Extra Krimi Paket Sommer 2021

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24

In dem Holzbungalow 345 Lambert Street in Yonkers brannte kein Licht. Brett Nolan stand in der Küche und blickte durch das Fenster Richtung Straße.

Ein Wagen war in die Einfahrt gefahren.

Brett Nolan hielt seine Automatik mit beiden Händen.

Er sah die Wagenlichter verlöschen. Es war unmöglich, zu erkennen, um was für ein Fabrikat es sich handelte. Jemand stieg aus. Mehr als einen schattenhaften Umriss konnte Nolan nicht erkennen.

Ein Teil der Straßenbeleuchtung funktionierte schon seit Tagen nicht. Die Reparaturarbeiten kamen nur schleppend voran, wie Schwester Francine ihm berichtet hatte. Sie hatte ihm diesen Unterschlupf besorgt. Das Haus gehörte ihren Eltern. Es stand zum Verkauf, da Francines Vater einen Job in einem Stahlwerk in Michigan angenommen hatte. Die Lambert Street in Yonkers war allerdings schon seit Jahren keine gute Gegend mehr und so hielt sich der Andrang von Kaufinteressenten in Grenzen.

Jemand steckte einen Schlüssel in das Schloss der Haustür.

Mit der Waffe in der Hand ging Brett Nolan in den Flur.

Die Tür öffnete sich.

"Keine Bewegung!", zischte Nolan.

"Ich bin's. Francine", war die Antwort.

Sie trat einen Schritt vor. Für einen Moment erkannte Nolan sie im Schein des Mondlichts, ehe sie in den Schatten des Korridors trat. Die Tür kickte sie mit dem Absatz zu.

Nolan senkte die Waffe.

"Wie ich sehe, hast du dich häuslich eingerichtet", sagte Francine ironisch.

"Sehr witzig. Der Strom lässt sich nicht einschalten."

"Na logisch, meine Eltern bezahlen ihn ja auch nicht mehr!"

Sie gingen ins Wohnzimmer. Dort gab es eine Front von recht hohen Fenstern, durch die etwas Mondlicht fiel.

Auf dem niedrigen Tisch hatte Nolan eine Kerze entzündet.

"Was hat Bruder Maleficius gesagt?", fragte Nolan. "Besorgt er mir einen Satz falscher Papiere? Er hat doch Beziehungen..."

"Brett, das geht alles nicht so schnell!"

"Verdammt, das muss aber schnell gehen, weil mich diese Kolumbianer sonst zu Hackfleisch verarbeiten!" Brett atmete tief durch.

"Leg erst einmal deine Waffe weg", sagte Francine beschwichtigend. "Ich habe immer Angst, dass diese Scheißdinger unbeabsichtigt loskrachen!"

"Du kannst mich mal", knurrte er, steckte die Waffe aber trotzdem hinter den Hosenbund.

Er ließ sich in einen der Sessel fallen.

"Hast du etwas zu essen mitgebracht?", fragte er.

"Ja, ist noch im Wagen."

"Ich habe mächtig Kohldampf."

"Kann ich mir denken."

Brett Nolan raufte sich die Haare. "Das ist so ungerecht! Ich habe doch im Grunde genommen gar nichts mit Dolores' Tod zu tun! Und trotzdem haben die Montalban-Killer es auf mich abgesehen!"

"Das liegt daran, dass du mit ihr befreundet warst, Brett. Deinetwegen ist sie schließlich zu unserer Gemeinschaft gestoßen. Haben sie dich nicht auch damals mit ihr zusammen verhaftet? Die kennen dein Gesicht und darum bist du dran, so einfach ist das für die!"

"Maleficius soll mir helfen! Er ist es mir schuldig!"

"Das wird er auch."

Brett Nolan schüttelte den Kopf. "Es hätte alles glatt gehen können, wenn unser ach so genialer Anführer nicht darauf bestanden hätte, dass Dolores das Todesritual mitmachen muss!"

