Dantes Inferno I

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Was ist los? Was hast du gesehen?» Akron stand vor mir.

Ich versuchte mich zu erheben, stürzte aber vornüber und schlug mit meinem ganzen Gewicht am Boden auf. Mein Körper schlotterte, als würde er von elektrischen Stromstößen erschüttert; dann erkannte ich die Situation. Ich war der von sich selbst abgespaltene Teil, der sich gleichzeitig innerhalb und außerhalb seiner eigenen Wahrnehmung sah, und gleichzeitig stimmte ich mich in ihm auf den herrschenden Teil meiner eigenen Wesenheit ein, denn es waren seine Worte, die das Treppengeländer bildeten, das mich in die Tiefe führte. Sein Gesicht schwebte unmittelbar über mir, und ich begriff, daß ich es selbst war, der sich in der Arena seiner eigenen Gespenster begegnete: «Ich glaube, du solltest allmählich begreifen», sagte er, «daß unsere Reise kein Vergnügungsbummel ist. Die Fallen des Denkens sind genauso gefährlich wie die Abgründe der Seele. Beinahe hätten sie dich vernichtet. Warum willst du dich ständig umbringen?»

Ich verstand nicht, wovon er sprach, und bat ihn, sich klarer auszudrücken. Er sagte aber nur, er sei gerade noch zur rechten Zeit gekommen, als ich mich schon von der Ratio verabschieden wollte, um mich im freien Fließen meines Geistes aufzulösen, was mich in dieser Hölle festgehalten hätte.

Ich wollte noch viel mehr wissen, doch Akron winkte ab: «Komm jetzt, du hast dich wie ein Idiot benommen. Dort vorne leuchtet schon das Venuslicht …»


Venus in Fische

Vorhölle

Die Vorhölle der (embryonalen) Sehnsucht an der Schwelle zum Versinken im Seelenschlamm

Sünder

Haltlose Schwärmer, Giftmischer, Orakelpriesterinnen, Liebes- und Zuwendungssüchtige, Erotomanen, Nymphomanen oder von der Triebhaftigkeit angewiderte Platoniker, heimliche Huren, versponnene Heilige, selbstlose Egoisten

Disposition

Der Schattenbereich von Venus in den Fischen und Venus im 12. Haus sowie disharmonische Venus/​Neptun-Aspekte

Schuld

Antriebslosigkeit, Schwärmerei, reduzierter Wirklichkeitssinn, Stupor, Delir, Wahrnehmungsschwäche, Tendenz zu verinnerlichtem Verträumtsein, unverwirklichte oder unstillbare Liebessehnsüchte, irreale Liebesverstrickungen, Flucht in Sucht und Rausch (Liebesräusche), ich-zersetzende Tiefensehnsüchte, trügerische, irreführende Wunschbilder, verwirrende, unklare Beziehungen, verdrängte Emotionen, versteckte Erotik, Angst vor Sexualität, übergroßer Idealismus, Scheinharmonie, pseudospirituelle Ego-Auflösungen, Altruismus aus schwachem Persönlichkeitsgefüge

Strafe

Die Strafe stellt das Versinken im Schlamm trügerischer Hoffnung dar, denn sie entspricht dem unstillbaren, grenzenlosen Wahn, der sich bis zur völligen Aufweichung des Egos auswachsen kann. Das versinnbildlicht die Erschließung der inneren Bilder und das tiefe Eintauchen in die unbewußten Bereiche des Selbst, wo dich deine innere Sehnsucht gefangenhält. Es ist, als ob du von der Vorstellung deiner Sehnsucht ausgefüllt oder von der idealen Gott-Liebe besessen der Verschmelzung mit dem Universum nachsinnst. Diese Hölle hält dich an der Wurzel deiner unbewußten Begierden fest, denn hier werden deine gefährlich bezaubernden und in dir selbst wirkenden Sehnsüchte angesprochen. Da du durch den Kontakt mit ihnen zum hilflosen Bündel verschmelzender Hingabe wirst, erfährst du hier deine latente Bereitschaft, dich diesen sirenenhaften Verführungskräften opfern zu wollen. Doch da das Ziel deines Opfers gewissermaßen in dir selbst liegt, ist es so, als ob du dich selbst nach deinem Spiegelbild sehnst, in dessen Spiegelung du deiner eigenen Sehnsucht begegnest und in der du dich von deinen eigenen Gefühlen auszuschließen verstehst.

