Schöpfer der Wirklichkeit

Tekst
Loe katkendit
Märgi loetuks
Kuidas lugeda raamatut pärast ostmist
Schöpfer der Wirklichkeit
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Joe Dispenza




Schöpfer der Wirklichkeit




Der Mensch und sein Gehirn – Wunderwerk der Evolution















Titel der Originalausgabe:



»Evolve your Brain«



Copyright © 2007 by Joe Dispenza, D.C.



Published under arrangement with



HEALTH COMMUNICATIONS, INC.



Deerfield Beach, Florida, USA





Cover Design: Hauptmann & Kompanie, Zürich



Aus dem Englischen von Hanna Goldbach



Lektorat: Claudia Feiereisen



Deutsche Ausgabe: © KOHA-Verlag GmbH Burgrain



Alle Rechte vorbehalten



Gesamtherstellung: Karin Schnellbach



ebook



ISBN 978-3-86728-759-3








Für Jace, Gianna und Shenara




Inhaltsverzeichnis





Schöpfer der Wirklichkeit







Danksagung







Vorwort





1

 Anfänge



2

 Auf dem Rücken eines Giganten



3

 Neuronen und das Nervensystem: Eine Reise auf der ursprünglichen Datenautobahn



4

 Unsere drei Gehirne und mehr



5

 Ererbte Verschaltung – veränderbar durch Hege und Pflege



6

 Neuroplastizität: Wie Wissen und Erfahrung das Gehirn verändern und weiterentwickeln



7

 Anwendung von Wissen und Erfahrung



8

 Die Chemie des Überlebens



9

 Die Chemie der emotionalen Sucht



10

 Kontrollübernahme: Der Frontallappen in Wort und Tat



11

 Kunst und Wissenschaft des mentalen Probelaufs



12

 Die weitere Entwicklung unseres Seins










      Epilog






Über den Autor







Danksagung






Schöpfung ist ein überaus interessantes Phänomen. Der Prozess besteht aus einer Landschaft von Gipfeln und Tälern mit ungewissen Aussichten. Es gibt Augenblicke, in denen wir uns echt inspiriert und beflügelt fühlen, weil wir eine neue Ebene erklommen und einen weiteren Blick gewonnen haben. Im nächsten Augenblick erkennen wir jedoch, dass dort nur noch größere Hindernisse auf uns warten, weshalb wir uns fragen, ob wir überhaupt vorwärtsgekommen sind und ob es die Mühe wirklich wert ist. Wie bei einer Geburt gehen mit dem Schöpfungsprozess Geburtswehen einher, Komplikationen, Übelkeit, Erschöpfung, schlaflose Nächte und sorgenvolle Gedanken um die Zukunft. Wir zweifeln an unseren Fähigkeiten und grämen uns wegen unseres Unwissens; wir grübeln über unsere Kritiker nach und fragen uns, für wen wir das alles überhaupt tun und wieso. Beim Verfassen dieses Buches habe ich all das erlebt.



Und doch ist es eigentlich normal, dass wir uns mit diesen Dingen quälen, denn irgendwo in uns wissen wir: Das Einzige, woran wir uns dabei abarbeiten, ist unsere eingeschränkte Sicht auf uns selbst. Es ist ein Prozess, und gewiss hat er sein wiederkehrendes Auf und Ab.



Ich muss sagen, dass dieses Buch für mich ein großartiger Lehrer war. Ich habe mich verändert, weil ich weitergemacht habe, trotz all der guten Gründe, aufzuhören. Heute ist mir klarer, warum ich dieses Buch geschrieben habe. Meine einzige Absicht und meine Hoffnung bestanden darin, Menschen bei der Veränderung ihres Lebens zu unterstützen. Wenn dieses Buch auch nur im Leben einer einzigen Person etwas bewirkt, war es die ganze Mühe wert. Schöpfer der Wirklichkeit wurde in erster Linie nicht für Wissenschaftler geschrieben, sondern für Durchschnittsmenschen, die besser verstehen möchten, wie wissenschaftliche Erkenntnisse unsere Fähigkeit uns zu verändern, bestätigen und dass wir Menschen ein enormes Potenzial haben.