"Wer hätte ahnen können, dass sie so empfindlich reagiert, Brett?"

"Scheiße, wir alle hätten reich sein können! Es wäre kein Problem gewesen, die Entführungsstory durchzuziehen. Wir hätten alle etwas davon gehabt. Auch Dolores..."

Brett Nolan blickte auf.

Er stutzte.

Im Schein der Kerze konnte er die Pistole mit aufgeschraubtem Schalldämpfer erkennen. Die Mündung zeigte auf seinen Oberkörper.

"Tut mir leid, Brett..."

"Hey!"

"Du weißt, dass unser erster Grundsatz der Gehorsam ist, Brett. Und du bringst uns alle in Gefahr..."

Er wollte seine Waffe herausreißen, schaffte es gerade noch den Griff zu umfassen. Francine drückte ab. Blutrot züngelte das Mündungsfeuer aus dem Schalldämpfer heraus. Brett zuckte. Die erste Kugel traf ihn in den Oberkörper, die zweite in den Kopf. Er sackte in sich zusammen.

Francine steckte die Waffe ein.

Sie schaute den Toten nicht an. Im Kofferraum ihres Wagens hatte sie eine Plastikplane, um die Leiche damit einzuwickeln. Es würde ein ganz schönes Stück Arbeit für sie sein, Nolans Körper in den Kofferraum zu wuchten. Aber Brett war schlank, sodass das kein unüberwindliches Problem war.

Sie verließ das Wohnzimmer, ging durch den Flur.

Dann öffnete sie die Haustür.

Ein Schatten stand vor ihr.

Sie bekam einen brutalen Schlag ins Gesicht, taumelte zu Boden. Der Schein einer Taschenlampe blendete sie.

Francine schmeckte Blut in ihrem Mund. Sie griff nach ihrer Waffe, riss sie hervor. Der Schatten war schon über ihr, kickte ihr die Waffe aus der Hand.

Im nächsten Moment blickte sie in den Lauf einer Pistole.

"Rühr dich nicht, oder du bist tot", wisperte eine Männerstimme.

Ein zweiter Mann drang in die Wohnung ein. Auch er trug Taschenlampe und Pistole. Von seinem Gesicht war nichts zu sehen als ein dunkler Umriss. Er drängte sich an dem Kerl, der Francine überwältigt hatte, vorbei und pirschte sich ins Wohnzimmer.

Francine bekam inzwischen einen Schalldämpfer auf die Stirn gesetzt.

"Nolan ist hier!", rief der zweite Mann aus dem Wohnzimmer. "Er ist tot. Die Kleine muss ihn umgelegt haben!"

"Dann hoffen wir, dass sie uns unsere Fragen beantworten kann." Der Mann, der seine Waffe auf Francine gerichtet hatte, lachte rau. "Wäre auch in deinem Interesse, Lady. Du hättest dann einen leichteren Tod! Also erzähl uns was über deinen Boss!"

25

Milo und ich waren pünktlich um 4.23 Uhr in der DeKalb Station, Brooklyn.

Die Uhren trugen wir rechts, so wie Mister McKee es gesagt hatte.

"Ich hoffe, die ganze Aktion bringt auch was", gähnte Milo. "Am Ende passt dem Kerl unsere Nase nicht und er geht einfach an uns vorbei."

"Abwarten, Milo."

Im Big Apple gibt es rund um die Uhr Leute, die mit der Subway fahren. Und im Gegensatz zu vielen Gerüchten, die man immer wieder hört, ist sie ein vergleichsweise sicheres Verkehrsmittel. Die Bahnhöfe werden per Video überwacht und es laufen regelmäßig Security Guards Streife.

Etwa ein Dutzend Personen standen mit uns auf dem Bahnsteig, als der Zug Richtung Manhattan einfuhr.

Wir stiegen ein, setzten uns und warteten ab. Der Zug fuhr los. Nur ein paar Minuten später hielt der Zug schon an der nächsten Station. Neue Fahrgäste stiegen ein.

