Kobe Bryant

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Kobe Bryant
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KOBE
BRYANT

DER BESTE DER NBA

ROLAND LAZENBY

Aus dem Englischen von Robert Steiner und Alison Flint Steiner


Impressum

© 2016 by Full Court Press, Inc.

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel „SHOWBOAT“ im Oktober 2016 bei Little, Brown and Company, New York.

***

© der deutschsprachigen Ausgabe:

egoth verlag GmbH, 2020

Untere Weißgerberstr. 63, A-1030 Wien

ISBN: 978-3-903183-40-7

ISBN E-Book: 978-3-903183-81-0

Übersetzung aus dem Englischen: Alison Flint-Steiner und Robert Steiner

Lektorat: Lisa Krenmayr

Grafische Gestaltung und Satz: Dipl. Ing. (FH) Ing. Clemens Toscani

Coverbild: Larry W. Smith / EPA / picturedesk.com

Printed in the EU

Alle Rechte vorbehalten. Wiedergabe, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Rechteinhabers.

1. Auflage im September 2020

Gewidmet Schwarz und Weiß und all den

wunderbaren Schattierungen dazwischen

sowie Ella Mae Austin und Roger Davis, Doc Foster und

Estella Hampton und allen,

die uns so viele wertvolle Lektionen auf so viele verschiedene

Arten lehren,

sowie meiner wunderbaren, jahrelangen

Wegbegleiterin Karen, die nicht mit Gold

aufzuwiegen ist,

und meinen Kindern Jenna, Henry und Morgan sowie

meinen Enkelsöhne Liam und Aiden.

In liebender Erinnerung an Jeanie Lazenby Masten.

Inhalt

VORWORT: ONLY THE LONELY

Teil 1: JELLYBEAN

DIE FESTNAHME

VATERSCHAFT

SPASS AM SPIEL

PAM UND JELLY

DAS BOMBEN-KOMMANDO

Teil 2: WUNDERKIND

KOBE BEAN

DER HOFNARR

ITALIA

DAS ROTE FAHRRAD

LOWER MERION

THE VIBE

Teil 3: DER AUSERWÄHLTE

SUMMER LOVE

DER AUFSTIEG

EIN BÖSER, BÖSER JUNGE

ALLES FÜGT SICH ZUSAMMEN

TEAM BRYANT

ZU DEN STARS

Teil 4: CALIFORNIA STARS

PACIFIC PALISADES

DAS MÄRCHEN GEHT WEITER

CHAOS-THEORIE

CALIFORNIA STARS

HOCHZEITSGLOCKEN UND ANDERE SCHWIERIGKEITEN

GEBROCHENE KNÖCHEL, ZERBROCHENE HERZEN

Teil 5: MAMBA

ROCKY MOUNTAINS

DER SCHADEN

AUFSTIEG

VERMÄCHTNIS

DER BOSS

NACHRUF

DANKSAGUNG

DER AUTOR

Anfangs kam er als lebenslustiger Junge rüber. Doch das war er nicht. Kobe Bean Bryant musste immer hart arbeiten, um zu zeigen, dass ihm nichts und niemand etwas anhaben konnte. Speziell in seiner allerersten Saison in der NBA.

Damals, im Dezember 1996, war ich live dabei im Charlotte Coliseum, als er seinen ersten Wurf des Spiels – einen Dreipunkter – verwertete.

Nach dem Spiel tänzelte er gut gelaunt in die Umkleidekabine und klatschte mit mir ab. Er wusste gar nicht, wer ich war. Nur wieder so ein Typ mit einem Notizbuch und einem Diktiergerät. Doch er war begierig darauf, sich der Welt zu zeigen.

Etwas später in der Saison saß ich zusammen mit ihm in einem leeren Umkleideraum in Cleveland, während er auf seinen Auftritt beim Slam Dunk-Wettbewerb anlässlich des 50jährigen Jubiläums des NBA AllStar-Wochenendes wartete und die Zeit bis dahin totschlagen musste.

