Extra Krimi Paket Sommer 2021

Tekst
Loe katkendit
Märgi loetuks
Kuidas lugeda raamatut pärast ostmist
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

28

José Montalbans Wohnung befand sich im selben Gebäude wie die Geschäftsräume von Montalban House Ltd. Nur eine Etage tiefer. Wir rückten mit insgesamt einem Dutzend G-men an. Darunter auch Jay Kronburg, Leslie Morell und Orry Medina.

Die Einsatzleitung hatte Clive Caravaggio.

In seinem Jackett steckte auch eine Kopie des Haftbefehls, den Mister McKee hatte erwirken können.

Die Beweise, die gegen José vorlagen reichten aus, um eine Durchsuchung der Wohnung durchzuführen und den Sohn von El Columbiano vorläufig unter dem Verdacht der Verabredung zum Mord festzunehmen. Sofern Gordon Laws sich doch noch dazu entschloss, mit dem Staatsanwalt einen Deal einzugehen und gegen seine Auftraggeber auszusagen, konnte sich José darauf einstellen, den Rest seines Lebens auf Riker's Island zu verbringen. Ich war in dieser Hinsicht recht zuversichtlich. Schließlich war die Zusammenarbeit mit dem District Attorney für Laws wahrscheinlich die einzige Möglichkeit, der Todesstrafe zu entgehen.

Wir klingelten an José Montalbans Wohnungstür. Überwachungskameras behielten uns dabei im Auge. Wir bekamen keine Reaktion. Die Sprechanlage blieb tot, die Tür geschlossen.

"Scheint so, als hätte José die Lunte gerochen", meinte Milo.

Clive griff zum Handy, verständigt sofort unsere Zentrale an der Federal Plaza. Es musste verhindert werden, dass José sich einfach zum JFK-Airport chauffieren ließ und einen Flieger nach Übersee nahm.

Wir brachen die Tür auf.

Jay Kronburg war der Erste von uns, der in die Wohnung eindrang. In der Rechten hielt er den 4.57er Magnum-Revolver, den er seit seiner Zeit bei City Police benutzte.

"FBI! Hände hoch und Waffen weg!", rief er.

Ich sicherte ihn von hinten.

Milo folgte mir.

Uns bot sich ein Bild des Grauens. Im Wohnzimmer lagen zwei Männer in verrenkter Haltung auf dem Boden. Offenbar handelte es sich um Josés Leibwächter.

Wenig später betraten wir das Schlafzimmer. Eigentlich hatte ich erwartet, die Leiche José Montalbans vorzufinden. Aber von dem gab es keine Spur.

Drei Tote lagen auf dem Boden. Alle wiesen Schusswunden auf.

Clive Caravaggio deutete auf den riesigen 200-Kilo-Mann, der in einer Blutlache lag. "Das ist Fat Paco Perez! Wer hätte das gedacht..."

"Dann scheint Raquinos Aussage zu stimmen", meinte ich. "José wollte zusammen mit der Konkurrenz seinen Vater aufs Altenteil setzen." Ich steckte meine SIG weg.

"Ich möchte, dass ihr euch Latex-Handschuhe überzieht und hier alles auf den Kopf stellt", ordnete Clive an. "Die Kollegen der SRD sind unterwegs. Vielleicht finden wir ja einen Hinweis darauf, wo José Montalban stecken könnte..."

Wir sahen uns um und durchsuchten alles nach Anhaltspunkten, die uns im Hinblick auf José Montalbans gegenwärtigen Aufenthaltsort weiterbringen konnten.

Unser Kollege Craig E. Smith nahm sich den Computer vor, den wir in der Wohnung fanden. Die Untersuchung der Rechner, die sich im Firmenbüro von Montalban House Ltd. befanden würde auch noch folgen.

Craig, unser Computer-Ass, hatte keine Schwierigkeiten, den Rechner zu starten. Das Passwort war innerhalb einer Viertelstunde geknackt.

"Es ist immer dasselbe", kommentierte Craig seinen Erfolg. "Name von Eltern, Kindern oder anderen nahen Angehörigen, deren Geburtsdaten sowie Namen von Haustieren. Wenn man das weiß, hat man schon neunzig Prozent aller in Frage kommenden Passwörter."

