Loe raamatut: «Antikorruptions-Compliance», lehekülg 17

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3. Kapitel Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr (§ 299 StGB)

Inhaltsverzeichnis

I. Einführung

II. Tatbestände des § 299 StGB

III. Rechtsfolgenseite

IV. Strafverfolgung und Prozessuales

V. Prävention und Compliance

Literatur:

Androulakis Korruption bei der Auftragsvergabe, Kriminalistik 2011 685; Ballo/Skoupil „Quick Savings“ – ein Problem des Korruptionsstrafrechts?, NJW 2019, 1174; Baur/Holle Entwurf eines Verbandssanktionengesetzes – Eine erste Einordnung, ZRP 2019, 186; Dann § 299 StGB und der Kampf um den privaten Endabnehmer, FS Wessing 2015, S. 283; ders. Und immer ein Stück weiter – Die Reform des deutschen Korruptionsstrafrechts, NJW 2016, 203; Dannecker/Schröder Neuregelung der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr – Entgrenzte Untreue oder wettbewerbskonforme Stärkung des Geschäftsherrnmodells?, ZRP 2015, 48; Eidam Auswirkung und Stellenwert strafrechtlicher Expertengutachten auf die Anwendbarkeit von § 17 StGB in wirtschaftsstrafrechtlichen Fallkonstellationen, ZStW 127 (2015), 120; Eisenberg/Kölbel Kriminologie, 7. Aufl. 2017; Erb Ungereimtheiten bei der Anwendung von § 299, FS Geppert, 2011, S. 97; Fischer Strafgesetzbuch mit Nebengesetzen, 67. Aufl. 2020; Gaede Die Zukunft der europäisierten Wirtschaftskorruption gemäß § 299 StGB. Eine Evaluation des Referentenentwurfs des BMJV vom 13.6.2014, NZWiSt 2014, 281; Grützner/Helms/Momsen § 299 StGB – Neue und ungelöste Probleme nach Schaffung des Geschäftsherrenmodells, ZIS 2018, 299; Grützner/Momsen Gesetzliche Regelung unternehmensinterner Untersuchungen – Gewinn an Rechtsstaatlichkeit oder unnötige Komplikation? CCZ 2017, 242; Grützner/Momsen Kopplungsgeschäfte und Korruption (§ 299 StGB) – Die Grenzen der Privatautonomie, CCZ 2017, 155; Grützner/Momsen/Behr § 299 StGB – Straflosigkeit des Betriebsinhabers und Strafbarkeit von Drittvorteilen?, NZWiSt 2013, 88; Haft/Schwoerer Bestechung im internationalen Geschäftsverkehr, FS Weber, 2004, S. 367; v. Heintschel-Heinegg Beck‘scher Online Kommentar Strafgesetzbuch, 45. Edition, Stand: 1.2.2020; Helmrich Zum Beginn der Verfolgungsverjährung bei Bestechungsdelikten (§§ 299, 331 ff. StGB), wistra 2009, 10; Hoven Aktuelle rechtspolitische Entwicklungen im Korruptionsstrafrecht – Bemerkungen zu den neuen Strafvorschriften über Mandatsträgerbestechung und Bestechung im geschäftlichen Verkehr, NStZ 2015, 553; Jansen Die Pflichtverletzung im Rahmen der „Geschäftsherrenvariante“ des § 299 StGB, NZWiSt 2019, 41; Joecks/Miebach Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, 3. Aufl. 2019; Kieferle Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr und entschleierte Schmiergelder, NZWiSt 2017, 391; Kindhäuser Voraussetzungen strafbarer Korruption in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft, ZIS 2011, 461; Klug Angestelltenbestechung. Eine strafrechtlich empirische Untersuchung zu § 299 Strafgesetzbuch, 2011; Krack Entschleierte Schmiergelder nach der Reform des § 299 StGB, ZIS 2016, 83; Kubiciel Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr Zu einer wettbewerbsorientierten Umsetzung des sog. Geschäftsherrnmodells in § 299 StGB, ZIS 2014, 667; Leipold/Tsambikakis/Zöller AnwaltKommentar StGB, 3. Aufl. 2020; Nöckel Grundprobleme zu § 299 StGB Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen, ZJS 2013, 50; Pfaffendorf Zum Erfordernis der Unrechtsvereinbarung in § 299 StGB, NZWiSt 2016, 8; Pfeiffer Das strafrechtliche Schmiergeldverbot nach § 12 UWG, FS Gamm, 1990, S. 129; Pieth/Zerbes Sportverbände und Bestechung: Sachgerechte Grenzen des Korruptionsstrafrechts?, ZIS 2016, 616; Pragal § 299 StGB – keine Straftat gegen den Wettbewerb!, ZIS 2006, 63; Riebele/Klebeck Strafrechtliche Risiken der Betriebsratsarbeit, NZA 2006, 758; Satzger/Schluckebier/Widmaier Strafgesetzbuch Kommentar, 4. Aufl. 2019; Schünemann Der Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Korruption – Überflüssige Etappe auf dem Niedergang der Strafrechtskultur, ZRP 2015, 68; Teixeira Das Unrecht der privaten Korruption im geschäftlichen Verkehr, 2018; Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht, Besonderer Teil, 3. Aufl. 2011; Travers Geschäftsherr hat Anspruch auf Herausgabe des Bestechungslohnes, Anmerkung zu BGH Beschl. v. 20.3.2014 – 3 StR 28/14, GWR 2014, 422; Vogel Wirtschaftskorruption und Strafrecht – Ein Beitrag zu Regelungsmodellen im Wirtschaftsstrafrecht, FS Weber, 2004, S. 395; Walther Das Gesetz zur Bekämpfung der Korruption, DB 2016, 95; ders. Anmerkungen zur geplanten Neufassung von § 299 StGB, NZWiSt 2015, 255; Winkelbauer Ketzerische Gedanken zum Tatbestand der Angestelltenbestechlichkeit (§ 299 Abs. 1) FS Weber, 2004, S. 385; Wolfram/Peukert Auswirkungen des „neuen“ § 299 StGB auf die Compliance-Praxis, NZWiSt 2017, 208; Zapf Zur Entwicklung der Verfolgungsverjährung bei Korruptionsdelikten in der Rechtsprechung, NZWiSt 2018, 54; Zimmermann Unrecht der Korruption, 2018.