Wir mussten bis hinauf zum Central Park fahren, ehe wir auf Gregory Raquino trafen. Ich erkannte ihn sofort von den Fotos her, die ich von ihm gesehen hatte. Er war ein Mann mit grauen Schläfen und einem dunklen Teint. Seine Gestalt war hager und schmal.

Er blickte sich mehrfach um, bevor er sich uns gegenübersetzte. Ein paar schwarze Jugendliche alberten im hinteren Teil des Waggons herum. Raquino wartete, bis sie an der nächsten Station ausgestiegen waren, bevor er uns ansprach.

"Hören Sie zu, ich bin nicht zum Spaß her gekommen..."

"Wir hätten ein paar Fragen an Sie, Mister Raquino", sagte ich.

"Bevor Sie Ihre Fragen stellen, möchte ich erstens Ihre Ausweise sehen..."

Wir hielten sie ihm hin. "Und zweitens?", hakte ich nach.

Raquino sah mir direkt in die Augen. Er zögerte einen Augenblick, bevor er schließlich weitersprach. "Ich bin in Gefahr."

"Wodurch?"

"Ich habe heute während des Tages so einiges aufgeschnappt, was mich nachdenklich gemacht hat. Ich.."

"Uns interessiert eigentlich mehr, woher Sie von dem Kokain-Deal am Pier 41 wussten", unterbrach ich ihn.

"Das ist genau der Punkt, um den es geht."

"Vielleicht erzählen Sie uns mal alles der Reihe nach", forderte Milo.

Raquino atmete tief durch. Er beugte sich leicht vor und sprach in gedämpftem Tonfall. "Vor ein paar Tagen kamen ein paar Männer in meinen Laden. Sie haben mich abgeführt und in eine Limousine gesteckt. Wir sind zu einem einsamen Highway-Parkplatz gefahren. Dort erwartete mich Juan-Angel Carillo. Er hat bei Rick Montalban eine Position eines langjährigen Beraters, wie Sie vielleicht wissen..."

"Wie ein Conciliere bei den italienischen Mafiosi", stellte Milo fest.

"Genau. Carillo hielt sich immer im Hintergrund. Nur ab und zu ist er aktiv geworden, um seinem Boss die eine oder andere Schwierigkeit aus dem Weg zu räumen."

"Was wollte Carillo von Ihnen?", hakte ich nach.

"Er hat mir gesagt, dass er schon seit langem wüsste, dass ich als Informant für den FBI tätig sei. Ich sollte meinen Freunden von der Federal Plaza über den bevorstehenden Deal berichten. Falls ich darüber zu irgendwem ein Wort verlieren würde, wüsste Rick Montalban innerhalb kürzester Zeit Bescheid. Für mich wäre das das Todesurteil, wie Sie sich denken können."

"Und weshalb reden Sie jetzt darüber?", fragte ich skeptisch. Ich hatte ja schon vermutet, dass die Informationen über den bevorstehenden Kokain-Deal absichtlich lanciert worden waren.

"Weil ich Ihren Schutz brauche!"

"Fahren Sie fort! Ich begreife noch nicht. Warum sollte Juan-Angel Carillo seinen Boss verraten?"

"Sie sind sogar verwandt!", berichtete Raquino. "Aber es wächst unter Montalbans Unterführern schon längere Zeit die Unzufriedenheit über Dirty Rick. Er hält die Zügel zu locker, kümmert sich nicht mehr richtig um alles. Es geht das Gerücht um, dass er sich nach und nach vollkommen aus den schmutzigen Sachen heraushalten will. Die Profite gehen in den Keller. Marktanteile gehen an die Konkurrenz verloren. Selbst aus unserer eigenen Latino-Ecke in East Harlem und der Bronx wird Montalbans Syndikat schon in die Enge getrieben. Puertoricaner und Exilkubaner haben seinen Leuten schon ganze Straßenzüge abgenommen."