Wir sprachen über seine Rolle als das Gesicht einer Generation neuer Talente, die es in die NBA geschafft hatte – eine sehr junge Generation. Es war sogar die jüngste Gruppe an Spielern, die es jemals in die Topliga geschafft hatte. Er sprach über die Schwierigkeiten, Erwartungen, Risiken und die vielen Versuchungen, die auf einen erst 18-jährigen Spieler in dem Moloch, der sich Los Angeles nennt, lauerten.

Er erzählte, welchen Einfluss es auf ihn – einen damals 13-Jährigen – gehabt hatte, als Magic Johnson 1991 mit seiner HIVInfektion an die Öffentlichkeit trat und wie er später selbst alle Versuchungen mied, die Johnson nach eigener Aussage dazu verleitet hatten, mit drei- bis fünfhundert Partnern im Jahr Sex zu haben.

„Für mich ist das recht einfach“, meinte Bryant damals zu mir, „es gibt nämlich so viele Dinge in meinem Leben, die ich erreichen möchte.“

Nur ein paar Minuten später stand er auf und verließ die Kabine und unser tiefsinniges Gespräch und gewann den Slam Dunk-Wettbewerb mit einer meisterlichen Vorstellung. Ein Sieg, der seinen schon damals brennenden Ehrgeiz noch weiter anheizte.

Im Jahr darauf wurde er als Starter ins All-Star-Team gewählt, obwohl er bei den Lakers die meiste Zeit nur von der Bank aus zum Einsatz gekommen war. Dem folgte eine durchwachsene Saison, in welcher Lakers-Besitzer Jerry Buss ein Team mit Riesentalenten, bei dem jedoch nichts zusammenzulaufen schien, auseinanderbrach. Mitten in diesem Chaos in seiner dritten Saison wirkte der 21jährige Bryant recht verloren, einsam und frustriert.

„Ich will einfach der Superstar sein“, erzählte er mir und bestätigte damit wieder seine Ambitionen, zum besten Spieler der NBA zu avancieren. „Ich weiß nur nicht, wie ich es schaffen soll. Ich muss einfach einen Weg finden.“ Und das tat er, obwohl dieses Ziel damals fast unerreichbar schien. Im Jahr 2016, gegen Ende seiner aktiven Karriere, konnte Bryant auf die Statistik von 20 Saisonen zurückblicken und sagen, dass er sich einen Platz am Tisch mit den Größten dieses Sports verdient hatte. Ein Jahr zuvor hatte er sein großes Idol Michael Jordan von Platz drei der ewigen Bestenliste der NBA-Topscorer verdrängt und lag nun direkt hinter Kareem Abdul-Jabbar und Karl Malone. Was aber noch wichtiger war, war die Tatsache, dass er den Lakers zu fünf NBA-Titeln verholfen hatte, 18 Teilnahmen im All-Star-Team verzeichnen konnte und zwei olympische Goldmedaillen gewonnen hatte.

Doch an diesem Abend in Cleveland meinte er, dass er nicht wüsste, wie er es an die Spitze schaffen sollte, und so gab er sich selbst eine Antwort auf diese Frage, die er wahrscheinlich bereits die ganze Zeit über gekannt hatte. Er würde sich seinen Weg an die Spitze hart erarbeiten müssen. Das würde ihm auch gelingen und ihn zu einem der dominantesten Spieler machen, da er einfach härter arbeitete als alle anderen. Die Stationen seiner Karriere – bis heute unerreichte 20 Jahre bei einem einzigen NBA-Team – zeigen, dass Bryant, unnahbar und unnachgiebig, genial und voller Selbstvertrauen sowie eines der faszinierendsten Rätsel im amerikanischen Profibasketball ist. Er ist wahrscheinlich der am meisten getriebene Athlet in der Geschichte dieses Sports, jemand der sich über viele Saisonen hinweg unter Insidern dieses Sports einen Ruf für das minutiöse Studium von Gegnern und die intensive Vorbereitung aufbaute. Jemand, der jedes noch so kleine Detail genau analysierte. Im Gegenzug produzierte sein Leben Konflikte wie am Laufband – eine Nebenerscheinung seines Strebens, der Beste des Sports zu sein.