Natürlich weiß ich nicht alles, was es über das Gehirn zu wissen gibt. Was ich gelernt, erfahren und erforscht habe, sind nur Pforten zu noch mehr Verständnis. Manche mögen mich fragen, warum ich nicht dieses oder jenes Thema angesprochen habe. Ich wollte den Inhalt dieses Buches wirklich auf das wissenschaftliche Verständnis der Veränderungsmöglichkeiten unseres Geistes und die sich daraus ergebenden Konsequenzen für unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit beschränken. Ich hätte in diesem Buch vieles ausführlicher diskutieren können, zum Beispiel Faktoren innerhalb der Themenbereiche Energie, Geist, Quantenphysik, aber das hätte den Umfang allzu sehr gesprengt, sodass das Ganze weniger gut nutzbar wäre. Im Nachwort weise ich auf weitergehende Anwendungsmöglichkeiten hin.



Ich möchte verschiedenen Leuten danken, die mich bei der Vervollständigung dieses Werkes unterstützt, beeinflusst und inspiriert haben. Zuerst möchte ich meinen Verlegern von HCI, Peter Vegso und Tom Sand, dafür danken, dass sie an mich geglaubt haben. Ein besonderer Dank gilt meiner Lektorin Michele Matrisciani. Auch der Redakteurin Carol Rosenberg möchte ich für ihre Gründlichkeit danken und Dawn Von Strolley Grove und Lawna Patterson Oldfield für ihre fachkundige Hilfe bei der Produktion.



Ich danke meiner Korrektorin Tere Stouffer und Sara Steinberg, meiner inhaltlichen Korrektorin, die mich einiges über den Hasen und den Igel gelehrt und so viel Fürsorge und Liebe gezeigt hat. Die Beiträge von Gary Brozek waren für dieses Buch von großem Wert, und meine Grafikerin Larissa Hise Henoch hat in den Abbildungen ihr echtes Talent zum Ausdruck gebracht.



Meinen Mitarbeitern Bill Harrell, D.C., Jackie Hobbs, Diane Baker, Patty Kerr, Charlie Davidson und Brenda Surerus danke ich dafür, dass sie mit mir Schritt halten. Eure Aufrichtigkeit ist mir unendlich kostbar. Besonders danke ich Gabrielle Sagona für ihre Hilfe, ihre Ermutigung und ihren großartigen Einsatz. Joanne Twining, Ph.D., hat mich durch ihre Fähigkeiten, ihr Wissen und ihre Geduld immer wieder aufs Beste ergänzt. Will Arntz, James Capezio und Rebecca Capezio danke ich für ihre wichtigen Rückmeldungen zum Manuskript. Marjorie Layden, Henry Schimberg, Linda Evans, Anne Marie Bennstrom, Ken Weiss, Betsy Chasse und Gordon J. Grobelny, D.C., danke ich für ihre unermüdliche Ermutigung und Unterstützung. Und Paul Burns, J.D., D.C., hat mir auf so unzählig viele Weisen geholfen, dass ich ihm gar nicht genug danken kann.



Ich möchte auch JZ Knight dafür danken, dass sie ihr Leben dem Dienst an der Menschheit widmet. Ramtha, von dem ich so viel gelernt habe, dass ich hundert Leben lang darüber nachdenken könnte, danke ich für die Inspiration, dieses Buch zu schreiben. Und ich möchte auch all die Schüler von Ramtha’s School of Enlightenment (»Ramthas Schule der Erleuchtung«) erwähnen, die ihr Leben mit Leidenschaft, Abenteuerlust und in Liebe zu Gott leben. Ihre Hingabe an das große Werk inspiriert mich immer wieder.