I. Einführung

1. Praktische Bedeutung und kriminologischer Hintergrund

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Die nach § 299 StGB strafbare Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr – auch als „Angestelltenbestechung“ oder „Wirtschaftskorruption“ bezeichnet[1] – weist Ähnlichkeiten mit den klassischen Delikten der Amtsträgerkorruption (§§ 331–334 StGB) auf. Wie bei der Amtsträgerkorruption geht es auch bei der Wirtschaftskorruption in ihrem Kern um einen „regelwidrigen Tausch von Vorteilen“.[2] Rechtstatsächlich ist die Wirtschaftskorruption im Vergleich zur Amtsträgerkorruption trotz einer öffentlich wahrgenommenen Zunahme von Fällen auch in größeren Unternehmen[3] von eher untergeordneter Bedeutung. Gemessen am Gesamtkorruptionsaufkommen beträgt der Anteil nach § 299 StGB strafbarer Delikte im Mittel der letzten Jahre deutlich unter 25 % (Bundeslagebild Korruption 2014-2018). Die Fallzahlen sind zudem rückläufig. Auch die Ausweitung der Strafbarkeit nach § 299 StGB durch das zweite KorrBekG 2015 (siehe Rn. 3) hat nicht zu einem erkennbaren Anstieg in den Fallzahlen geführt. Teilweise erhebliche Ausschläge (2015: 39% Anteil) sind Einmaleffekten (Umfangsverfahren) geschuldet.[4] In absoluten Zahlen wurden für 2018 im Bundeslagebild Korruption gerade einmal 535 und in der Polizeilichen Kriminalstatistik 182 Fälle verzeichnet.[5] Allerdings dürfte das Dunkelfeld, also diejenigen Verwirklichungen des Tatbestandes, die nicht zur Kenntnis der Strafverfolgungsbehörden gelangen, aufgrund der erschwerten Entdeckbarkeit der Wirtschaftskorruption stark ausgeprägt sein. Verlässliche Dunkelfeldstudien, die über das tatsächliche Kriminalitätsaufkommen im Bereich des § 299 StGB Aufschluss geben könnten, stehen für Deutschland nicht zur Verfügung.[6]

