, bei einem Triathlon in Palm Springs von einem Geländewagen überfahren zu werden. Dieser Augenblick hat mein Leben verändert und war der erste Schritt auf dieser ganzen Reise. Damals war ich 23 Jahre alt und hatte kurz zuvor eine chiropraktische Praxis in La Jolla, Kalifornien, eröffnet. Für diesen Triathlon hatte ich monatelang hart trainiert.

Ich hatte das Schwimmen hinter mich gebracht und fuhr Fahrrad, als der Unfall passierte. Ich rollte gerade um eine schwierige Kurve und wusste, dass ich von da an im normalen Verkehr zu fahren hatte. Ein Polizist stand mit dem Rücken zu den entgegenkommenden Autos und winkte mir, ich solle rechts abbiegen und weiterfahren. Ganz auf das Rennen konzentriert, war mein Fokus nur auf ihn gerichtet, während ich mit voller Kraft in die Pedale trat. Als ich in der Kurve zwei Radler überholte, krachte von hinten ein roter Bronco mit Vierradantrieb mit fast 90 km/h in mein Fahrrad. Ich wurde in die Luft geschleudert und landete voll auf dem Hinterteil. Wegen der hohen Geschwindigkeit des Wagens und der langsamen Reaktionen der schon etwas betagten Fahrerin kam das Geländefahrzeug auf mich zu, und schon machte ich erneut Bekanntschaft mit seiner Stoßstange. Ich ergriff sie schnell, um nicht überfahren zu werden und zwischen Metall und Asphalt zu landen. Das Auto zog mich ein Stück auf der Straße mit, bis die Fahrerin schließlich mitbekam, was passiert war. Als sie endlich abrupt bremste, überschlug ich mich und blieb 20 Meter entfernt liegen.

Noch immer erinnere ich mich an das Geräusch der vorbeisausenden Fahrräder und die erschrockenen Schreie und Beschimpfungen der Radfahrer – sie wussten nicht, ob sie anhalten und mir helfen oder weiterfahren sollten. Ich lag da und konnte nur noch loslassen.

Wie ich schon bald herausfinden sollte, hatte ich mir sechs Wirbel gebrochen. Ich hatte Kompressionsfrakturen am 8., 9., 10., 11. und 12. Brustwirbel sowie am 1. Lendenwirbel (die Brüche gingen von den Schulterblättern bis zu den Nieren). Die Wirbel des Rückgrats sind wie einzelne Blöcke aufeinandergestapelt. Durch den harten Aufschlag waren sie gebrochen und durch den Aufprall zusammengedrückt worden. Der 8. Brustwirbel, also der oberste der gebrochenen Wirbel, war zu über 60 Prozent eingedrückt; der ringförmige Wirbelbogen, der das Rückenmark enthält und schützt, war gebrochen und zu einer Form wie eine Brezel zusammengeschoben. Wenn ein Wirbel gestaucht wird und bricht, muss der Knochen irgendwohin. In meinem Fall schob sich ein Großteil der zersplitterten Fragmente in Richtung Rückenmark. Es sah überhaupt nicht gut aus.

Wie in einem bösen Traum erwachte ich am nächsten Morgen mit jeder Menge an neurologischen Symptomen, unter anderem allen möglichen Schmerzen, Taubheitsgefühlen, Kribbeln und Gefühlsverlusten in den Beinen. Auch meine Bewegungsabläufe konnte ich nur schwer kontrollieren.

Ich durchlief Bluttests und wurde geröntgt, und es wurden Computer- und Kernspintomografien gemacht. Der orthopädische Chirurg des Krankenhauses zeigte mir die Ergebnisse mit düsterer Miene: Damit sich die Knochenfragmente, die sich jetzt an meinem Rückenmark befanden, nicht weiter ausbreiteten, müsse mir ein Harrington-Stab implantiert werden. Bei einer solchen Operation wird zwei bis drei Segmente unterhalb und oberhalb der Frakturen die Rückseite der Wirbel herausgeschnitten; dann werden zwei 30 Zentimeter lange Edelstahlstäbe an beiden Seiten der Wirbelsäule festgeschraubt und eingeklemmt. Daraufhin werden vom Hüftknochen ein paar Fragmente abgeschabt und über die Stäbe geklebt. Das ist keine kleine Sache, sondern eine große Operation. Danach bestünde die Chance, wieder laufen zu können. Doch mir war klar, dass ich selbst dann immer noch stark behindert sein und mein Leben lang mit chronischen Schmerzen leben würde. Diese Option gefiel mir verständlicherweise überhaupt nicht.