Mein besonderer Dank gilt auch Amit Goswami, Ph.D., für seinen brillanten Intellekt und seine Bereitwilligkeit, ein Individuum und Querdenker zu sein. Nick Pappas, M.D., Margie Pappas, R.N., M.S., und John Kucharczyk, Ph.D., danke ich für alles, was sie mich über das Gehirn, den Geist und den Körper gelehrt haben.



Ich danke John und Katina Dispenza und meiner Mutter Fran Dispenza für ihre starken Schultern, an die ich mich immer wieder anlehnen kann. Und zu guter Letzt möchte ich für meine wundervolle Gefährtin Roberta Brittingham ein ganz großes »Danke« an den Himmel schreiben, weil sie so natürlich all das ist und lebt, was ich in diesem Buch zu erklären versuche: Deine Bescheidenheit und deine Großartigkeit inspirieren mich immer wieder.





Vorwort






Da Sie dieses Buch in der Hand halten, sind Sie sich vielleicht bereits des Paradigmenwandels bewusst, der in der Wissenschaft vor sich geht. Im alten Paradigma gilt Ihr Bewusstsein – also das, was Sie ausmacht – als ein Epiphänomen des Gehirns. Im neuen Paradigma ist Ihr Bewusstsein die Grundlage Ihres Seins und Ihr Gehirn ist das Epiphänomen. Fühlen Sie sich jetzt besser? Dann können Sie aus der Lektüre dieses Buches großen Nutzen ziehen.



Wenn das Bewusstsein das Primäre und das Gehirn das Sekundäre ist, fragen wir uns natürlich, wie wir das Gehirn möglichst optimal nutzen können, damit es dem Bewusstsein und seiner Entwicklung dient. Die Erforschung des neuen Paradigmas ist seit einer Weile im Gang, aber dies ist das erste Buch, das dieser Frage nachgeht und sie brillant zu Ende führt. Dr. Joe Dispenza hat ein echtes Benutzerhandbuch für das Gehirn geschrieben – aus der Perspektive des neuen Primats des Bewusstseins.



Dr. Dispenza ist kein Quantenphysiker. Er behandelt das Primat des Bewusstseins daher bis zum Ende des Buches implizit. Um das Primat des Bewusstseins explizit zu betrachten, bedarf es der Quantenphysik, und daher könnte ein wenig Hintergrundinformation von einem Quantenphysiker für Sie, liebe Leser, hilfreich sein; deshalb schreibe ich dieses Vorwort.

 



Seit den Anfängen der neuen Paradigma-Revolution hat die Quantenphysik ein fundamentales Interpretationsproblem. Sie be-trachtet Objekte nicht als festgelegte »Dinge«, sondern als Wellen von Möglichkeiten. Wie werden diese Möglichkeiten, wenn wir sie beobachten oder »messen«, zu den eigentlichen Dingen unserer Erfahrung? Wenn Sie meinen, dass unser Gehirn – also der »Ort« unseres Bewusstseins – die Fähigkeit hat, aus Möglichkeiten Gegebenheiten zu machen, dann sollten Sie noch einmal darüber nachdenken. Erkenntnissen der Quantenphysik zufolge besteht das Gehirn selbst, bevor wir es messen, bevor wir damit irgendetwas beobachten, aus Quantenmöglichkeiten. Wenn wir, also unser Bewusstsein, ein Produkt des Gehirns wären, wären wir ebenfalls Möglichkeiten, und unsere Verbindung mit einem Objekt würde weder das Objekt noch uns (unser Gehirn) aus dem Bereich der Möglichkeiten zur Aktualität verhelfen. Machen Sie sich nichts vor! Eine Verbindung aus zwei Möglichkeiten ergibt nur eine größere Möglichkeit.