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Kommt ein Sachverhalt zur Kenntnis der Ermittlungsbehörden, gelingt es diesen meist, einen Tatverdächtigen zu benennen; die Polizeiliche Kriminalstatistik weist eine Aufklärungsquote von über 90 %, häufig sogar von über 95 % aus.[7] Dies erklärt sich daraus, dass mit Bekanntwerden eines Korruptionssachverhalts die möglichen Tatbeteiligten in der Regel bereits feststehen. Trotz dieser günstigen Ausgangslage gibt es rechtstatsächliche Hinweise dafür, dass Staatsanwaltschaften Verfahren häufig mangels hinreichenden Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 StPO einstellen.[8] Dies wird unter anderem auf eine problematische Fassung des Tatbestands zurückgeführt (vgl. dazu Rn. 5 ff.).[9] Auch Verurteilungen sind selten. Die Strafverfolgungsstatistik verzeichnet für das Jahr 2018 nur 21 Verurteilungen nach §§ 299 f. StGB, davon sieben im besonders schweren Fall (§ 300 StGB).[10] Soweit angesichts der geringen Verurteilungszahlen Aussagen dazu überhaupt sinnvoll sind, lässt sich feststellen, dass Gerichte bei § 299 StGB vorwiegend Geldstrafen ausurteilen und zwar im Bereich von bis zu 90 Tagessätzen.[11] Bei Verurteilungen im besonders schweren Fall nach § 300 StGB überwiegen Freiheitsstrafen zwischen einem und zwei Jahren. 2018 wurden die nach §§ 299, 300 StGB verhängten Freiheitsstrafen ausnahmslos zur Bewährung ausgesetzt.[12]

2. Entwicklung des Tatbestands; europäische und internationale Vorgaben

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§ 299 StGB wurde 1997 durch das (erste) KorrBekG[13] in das StGB aufgenommen. Zuvor war der Tatbestand weitgehend inhaltsgleich[14] in § 12 UWG a.F. geregelt. Die Herausnahme aus dem UWG sollte einerseits das Bewusstsein schärfen, dass auch Korruption im geschäftlichen Verkehr strafrechtlich relevantes Unrecht ist.[15] Gleichzeitig legte die Verschiebung ins Kernstrafrecht einen Grundstein für ein nicht länger ausschließlich wettbewerbsrechtliches Verständnis der Vorschrift. Die bestehende Wettbewerbsvariante der Vorschrift wurde schließlich 2015 durch das (zweite) KorrBekG um eine sog. Geschäftsherrenvariante in Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 2 ergänzt (siehe dazu Rn. 11).[16] Dies weitete die Strafbarkeit erheblich aus,[17] was bis heute auf heftige rechtspolitische Kritik stößt.[18] Auf die Fallzahlen hat sich die Tatbestandsergänzung bislang nicht erkennbar ausgewirkt (siehe Rn. 1).

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Durch § 299 StGB in seiner aktuellen Form werden europäische und internationale Vorgaben (größtenteils[19]) umgesetzt (vgl. dazu Einführung Rn. 12 ff.). Unionsrechtlich ist dies namentlich der EU-Rahmenbeschluss 2003/568/JI vom 22.7.2003 zur Bekämpfung der Korruption im privaten Sektor. Im internationalen Recht gibt es ähnliche Vorgaben: neben Art. 7 und Art. 8 des Strafrechtsübereinkommens des Europarats v. 27.1.1999 (ETS Nr. 173)[20] sollen die Vertragsstaaten auch nach Art. 21 UNCAC Maßnahmen in Erwägung ziehen, die Bestechung und Bestechlichkeit im privaten Sektor unter Strafe stellen.

3. Struktur der Vorschrift

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§ 299 StGB gleicht in seiner Tatbestandsstruktur der Amtsträgerkorruption und hier insbesondere der Bestechlichkeit und Bestechung (§§ 332, 334 StGB).[21] Sowohl die Geber- als auch die Nehmerseite machen sich strafbar und zwar gleichermaßen in der Wettbewerbs- und der Geschäftsherrenvariante (vgl. Rn. 10 f.).

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In keiner der Varianten des § 299 StGB gehört die Vornahme der mit dem in Aussicht gestellten Vorteil erstrebten Handlung oder Unterlassung zum Tatbestand.[22] § 299 StGB ist ein abstraktes Gefährdungsdelikt. Für die Tatbestandsvollendung ist weder die materielle Verletzung noch eine konkrete Gefährdung des jeweils geschützten Rechtsguts erforderlich. Es genügt die mit der inkriminierten Handlung typischerweise einhergehende, abstrakte Gefährlichkeit.