 

"Und jetzt versucht also jemand eine Rebellion?"

"Ja. Aranjuez ist ein absolut loyaler Gefolgsmann von El Columbiano. Deswegen musste er aus dem Weg geräumt werden, was ihr G-men ja hervorragend erledigt habt. Ich nehme an, dass er in den bisherigen Verhören auch noch nicht sehr viel mehr als seine Personalien genannt hat."

"Leider wahr", nickte ich.

"Er würde eher sterben, als Montalban zu verraten."

Ich blieb skeptisch. "Wer steckt hinter der Rebellion? Dieser Carillo etwa?"

Raquino schüttelte den Kopf. "Nein, Carillo ist viel zu alt, um selbst die Führung übernehmen zu können. Außerdem würde er auch kaum von den anderen Unterführern akzeptiert. Dahinter steht jemand anderes."

"Wer?"

"José Montalban."

"Der Sohn?"

"Er ist jung genug und man traut ihm den nötigen Geschäftssinn zu. Auch wenn er nach außen hin so sauber tut, José hat mehr drauf, als sein Vater glaubt. Verstehen Sie mich nicht falsch. Die wollen Dirty Rick nicht umbringen, sondern nur ins Abseits stellen. Der geplatzte Kokain-Deal hat sehr dazu beigetragen. Nicht nur, weil mit Aranjuez ein Vertrauensmann von Rick Montalban aus dem Verkehr gezogen wurde, sondern auch weil sich jetzt die schon lange gärende Unzufriedenheit endlich Bahn brechen könnte."

"Der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt", murmelte ich.

Raquino drehte sich um. Er wirkte wie ein ängstliches Wiesel. Schließlich fuhr er fort: "Carillo wurde vor ein paar Stunden umgebracht. Wahrscheinlich wird man seine Leiche erst in ein paar Tagen finden.."

"Woher wissen Sie das alles?"

"Es wird überall auf der Straße herumerzählt. Sie haben Carillo in einem Hinterhof fertig gemacht und ausgequetscht wie eine Zitrone, bevor sie ihn umbrachten. Ich kenne ein paar Leute, die es gesehen haben, aber eher sterben würden, als darüber zu reden. Offenbar ist El Columbiano hinter das falsche Spiel seines Beraters gekommen und hat nach langer Zeit mal wieder Zähne gezeigt."

"Und jetzt sorgt er dafür, dass davon alle erfahren."

"Genau. Aber für mich bedeutet das höchste Gefahr. Ich nehme an, dass Dirty Ricks Killer aus Carillo noch herausquetschen konnten, wer für das Scheitern des Koks-Deals an Pier 41 verantwortlich ist. Verstehen Sie jetzt, warum ich mich an Sie wende?"

"So langsam", nickte ich.

"Hören Sie, ich möchte ins Zeugenschutzprogramm. Eine neue Identität und so weiter. Sie kennen das ja."

"Darüber kann man sicher reden..."

Ich blickte an Raquino vorbei. Ein breitschultriger Mann mit kurzgeschorenen blonden Haaren betrat den Wagen. Er trug einen leichten Regenmantel. Die rechte Hand war in der Seitentasche verborgen. Er sah sich um, schien jemanden zu suchen.

Raquino drehte sich um, folgte meinem Blick.

Der Blonde starrte ihn an.

Er riss eine Waffe mit Schalldämpfer hervor.

Milo riss Raquino den Kopf herunter. Sie duckten sich. Der Schuss ging ins Leere. Im selben Augenblick zog ich die SIG und feuerte zurück. Ich traf den Kerl am Oberkörper. Er taumelte zurück. Mein Schuss hatte seine seine Kleidung aufgerissen. Das graue Kevlar einer kugelsicheren Weste wurde darunter sichtbar.