Das Paradox wird noch größer, wenn wir uns selbst als dualistisch denken – als nichtmaterielles, duales Wesen, das nicht an Quantengesetze gebunden und unabhängig vom Gehirn ist. Doch wenn Sie nicht materiell sind, wie interagieren Sie dann mit Ihrem Gehirn, mit dem Sie nichts gemein haben? Die Philosophie des Dualismus ist ähnlich widerspenstig wie die Wissenschaft.



Es gibt eine dritte Art, über diese Dinge zu denken, und diese führt uns zum Paradigmenwandel. Ihr Bewusstsein ist der primäre Stoff, aus dem die Wirklichkeit besteht, und die Materie (inklusive Ihres Gehirns und der Objekte, die Sie beobachten) existiert in diesem Stoff als Quantenmöglichkeiten. Wenn Sie etwas beobachten, wählen Sie dabei aus all den Möglichkeiten die eine Facette, die sich in Ihrer Erfahrung realisiert. Physiker nennen diesen Prozess den »Zusammenbruch der Quanten-Möglichkeitswelle«.



Sobald Sie erkannt haben, dass Ihr Bewusstsein nicht Ihrem Gehirn entspricht, sondern es transzendiert ...; sobald Sie erkannt haben, dass Sie aus all den Möglichkeiten wählen können, sind Sie bereit, Joe Dispenzas Ideen und Vorschläge umzusetzen. Es wird Ihnen helfen, zu wissen, dass das »Ich«, das diese Wahl trifft, ein kosmisches »Ich« ist, ein Bewusstseinszustand, der Ihnen in ungewöhnlichen Situationen zur Verfügung steht, zum Beispiel wenn Sie eine kreative Erkenntnis haben. In diesen Augenblicken sind Sie in der Lage, in Ihren neuronalen Mustern etwas zu verändern. Dr. Dispenza zeigt Ihnen, wie.



Es existiert ein weiterer Grund, weshalb ich dieses Buch für eine wesentliche Ergänzung der zunehmenden Menge an Literatur über das neue wissenschaftliche Paradigma halte: Joe Dispenza betont, wie wichtig es ist, auf seine Emotionen zu achten. Den Ausdruck »emotionale Intelligenz« haben Sie vielleicht schon gehört. Was bedeutet emotionale Intelligenz? Zuerst bedeutet es, dass wir nicht zu Opfern unserer Emotionen werden müssen. Wir tun es, weil wir an ihnen hängen – oder wie Joe Dispenza sagen würde: »Sie hängen an den neuronalen Mustern, die mit den Emotionen verbunden sind.«



Als Albert Einstein Nazi-Deutschland verlassen musste, soll seine Frau darüber gejammert haben, dass sie so viele Möbel und andere Haushaltsgegenstände zurücklassen mussten. »Ich hänge so daran«, soll sie gegenüber einer Freundin geklagt haben. Einstein warf da-raufhin ironisch ein: »Sicher, meine Liebe, aber sie hängen nicht an dir.«



Darum geht es. Die Emotionen hängen nicht an Ihnen; Sie sind nicht Ihr Gehirn, deshalb brauchen Sie sich auch nicht mit Ihren vorhandenen neuronalen Mustern zu identifizieren. Was das Konzept der emotionalen Intelligenz betrifft, sind manche Autoren etwas unklar. Sie reden von emotionaler Intelligenz und wie man sie entwickeln kann, aber sie gehen auch davon aus, dass wir nichts als Gehirn sind. Bei diesem Konzept steht das Gehirn bereits in einer hierarchischen Beziehung zu den Emotionen. Echte emotionale Intelligenz ist nur möglich, wenn Sie diese Hierarchie verändern können, und das geht nur, wenn Sie kein Teil davon sind. Joe Dispenza betont das Primat des Bewusstseins über das Gehirn, und damit gibt er uns wertvolle Hinweise über emotionale Intelligenz und darüber, wie Sie vorhandene neuronale Muster und Hierarchien verändern können.