Lösung

Venus in Fische entwickelt ihr geistiges Potential aus dem Unvermögen, persönliche Eigenart zeigen zu können. Diese Grundhaltung ist eng mit dem Verhalten verknüpft, sich auflösen zu wollen, denn dein spirituelles Engagement ist eine Sublimierung des Mutter-Eros, der wiederum mit einer unbewußten Todessehnsucht (Auflösungsverlangen) verbunden ist. Deshalb ziehst du dich von der äußeren Hektik in die versunkenen Räume innerer Traumbilder zurück, wo du in der Geborgenheit deiner Numinosität versinken kannst. Wenn du begreifst, daß du unter dem Einfluß dieser Hölle nicht nach klaren Zielen, sondern nach einem metaphorischen, allegorischen, symbolischen oder sonstwie verschwommenen Mythos strebst, vermagst du den Hintergrund deiner traumhaften Erscheinungsbilder zu erkennen und die Grundlage deiner von den Verdrängungsmechanismen angetriebenen Sehnsüchte auch dort zu sehen, wo sie nicht nur verschleiernd von der Wirklichkeit ablenken.

Undines Todeskuß

Weit draußen sah ich ein rotes Licht wie die Morgendämmerung über den Wassern funkeln, es leuchtete wie ein großer, glühender Rubin, und ich fragte meinen Seelenführer: «Was ist das für ein Licht?»

«Es ist das Licht der toten Seelen, die sich in den tiefen Gewässern bis zur Selbstauflösung verloren haben – es ist gefährlich, sich ihnen zu nähern.»

«Wer sind diese armen Wesen, und was ist ihre Schuld?» Eine unendliche Sehnsucht überfiel mich plötzlich.

«Es sind die Irrlichter einer unerfüllbaren Sehnsucht nach Liebe, die dort draußen über den Morästen schweben und ihre Netze nach den Menschen auswerfen. Dabei locken sie die Vorüberziehenden in die tiefen Gewässer, um sie in der Dämmerung allein zu lassen. Vielen erscheinen sie aber auch im Licht, denn es sind die spirituellen Mütter der Ungeborenen.»

«Ich dachte, die Morgenröte sei ein Sigill der sich öffnenden Seele, Grundlage der Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit in der menschlichen Welt?» erwiderte ich.

«Die Sehnsucht nach Liebe und Verschmelzung ist eine Illusion», sagte Akron lachend, «die Gärten der Hesperiden, die Insel der Seligen oder die unterirdischen Paläste der Wassernixen sind nur die Sumpfblüten, die ihre Kronen aus dem Schlamm der kollektiven Träume erheben, um die Menschen zu den Quellen ihrer embryonalen Sehnsüchte hinunterzuziehen.»

«Aber dann wäre für den Mann ja jedes Weib gefährlich?» wandte ich ein. Ich konnte Akrons Plädoyer gegen die Liebe nicht unterstützen, ohne diese Perspektive nicht geklärt zu wissen.

«Nicht das Weib ist für den Mann gefährlich, sondern der Archetyp der inneren Sehnsucht, der da ins Licht des Bewußtseins dringt und ihn mit seinem inneren Bild der Weiblichkeit verbindet, das mit der Mutter und dem Bild des Ewigweiblichen beginnt.»

«Und wie unterscheidet sich das archetypische Weib von der gewöhnlichen Frau?»

«Die archetypische Gestalt erscheint immer in einem seltsam irisierenden und opalisierenden Licht», antwortete er, «denn sie taucht aus den Tiefen der Fluten auf, um die Erinnerungen einer Sehnsucht in die Welt zu tragen, in denen wir unser Heimweh nach den Urmüttern erfahren. Deshalb ist es sehr gefährlich, diesen Wassergeistern zu begegnen, doch wenn wir in den inneren Kreis der Hölle gelangen wollen, müssen wir durch den Seelenschlamm hindurch.»

«Und wie gelangen wir durch diesen Höllensumpf, mein Führer?» Ich schaute ihn respektvoll an.