"Und - was war es diesmal?", erkundigte sich Clive Caravaggio.

"Der eigene Name. Allerdings ohne Akzent auf dem e in José!"

"Komisch, ich hätte Montalban junior für kreativer gehalten."

Orry nahm sich das interne Menü eines Handys vor, das auf dem Nachttisch im Schlafzimmer lag. Erstens stellte sich heraus, dass von diesem Apparat aus mit Gordon Laws telefoniert worden war.

Zweitens stand José seiner Schwester Dolores offenbar doch sehr viel näher, als er uns gegenüber behauptet hatte.

Er hatte ziemlich oft mit ihr telefoniert.

Auch noch zu einem Zeitpunkt, an dem sie schon als vermisst gemeldet worden war.

"Ich frage mich, wie das zusammenhängt", meinte Orry.

"Vielleicht ergibt das alles Sinn, wenn man sich vorstellt, dass das angebliche Opfer mit der Entführung einverstanden war", war Milos Auffassung.

"Ein vorgetäuschtes Verbrechen?", echote ich. "Und wenn José die Entführung uns gegenüber nur deshalb ins Spiel gebracht hat, um seinen Vater in Schwierigkeiten zu bringen?"

"Vielleicht setzte er darauf, dass wir ihn in dieser Sache so in die Mangel nehmen, dass er seine Killer erst mal zurückpfeift", vermutete ich. "Wenn José mit den angeblichen Entführern unter einer Decke steckt, ergibt das Sinn!"

"Das klingt ein bisschen an den Haaren herbeigeholt", kommentierte Clive.

"Jedenfalls hängt José mit drin, was Dolores' Verschwinden angeht", stelle ich klar. "Sie war bei diesen Satanisten, dafür spricht die Bemalung der Leiche. Und José wusste davon, hat es aber nicht seinem Vater gesagt! Für mich sieht das Ganze nach einem riesigen Komplott aus, mit dem Dirty Rick unter Druck gesetzt werden sollte."

"Und wieso musste Dolores dann sterben?", hakte Clive nach.

Ich zuckte die Achseln. "Vielleicht war das wirklich nicht beabsichtigt." Ich blickte mich um, dachte einen Moment lang nach.

Ich sah mir inzwischen ein Telefonverzeichnis an. Die meisten Namen waren nur abgekürzt. Ansonsten dominierten Vornamen. Eine Eintragung fiel mir auf.

Malefic stand dort, dahinter eine Nummer.

Ich zeigte das Milo und Clive. "Ich wette, dass das vollständig Maleficius heißen soll", meinte ich.

Clive hob die Augenbrauen. "Ich verstehe nicht, was daran so besonderes sein soll?"

"Bruder Maleficius ist der Name des Satanistengurus, dem Dolores Montalban so verfallen war. Ich habe José Montalban ausdrücklich darauf angesprochen. Angeblich wusste er nicht, wer dieser Maleficius ist!"

"Sagt da einer Maleficius?", meldete sich Agent Craig E. Smith zu Wort, der noch immer mit dem Computer des Verdächtigen beschäftigt war.

Ich wandte den Blick in Richtung des Computerschirms.

Ein Foto war darauf zu sehen. Es zeigte eine Gestalt in dunkler Mönchskutte. Vom Gesicht war nichts zu sehen. Darunter stand in verschnörkelten Buchstaben das Wort Maleficius.

"Das muss seine Homepage sein", stieß ich hervor.

"Ich habe einfach im Verlaufsordner nachgeschaut, welche Internetseiten José Montalban zuletzt angewählt hat", erläuterte Craig.

"Wir sollten ihn so schnell wie möglich finden", meinte ich. "Bevor er ein Opfer von El Columbianos Killern wird!"

29

In dem hallenartigen, hohen Raum war es nicht sehr hell. Ein ausgeklügeltes System von abgedimmten Scheinwerfern sorgte für Dämmerlicht. Es gab keinerlei Fenster.

Bruder Maleficius fasste die Giftschlange kurz hinter dem Kopf. Sein Griff war eisern. Das Tier hatte keine Chance, sich daraus zu lösen. Mit Daumen und Zeigefinger drückte er die Kiefer auseinander. Die Linke hielt ein Glasröhrchen, das er über die Giftzähne stülpte. Die Schlange versuchte zuzubeißen. Tropfenweise sammelte sich das Gift im Röhrchen.