Der Killer prallte gegen die Schiebetüren, die sich zwischen den einzelnen Subway-Waggons befanden. Die Türen teilten sich automatisch. Der Blonde hob seine Waffe erneut, ballerte wild in unsere Richtung. Mit der anderen Hand holte er eine zweite Waffe unter dem Mantel hervor. Auch sie besaß einen aufgeschraubten Schalldämpfer. Mit zur Maske verzerrtem Gesicht feuerte der Blonde in rascher Folge beide Waffen ab, zog die Stecher immer wieder durch. Ich warf mich zur Seite, suchte Deckung. Glücklicherweise waren zurzeit keine weiteren Fahrgäste im Waggon, die in Mitleidenschaft gezogen werden konnten.

Die Kugeln durchschlugen die Sitzbänke.

Milo drückte Raquino zu Boden.

Aber auch mein Kollege musste sich in Deckung halten. Einen Schuss gab er in Richtung unseres Gegners ab, der aber nicht traf.

Der Geschosshagel verebbte schließlich.

Der Killer floh in den Nachbarwaggon.

Ich rappelte mich auf. "Den Kerl kaufe ich mir!", knurrte ich. Im nächsten Moment konnte ich schon nicht mehr auf den Beinen halten. Ein Ruck ging durch den Waggon. Mit einem ohrenbetäubenden Quietschen der Bremsen kam der Zug zum Stehen. Der Killer hatte offenbar die Notbremse gezogen.

Ich taumelte nach vorn, landete schließlich auf einem der Sitze. Sofort stand ich wieder auf, die SIG in der Faust.

Ich hörte, wie im Nachbarwaggon die Tür geöffnet wurde.

Ein paar Schritte und ich hatte ebenfalls eine Außentür erreicht und öffnete sie. Ich sprang hinaus. Etwa zwei Meter weiter verliefen die Gleise der Gegenspur. Außer dem Licht, das aus den Waggons drang, erhellte eine schwache Notbeleuchtung den Subway-Tunnel.

Der Killer lief davon, direkt in den Tunnel hinein.

"Halt, stehen bleiben! FBI!", rief ich.

Meine Worte hallten in dem Gewölbe wieder.

Ich feuerte einen Warnschuss ab.

Der Killer drehte sich herum, feuerte gleichzeitig mit seinen zwei Pistolen. Vier- oder fünfmal machte es plop.

Ich presste mich gegen den Zug, duckte mich.

Im Gegensatz zu meinem Gegner trug ich keine kugelsichere Weste. Schließlich gehörte das Treffen mit einem Informanten nicht unbedingt zu den Situationen, in denen man so etwas anlegt.

Wie wild feuerte der Killer um sich.

Dann kamen keine Kugeln mehr aus seinen Waffen.

Er hatte die Magazine offenbar leergeschossen.

Ich setzte zu einem Spurt an. Der Killer schaffte es bis zu einer Nische im Mauerwerk. Dort befand sich ein Nottelefon. Vermutlich wollte er die Deckung nutzen, um seine Magazine auszuwechseln.

Bis auf dreißig Yards war ich an ihn herangekommen, da tauchte er aus der Nische hervor, feuerte.

Doch ich reagierte blitzschnell und kam ihm um den Bruchteil einer Sekunde zuvor.

Mein erster Schuss erwischte ihn an der Schulter. Ich feuerte immer wieder. Fünf, sechs Geschosse trafen ihn am Oberkörper. Sie konnten das Kevlar nicht durchdringen, die Aufprallwucht der Geschosse war dennoch immens und stellte jeden Faustschlag mühelos in den Schatten.

Er zuckte. Seine eigenen Schüsse gingen ins Leere. Er war nicht mehr in der Lage zu zielen.

Ächzend sank er zurück.

Der Blonde rutschte an der Betonwand hinab und rang nach Atem.

Mit ein paar schnellen Sätzen war ich bei ihm.

Er wollte seine Waffen erneut hochreißen und auf mich feuern, erstarrte dann aber mitten in der Bewegung, als er in die Mündung meiner SIG blickte.