«Dazu brauchen wir ein Boot», entgegnete mein Begleiter und schnippte mit den Fingern in die Luft. Wie von unsichtbarer Hand getragen sah ich aus der Ferne eine kleine Barke auf uns zuschweben. Wie eine Nußschale schien sie im Wind zu liegen, denn ich spürte die Wellen in einer tänzerischen Bewegung buchstäblich unter ihr wegschlüpfen. Doch damit war es vorbei, als das Boot wie an unsichtbaren Fäden gezogen vor uns stehenblieb. Tief sank der Bug in die schwarzen Fluten, als wir einstiegen, und kaum hatten wir im Inneren Platz genommen, schien eine unsichtbare Geisterfaust das Schiff an der Reling zu packen und es zuerst in einer scharfen Drehung nach Backbord auf einen Wellenkamm zu heben, um es nachher um so niederträchtiger in einer gleitenden Abwärtsbewegung in die Tiefe zu schmettern, daß ich für einen Augenblick glaubte, aus Himmelshöhen direkt in das finsterste Höllenmaul zu stürzen. So schloß ich unwillkürlich meine Augen und fiel in einen tiefen Traum. Kaum aber befand ich mich im Zustand kontemplativer Versenkung, sah ich eine wunderschöne Wassernymphe wie eine feine Nebelsäule aus dem tosenden Abgrund steigen. Sie schien das Wasser nicht zu berühren, sondern wie eine Luftblase darüberzuschweben. Ein weißer Nebelschleier schien ihren zarten Leib als einzige Hülle zu bedecken, und keine Bewegung verschob die Falten ihres Totenhemds. Nur ihre großen, lichtstrahlenden Augen waren nicht verschleiert, sie starrten mir sehnsüchtig ins Auge, bis mir die Tränen kamen. «Ich bin gekommen, um dich zu lieben, denn meine Liebe ist dein Tod», flüsterte sie mir ihre Liebesworte ins Ohr.

Erschrocken sprang ich auf. Das also war sie, die liebliche Verführerin, vor der mich Akron gewarnt hatte, aus den Höllentiefen hochgestiegen, um meine Sehnsucht einzufangen und sie in wehmütigem Entzücken an die Schönheit ihrer Unerreichbarkeit zu knüpfen. Alles dehnte und weitete sich vor mir aus, und ich spürte in mir jene göttliche Liebe aufsteigen, die nicht mehr nur vom triebgesteuerten Menschen herrührte, sondern die aus den Strahlenquellen jenes göttlichen Lichtes strömte, dessen innerste Erfahrung schon tief mit dem Ewigen verbunden war. Es war, als ob ich selbst der Rückbindung an das ungeformte Ur-Anfängliche in den Tiefenschichten der Seele verfiel, wo die Erinnerung an das kindliche Eins-Sein mit den noch ungerichteten und deshalb unschuldigen Triebkräften aufbewahrt war. Dabei stieß ich Akron, meinen Seelenführer, unbeabsichtigt um, der sich im Sturmwind über den Rand der Barke beugte, um eine Leiche ins Boot zu ziehen, die auf eine merkwürdige Weise eine entfernte Ähnlichkeit mit mir aufwies. Durch den Stoß ließ er sie los.

 

Hast du sie gesehen?» rief ich ihm zu. Ich sah in seinem Gesicht die gleiche Verzückung wie bei mir, wenn auch Hand und Auge in eine andere Richtung zeigten als dorthin, wo die bezaubernde Erscheinung wieder in den Wellen verschwunden war. Ich schrie: «Schau dort, nein da … sieh hier!» Und in jeder Blickrichtung tauchten neue Bilder auf, und mein ganzes Sichtfeld wimmelte von prächtigen Wassernixen, die da glaubten, sich ungelebt in meinen inneren Sehnsüchten verwirklichen zu können. Sie stellten das Versinken im Schlamm trügerischer Hoffnung dar, was sich in irreführenden Wunschbildern und Liebesräuschen ausdrückte. Einen Sekundenbruchteil überlegte ich mir, ob es das Unvermögen war, mich selbst zu empfinden, oder ob es mein eigener Venusdämon war, diese abgründige Schlange, die mich in die Tiefe lockte, nur um mich dort unten allein zu lassen. Ich fühlte, daß dieser Ort den vergifteten Träumen der Seele entsprach, die alles verschlingen, was nicht wirklich geerdet war.