 

Abend für Abend, Tag für Tag, zwei Jahrzehnte lang, durch Verletzungstiefs und private Turbulenzen, durch zerbrochene Beziehungen – es gab keinen Preis, den er nicht zu zahlen bereit gewesen wäre, um der Größte zu sein.

Dabei wurde er zu dem, was man ihm immer wieder nachsagen würde: dem am meisten polarisierenden Spieler der NBA, unter Basketballfans gleichermaßen geliebt und verhasst. Schon als Kind begann sein Vater, der ehemalige NBA-Spieler Joe „Jellybean“ Bryant, ihm übermäßiges Selbstvertrauen einzuimpfen. Und das sollte auch zu seinem Markenzeichen werden.

Dieser undurchdringliche, unerschütterliche Glaube an sich selbst war die eine Eigenschaft, mit welcher Bryant all seine Zeitgenossen um ein Vielfaches überragte, sagt der Psychologe George Mumford, der ausgiebig mit Michael Jordan und Bryant zusammenarbeitete. „Das ist es, was ihn zu einer Klasse für sich macht.“ Der Grund dafür, dass dieses Selbstbewusstsein so unerschütterlich war, lag darin, dass Bryant nichts an sich heranließ, was es ankratzen hätte können, erklärt Mumford. „Er setzte sich nie mit Ansichten auseinander, die den seinen nicht entsprachen.“

Das half Bryant vor allem in seinen ersten Jahren in der NBA, Probleme zu bewältigen, half ihm durch seine Auseinandersetzungen mit Mitspielern und Trainern, durch die Vergewaltigungsvorwürfe 2003, durch die Probleme mit und die Entfremdung von seinen Eltern und später, als er sich immer wieder von schweren Verletzungen zurückkämpfte. Dieses Selbstvertrauen war auch die Basis für sein 81-Punkte-Spiel, seine unzähligen Würfe, die das Match zugunsten der Lakers entschieden, seine MVP-Auftritte und dass er nie ein schlechtes Gewissen gegenüber seinen Mitspielern hatte, auch wenn er wieder die meisten Würfe im Spiel verzeichnete. Es war auch der Grund, warum es sich Bryant während seiner Karriere zur Gewohnheit machte, auch mit Schmerzen zu spielen, die andere auf die Verletztenliste brachten, sagt Mumford. Dieses Selbstvertrauen war allerdings auch für ein anderes wichtiges Thema in seinem Leben verantwortlich, nämlich die Kluft zwischen ihm und seinem Teamkollegen Shaquille O’Neal, trotz der drei NBA-Meisterschaften, zu denen sie die Lakers gemeinsam von 2000 bis 2002 geführt hatten. Seine Beziehung zu dem hünenhaften Center beschrieb in vielerlei Hinsicht den Spannungsbogen seines von Ehrgeiz geprägten Weges; ein Weg, der Bryant immer wieder neue Konflikte bescherte und fast in jeder Phase seines Lebens präsent war.

„Showboat“ war O’Neals Spitzname für Bryant, als sich dieser als NBA-Neuling immer wieder mit Slam Dunks und seiner Sprungkraft in den Vordergrund schob.

Bryant hasste diesen Spitznamen zutiefst. Er fühlte sich damit zu jemandem degradiert, dem es an Ernsthaftigkeit und Kampfgeist fehlte, ein Vorwurf, der seinem Vater während dessen aktiver Zeit als Basketballprofi oft gemacht worden war. Andererseits steht dieser Spitzname auch für die ungeheure Liebe zu diesem Sport, die Bryant mit seinem Vater teilte und die Freude daran, Basketball zu einer Show zu machen.