"Sie sollten nicht denken, dass ich Ihren Kopf nicht auch treffen könnte, Mister!", zischte ich. Einen Augenblick lang zögerte er noch. Schließlich gewann die Vernunft die Oberhand. Er sah ein, dass er in seinem Zustand einfach nicht schnell genug gewesen wäre, um mich erledigen zu können. Jedenfalls nicht, bevor ich nicht meinerseits abgedrückt hatte.

Diesmal wäre es sein sicherer Tod gewesen.

Er ließ die Waffen sinken.

"Das Spiel ist aus", stellte ich fest.

26

Es dauerte fast zwanzig Minuten ehe Verstärkung durch die City Police und unsere Kollegen eintraf. Jay Kronburg und Leslie Morell waren vom Chef aus dem Schlaf geholt worden.

Der Killer hatte einiges abbekommen.

Die Diagnose des Notarztes lautete später auf mehrere Rippenbrüche. Ein Aufenthalt in einer Klinik war unausweichlich. Aber es würde eine Gefängnisklinik sein. Wir durchsuchten seine Sachen. Der Führerschein, den er bei sich trug lautete auf den Namen Gordon Laws.

Dem ersten Anschein nach war er echt.

"Warum wollten Sie Raquino töten?", fragte ich an Laws gerichtet.

Er stöhnte nur auf.

"Sie haben einen Mordversuch begangen", belehrte ich ihn. "Und dafür wird man Sie zweifellos verurteilen. Wollen Sie wirklich die ganze Schuld auf sich nehmen?"

"Ich sage keinen Ton, bevor ich nicht einem Anwalt gesprochen habe", kündigte er mit heiserer Stimme an.

"Das ist Ihr gutes Recht", erwiderte ich. "Aber jetzt wäre Ihre Aussage noch etwas Wert!"

"Sie können mich mal!"

Besonders interessant für uns war das Prepaid-Handy, das Gordon Laws bei sich trug. Es war eingeschaltet. Ich ging das Menü durch, ließ mir die zuletzt zu Stande gekommenen Verbindungen anzeigen.

Den letzten Anruf hatte Laws um kurz nach Mitternacht erhalten. An der Nummer war erkennbar, dass es sich ebenfalls um einen Mobilanschluss handelte. Ich wählte die Nummer an.

"Unsere Erkennungsdienstler werden dir was husten, dass du das Ding ohne Latexhandschuhe anfasst", raunte Milo.

Ich wartete ab.

Auf der anderen Seite der Verbindung meldete sich eine Stimme, die ich sofort erkannte.

José Montalban.

Die Nummer des Handys, mit dem ich ihn anrief, erschien natürlich auf seinem Display. Deshalb dachte Montalban, dass er mit seinem Killer sprach.

"Was ist los, Laws? Ist die Sache erledigt?"

Ich unterbrach die Verbindung und wandte mich an Milo. "Wir sollten sehen, dass uns Montalban junior nicht durch die Lappen geht!"

27

"Was ist denn los?"

"Schlaf weiter, Baby!"

"Mit wem hast du telefoniert?"

Die vollbusige Blondine streckte sich im Halbschlaf. Die Bettdecke rutschte zur Seite und gab den Blick auf ihren nackten Rücken frei.

José Montalban saß auf der Bettkante.

Er trug Boxer-Shorts und T-Shirt.

In der Rechten hielt er das Handy mit Prepaid-Simcard, das zurzeit seine sogenannte "sichere Verbindung" war. Man konnte bei einem Handy mit Prepaid-Card nicht nachvollziehen, wem es gehörte. Es gab keinen verräterischen Vertrag mit einem Telefonanbieter, und es war für die Justiz auch bedeutend schwieriger, eine Abhöraktion durchzuführen.

Montalban sah auf das Display.