«Beruhige dich», sagte Akron, «es ist Undine, die ungreifbare Wassernixe, die jedesmal ein Stück ihrer unsterblichen Seele erhält, wenn sie unter den Menschen ein neues Opfer gefunden hat. Durch die menschliche Brille betrachtet, verkörpert sie das unberührbare Kind, das Männer verführt. Sie verkörpert das aus den Tiefen der Mütter geborene und mit den Zielen der Väter verknüpfte Gottesbild, das nicht die Antworten auf die Rätsel des Lebens, sondern ein noch nicht gereiftes, an regressiven Mustern orientiertes, sehnsuchtsvoll-romantisches Streben nach dem Göttlichen darstellt. Deshalb solltest du nicht ihren Reizen erliegen, sondern die Projektion zurücknehmen und in ihr jene numinose Liebessehnsucht erkennen, die dein Herz mit plötzlicher Wehmut durchglüht, ohne jemals Realität werden zu können, weil dieser Ort weniger zur sexuellen Erlösung als zum Gefühl emotionaler Auflösung einlädt.»

Mitten in der Rede tauchte Poseidons betörende Tochter aus den kristallenen Unterwasserpalästen wieder vor mir auf. Wie eine smaragdäugige und algenperückte Sirene tauchte sie verführerisch aus den Fluten und umschwebte mich mit ihren regenbogenfarbenen Gluten, bis ich spürte, wie sie in mein Innerstes blickte und meine Seele vollständig umfing. In dem Moment jedoch, als ich mich ihr schon hingeben wollte, bekam ich einen heftigen Schlag auf den Kopf. Todesangst packte mich plötzlich, als ich entdeckte, wie tief sie in meiner Libido wühlte und meine Männlichkeit durchdrang, und dann wußte ich, daß ein Liebeskampf auf Leben und Tod begann.

«Hast du Angst?» hauchte sie mich an: «Wisse, ich bin die Urgestalt deiner inneren Verführerin, die gekommen ist, um dich zu holen. Wer mich sieht, muß sterben, denn ich stehe für das infantile Ringen mit kollektiven Erinnerungen, die die Seele in die Tiefe unbewußter Sehnsüchte hinunterlocken. Im Moment des Versinkens stehst du auf der Schwelle zwischen Leben und Tod, am Ziel deiner Wünsche, wo der Abgrund aufbricht und dich einen Schimmer des schwindelnden Nichts erahnen läßt, denn dein spirituelles Engagement ist eine Sublimierung des Liebeseros, der wiederum mit einer unbewußten Todessehnsucht verbunden ist. Komm, laß dich fallen – gib dich mir hin!»

Ihre Zähne gruben sich tief in meine Haut und schenkten mir zum ersten Mal die Qual der hohen Lust. «Man muß sein Opfer langsam in die elysischen Wonnen hinüberziehen, damit die Lust alchemistischer Umwandlung die Seele trägt und die aufstrebende Kurve der Libido nicht plötzlich sinkt», raunte sie mir verschwörerisch zu, während ihre Fingerkuppen sanft über meine Brust glitten. «Es liegt an jedem selbst, ob er es sich sanft oder hart erwünscht …»

Sie atmete schwer, als sich ihre sexuellen Flammen glühend unter meinen Küssen vermehrten. «Ich opfere mich gern», keuchte ich ekstatisch und spürte das wilde und hungrige Tier in ihr, das seine willenlose Beute schlägt, nachdem es die Spur des opferbereiten Fleisches gewittert hatte. Eine Sturmwelle unermeßlicher Anziehung durchströmte mich: «Wie muß ich mich verhalten, daß es hart ausfällt?»

«Der Schmerz wird es dir zeigen», flüsterte sie erregt und zog meinen stöhnenden Leib ins Wasser. «Bist du bereit?»

Ich spürte ihre süße Nähe, und meine Sehnsucht wuchs ins Ungeheure. Eine unerträgliche Erregung überflutete mich. Meine Seele sträubte sich gegen die Offenbarung der Wahrheit, aber mein Körper begriff die devote Hingabe an das strenge Ritual meiner inneren Auflösung, und ich verstand zum ersten Mal in meinem Leben, wie wunderschön es sein mußte, Auge in Auge, Körper an Körper mit dem Tod alle Gefühle und Sehnsüchte zu genießen und in bodenloser Seligkeit zu vergehen. In mir wuchs das unersättliche Verlangen, ihr nahe zu sein und mich ihr ganz zu überlassen, so sehr ich mich auch dagegen sträubte, ihr mein Leben zu opfern und mich restlos den Wonnen der strömenden Wollust zu überlassen, die sie in mir entfachte …

«Empfange jetzt den Todeskuß!» Bebend vor Liebe und Todesnähe streckte ich mich ihr entgegen, und sie küßte mich mit einem himmlischen Kuß, der meine Brunstschreie erstickte und mich von den letzten Zweifeln meiner Bestimmung befreite, denn jetzt war mir klar, ich gehörte dieser Frau auf ewig … Sie drückte mich inniger an sich, und mit ihren ekstatischen Lippen erfaßte mich der Tod und entriß mir den Lebensodem. Ihre Tränen drangen in meine Augen, und mit einem Stöhnen erfaßte mich die Ekstase und entriß mir in zuckenden Strömen die Lebensglut, bis mir endlich der Atem erlöschte und ich aus ihrer Umarmung sanft in die Tiefe sank.