„Das lag mir bereits als Kind im Blut, da mein Vater schon Basketball spielte“, erklärte Bryant. „Ich liebte Basketball. Zwar übte ich auch andere Sportarten aus, doch bei keiner hatte ich so viel Spaß wie beim Basketball.“ Als Kind verbrachte Kobe viele Stunden damit, seinem Vater dabei zuzusehen, wie dieser sein Können in der italienischen Liga, in der er nach dem frühzeitigen Ende seiner Profikarriere in Amerika spielte, zum Besten gab.

„Es war großartig zu sehen, wie die Zuseher auf seine Tricks und spielerischen Einlagen sowie seine Persönlichkeit reagierten, wenn er spielte“ erzählte mir Bryant. „Irgendwie wollte auch ich dieses Gefühl kennenlernen. Es war einfach cool, ihn spielen zu sehen. Er war eben Jellybean Bryant.“

Sam Rines, Bryants wichtigster Coach in der Amateur Athletic Union, sah die gleiche brennende Leidenschaft in Joes Teenager Sohn. „Er liebte Basketball, er atmete den Sport regelrecht“, sagt Rines. „Er war ein unglaublicher Showman, wenn es darum ging, das Publikum zu unterhalten.“ Das Alter Ego zu „Showboat“ ist die „Schwarze Mamba“ – ein Spitzname, den sich Bryant selbst gab, um der Kritik der Öffentlichkeit im Zuge der Anschuldigungen wegen sexueller Nötigung entgegenzutreten. Bryant bediente sich dieser tödlichen Schlange aus einem Quentin Tarantino Film, da sie seiner Meinung nach die perfekte Verkörperung seines vermeintlich grenzenlos ehrgeizigen Charakters darstellte.

Später beschrieb er diesen Prozess als das Akzeptieren „des Bösewichts“ als Teil einer äußerst ehrgeizigen Persönlichkeit. Als er in der HBO-Sendung Real Sports mit der Aussage seines früheren Teamkollegen Steve Nash konfrontiert wurde, in der dieser ihn als „verdammtes Arschloch“ bezeichnete, begann er herzlich zu lachen. Die Beschreibung traf es auf den Punkt, gab Bryant zu.

Trotz der Tatsache, dass er dieses Image einer schwierigen, ehrgeizigen Person pflegte, ging er es in der komplett durchwachsenen Saison 2015/16 ruhiger an. In diesem Jahr steckten die Lakers in einer spielerischen Krise und Kobe nutzte die Auswärtsspiele bereits als Abschiedstournee durch die Arenen der Liga. Doch gerade Bryants letztes NBA-Spiel im April 2016 zeigte wieder einmal, wie sehr er diesen Sport und seine Unterhaltungselemente liebte, indem er, der Erschöpfung nahe, noch einmal ein Ausrufezeichen in seiner Karriere setzte und Korb um Korb warf. So erzielte er allein 60 Punkte in diesem Spiel und führte seine Lakers nach einem Rückstand noch einmal zu einem grandiosen Sieg über die Utah Jazz. Oberflächlich betrachtet war dieses Spiel der bedeutungslose Abschluss einer für beide Mannschaften enttäuschenden Saison, in der beide Teams die Playoffs verpasst hatten. Doch die Enttäuschung über die Saison verwandelte sich in diesem Moment wie von Zauberhand in ein Freudenfest der Liebe, welche die Fans in Los Angeles für Bryant und seine Magie auf dem Parkett empfanden.