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Die Strafbarkeit der Nehmerseite (Bestechlichkeit nach Abs. 1) ist als Sonderdelikt ausgestaltet; nur Angestellte und Beauftragte eines Unternehmens sind taugliche Täter. Die Strafbarkeit der Geberseite ist in der Geschäftsherrenvariante (Bestechung nach Abs. 2 Nr. 2) ein Allgemeindelikt. In der Wettbewerbsvariante (Bestechung nach Abs. 2 Nr. 1) wird zwar vom Wortlaut keine bestimmte Täterqualität gefordert. Jedoch können Täter nur solche Personen sein, die mit relevantem Bezug auf den Wettbewerb handeln können,[23] was die Einordnung als ein beschränktes Allgemeindelikt rechtfertigt.

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Trotz unterschiedlicher Schutzrichtungen (siehe Rn. 9 ff.) entsprechen sich die in Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 geregelte Wettbewerbsvariante und die in Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 2 geregelte Geschäftsherrenvariante in ihrer Ausgestaltung. Sie setzen weitestgehend die Verwirklichung derselben Tatbestandsmerkmale voraus. Die beiden Varianten unterscheiden sich vor allem hinsichtlich des Gegenstands der zu treffenden Unrechtsvereinbarung,[24] der sich einmal auf eine unlautere Bevorzugung im Wettbewerb, einmal auf eine Pflichtverletzung gegenüber dem Unternehmen beziehen muss (siehe Rn. 32 ff., Rn. 37 ff.). Daneben hat jedenfalls nach dem Wortlaut der Norm eine Einwilligung des Unternehmens nur in der Geschäftsherrenvariante strafbefreiende Wirkung (vgl. Rn. 42 ff.).

4. Schutzzwecke der Vorschrift

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Die Schutzzweckzusammenhänge des § 299 StGB sind seit jeher umstritten und seit der Regelung eines sog. Geschäftsherrenmodells (siehe Rn. 3) endgültig unübersichtlich geworden.[25] Nach wohl überwiegender und zutreffender Ansicht liegt § 299 StGB in seiner aktuellen Fassung kein einheitlicher Schutzzweck zugrunde („Hybridtatbestand“). Vielmehr ist zwischen der Wettbewerbsvariante (Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1) und der Geschäftsherrenvariante (Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 2) zu unterscheiden. Bedeutsam sind diese mehrdimensionalen Schutzzweckzusammenhänge nicht nur für die Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale, sondern auch für die Bestimmung der Verletzteneigenschaft bezüglich der Anwendbarkeit auf Auslandssachverhalte (§ 7 Abs. 1 StGB)[26] und des Strafantragsrechts (§ 301 Abs. 2 StGB) sowie für das zivile Deliktsrecht (§ 823 Abs. 2 BGB).[27]

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Schutzzweck der Wettbewerbsvariante (Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1) ist das Allgemeininteresse an einem fairen Wettbewerb. Ein „idealtypischer Normalfall“ ist der angestellte Einkaufschef eines Unternehmens, der gegen Zuwendung eines Vorteils durch einen Anbieter diesen bei der Auftragsvergabe bevorzugt. Derartige unlautere Einflussnahmen, die geeignet sind, von sachfremden Motiven getragene Marktentscheidungen zu begünstigen, sollen verhindert werden.[28] Die Chancengleichheit und die Vermögensinteressen von Mitbewerbern sollen nach überwiegender Ansicht auf gleicher Ebene geschützt sein.[29] Ob daneben auch die Vermögensinteressen des Unternehmens als Geschäftsherrn als weiterer Schutzzweck erfasst sind, ist streitig, wird aber von einer wohl überwiegenden Ansicht ebenfalls bejaht.[30]