Gordon Laws hatte sich kurz gemeldet, dann war die Verbindung unterbrochen worden. Vielleicht ein Funkloch, wovon es auch in New York immer noch einige gab. Vor allem in Subway-Schächten und Tiefgaragen konnte der Handyempfang zu wünschen übrig lassen.

José Montalban wartete ab. Er erwartete, dass Laws sich noch einmal meldete.

Sekunden dehnten sich zu kleinen Ewigkeiten.

Geh davon aus, dass er es geschafft hat, diese Verräter-Ratte namens Raquino aus dem Weg zu räumen, bevor dieser sich mit dem FBI an den Tisch gesetzt hat!, hoffte José. Es gibt keinen Grund, daran zu zweifeln. Gordon Laws ist schließlich ein Profi.

In diesem Moment flog die Schlafzimmertür zur Seite.

Zwei Männer in dunklen Anzügen stürzten herein. Sie trugen Pistolen mit Schalldämpfer, legten an.

José wurde bleich. Er hatte keine Chance. Seine eigene Waffe war bei seiner Kleidung, die er über einen Stuhl gelegt hatte. Einer der Mobster hatte sie bereits entdeckt und nahm sie an sich.

"Hey, was soll das?", fragte José.

Die beiden Kerle traten zur Seite, als ein mindestens zweihundert Kilo schwerer Mann ins Schlafzimmer trat. Er war fast zwei Meter groß und trug einen schwarzen Anzug. Die Baseballkappe mit dem Aufdruck der Lakers bildete dazu einen eigenartigen Kontrast.

"Fat Paco!", flüsterte José.

"So dürfen mich nur Freunde nennen", sagte der Exilkubaner. "Und dazu zählst du nicht mehr!"

José schluckte. Er ließ den Blick schweifen, suchte verzweifelt nach einer Chance.

"Für dich bin ich ab sofort Mister Perez. Kapiert?"

"Was ist mit meinen Leuten?"

"Die haben meine Jungs leider schlafen legen müssen. Lausige Bodyguards hast du, José. Und so einer will in die Fußstapfen deines Vaters treten!" Fat Paco lachte heiser. "Das hätte sowieso nie geklappt, José. Und tief in deinem Herzen weißt du das auch."

 

"Wir hatten ein Abkommen!"

"Dass wir deinen Vater vom Thron vertreiben und ins Altenteil abschieben. Das stimmt. Aber jetzt haben sich die Dinge geändert. Die meisten Unterführer sind auf meiner Seite. Aranjuez ist aus dem Verkehr gezogen worden, Dank unseren Freunden und Helfern vom FBI." Der dicke Mann kicherte in sich hinein. "Er hatte unter den Leuten deines Vaters viel Einfluss. Genau wie dieser alte Sack namens Carillo..."

José schluckte. "Das mit dem Helikopter - das waren deine Leute, Fat Paco!", stieß er schließlich hervor.

Der Dicke zuckte die breiten Schultern. "Da verlässt man sich schon mal auf Profis und die Sache geht gründlich daneben. Am besten man macht alles selbst!"

Er grinste.

Die Blondine rührte sich jetzt. Durch das Gespräch war sie wach geworden. Sie stieß einen kurzen Schrei aus, als sie Fat Paco und seine Leute bemerkte. Dann schwieg sie, zog sich die Bettdecke vor die vollen Brüste und starrte die Mobster voller Angst an.

Fat Paco musterte sie.

Er schnipste mit den Fingern und befahl: "Zieh dich an und verschwinde, Kleines!"

"Ja", flüsterte sie.

"Falls dir der Kerl, in dessen Bett du liegst, noch Geld schulden sollte, dann würde ich das an deiner Stelle jetzt eintreiben. Später wird Mister Montalban wohl kaum noch dazu in der Lage sein, es zu bezahlen."

Die Blondine schluckte, wandte einen kurzen Blick in Pacos Richtung.