Ein Geräusch ließ den Kuttenträger herumfahren.

Die Schlange entglitt ihm, kroch über den Boden des hallenartigen Raumes davon. Das Röhrchen mit dem Gift zerplatzte beim Aufprall auf den Boden.

"Verdammt!", brummte Maleficius.

Bei Schlangen das Gift abzumelken war eine hochgefährliche Tätigkeit, die volle Konzentration erforderte.

Die kleinste Ablenkung konnte tödlich sein.

Schüsse krachten. Bewaffnete mit Sturmhauben drangen aus zwei Richtungen in den hallenartigen Raum ein. Auch aus den angrenzenden Korridoren waren Schüsse zu hören.

Außer Maleficius selbst waren noch ein halbes Dutzend weiterer Kuttenträger im Raum. Die meisten waren an den großen Terrarien beschäftigt, die sich auf ehemaligen Labortischen befanden.

Schlangen und Giftspinnen waren in diesen Glaskästen zu finden. Mit den Giftsubstanzen, die diese Tiere absonderten, hatte Maleficius seit Jahren experimentiert.

Die Eindringlinge schossen wild um sich.

"Keine Bewegung!", rief jemand.

Einer der Kuttenträger hielt sich nicht daran. Er vollführte eine ruckartige Bewegung. Der Lauf einer Pistole ragte unter dem Ärmel seiner Kutte hervor. Doch er kam nicht zum Schuss. Eine Kugel fetzte ihm in den Oberkörper. Er sank zu Boden und blieb regungslos liegen.

Ein weiterer Schuss traf die Schlange.

Sie drehte einen Salto und blieb regungslos liegen.

Maleficius erstarrte und hob die Hände. Eine andere Wahl blieb ihm und seinen Leuten nicht. Die Übermacht war einfach zu groß.

Die Maskierten packten die Kuttenträger, warfen sie zu Boden. Mancher bekam einen Schlag mit dem Pistolengriff oder dem Schaft eines Sturmgewehrs.

Einer der Kerle trat Maleficius schmerzhaft in die Seite.

Augenblicke des Schweigens vergingen.

Sie erschienen Maleficius quälend lang.

Schließlich waren die klappernden Schritte von Lackschuhen zu hören.

"Wer von euch ist Maleficius?", fragte eine Stimme.

Die Maskierten rissen den Kuttenträgern die Kapuzen vom Kopf.

"Hier ist er, Mister Montalban!", rief der Kerl, der in Maleficius Nähe stand. Maleficius wurde gepackt und auf die Füße gestellt.

Dirty Rick Montalban trat auf ihn zu. Er musterte das vernarbte Gesicht des Satanistenführers. Es sah furchtbar aus.

 

"Wie bekommt man so ein Gesicht?", fragte El Columbiano. "Madre de Dios, es sieht aus, als hätte dich der Herr der Finsternis persönlich gestraft!"

"Ich habe vor ein paar Jahren mit Säuren experimentiert", sagte Maleficius.

"Kannst du dir denken, warum ich hier bin?"

"Sie werden es mir sicher sagen..."

Dirty Rick ließ seine Faust vorschnellen. Sie bohrte sich in Maleficius' Magengrube. Der Satanistenführer ächzte.

Zwei der maskierten Mobster hielten den Narbigen fest. Rick ließ noch eine Rechts-Links-Kombination folgen.

Dann rieb sich der große Boss die Fingerknöchel.

"Es ist lange her, dass ich so etwas selbst gemacht habe", sagte er. "Aber in deinem Fall verschafft es mir Genugtuung. Du bist ein Stück Dreck und ich werde dich so behandeln. Leute wie du faseln viel von der Hölle und solchen Dingen. Aber ihr wisst nicht, was die Hölle ist. Ich kann dir versichern, du wirst sie bald kennen lernen, wenn ich keine vernünftigen Antworten von dir bekomme."

In Maleficius' zerstörtem Gesicht leuchtete pure Angst.

"Was wollen Sie?"