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Ein Wettbewerbsbezug lässt sich in der Geschäftsherrenvariante (Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2) nur mittelbar herstellen. Dieser ergibt sich daraus, dass Tathandlungen im geschäftlichen Verkehr und im Zusammenhang mit dem Bezug von Waren und Dienstleistungen vorausgesetzt werden.[31] Primär wird durch die Geschäftsherrenvariante jedoch das Unternehmen vor Vermögenseinbußen geschützt, die ihm durch unlautere Geschäftspraktiken[32] und eine allgemein illoyale Geschäftsbesorgung seiner Angestellten und Beauftragten drohen.[33] § 299 StGB ist nach h.M. etwa dann erfüllt, wenn ein Angestellter absprachewidrig und gegen die Gewährung eines Vorteils dem Vertragspartner seines Unternehmens höherwertige Güter als vereinbart zuwendet. Mit dem Schutz wirtschaftlicher Individualinteressen des Unternehmens entwickelt § 299 StGB unübersehbar eine Verwandtschaftsbeziehung zur Untreue (§ 266 StGB), was einige dogmatische Verspannungen auslöst.[34] Denn durch die Geschäftsherrenvariante wird erstens der durch den Untreuetatbestand gewährte Strafrechtsschutz in das – nach § 266 StGB generell straflose – Vorfeld der Vermögensverletzung ausgeweitet; faktisch wird sogar die versuchte Anstiftung zur Untreue unter Strafe gestellt, nämlich dann, wenn einem Angestellten vergeblich ein Vorteil angeboten wird, damit dieser Pflichten gegenüber seinem Unternehmen verletze. Zweitens ist die Strafbarkeit nach § 299 StGB, anders als die nach § 266 StGB, nicht von der Verletzung einer qualifizierten Vermögensbetreuungspflicht abhängig.[35] Teilweise wird vor diesem Hintergrund und angesichts des Regelungsorts im sechsundzwanzigsten Abschnitt („Straftaten gegen den Wettbewerb“) betont, auch die Geschäftsherrenvariante müsse (primär) dem Wettbewerbsschutz dienen; eine an diesem Schutzzweck orientierte Auslegung gebiete es, die Pflichtverletzung i.S.d. § 299 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 2 StGB eng und rein wettbewerbsbezogen zu verstehen.[36] Diese Ansicht mag zwar systematische Verspannungen zur Untreue lösen, allerdings legen weder der Wortlaut noch die Entstehungshintergründe der Vorschrift ein derartiges Verständnis nahe.[37] Auch eine Gesamtschau aus der tatbestandsausschließenden Einwilligung des Unternehmens als Geschäftsherrn (siehe dazu aber auch Rn. 47) und dessen alleiniger Strafantragsbefugnis (§ 302 Abs. 2 StGB) sprechen für einen Individualrechtschutz in der Geschäftsherrenvariante.[38]

5. Anwendbarkeit der Vorschrift bei Auslandsbezug

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Tatbestandlich wird von der Wettbewerbsvariante des § 299 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 StGB der in- und ausländische Wettbewerb gleichermaßen geschützt. Der Anwendungsbereich ist nicht auf den europäischen Binnenmarkt beschränkt. Dieser Erstreckung des Tatbestandes auf den ausländischen Wettbewerb ist nach ganz h.M. aber kein Verzicht auf die Vorgaben des deutschen Strafanwendungsrechts zu entnehmen.[39] Es bedarf für die Geltung deutschen Strafrechts demnach auch in der Wettbewerbsvariante eines Anknüpfungspunktes i.S.d. §§ 3–7 StGB.[40] Letzteres gilt unstreitig ebenso für die Geschäftsherrenvariante. Zur Bestimmung der Wettbewerbswidrigkeit bzw. der Pflichtwidrigkeit bei Auslandsbezug siehe Rn. 36 und Rn. 41.

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Besonders zu beachten ist in diesem Zusammenhang § 9 Abs. 2 S. 2 StGB. Die Vorschrift erklärt für inländische Gehilfen- und Anstiftungshandlungen das deutsche Strafrecht selbst dann für anwendbar, wenn die Haupttat nach ausländischem Recht nicht mit Strafe bedroht ist. Wegen Anstiftung oder Beihilfe (§§ 26, 27 StGB) können sich demnach beispielsweise Mitarbeiter deutscher Unternehmen strafbar machen, wenn sie einem einheimischen Agenten zur Akquise vor Ort Schmiergeld zur Verfügung stellen – und dies auch dann, wenn die eigentliche Angestelltenbestechung als Haupttat nach ausländischem Recht straflos ist.[41]

II. Tatbestände des § 299 StGB
1. „Nehmerseite“: Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr (Abs. 1)

a) Täterkreis: Angestellter oder Beauftragter eines Unternehmens

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Täter der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr kann nur sein, wer zum Zeitpunkt der Tathandlung[42] Angestellter oder Beauftragter eines Unternehmens ist. Personen, denen diese Eigenschaft fehlt, können nur Teilnehmer der Tat (§§ 26, 27 StGB) sein; für sie gilt dann die Akzessorietätslockerung des § 28 Abs. 1 StGB.