Mars in Fische

Vorhölle

Die Vorhölle der Durchsetzungsschwäche an der Schwelle zur Aggression aus sexueller Unterdrückung

Sünder

Asoziale, Süchtige, Suizidenten, Penner, unberechenbare Trinker (Gewalttäter unter Drogen- oder Alkoholeinfluß), Spiegelfechter, Falschmünzer, Ränkeschmiede und alle Feiglinge unter dem Schlüsselbegriff «der besiegte Held»

Disposition

Der Schattenbereich von Mars in den Fischen und Mars im 12. Haus sowie disharmonische Mars/​Neptun-Aspekte

Schuld

Durchsetzungs- und Antriebsschwäche, Zersetzung der Kräfte (Selbstauflösung), Aggressionslähmung (Reizbarkeit, Schwäche), Chaos, Verwirrungen, Triebverirrungen, Versagensängste, Haltlosigkeit, Intrigen, Lüge, Lust und Sucht (das Abgleiten in den Sumpf falschen Vergnügens), Gleichgültigkeit, Unentschlossenheit, Apathie

Strafe

In dieser Hölle bist du dazu verurteilt, deine unterdrückten Aggressionen gegen dich selbst zu richten, denn deine flammende Triebnatur wird durch das Eintauchen in die ozeanischen Tiefengründe ihrer kreativen Feurigkeit beraubt und damit gezwungen, ihre persönlichen Ziele loszulassen und als körperloses, lebendiges Wassergespenst zu sühnen, das sich nur in den Visionen der Träumer und in den Räuschen der Süchtigen manifestieren kann. Durch die durch die innere Versagensangst potenzierte Aggressions- und Willensschwäche wird deine Aggressivität in den unbewußten Fische-Meeren gelähmt. Dadurch findest du Lust am Untergang, denn dieser Ort repräsentiert die vollständige Zerstäubung deiner Aggressionen und die innere Auflösung deiner libidinösen Instinktnatur. Als Symbol der Unterwerfung trägst du die Nabelschnur um den Hals, zum Zeichen, daß du die Gefühle der Hilflosigkeit und Schwäche jetzt annehmen kannst, denn diese Buße fordert dich zur inneren Hingabe auf, da die Zeit gekommen ist, die Aggressionen der Vergangenheit hinwegzuschwemmen und den Ich-Kern aufzulösen. Mit der Aufweichung des Ich verlierst du alle schützenden materiellen Hüllen: Du versinkst im bodenlosen Raum des Selbst und läßt dein Ego als Opfergabe auf dem Altar des Ewigen zurück.

Lösung

Noch bist du von den sexuellen Lockrufen der Sirenen besessen, die für die unerlösten Sehnsüchte stehen und dich wieder zu den Urquellen hinunterziehen wollen, gleichzeitig bist du aber schon auf dem Weg zum Großen Geist, denn der höhere Wille zieht dich aus den Wassern des Unbewußten zu den Visionen des himmlischen Erkennens hinauf. Das entspricht der Überwindung der eigensinnigen Autorität des Ich und der Bereitschaft, dich von einer höheren Kraft führen zu lassen. Vielleicht hast du dich aber auch an deine innere Schwäche gewöhnt, aus der heraus du dich selbst bedauerst, ohne zu merken, daß sich in dieser Haltung ja gerade dein innerer Wille erfüllt: keine Kriege zu führen, keine Kreaturen zu töten und dich nicht um jeden Preis durchsetzen zu wollen, eben kein brutaler Held, keine aggressive Amazone zu sein. Jetzt kannst du dir die Strafe verdienen – aber nicht, indem du die Aggressionen unterdrückst und damit für ihr sicheres Eintreffen sorgst, sondern indem du dich öffnest und die Aggressionen losläßt!