Doch ohne OP schien die Lähmung unausweichlich zu sein. Der beste Neurologe in der Gegend von Palm Springs war derselben Meinung wie der erste Chirurg. Er sagte mir, er wisse von keinem einzigen Patienten in meinem Zustand, der die Operation abgelehnt habe. Durch den Aufprall bei dem Unfall sei mein T-9-Wirbel keilförmig zusammengedrückt worden; dadurch könnte meine Wirbelsäule das Gewicht meines Körpers beim Aufstehen nicht tragen. Sollte ich es versuchen, würde mein Rückgrat kollabieren, wodurch sich die verstreuten Wirbelteilchen tief in mein Rückenmark drückten, was auf der Stelle eine Lähmung brustabwärts zur Folge hätte. Auch das war wahrlich keine attraktive Option.

Ich wurde in ein Krankhaus in meinem Heimatort La Jolla überführt und holte dort zwei weitere Meinungen ein, unter anderem von den führenden orthopädischen Chirurgen Südkaliforniens. Beide Ärzte waren übereinstimmend der Meinung, ich solle mir einen Harrington-Stab implantieren lassen – was ja keine Überraschung war. Die Prognose war ziemlich überall die gleiche: entweder Operation oder gelähmt sein und nie wieder laufen können. Ich hätte als Arzt an ihrer Stelle dieselbe Empfehlung ausgesprochen und dasselbe gesagt: Diese Option war die sicherste. Aber es war nicht die Option, für die ich mich entschied.

Vielleicht war ich damals einfach nur jung und wagemutig: Ich entschied mich gegen das medizinische Modell und die Spezialistenempfehlungen. Ich glaube an eine uns innewohnende Intelligenz, ein unsichtbares, lebensspendendes Bewusstsein. Es unterstützt, unterhält, schützt und heilt uns in jedem Augenblick unseres Lebens. Es erzeugt fast 100 Billionen spezialisierte Zellen (am Anfang sind es nur zwei); es lässt unser Herz Hunderttausende Male am Tag schlagen, organisiert in jeder einzelnen Sekunde und jeder einzelnen Zelle Hunderttausende an chemischen Reaktionen und erledigt noch viele weitere erstaunliche Aufgaben. Damals überlegte ich mir: Wenn diese Intelligenz etwas Reales war und willentlich, achtsam und liebevoll solche wundersamen Fähigkeiten an den Tag legt, dann könnte ich vielleicht meine Aufmerksamkeit von der Außenwelt weg und nach innen lenken, um mich mit dieser Intelligenz zu verbinden – dann könnte ich versuchen, eine Beziehung zu ihr zu entwickeln.

Ich hatte die Heilungskraft des Körpers zwar intellektuell verstanden, aber jetzt musste ich all dieses philosophische Wissen umsetzen und auf die nächste Ebene und darüber hinaus bringen, um eine echte Heilerfahrung zu kreieren. Da ich nirgendwohin gehen konnte und auch nichts tat, außer mit dem Gesicht nach unten dazuliegen, fasste ich zwei Entschlüsse: Zum einen wollte ich jeden Tag meine gesamte bewusste Aufmerksamkeit auf diese Intelligenz in mir richten und ihr einen Plan unterbreiten, eine Vorlage, eine Vision, mit ganz spezifischen Aufträgen, um dann loszulassen und diesem größeren Geist mit seiner unbegrenzten Macht meine Heilung zu überlassen. Zum Zweiten wollte ich keinen unerwünschten Gedanken an meiner Aufmerksamkeit vorbeischlüpfen lassen. Klingt ganz einfach, oder?