Dann schlug sie die Decke zur Seite. Fat Pacos Blicke hafteten an ihrem makellosen Körper. "Ein Amigo von mir betreibt einen Callgirl-Ring. Gleichgültig, was dir der Lackaffe da vorne bezahlt, du könntest da das Doppelte bekommen. Na, was ist?"

"Boss, sollen wir sie nicht besser schlafen legen? Sie ist eine Zeugin!"

Fat Paco lachte. "Soll sie ruhig erzählen, was sie gesehen hat! Das wird nur dafür sorgen, dass meine Autorität gefestigt wird. So schnell wird keiner versuchen, den Finger gegen mich zu erheben." Paco atmete tief durch. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn. "Schau dir gut an, was ich mit meinen Feinden mache, Kleines! Schau es dir an und lerne daraus, dich niemals gegen mich zu stellen."

Die junge Frau erhob sich, ihre Sachen lagen verstreut im Raum herum. Sie begann damit, ein Teil nach dem anderen aufzusammeln.

Fat Paco wandte sich an seine Gorillas.

"Macht ihn fertig, Jungs!"

Einer der Kerle hob seine Waffe.

Die Blondine kehrte zum Bett zurück, kniete nieder.

"Mein Slip fehlt noch. Muss unter das Bett gerutscht sein", behauptete sie.

"Wozu brauchst du einen Slip, Baby?", grinste Fat Paco.

Das Grinsen verging ihm im nächsten Moment. Die Blondine riss eine Pistole unter dem Bett hervor und feuerte sofort. Ihr erster Schuss ging den größeren der beiden Gorillas mitten in die Stirn. Der nächste Schuss fuhr seinem Komplizen in die Brust. Der Kerl kam gerade noch dazu, seine Waffe in Richtung der Angreiferin zu reißen und abzudrücken. Der Schuss zerfetzte ein Kopfkissen.

Fat Paco wurde blass.

Seine Männer waren tot. Er stand buchstäblich allein da.

Die Blondine erhob sich.

"Warst du nicht erst skeptisch, was weibliche Bodyguards angeht, José?", fragte sie.

Josés Gesicht entspannte sich. "Offenbar habe ich mich geirrt."

"Was soll ich mit ihm machen?"

"Leg ihn um, Jessica."

"Mit Vergnügen!"

Fat Paco wich einen Schritt zurück. Aber die Blondine ließ ihm keine Chance. Ihr Schuss traf ihn in die Herzgegend. Wie ein gefällter Baum ging der Dicke zu Boden. "Was glaubst du - stimmt es, dass Fat Paco die Unterführer des Syndikats schon auf seiner Seite hat?", fragte Jessica.

"Ist zu befürchten. Diese Bastarde! Die haben mich von Anfang an nur benutzt, um meinen Alten aus dem Weg zu räumen!"

"Hast du nicht dasselbe mit ihrer Hilfe versucht?"

"Ja. Ist leider gründlich schief gegangen. Und das Schlimmste ist, dass das Ganze meiner Schwester das Leben gekostet hat." Er atmete tief durch. "Das wird mir mein Vater mir niemals verzeihen..."

In Josés Hirn arbeitete es fieberhaft. Sein Plan, die Herrschaft in der Organisation seines Vaters zu übernehmen war vermutlich von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen. Zu naiv war er an die Sache herangegangen, das erkannte er jetzt. Seine Bundesgenossen hatten ihn verraten. Jetzt ging es nur noch darum, das Schlimmste zu verhindern.

Und das Schlimmste war, dass sein Vater davon erfuhr, dass sein eigener Sohn die Triebfeder der Verschwörung gewesen war.

Jessicas Stimme drang in sein Bewusstsein.

Die Blondine hatte sich inzwischen angezogen.

"Soll ich ein paar Jungs anrufen, die hier aufräumen?"

"Nein. Ich brauche ein paar Jungs, die mir helfen, dieses Narbengesicht zu beseitigen..."

Der Mann, der sich Bruder Maleficius nannte, war der einzige, der ihn jetzt noch verraten konnte.