Als ein Journalist einmal Gandhis Frau fragte, wie Gandhi so viel schaffen konnte, antwortete sie: »Ganz einfach: Bei Gandhi sind Gedanke, Wort und Tat im Einklang miteinander.«



Wir wollen alle viel erreichen; wir wollen den Sinn und Zweck unseres Lebens erfüllen. Dafür ist es eine echte Herausforderung, diesen Einklang von Gedanken, Worten und Taten herzustellen. Anders ausgedrückt: Die Herausforderung besteht darin, Gedanken und Gefühle zu integrieren. Ich bin davon überzeugt, dass die Evolution des Bewusstseins heute genau das von uns fordert. Und in diesem Zusammenhang bietet Joe Dispenza hier ein unverzichtbares Wissen an.



Ich bin Joe Dispenza zum ersten Mal bei einer What the Bleep Do We Know?!-Konferenz begegnet. Wie Sie vielleicht wissen, erzählt dieser Film von einer jungen Frau, die sich damit abmüht, ihr emotionales Verhalten zu ändern. In einer entscheidenden Szene schaut die Frau (sehr gut gespielt von der Schauspielerin Marlee Matlin) in einem Spiegel ihr Ebenbild an und sagt: »Ich hasse dich!« In diesem Augenblick macht sie sich frei, eine andere Quantenmöglichkeit zu wählen. Sie transformiert ihre neuronalen Muster und erschafft sich einen neuen Seinszustand und ein neues Leben.



Auch Sie können Ihre neuronalen Muster verändern. Sie haben die Macht der Quantenentscheidung. Wir hatten schon immer das Werkzeug dazu, aber erst jetzt können wir verstehen, wie wir es einsetzen sollten. Dieses Buch wird Ihnen helfen, zu wählen und sich zu verändern. Lesen Sie es, wenden Sie seine Ideen in Ihrem Leben an und erkennen Sie Ihr Potenzial.





Dr. Amit Goswami



Professor für Physik an der Universität von Oregon und Autor von Das bewusste Universum






1

Anfänge

Wie wundersam, dass man nicht liest,

wie das Gehirn doch oft umschließt

in winziger Zelle, doch in Völle

Gottes Himmel oder Hölle.



Oscar Wilde






Ich möchte Sie einladen, einen Gedanken zu fassen, irgendeinen Gedanken. Gleich, ob Ihr Gedanke etwas mit Gefühlen des Ärgers, der Traurigkeit, der Inspiration, der Freude oder sogar sexueller Erregung zu tun hatte – Sie haben damit Ihren Körper verändert. Sie haben sich selbst verändert. Alle Gedanken – seien sie »Ich kann nicht …«, »Ich kann …«, »Ich bin nicht gut genug« oder »Ich liebe dich« – haben die gleichen messbaren Auswirkungen. Während Sie dasitzen, entspannt diese Zeilen lesen und dabei keinen Finger krümmen, durchläuft Ihr Körper eine Unmenge dynamischer Veränderungen. Wussten Sie, dass Ihre Bauchspeicheldrüse und Ihre Adrenalindrüsen (Nebennieren) aufgrund Ihres letzten Gedankens vielleicht plötzlich ein paar Hormone mehr ausstoßen? Wie in einem Gewitter zuckten elektrische Stromstöße durch verschiedene Bereiche Ihres Gehirns und verursachten die Ausschüttung bestimmter Neurochemikalien, deren Anzahl zu groß ist, als dass ich sie hier aufführen könnte. Ihre Milz und Ihre Thymusdrüse haben eine Massen-E-Mail ans Immunsystem verschickt, um gewisse Anpassungen vorzunehmen. Verschiedene Magensäfte wurden produziert, Ihre Leber hat Enzyme erzeugt, die vor wenigen Minuten noch nicht da waren, Ihr Herzschlag und Ihr Lungenvolumen haben sich verändert und die Durchblutung Ihrer Extremitäten wurde beeinflusst. All das nur durch einen einzigen Gedanken. So machtvoll sind Sie.