Eine radikale Entscheidung

Gegen den Ratschlag meiner Ärzte verließ ich das Krankenhaus in einer Ambulanz, die mich zum Haus zweier enger Freunde fuhr. Dort verbrachte ich die nächsten drei Monate und konzentrierte mich ganz auf meine Heilung. Ich befand mich auf einer Mission. Jeden Tag wollte ich als Erstes an der Rekonstruktion meiner Wirbelsäule arbeiten, Wirbel für Wirbel, um diesem Bewusstsein – falls es meine Bemühungen tatsächlich wahrnahm – zu zeigen, was ich wollte. Ich war mir bewusst, was das bedeutete: vollständige Präsenz, ganz im jeweiligen Moment gegenwärtig sein, kein Bedauern meiner Vergangenheit, keine Sorgen um die Zukunft, keine obsessive Beschäftigung mit den Umständen meines äußeren Lebens, kein Fokussieren auf meine Schmerzen und Symptome. Wir wissen ja eigentlich in jeder Beziehung mit einem anderen Menschen, ob diese Person bei uns präsent ist oder nicht, nicht wahr? Bewusstsein ist Bewusstheit, Bewusstheit ist Aufmerksamkeit, und Aufmerksamkeit ist Präsenz und Wahrnehmen. Also würde dieses Bewusstsein wahrnehmen, wann ich präsent war und wann nicht. Ich musste in der Interaktion mit diesem Bewusstsein total präsent sein, ebenso gegenwärtig, mit ebenso starkem Willen und mit genauso starker geistiger Kraft wie dieses Bewusstsein.

Also ging ich zweimal täglich zwei Stunden in mich und kreierte ein Bild meiner beabsichtigten Ergebnisse: eine komplett geheilte Wirbelsäule. Natürlich fiel mir auf, wie unbewusst und unfokussiert ich war. Wie ich damals erkannte, richten wir ironischerweise im Fall einer Krise oder eines Traumas zu viel Aufmerksamkeit und Energie auf Gedanken darüber, was wir nicht wollen, anstatt auf das Gewünschte.

In den ersten paar Wochen hatte auch ich immer wieder diese Tendenz. Während meiner Meditationen über das von mir gewünschte Leben mit einer vollkommen gesunden Wirbelsäule bemerkte ich oft plötzlich, wie ich unbewusst über die Worte nachdachte, die mir die Chirurgen vor ein paar Wochen gesagt hatten: dass ich wahrscheinlich nie wieder laufen könne. Mitten in meinen Visualisierungen meines innerlichen Aufbaus meiner Wirbelsäule erwischte ich mich bei Gedanken darüber, ob ich meine chiropraktische Praxis verkaufen sollte. Oder ich übte gerade mental, wieder zu laufen, und ertappte mich bei der Vorstellung, wie es wohl sein würde, den Rest meines Lebens in einem Rollstuhl zu sitzen. Sie wissen schon, was ich meine.

 

Jedes Mal, wenn ich unaufmerksam wurde und mein Geist zu anderen, nicht förderlichen Gedanken abwanderte, begann ich von vorne und visualisierte alles noch einmal. Das war nervig, frustrierend und, ganz ehrlich, mit das Schwierigste, was ich je gemacht habe. Aber ich wollte diesem inneren Beobachter ein klares, sauberes, dauerhaftes finales Bild liefern. Um diese Intelligenz zu dem von mir erhofften Ergebnis zu bringen – und ich wusste, dass es ihr möglich war –, musste ich vom Anfang bis zum Schluss bewusst bleiben und nicht ins Unbewusstsein abdriften.

Sechs Wochen focht ich einen Kampf mit mir selbst aus und bemühte mich, mit diesem Bewusstsein präsent zu sein; schließlich konnte ich meinen inneren Aufbauprozess durchlaufen, ohne immer wieder von vorne anfangen zu müssen. Ich erinnere mich, wie es mir zum ersten Mal gelang – es war ein Gefühl, wie wenn man einen Tennisball am Sweetspot trifft. Es fühlte sich richtig an. Es machte »Klick«; etwas rastete ein, und ich fühlte mich vollständig, zufrieden und ganz. Zum ersten Mal war ich wirklich entspannt und präsent – mental wie auch körperlich, ohne geistiges Geschnatter, ohne Analysieren, ohne Gedanken, ohne fixe Ideen, ohne Probieren. Etwas löste sich auf, und es herrschte Frieden und Stille – als wären mir all die Dinge, um die ich mir eigentlich in der Vergangenheit und der Zukunft hätte Sorgen machen müssen, egal.