Lange Zeit war er der Mann in der Stadt gewesen, wenn es um Basketball ging. Mit seinem unglaublichen Können, von dem bereits viel verloren gegangen war, schaffte er es, das finale Kapitel mit einer bühnenreifen Vorstellung zu beenden, sich noch einmal als dieser einzigartige und überwältigende Entertainer in der Stadt, in der schauspielerisches Talent wohl am meisten geschätzt wird, zu präsentieren. Was nun folgt, ist mein Versuch, seine faszinierende Story, die in vielerlei Hinsicht vielleicht auch ein warnendes Beispiel ist, einzufangen.

Bryant, der 2016 zum Zeitpunkt des Erscheinens dieser Biografie erst 38 Jahre alt ist, hat wahrscheinlich eine erfolgreiche Zukunft nach seiner aktiven Zeit vor sich. Er ist der stolze Besitzer mehrerer Medienunternehmen in der Hoffnung, nach seiner Basketballkarriere eine Laufbahn als Autor oder Produzent einzuschlagen. Doch welchen Weg er auch immer in den kommenden Jahren gehen wird, sein Ehrgeiz, sein Mut sich wichtigen Momenten furchtlos zu stellen und die Verbissenheit, mit der er seine Ziele verfolgt, werden wahrscheinlich weiterhin ein Markenzeichen von ihm bleiben. So hoffe ich, dass er seine neuen Unternehmungen genauso beginnen kann wie damals den Abend in Charlotte, an dem er seinen ersten Korb in der Profiliga warf. Mit Abklatschen und diesen großen leuchtenden Augen, deren Blick in die Zukunft gerichtet war.

Roland Lazenby

August 2016

VORWORT
ONLY THE LONELY

Philadelphia

15. Juni 2001

Alle Zutaten seines Triumphes finden sich hier inmitten dieses klebrig süßen Sprühregens aus teurem Champagner. Es ist das Jahr 2001, in seinen Armen hält er die glitzernde Trophäe der National Basketball Association für den Gewinn der Meisterschaft. Ein Preis, den Kobe Bryant so liebt wie keinen anderen, die ultimative Belohnung für alle zwanghaft ehrgeizigen Athleten und Alphatiere, die sich zu diesem amerikanischen Profisport hingezogen fühlen. Über dem Teamlogo ziert der Schriftzug „Champions“ in gelbgoldenen Lettern die brandneue offizielle Los Angeles Lakers-Basketballkappe auf seinem Kopf.

Obwohl es Juni ist und er sich in einem vor Schweiß dampfenden Umkleideraum befindet, trägt er eine mehrfärbige Lederjacke – eine Spezialanfertigung mit Aufnähern jedes einzelnen der unzähligen Titel des L.A. Franchise – um damit zu zeigen, dass auch er sich nun, im zarten Alter von 22 Jahren, seinen Platz unter all den Größen dieses Teams erspielt hatte.

Er hat auch allen Grund, seinen Blick gen Himmel zu richten und zu lachen und diesen einzigartigen Moment zu genießen, den er an keinem anderen Ort als in Philadelphia, seiner Heimatstadt, erlebte. Bryant hatte den Lakers gerade zu einer 15-1 Siegesserie in den Playoffs verholfen und damit zum zweiten Mal hintereinander den NBA-Championship Titel nach L.A. geholt und das mit 4-1 Siegen in der Finalserie über die Philadelphia 76ers und seinen Erzfeind Allen Iverson.