Aber wie können Sie all das bewirken? Wir verstehen intellektuell, dass das Gehirn im Körper viele verschiedene Funktionen steuert. Aber wie viel Verantwortung für die Aufgaben des Gehirns als oberster Instanz des Körpers liegt eigentlich bei uns? Ob es uns recht ist oder nicht: Sobald wir einen Gedanken gedacht haben, liegt der Rest völlig außerhalb unserer Macht. All diese körperlichen Reaktionen auf unser absichtsvolles oder unabsichtliches Denken entfalten sich jenseits unseres Einflussbereichs. Wenn man sich das einmal klarmacht, ist es absolut erstaunlich, welch weitreichende Konsequenzen ein oder zwei bewusste oder unbewusste Gedanken haben können.



Ist es zum Beispiel möglich, dass die scheinbar unbewussten Gedanken, die uns täglich und wiederholt durch den Sinn gehen, eine Kaskade von chemischen Reaktionen auslösen – Reaktionen, die nicht nur bestimmen, welche Gefühle wir entwickeln, sondern auch, wie es uns damit geht? Können wir akzeptieren, dass die Langzeitwirkungen unserer Denkgewohnheiten möglicherweise die Ursache für Ungleichgewichte in unserem Körper sind – bis hin zu Krankheiten? Trimmen wir am Ende durch unsere wiederholten Gedanken und Reaktionen unseren Körper darauf, krank zu sein? Katapultieren wir vielleicht einfach durch unser Denken unsere innere Chemie so oft aus dem Bereich des Normalen heraus, dass das Selbststeuerungssystem des Körpers irgendwann diese abnormalen Zustände als normal einstuft? Es ist ein subtiler Prozess, den wir bislang vielleicht noch nie so stark beachtet haben. Möge Ihnen dieses Buch ein paar Vorschläge bieten, wie Sie Ihr eigenes inneres Universum besser verwalten können!



Da es gerade um das Thema Wahrnehmung geht, möchte ich Sie bitten, jetzt einmal ganz aufmerksam zu sein und zu lauschen: Hören Sie das Brummen des Kühlschranks? Das Geräusch der vorüberfahrenden Autos? Das ferne Hundegebell? Oder Ihren eigenen Herzschlag? Indem Sie Ihre Aufmerksamkeit einfach verlagert haben, haben Sie in Millionen von Zellen Ihres Gehirns einen Stromstoß und einen Spannungsanstieg ausgelöst. Durch Ihre Entscheidung, Ihre Aufmerksamkeit zu modifizieren, haben Sie Ihr Gehirn verändert – und zwar nicht nur im Vergleich zu seiner Arbeit wenige Augenblicke zuvor, sondern auch, wie es im nächsten Augenblick und vielleicht für den Rest Ihres Lebens funktionieren wird.



Wenn Ihre Aufmerksamkeit dann zu den Worten auf dieser Seite zurückkehrt, verändern Sie die Durchblutung in Ihrem Gehirn erneut. Sie lösen eine Kaskade von Impulsen aus, leiten elektrische Ströme zu verschiedenen Bereichen Ihres Gehirns und passen sie an. Auf mikroskopischer Ebene tun sich zahlreiche Nervenzellen chemisch zusammen und kommunizieren, um langfristige Beziehungen zueinander zu entwickeln. Weil Sie den Brennpunkt Ihrer Aufmerksamkeit verlagert haben, feuert das schimmernde dreidimensionale, komplexe neurologische Gewebe Ihres Gehirns jetzt in neuen Kombinationen und Sequenzen. Sie haben das aus freiem Willen getan, einfach indem Sie Ihren Fokus verändert haben. Der englische Ausdruck »You changed your mind« (»Sie haben es sich anders überlegt«; wörtlich: »Sie haben Ihren Geist geändert«) trifft hier wortwörtlich zu.