Die versunkene Libido

Einen Moment war ich mir nicht sicher, ob ich wachte oder träumte, und ich rief nach Akron und fragte ihn, was mir widerfahren sei, denn ich fühlte mich von meinen inneren Gespenstern und Liebesdämonen umfangen und in die Tiefe gezogen.

«Was ist mit mir geschehen?» fragte ich.

«Du hast dich deiner infantilen Sehnsucht, dieser irisierenden und opalisierenden, aber unerreichbaren inneren Dämonin ausgeliefert. Vielleicht solltest du mir sagen, wie sie ausgesehen hat?»

«Sie hatte grüne Haare und eine unverschämt erotische Ausstrahlung …» Als ich ihm gerade zu schildern begann, wie sie mich durchdrang, meinte er nur, dies sei ohnehin belanglos. Ich solle ihm lieber erzählen, ob sie mich angesehen habe.

Ich sagte ihm, daß sie smaragdene Augen hatte, doch er sprach von der Leiche, die eine entfernte Ähnlichkeit mit mir aufwies und die er vergeblich ins Boot zu ziehen versuchte: «Hat sie dich angeschaut?»

Ich konnte mich an diesen Vorfall nur sehr dunkel erinnern; ich wußte nur noch, daß Akron versuchte, eine Leiche ins Boot zu ziehen und ich ihn in dem Moment, wo er sich gerade anschickte, sie über die Kante an Bord zu hieven, umstieß, weil mir genau an dieser Stelle die Wassernixe erschien. «Ist das wichtig?» erwiderte ich.

«Natürlich ist das wichtig», entgegnete er, «denn die Leiche ist ein Fragment deiner selbst, die Materialisation deiner negativen und aggressiven Gefühle. Hätte sie dich angeblickt, hättest du sterben müssen!»

«Das paßt doch gut. Die Wassernixe hat mich angeschaut, die ich anstelle der Leiche sah», bestätigte ich.

«Die Leiche wurde von der dynamischen Kraft deiner destruktiven Energien geformt. Während du sie bewußt hinter dem Gesicht der Nixe getarnt hast, kanntest du sie unbewußt sehr gut. Du hast die Maske der Sehnsucht auf das Gesicht der Verwesung gepfropft», sagte er nachdenklich, «und damit den Tod vorderhand unschädlich gemacht.»

«Was bedeutet das?» Ich wollte wissen, was der Umstand zu bedeuten hatte, daß mich die Nixe genau an jener Stelle anlächelte, an der er die Leiche aus dem Wasser zog.

«Das bedeutet, daß die schreckliche Veränderung nicht stattfinden konnte, weil du dein Bild nicht auf die Leiche übertragen hast. Hättest du die Leiche erblickt, hätte das nichts anderes besagt, als daß du in jenem Augenblick ertrunken wärst …»

Ich erschrak. Die Welt vor meinen Augen wurde schwarz, und ich stand erstarrt – erstarrt über die ungeheuren Ahnungen, die in mir erwachten, über die Gewalt der psychischen Zusammenhänge, die plötzlich aus der Dämmerung des Unbewußten machtvoll zu mir aufstiegen: «Dann wäre die Leiche ja eine mögliche Materialisation dessen, was sich auch hätte verwirklichen können?»

Akron lachte und ahmte mich nach, wie ich ihn daran hinderte, die Leiche an Bord zu ziehen: «Das war eine erneute Bestätigung, daß der Tod dich noch nicht will», sagte er, «und das gibt uns die Gewißheit, daß wir unsere Reise fortsetzen können. Der Tod ist noch nicht endgültig!»

«Welcher Tod, Akron?» platzte ich heraus.

«Der Tod ist für dich eine smaragdäugige Hexe mit algengrünem Haar. Mit glänzenden Augen schaut sie dich an, bis dir die Tränen kommen, und dann wird sie sich in die Woge deiner strömenden Sehnsucht stürzen, die dir aus dem Auge quillt, und in deinem Inneren verschwinden, nur noch ein blinder Fleck in deiner Pupille. Die Jahre vergehen, und die Zeit zerrinnt; aber am Ende des Lebens kommt sie zurück. Im Augenblick des Todes taucht sie vor dir auf, ihre Nägel graben sich in deinen Leib und ihre süße Nähe verwandelt deinen Schmerz ins Ungeheure, und jetzt erfährst du es: Es ist dein unerreichtes Mutterbild, das du gleichermaßen haßt wie liebst! Denn sie ist das Tor, das dich ins Leben entläßt; hier tragen dich die Wasser der Lethe in die Nacht der Finsternis zurück.»