"Es geht um meine Tochter. Ich möchte wissen, warum sie sterben musste. Versuch nicht drum herum zu reden. Meine Leute haben eine junge Frau namens Francine auf sehr intensive Weise befragt. Ich weiß alles. Bis auf den Grund."

Rick Montalbans Stimme klirrte wie Eis. Kalte Grausamkeit stand in seinem Gesicht.

"Es war ein Unfall, Mister Montalban. Wirklich! Sie wollte das Eingangsritual durchlaufen, aber wir wussten nicht, dass sie überempfindlich auf..."

Rick schnipste mit den Fingern.

Einer der Maskierten warf ihm eine Pistole zu. Der Kolumbianer fing sie sicher auf. Er legte an, zielte kurz auf Maleficius' Knie und drückte ab.

Der Satanistenführer schrie auf, sank zu Boden. Blut floss auf den grauen Beton.

"Ich sagte doch, was passiert, wenn mich deine Antworten nicht zufrieden stellen." Ein zynisches Lächeln erschien auf Rick Montalbans Gesicht. "Was glaubst du perverser Satansanbeter wohl, wie viel Blei ein Mensch aushält?"

"Mister Montalban..."

"Ich mach dich so fertig, wie nicht einmal so ein Schweinehund wie du sich das vorzustellen vermag. Jedes Detail möchte ich wissen. Warum habt ihr meine Tochter entführt und sie getötet, bevor es überhaupt die Möglichkeit einer Geldübergabe gegeben hätte?"

"Es gab keine Entführung!", stieß Maleficius hervor. "Es sollte nur der Anschein erweckt werden."

"Wer sollte so einen Schwachsinn veranlassen?"

"Ein paar Leute, die sie gerne in ihrer Hand haben wollten, Mister Montalban."

Auf der Stirn des Kolumbianers erschien eine tiefe Falte. Er schien einige Augenblicke lang nachzudenken.

Einer seiner Männer nahm ein Walkie-Talkie ans Ohr.

"Mister Montalban!", unterbrach der Maskierte anschließend das unmenschliche Verhör.

Der Kolumbianer drehte sich herum. "Was gibt es?"

"Unsere Leute haben draußen ein paar Personen aufgegriffen. Sie hatten Sprengstoff und Waffen dabei. Einer von ihnen..."

"Herein mit ihnen!", rief der Kolumbianer.

Der Maskierte gab den Befehl seines Bosses sofort über Funk weiter. Augenblicke später wurden fünf Personen in den Raum geführt. Vier Mann und eine Frau. Ihre Hände waren auf dem Rücken mit Kabelbindern zusammengebunden.

Einen der Männer starrte El Columbiano vollkommen entgeistert an.

Montalban glaubte seinen Augen nicht zu trauen.

Der Kinnladen fiel ihm herunter und er vergaß für ein paar Augenblicke, seinen Mund wieder zu schließen.

"José!", stieß er hervor.

"Mí Padre! Dad! Deine Söldner scheinen mich nicht zu kennen. Sag Ihnen, dass sie mich losbinden sollen."

"Was tust du hier, José?"

"Dad, diese Kabelbinder tun verdammt weh an den Handgelenken!"

"Ich kann Ihnen einiges über Ihren Sohn sagen, das Ihnen nicht gefallen wird!", rief der am Boden liegende Bruder Maleficius.

Josés Gesicht verzog sich zur Grimasse. Er wollte losstürzen, um dem Satanistenführer zum Schweigen zu bringen. Auch gefesselte Hände konnten ihn davon nicht abhalten.

Ein paar der maskierten Killer, die der Kolumbianer engagiert hatte, sprangen hinzu und hielten ihn fest.

Rick Montalbans Gesicht war zu einer starren Maske geworden. "Scheint, als würde das heute so etwas wie der Tag der Wahrheit", murmelte er zwischen den Zähnen hindurch. Sein Mund glich dabei einem dünnen, geraden Strich.

30

Der Telefonanschluss, zu dem die Nummer aus José Montalbans gehörte, war schnell identifiziert. Sie gehörte einem sogenannten Tempel der Dunkelheit in 432 Minnesota Road, Yonkers. Eine sogenannte "Darkness Foundation" war als Besitzerin des Grundstücks ausgewiesen. Dahinter steckte wahrscheinlich die Satanistensekte jenes Mannes, der sich Maleficius nannte.