Als menschliche Wesen haben wir natürlicherweise die Fähigkeit, unsere Aufmerksamkeit allem Möglichen zu widmen. Wie, wo, worauf und wie lange wir unsere Aufmerksamkeit auf irgendetwas richten, das definiert uns auf neurologischer Ebene – wie wir später noch genauer erkunden werden. Doch wenn unsere Aufmerksamkeit so beweglich ist, warum fällt es uns dann so schwer, bei Gedanken zu bleiben, die uns dienlich sind? Gerade jetzt, während Sie sich auf die Lektüre konzentrieren, haben Sie vielleicht Ihre Rückenschmerzen oder die Auseinandersetzung mit Ihrem Chef heute Morgen vergessen und denken vielleicht nicht einmal daran, welches Geschlecht Sie haben. Unser Seinszustand wird wesentlich dadurch bestimmt, worauf wir unsere Aufmerksamkeit lenken.



Wie aus heiterem Himmel steigt zum Beispiel eine bittere Erinnerung aus unserer Vergangenheit auf, die gewöhnlich tief in den Falten unserer grauen Hirnsubstanz ruht; wie von Zauberhand erwacht sie zum Leben. Wir können uns auch um die Zukunft sorgen, um Dinge, die noch gar nicht existieren, bis wir sie in unserer Vorstellung heraufbeschwören. Für uns sind sie in diesem Augenblick real. Unsere Aufmerksamkeit kann alles zum Leben erwecken und »wirklich« werden lassen, was bis eben noch unbemerkt oder irreal war.



Ob Sie es glauben oder nicht: Den Erkenntnissen der Neurowissenschaft zufolge macht die Aufmerksamkeit, die wir auf einen Schmerz im Körper lenken, diesen Schmerz existent, weil die neuronalen Schaltkreise der Schmerzwahrnehmung elektrisch aktiviert werden. Wenn wir unsere ganze Aufmerksamkeit auf etwas anderes lenken, dann können diese Neuronenmuster der Schmerzverarbeitung und Körperempfindung abgeschaltet werden – und prompt verschwindet der Schmerz. Doch wenn wir dann überprüfen wollen, ob der Schmerz wirklich weg ist, werden die entsprechenden Neuronenmuster wieder aktiviert, weshalb das unangenehme Gefühl zurückkehrt. Neuronenmuster, die wiederholt feuern, entwickeln stärkere Verbindungen. Achten wir zum Beispiel täglich auf einen Schmerz, dann wird unsere Schmerzwahrnehmung deutlicher, weil die entsprechenden Neuronenmuster durch die Beobachtung gestärkt werden. Ihre eigene Wahrnehmung kann also starke Auswirkungen haben. Das könnte eine Erklärung dafür sein, wie Schmerzen und Erinnerungen uns prägen, selbst wenn sie vielleicht schon lange zurückliegen. Wir werden neurologisch zu dem, woran wir wiederholt denken und worauf wir unsere Aufmerksamkeit lenken. Endlich hat man neurowissenschaftlich begriffen, dass wir die neurologische Grundstruktur unseres Selbst durch das prägen, worauf wir immer wieder unsere Aufmerksamkeit richten.

 



Alles, was uns ausmacht – unsere Gedanken, Träume, Erinnerungen, Hoffnungen, Gefühle, heimlichen Fantasien, Ängste, Fähigkeiten, Gewohnheiten, Freuden und Leiden –, ist im lebendigen Gitterwerk unserer 100 Milliarden Gehirnzellen verankert. Wenn Sie dieses Buch bis hierher gelesen haben, ist Ihr Gehirn schon dauerhaft verändert. Wenn Sie auch nur eine einzige Information aufgenommen haben, sind zwischen winzigen Hirnzellen neue Verbindungen entstanden und Sie sind jemand anderes. Die Bilder, die diese Worte in Ihrem Gehirn hervorriefen, haben in der endlos weiten neurologischen Landschaft dessen, was Sie als »Ich« identifizieren, Fußspuren hinterlassen, denn dieses fühlende Wesen Ihres »Ich« existiert tatsächlich in dem inniglich miteinander verwobenen Geflecht Ihres Gehirns. Ihre Individualität definiert sich durch die Art, wie Ihre Nervenzellen miteinander verbunden sind, ausgelöst durch das, was Sie gelernt haben, an was Sie sich erinnern, was Sie erfahren, was Sie sich vorstellen, was Sie tun und was Sie über sich selbst denken.