 

Ich war von seinen Worten sehr ergriffen, denn auf eine solche Antwort war ich nicht gefaßt. Lange Zeit konnte ich nichts sagen, und als mir endlich eine Frage einfiel, spürte ich die Wogen alter Erinnerungen über meinen Gedanken zusammenschlagen.

«Los, schau’s dir an! Der Tod ist nicht der Zerstörer des Lebens, sondern die Voraussetzung zur Geburt …» Er gab mir von hinten einen Stoß, und ich fiel über die Bootskante ins Wasser. Dort verwandelte ich mich in eine Eizelle, die in den Tempel des Lebens hineinschoß, und gleichzeitig fühlte ich, wie sich die Gebärmutter mit Lebenswasser füllte. Aber als ich in den Geburtskanal eintrat, da sah ich eine neblige Gestalt.

«Wo bin ich hier?» schrie es in mir.

«Bist du erwacht?» fragte sie.

«Wieso erwacht», erwiderte ich, «ich habe nicht geschlafen …»

«Nein, aber du kommst aus einer anderen Energie. Weißt du noch, aus welcher Idee?»

«Aus einem Boot», versuchte ich meine Gedanken zu ordnen.

«Das Boot ist nur ein oberflächliches Symbol. Geh tiefer! Siehst du nicht ihre wunderschöne Gestalt? Schließe die Augen und erinnere dich …» Ich schloß die Augen, und plötzlich sah ich eine wunderschöne Wassernymphe wie eine feine Nebelsäule aus dem tosenden Abgrund steigen. Sie schien das Wasser nicht zu berühren, sondern wie eine Luftblase darüberzuschweben. Ein weißer Nebelschleier schien als einzige Hülle ihren zarten Leib zu bedecken, und keine Bewegung verschob die Falten ihres Totenhemds. Nur ihre großen, lichtstrahlenden Augen waren nicht verschleiert, sie starrten mir sehnsüchtig ins Auge, bis mir die Tränen kamen, und leise flüsterte sie mir ins Ohr: «Ich bin gekommen, um dich zu lieben, denn meine Liebe ist dein Tod …»

Ich erschrak: «Hör sofort mit dem Unsinn auf!» forderte ich laut.

«Wieso? Es fängt erst an! Hier befindest du dich am Schaltkreis des Energieaustausches zwischen Mann und Frau», tönte es aus dem Nebelschleier, «und zwar exakt am weiblichen Geschlechtseingang. Der Orgasmus ist gewissermaßen die Verbindung der Welten, wo sich nicht nur die Geschlechter, sondern auch Leben und Tod berühren. Hier entscheidet sich dein Weg – du kannst wählen! Auf der inneren Seite empfängt dich die Gebärmutter und du wirst als Knabe wiedergeboren, und auf der äußeren Seite erwartet dich der Tod, der dich über die Wasser der Lethe zu den Gestaden der im Zustand des Ungeborenseins verharrenden Seelen führt.»

«Entweder wurdest du in den Wassern der Lethe zu heiß gebadet», brüllte ich erzürnt, «oder du treibst ein übles Spiel mit mir!»

«Laß dir Zeit! Du bist noch gar nicht richtig in unseren Sphären angekommen», antwortete die Nebelgestalt, ohne im geringsten beleidigt zu sein, «es ist dir zwar gelungen, deine Körperlichkeit aufzuheben und sie in deinen Energiekörper zu integrieren, doch bist du trotzdem noch nicht richtig da. Dein Verstandeszensor ist wahrscheinlich zu stark.»

«Halt den Mund», schrie ich sie an, «deine Meinung zählt gar nicht! Du bist nur ein armseliger Wassergeist!»

«Ich bin ein mächtiger Wassergeist mit einer starken Feuerseele. Als du aus dem Boot fielst, da haben sich unsere Energien verbunden, und nun will sich dein Verstand nicht mehr erinnern, was die Voraussetzung zu unserer Verbindung war. Er versucht, die Situation zu verdrängen, indem er sich nicht mehr an den Orgasmus erinnert, der dich in die Tiefe zog.»

Ich machte jede Anstrengung, diese Verneblung in meinem Gedächtnis abzuschütteln, aber ich konnte mich an nichts mehr erinnern. «Ich träume das Ganze nur, nicht wahr?» fragte ich, um eine Bestätigung zu bekommen, denn die ganze Szenerie schien mir so real wie der Wasserdampf in einem türkischen Bad.