Diese Erkenntnis bestärkte mich auf meiner Reise, denn genau zu diesem Zeitpunkt wurden das Visualisieren meiner Wünsche und die Rekonstruktion meiner Wirbel von Tag zu Tag einfacher. Und was noch wichtiger war: Mir fielen einige ziemlich wichtige physiologische Veränderungen auf. In diesem Moment brachte ich meine innere Arbeit, mit der ich diese Veränderungen bewirken wollte, mit dem zusammen, was außerhalb von mir passierte – in meinem Körper. Und von da an achtete ich verstärkt darauf, was ich machte, und tat es mit mehr Überzeugung, immer und immer wieder, und zwar mit Freude und Inspiration, anstatt mich halbherzig zu bemühen. Auf einmal konnte ich das, wofür ich vorher zwei oder drei Stunden gebraucht hatte, schneller erreichen.

Jetzt hatte ich also jede Menge Zeit. Ich begann mir vorzustellen, wie es wäre, wieder einen Sonnenaufgang am Wasser zu erleben, mit meinen Freunden essen zu gehen und in einem Restaurant zu sitzen, und wie ich diese Dinge nie wieder als selbstverständlich betrachten würde. Ich stellte mir vor, wie ich duschte und das Wasser auf Gesicht und Körper spürte. Oder wie ich einfach auf der Toilette saß oder am Strand von San Diego spazieren ging, den Wind auf meinem Gesicht spürte. Diese Dinge hatte ich vor dem Unfall nie wirklich vollkommen wertgeschätzt, aber jetzt waren sie bedeutsam – und ich nahm mir die Zeit, sie emotional anzunehmen, bis ich das Gefühl hatte, ich würde sie tatsächlich erleben.

Damals war mir nicht klar, was ich da machte, aber inzwischen weiß ich es: Ich dachte an all diese zukünftigen Potenziale, die im Quantenfeld existierten, und dann nahm ich jedes einzelne davon an. Und während ich diese willentlich gewollte Zukunft für mich auswählte und sie mit der höheren Emotion im Hinblick auf meine Zukunft zusammenbrachte, begann mein Körper im gegenwärtigen Moment daran zu glauben und war tatsächlich in dieser zukünftigen Erfahrung. In dem Maße, wie ich mein erwünschtes Schicksal immer schärfer beobachten konnte, begannen meine Zellen sich zu reorganisieren. Ich sandte neue Signale an neue Gene, und mein Körper erholte sich tatsächlich, und zwar schneller.

Ich lernte damals einen der Hauptgrundsätze der Quantenphysik kennen: Geist und Materie sind nicht voneinander getrennt; unsere bewussten und unbewussten Gedanken und Gefühle sind die Blaupausen, die unser Schicksal lenken. Die Beharrlichkeit, die Überzeugung und der Fokus auf die Manifestation einer potenziellen Zukunft liegen sowohl im menschlichen Geist als auch im Geist der unendlichen Potenziale des Quantenfeldes; um eine potenziell bereits existierende, zukünftige Realität zu manifestieren, müssen beide zusammenwirken. Wir sind, so erkannte ich, alle göttliche Schöpfer, unabhängig von Rasse, Geschlecht, Kultur, sozialem Status, Bildung, religiösen Überzeugungen oder auch den Fehlern der Vergangenheit. Zum ersten Mal in meinem Leben fühlte ich mich gesegnet.

Ich traf weitere wichtige Entscheidungen über meine Heilung. Ich stellte eine Art Heilungsplan auf (welcher in meinem Buch »Schöpfer der Wirklichkeit« genauer beschrieben ist), zu dem unter anderem Ernährung, Besuche von Freunden, die Energieheilung praktizierten, und ein ausgeklügeltes Rehabilitationsprogramm gehörten. Doch nichts war für mich in dieser Zeit für meine Heilung wichtiger als der Kontakt mit dieser inneren Intelligenz und – durch sie – die Arbeit mit meinem Geist.

Neuneinhalb Wochen nach dem Unfall stand ich auf und ging in mein Leben zurück – ohne Gipskorsett oder Operationen. Ich war vollständig wiederhergestellt. Nach zehn Wochen nahm ich meine Arbeit als Chiropraktiker wieder auf, machte mit meinem Rehabilitationsprogramm weiter und konnte nach zwölf Wochen wieder trainieren und Gewichte heben. Jetzt, fast 30 Jahre nach dem Unfall, kann ich ehrlich sagen, dass ich seitdem fast nie mehr Rückenschmerzen hatte.