Sie sind ein Werk, das laufend fortgeschrieben wird. Die Organisation Ihrer Gehirnzellen, die bestimmt, wer Sie sind, ist in ständiger Bewegung. Vergessen Sie die Idee, das Gehirn sei etwas Starres, Festes. Aus neurologischer Sicht werden wir unablässig durch die endlosen Reize der Welt verändert. Statt sich Nervenzellen als unbewegliche winzige Stäbchen vorzustellen, die zusammen die graue Masse Ihres Gehirns bilden, möchte ich Sie einladen, sie lieber als tanzende Muster aus zarten elektrischen Fasern eines lebendigen Netzwerks zu betrachten, die sich ständig verbinden und wieder lösen. Das kommt der Wahrheit dessen, wer Sie sind, viel näher.



Die Tatsache, dass Sie die Worte auf dieser Seite lesen und begreifen können, ist aus den vielen Interaktionen entstanden, die Sie im Lauf Ihres Lebens erfahren haben. Verschiedene Leute haben Sie unterrichtet und Ihr Gehirn mikroskopisch verändert. Falls Sie die Idee, dass sich Ihr Gehirn beim Lesen dieser Seiten verändert, akzeptieren können, erkennen Sie sicher leicht, dass Ihre Eltern, Lehrer, Nachbarn, Freunde, Familie und Kultur wesentlich zu dem beigetragen haben, wer Sie heute sind. Durch unsere Sinneswahrnehmungen, durch unsere verschiedenen Erfahrungen schreiben wir die Geschichte dessen, wer wir sind, auf die Tafel unseres Geistes. Unsere Meisterschaft zeichnet sich dadurch aus, wie wir dieses bemerkenswerte Orchester aus Gehirn und Geist dirigieren, denn wie wir gerade gesehen haben, können wir unsere mentale Aktivität durchaus steuern.

1






Jetzt wollen wir Ihr Gehirn noch ein wenig weiter verändern. Ich möchte Ihnen etwas Neues beibringen. Und das geht so: Schauen Sie auf Ihre rechte Hand. Berühren Sie mit dem Daumen Ihren kleinen Finger, dann den Zeigefinger, dann den Ringfinger und dann den Mittelfinger. Wiederholen Sie die Abfolge, bis Sie sie fließend meistern. Dann machen Sie die Übung schneller, bis Sie Ihre Finger sehr rasch bewegen können, ohne sich zu verhaspeln. Mit ein wenig Aufmerksamkeit sollten Sie in wenigen Minuten in der Lage sein, diese kleine Aktion zu beherrschen.



Um diese Übung zu machen, mussten Sie Ihren entspannten Ruhezustand verlassen und Ihre Aufmerksamkeit ein wenig anspannen. Sie haben sich entschieden, Ihr Gehirn ein bisschen auf Trab zu bringen; Sie haben Ihre Aufmerksamkeit freiwillig erhöht. Um sich die Bewegung zu merken, mussten Sie etwas mehr Energie in Ihr Gehirn bringen. Sie haben gewissermaßen den Dimmer des Lichts, das ständig in Ihrem Gehirn brennt, ein wenig hochgedreht, sodass es heller wurde. Sie wurden motiviert, und die Entscheidung aktivierte Ihr Gehirn.



Um den Bewegungsablauf zu erlernen und auszuführen, mussten Sie Ihre Aufmerksamkeit erhöhen. Das hat die Durchblutung und die elektrische Aktiv