Man bedenke, dass selbst die ehemalige – von Basketballfans geliebte und verehrte – Lakers-Legende Jerry West nur einen einzigen Titel in seiner 14jährigen Profikarriere holen konnte. Und nun stand ein junger Kobe Bryant bereits mit zwei Titeln hier. Mit Höchstgeschwindigkeit auf der Überholspur unterwegs, um seine Träume und Ziele zu erreichen, jeder große Erfolg nur ein vorbeirauschendes Straßenschild. Kobe wurde in einer Familie groß, die tief im Basketballsport verwurzelt war, in einer Familie, die sowohl ihn als auch die hohen Erwartungen an seinen bevorstehenden Erfolg nährte. Seine Mutter, Pam Cox Bryant, verehrte ihn von klein auf, genauso wie sie es schon Jahre zuvor bei ihren basketballspielenden Brüdern getan hatte. Wie eine enge Freundin der Familie einmal anmerkte, erinnerte sie Kobe Bryants Kindheit an eine alte Episode der TV-Serie The Twilight Zone – Unwahrscheinliche Geschichten, die von einem Kind handelte, das so sehr von seiner eigenen Familie verehrt wurde, dass sie jeden Tag seinen Geburtstag feierten. Doch es wurde kein verwöhntes und verhätscheltes Kind aus ihm wie in der Serie. Das Verhalten seiner Eltern hatte das genaue Gegenteil zur Folge und half ihm dabei, seinen Traum von klein auf zu verfolgen. Seit seinem ersten Erscheinen als Teenager auf öffentlicher Bühne im Jahre 1996 stand Bryant als intelligenter junger Mann in der Öffentlichkeit, höflich und formvollendet, allerdings mit einem Selbstvertrauen, das von einer anderen Welt zu stammen schien und eine beinahe abstoßende Wirkung auf viele hatte. Dieser unerschütterliche Glauben an sich selbst gründete sich teilweise auf die Bemühungen seines Vaters, Joe „Jellybean“ Bryant, das Selbstvertrauen seines Sohnes Schritt für Schritt aufzubauen – nachdem seine eigene, vielversprechende NBA-Karriere in den turbulenten 1970er Jahren vor seinen Augen zerbrochen war.

Seit seiner Jugend war Kobe Bryant ausgesprochen dreist, wenn er meinte, er würde einmal der beste Basketballspieler aller Zeiten werden. Jedes Mal begegnete man dieser Aussage mit Kopfschütteln und hochgezogenen Augenbrauen, denn solch ein Traum ist doch lächerlich und könnte niemals in Erfüllung gehen. Doch da ist er nun am Weg zu Ruhm und Reichtum, wie es einst seine Großmutter prophezeit hatte: nämlich, dass es zumindest ein Familienmitglied einmal dazu bringen werde.

Eigentlich sollte er von Freunden, Familie und Spielern seines alten HighschoolChampionshipTeams umringt sein. Kurz zuvor hatten seine Teamkollegen bei den Lakers die feuchtfröhlichen Feierlichkeiten damit begonnen, die hymnischen Textzeilen des Rappers DMX anzustimmen: „Y’all gon’ make me lose my mind, / Up in here, up in here, / Y’all gon’make me go all out, / Up in here, up in here.“ Diese Worte, die etwa so viel bedeuten wie „Ihr bringt mich alle um den Verstand hier drin, ihr bringt mich dazu, mich wie ein Narr zu benehmen“, sind die Versinnbildlichung von Bryants Leben. Doch anstatt groß mitzufeiern, hat er sich still und heimlich zurückgezogen. Er sitzt in einer sterilen Toilettenkabine des Umkleideraums. Das Gesicht in die Hände gestützt, sein Blick auf den Fliesenboden gerichtet, einfach ins Leere starrend. Er ist komplett verloren und allein, überwältigt und hin- und hergerissen von einer Welle an Emotionen, die sich in den Monaten zuvor aufgestaut hatte. Bereits in jungen Jahren bestand Bryants Existenz fast ausschließlich aus dem beinahe unmenschlichen Bestreben, es bis an die Spitze zu schaffen. Millionen von Schulkindern seiner Generation träumten davon, einmal so erfolgreich wie Michael Jordan zu werden, doch nur einer unter diesen Millionen Kindern hatte auch den eisernen Willen und die Motivation, so viel dafür zu tun wie Kobe Bryant. Schon als Teenager fiel er den Leuten bei Adidas auf und sie sagten ihm, dass sie ihn zum nächsten Michael Jordan machen würden. Das passte natürlich wunderbar zu seinen eigenen Plänen und innerhalb weniger Monate hatte er diese Rolle bereits perfekt einstudiert, obwohl er damals erst 17 war. Seine Verwandlung war unglaublich, erinnert sich Sonny Vaccaro, damals Sportmarketing Manager bei Adidas und Königsmacher in der Basketballindustrie.