Der Beginn der eigentlichen Forschungsarbeit

Doch das war keineswegs das Ende dieses Abenteuers. Ich konnte mit meinem Leben nicht einfach weitermachen wie zuvor, was ja nicht verwunderlich ist. Ich hatte eine Realität kennengelernt, die niemand meiner Bekannten wirklich verstehen konnte. Mit vielen Freunden konnte ich keine Beziehung mehr herstellen, und ganz bestimmt konnte ich nicht dasselbe Leben führen wie vorher. Was früher einmal so wichtig für mich gewesen war, hatte keine echte Bedeutung mehr. Ich begann, mir große Fragen zu stellen: »Wer bin ich?«, »Was ist der Sinn meines Lebens?«, »Was mache ich hier?«, »Was ist meine Aufgabe?«, und: »Was oder wer ist Gott?« Ich zog nach kurzer Zeit von San Diego weg in den pazifischen Nordwesten und eröffnete schließlich eine chiropraktische Praxis in der Nähe von Olympia im Bundesstaat Washington.

Doch zunächst einmal zog ich mich ziemlich aus der Welt zurück und befasste mich mit Spiritualität.

Mit der Zeit interessierte ich mich auch sehr für Spontanremissionen, also die Heilung einer ernsthaften oder als tödlich bzw. chronisch betrachteten Krankheit ohne herkömmliche medizinische Behandlung wie Operationen oder Medikamente. In den langen, einsamen und schlaflosen Nächten während meiner Gesundung hatte ich mit diesem Bewusstsein einen Deal abgeschlossen: Wenn ich jemals wieder laufen könnte, würde ich den Rest meines Lebens der Erforschung der Geist-Körper-Verbindungen und der Macht des Geistes über die Materie widmen. Und genau das habe ich in den fast drei Jahrzehnten seitdem auch getan.

Ich reiste in verschiedene Länder und besuchte Menschen, deren Krankheitszustand nach einer entsprechenden Diagnose und darauf folgender herkömmlicher oder alternativer Behandlung entweder gleichblieb oder sich verschlechterte und denen es dann ganz plötzlich besser ging. Ich sprach mit diesen Menschen, um herauszufinden, welche Erfahrungen ihnen gemeinsam waren, um zu verstehen und zu dokumentieren, was die Besserung bewirkt hatte, denn meine Leidenschaft galt dem Zusammenbringen von Wissenschaft und Spiritualität. Wie ich herausfand, war an all diesen wundersamen Heilungen ein starkes geistiges Element beteiligt.

Den Wissenschaftler in mir juckte es zunehmend in den Fingern; ich wurde immer neugieriger. Ich schrieb mich wieder an der Universität ein und studierte die neuesten Forschungen der Neurowissenschaft. Zu diesem Aufbaustudium kamen dann noch Fächer wie Hirnbildgebung, Neuroplastizität, Epigenetik und Psychoneuroimmunologie dazu. Ich dachte mir, jetzt, wo mir bekannt war, womit diese Menschen die Besserung ihres Gesundheitszustands bewirkt hatten, und ich alles über die Wissenschaft der Veränderung des Geistes wusste (zumindest dachte ich das), sollte ich doch in der Lage sein, das reproduzieren zu können – sowohl bei Kranken also auch bei Gesunden, die nicht nur ihre Gesundheit, sondern auch ihre Beziehungen, beruflichen Karrieren, Familien und ihr Leben im Allgemeinen durch innere Veränderungen unterstützen wollten.

Dann wurde ich eingeladen, als einer von 14 Wissenschaftlern und Forschern an dem Dokumentarfilm »What the Bleep Do We Know!?« aus dem Jahr 2004 mitzuarbeiten, und dieser Film wurde über Nacht zu einem Riesenerfolg. »What the Bleep Do We Know!?« ermutigte die Menschen, die Natur der Realität zu hinterfragen und es dann in ihrem Leben auszuprobieren und zu sehen, ob ihre Beobachtung von »materieller Bedeutung« und relevant war oder, genauer gesagt, ob ihre Beobachtung tatsächlich zu Materie wurde. Auf der ganzen Welt sprachen die Menschen von dem Film und den darin unterstützten Konzepten. Daraufhin schrieb ich mein erstes Buch, »Schöpfer der Wirklichkeit – Der Mensch und sein Gehirn – Wunderwerk der Evolution«, welches 2007 herauskam. Danach stellten mir die Leute fragen wie: »Wie machst du das? Wie veränderst du dich und wie kreierst du das Leben, das du dir wünschst?« Schon bald war das die am häufigsten an mich gewandte Frage.