Einheiten des Yonkers Police Department und der State Police des Staates New York wurden verständigt und sorgten dafür, dass das Gelände um die Minnesota Road weiträumig abgesperrt wurde.

Clive, Orry, Milo und ich flogen mit einem unserer FBI-Helikopter zum Ort des Geschehens.

Über Funk wurden wir ständig durch den Einsatzleiter der Yonkers Police auf dem Laufenden gehalten.

Der sogenannte "Tempel" lag in einem Gewerbegebiet.

Es handelte sich um ein ehemaliges Fabrikgelände, das die Sekte offenbar für ihre eigenen Zwecke umfunktioniert hatte.

Der gesamte Komplex bestand aus einem zweistöckigen, quaderförmigen Gebäude und mehreren großen Garagen. Ein weiträumiger Parkplatz umgab den "Tempel".

Das Gelände war durch die Kollegen vor Ort eingekreist worden.

Eine Reihe von Fahrzeugen standen dort. Außerdem bewaffnete Wächter mit Sturmhauben. Eine schwarze, überlange Limousine fiel uns auf. Per telefonische Fernabfrage ließen wir uns den Wagenhalter durchgeben.

Es war Rick Montalban.

"Dann kommen wir vielleicht zu spät", meinte ich. "Dirty Rick ist hier, um Rache zu nehmen! Und die Wächter sind wahrscheinlich seine Leute!"

Aus dem Inneren der Fabrikhalle wurden Schüsse gemeldet.

"Wir müssen eingreifen", wandte sich Clive über Funk an Captain George O. Donaldson, den Einsatzleiter der Yonkers Police.

"Warten wir noch auf das Eintreffen von zwei zusätzlichen gepanzerten Fahrzeugen", forderte Donaldson.

"Dann ist es vielleicht zu spät", erwiderte Clive. "Wir nehmen an, dass sich da drinnen ein Blutbad ereignet!"

Donaldson gab schließlich nach und erklärte sich einverstanden, den Einsatz zu starten.

Unser Pilot Agent Jim Harper flog eine Bogen um das Gelände.

Ich deutete auf die Fabrikhalle. "Seht ihr die Dachfenster! Wir könnten von dort aus ins Gebäude!"

Eine Megafonstimme ertönte und forderte jeden, der sich zurzeit in dem Gebäude befand, dazu auf, mit erhobenen Händen aus der Halle zu kommen.

Jim Harper senkte die Flugbahn des Helis und steuerte auf das flache Dach der Fabrikhalle zu.

Die Maschine landete.

Milo und ich sprangen aus dem Helikopter, Orry folgte wenig später. Clive blieb an Bord des Helis, um bei der Koordinierung es Einsatzes zu helfen. Augenblicke später erhob sich der Hubschrauber wieder in die Luft.

Inzwischen wurde auf dem Parkplatz geschossen. Einsatzkräfte der Yonkers Police stürmten den Parkplatz. Die maskierten Wächter feuerten wild mit ihren MPis herum, zogen sich aber schnell ins Innere des Gebäudekomplexes zurück. Die Übermacht der Polizei war zu groß.

Wir erreichten inzwischen eines der Dachfenster.

Mit gezielten Schüssen öffnete Orry den Verschluss. Es ließ sich öffnen. Milo kletterte als Erster hinein, sprang auf den Boden des breiten Korridors. Er federte sich ab. Die SIG hielt er in der Rechten.

Orry und ich folgten und sprangen ebenfalls hinunter.

Es war niemand im Korridor.

Von draußen war ein weiterer heftiger Schusswechsel zu hören.

Die Räume zu beiden Seiten des Korridors waren offen. Es gab keine Türen. Soweit man das auf den ersten Blick sehen konnte, handelte es sich um Büros mit modernem Computer-Equipment. Das einzige, was sie von gewöhnlichen Firmenbüros unterschied, waren die Bilder mit okkulten Motiven an den Wänden.

Wir erreichten das Treppenhaus, eilten hinunter.