«Zwar bist du nicht phantasielos genug, um dir nicht vorstellen zu können, daß es auch ein ungeheurer Alptraum sein könnte», sagte die nebulöse Erscheinung, «aber trotzdem ist es keiner. Normalerweise wird der Sünder durch das Eintauchen in die ozeanischen Tiefengründe seiner direkten Aggressivität beraubt und damit gezwungen, seine Ziele loszulassen und sich dem freien Spiel der Kräfte hinzugeben. Du aber versuchst, das Spiel zu kontrollieren, und dieses Spiel geht hier nicht auf!»

«Dann sage mir, was ich hätte tun sollen?» Ich erinnerte mich daran, wie Akron mir einmal erklärt hatte, daß meine Erlebnisse nur dann Macht über mich hätten, wenn ich sie aus meiner Perspektive akzeptierte. Nur wer seine Sichtweise ändert, kann sich ihr entziehen.

«Nicht herkommen», hallte es aus dem Nebeldunst, «solange du nicht bereit bist, loszulassen. Oder zurückkehren, solange du noch kannst …»

«Und wie soll das geschehen?» fragte ich und sah mich suchend um. Und noch etwas anderes fiel mir ein, was Akron mir gesagt hatte: daß ich, wenn mich meine inneren Bilder allzusehr bedrängten, nur meine Erinnerung loszulassen bräuchte, damit sich meine Träume änderten.

«Wähle deinen Weg», sagte die mysteriöse Gestalt und streckte mir beide Hände entgegen, «und entscheide dich für eine Hand: die linke steht für den blühenden Tod, die rechte für das verdorrende Leben!»

«Ich werde dahin zurückkehren, woher ich gekommen bin», sagte ich mit endgültiger Entschlossenheit und wählte die linke Todeshand. Doch als ich nach ihr griff, löste sie sich wie ein Trugbild auf. Ich strauchelte und verlor meinen Halt.

«Schnell, pack die andere», dröhnte mir eine Stimme im Ohr, «sonst bist du verloren! Zwar ist sie auch nur ein materialisierter Gedanke in diesem Spiel, aber wenn du den Glauben an die Festigkeit deiner Gedanken verlierst, dann bist du in dieser Hölle führerlos!»

Hilflos ruderte ich in der Luft, um wenigstens die Rechte zu erhaschen, doch auch sie löste sich vor meinen Augen auf, als ich sie zu fassen suchte, und als ich mich schon damit abfand, in den Fluten des Unbewußten auf ewig zu versinken, packte mich jemand energisch an der Hand und riß mich ins Boot: «Es scheint, als ob deine Seele die Pforten geöffnet hätte, um dir die Flut der Bilder zu übermitteln, die dort unten lagern; indem du aber wiederum verdrängst, daß du alles immer nur so siehst, wie du es träumst, schützt du dich selbst vor deinem eigenen Erwachen. Noch bist du von den sexuellen Lockrufen der Sirenen besessen, die für die unerlösten Sehnsüchte stehen und dich wieder zu den Urquellen hinunterziehen wollen, gleichzeitig bist du aber schon auf dem Weg zum Großen Geist, denn der höhere Wille zieht dich aus den Wassern des Unbewußten zu den Visionen des himmlischen Erkennens hinauf. Damit befindest du dich auf jener Entdeckungsreise, auf der du deine spirituelle Phantasie im Spiegel deiner kreativen Impotenz erkennst!»

Als ich langsam wieder zu mir kam, wurde mir bewußt, daß ich auf dem Boden des Bootes lag. Göttliche Vibrationen erreichten mich und wurden zu Licht, flossen in meine Seele mit dem Brausen jener überirdischen Harmonie, deren Bedeutung meine Seele jubeln ließ: Akron stand vor mir und goß mir einen Kübel Wasser über den Kopf. Ich schwebte in einer leuchtenden Blase aus flüssigem Licht und nahm sein Gesicht als weißen Nebel wahr, durchdrungen von einem inneren Leuchten, das stärker und stärker wurde. Dieses Leuchten quoll ungefähr an der Stelle hervor, hinter der ich sein linkes Auge vermutete. Das ganze Gesicht schien mir sozusagen vom Auge überstrahlt, und darin schwamm die kleine Nixe.