 

Doch jetzt, in diesem Moment des großen Triumphs, bestätigte Bryants Gesicht, dass es keinen Preis gibt, den er nicht bereit war zu zahlen, kein Opfer, das er nicht bereit war zu bringen, um der Größte zu werden, der Spieler, der das Spiel dominiert. Erst kurz zuvor hatte er seine Familie diesem Ziel geopfert. Eine Familie, die weithin als Modell für Erfolg und Zusammenhalt bewundert wurde und vor deren Scherben er nun als Resultat seines unbeirrbaren Wunsches steht. Bald darauf würde er sich seines Agenten entledigen, seines Sportschuhausstatters und in naher Zukunft auch seines Trainers, Phil Jackson und seines Co-Stars Shaquille O’Neal. Doch jetzt waren es einmal seine Mutter und sein Vater sowie seine beiden Schwestern, die er ohne Vorwarnung und mit beinahe chirurgischer Präzision aus seinem Leben verbannte. Familienmitglieder erzählten Bekannten von gesperrten Kreditkarten, Autos, die ihnen wieder abgenommen wurden, Jobs die plötzlich gestrichen wurden, von unbeantworteten Anrufen, einer geräumten Familienresidenz und abgebrochenen Beziehungen.

„Es ist eine Tragödie, was da passiert ist“, meint Gary Charles, ein New York AAU-Coach und Freund der Familie. Eine Meinung, die auch von anderen Freunden und Bekannten der Familie immer wieder geäußert wurde. „Nach jedem AAU-Spiel war Kobe sofort zu seinem Vater gelaufen, hatte ihn umarmt und gefragt: ‚Hast du gesehen, was ich da gemacht habe?‘ und Joe antwortete, ‚Ja, klar hab ich das gesehen.‘ In der ganzen Zeit, die ich mit ihnen damals verbrachte, gab es nie einen Moment, in dem er seinen Vater nicht respektierte.“

Doch der riesige Erfolg, der über ihn hereinbrach, der Wunsch nach noch mehr und die unglaublichen Summen an Geld in Bryants Leben als Profibasketballer hatten irgendwie einen Keil in die Familie getrieben, einen Keil, der jeden, der sie näher kannte, überraschte.

In jener Nacht im Spectrum, Philadelphias Basketballarena, ist Chubby Cox, sein Onkel mütterlicherseits, sein einziges engeres Familienmitglied in der Arena. Als Cox und seine Frau abseits der Party und der Medien den jungen Lakers-Star treffen, bricht schließlich alles aus Bryant hervor. „Joe Bryant erzählte mir von dieser Nacht“, erinnert sich Gary Charles. „Als Kobes Onkel und Tante sich mit ihm trafen, umarmte er die beide und brach in Tränen aus. Er weinte und weinte.“

Dieses leise Schluchzen und der Schmerz auf seinem Gesicht an diesem Abend zeigten, wie tief der Verlust seiner Familie und seine Entfremdung von ihnen bei ihm saß. Trotzdem hatte es der entschlossene und willensstarke Jungstar für unumgänglich gehalten, seinen Pfad ohne seine Liebsten weiterzugehen. „Es ist hart, ein Star zu sein“, sagt Mo Howard, ein alter Freund der Bryants. „Es ist traurig, richtig traurig“, meint Anthony Gilbert, ein weiterer Freund aus Philadelphia, der Bryants Leben und Karriere genau verfolgte. „Es ist wie F. Scott Fitzgerald einst sagte: Hinter jedem strahlenden Helden verbirgt sich eine Tragödie.“