Orry trat eine Tür auf. Dahinter befand sich ein hallenartiger Raum. Ein großes, umgedrehtes Holzkreuz hing an der Wand. Auf Tischen befanden sich Glaskästen.

Es handelte sich um Terrarien mit Spinnen und Schlangen darin.

Etwa ein Dutzend Männer und Frauen in dunklen Mönchskutten lagen auf dem Boden und wurden von maskierten Bewaffneten bewacht. Rick Montalban hielt eine Waffe in der Hand. Er wirbelte herum. Ein paar Meter von ihm entfernt stand sein gefesselter Sohn José.

"Waffe Weg, FBI!", rief ich.

Einer der Gorillas wirbelte herum, feuerte mit seiner MPi. Ich feuerte zurück, warf mich zur Seite. Milo und Orry zuckten zurück in Deckung. Der maskierte Mobster sank getroffen zu Boden.

Gleichzeitig wurde jetzt offenbar auch am Haupteingang der Halle gekämpft. Zwei der Maskierten wurden getroffen. Ein weiterer ergab sich den eindringenden Spezialkräften des Yonkers Police Department. Schrill schallte eine Megafonstimme durch den Raum, die die Mobster erneut zum Aufgeben aufforderte.

Orry und Milo stürmten aus ihrer Deckung hervor und sicherten mich.

Ich kam wieder auf die Beine.

Mein Blick blieb an Rick Montalban hängen.

Sein Gesicht bekam etwas maskenhaftes, verzerrte sich zur Grimasse.

"Waffe weg, Montalban!", rief ich.

Doch er riss sie hoch, stieß einen lauten Schrei aus und feuerte in meine Richtung.

Er stürmte vorwärts, schoss dabei immer wieder.

Eine Kugel ging dicht an mir vorbei.

Er ließ mir keine Wahl. Ich schoss ihm in die Schulter. Das brachte ihn ins Straucheln. Er feuerte trotzdem weiter wild um sich. Ich duckte mich.

Milo schoss im selben Moment.

Getroffen sank Dirty Rick Montalban zu Boden.

Überall verebbte jetzt der Geschosshagel. Die überlebenden Mobster ergaben sich und wurden verhaftet. Handschellen klickten.

"Mí Padre!", rief José.

Er stürzte zu seinem Vater, kniete nieder. Seine Hände waren nach wie vor gefesselt.

Rick Montalban lebte noch. Orry rief über Funk nach dem Notarzt. Aber ich hatte das Gefühl, dass hier jede Hilfe zu spät kommen würde.

"Mein Sohn....", sagte El Columbiano stockend. "Mein eigener Sohn hat mich... verraten..." Er wandte den Kopf in meine Richtung. "Sie sind kein guter Schütze, Agent Trevellian!"

Sein Kopf sank zur Seite, die Augen erstarrten.

Der Kolumbianer war tot.

"Er wollte sterben, Jesse", stellte Milo fest.

Selbstmord durch die Polizei nennt man dieses Phänomen und es kommt öfter vor, als man denkt. Offenbar hatte Rick Montalban keinen anderen Ausweg mehr gesehen. Jahrzehnte auf Riker's Island hätten mit Sicherheit vor ihm gelegen. Und das allein schon wegen des Überfalls auf den sogenannten "Tempel" der Satanistensekte. Mochte er sie auch für den Tod seiner Tochter verantwortlich machen, so wird Selbstjustiz in unserem Rechtssystem nicht gedeckt. Das Schlimmste wäre für El Columbiano wohl gewesen, das er diese Jahre in dem Bewusstsein verbracht hätte, dass sein eigener Sohn ihn hintergangen hatte. Für einen Mann wie Rick Montalban eine unerträgliche Vorstellung.

"Sich selbst die Pistole an die Schläfe zu setzen, kam für ihn nicht in Frage", sagte José mit belegter Stimme. "Sie wissen ja, er war ein strenggläubiger Katholik."

"Sie sind festgenommen", sagte ich an José gewandt. "Alles, was Sie von nun an sagen, kann vor Gericht gegen Sie verwendet werden. Sie haben daher...."

"Sparen Sie sich das! Ich werde aussagen. Und zwar umfassend... Es hat jetzt ohnehin alles keinen Sinn mehr!"