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Der Begriff des Unternehmens ist weit zu verstehen; es scheiden allein rein private Tätigkeiten sowie solche Geschäftsbetriebe aus, die ausschließlich illegale Ziele verfolgen. Erfasst ist damit jede auf eine gewisse Dauer angelegte und regelmäßige Teilnahme am Wirtschaftsverkehr mittels eines Austauschs von Waren und Dienstleistungen.[43] Auch freiberufliche Tätigkeiten sind einbezogen. Anders als ein Gewerbebetrieb muss ein Unternehmen nicht auf Gewinnerzielung gerichtet sein,[44] sodass es genügt, wenn gemeinnützige, soziale oder kulturelle Ziele verfolgt werden.[45] Insbesondere kann auch die öffentliche Hand Unternehmen sein, sofern sie nach den Grundsätzen eines Erwerbsgeschäfts handelt.[46] Letzteres ist bereits dann der Fall, wenn die öffentliche Hand durch ihre Marktteilnahme einen Wettbewerb um Aufträge auslöst.[47] Dass der Bestochene im Einzelfall gleichzeitig Amtsträger (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB) und nach § 332 StGB strafbar ist, berührt die Anwendung des § 299 StGB wegen unterschiedlicher Schutzzwecke nicht (zu den Konkurrenzen vgl. auch Rn. 61).[48]

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Angestellter eines Unternehmens ist, wer zum Zeitpunkt der Bestechung[49] in einem Dienst-, Werks- oder Auftragsverhältnis zum Inhaber eines Unternehmens steht und dessen Weisungen unterworfen ist. Die genaue (arbeits-)rechtliche Einordnung und die zivilrechtliche Wirksamkeit eines entsprechenden Vertrags sind ohne Belang;[50] auch ein faktisches Dienstverhältnis genügt.[51] Unter Zugrundelegung des Gesetzeszweckes sind jedoch nur solche Angestellte erfasst, die die Möglichkeit zu einer betrieblichen Einflussnahme haben und denen ein Mindestmaß an Eigenverantwortung bezüglich markt- oder unternehmensrelevanter Entscheidungen eingeräumt ist.[52] Dies trifft beispielsweise auf Leiter von Einkaufsabteilungen zu, aber auch auf einen Betriebsrat beim Einkauf von Schulungsdienstleistungen.[53] Fremdgeschäftsführer einer GmbH sind ebenfalls Angestellte i.S.d. § 299 StGB, weil sie den Weisungen der Gesellschafter unterworfen sind.[54] Geschäftsführende Alleingesellschafter einer GmbH scheiden hingegen mangels faktisch bestehender Gebundenheit an Fremdweisungen aus.[55] Vorstandsmitglieder einer AG sind wegen fehlender rechtlicher Weisungsgebundenheit (§ 76 Abs. 1 AktG) ebenfalls keine Angestellten i.S.d. § 299 Abs. 1 StGB.[56]

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Bei erwerbswirtschaftlichem Handeln können auch Amtsträger die Voraussetzungen der Angestellteneigenschaft des § 299 Abs. 1 StGB erfüllen. Einzelheiten sind sehr streitig, betreffen aber weniger die Frage, ob eine Angestellteneigenschaft im Sinne des § 299 StGB gegeben, sondern ob neben der Angestellteneigenschaft zusätzlich noch eine Amtsträgereigenschaft anzunehmen ist (etwa bei der privatrechtlichen Organisation staatlicher Aufgaben sowie Private Public Partnerships).[57] Darauf kommt es aber für eine Strafbarkeit nach § 299 Abs. 1 StGB nicht entscheidend an – jedenfalls dann nicht, wenn mit der überwiegenden Ansicht die Angestelltenbestechung und die Amtsträgerbestechung nebeneinander anwendbare Tatbestände sind (siehe Rn. 15 sowie Rn. 61).

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Beauftragter eines Unternehmens ist, wer – ohne Unternehmensinhaber oder Angestellter zu sein – aufgrund seiner Stellung berechtigt und verpflichtet ist, für ein Unternehmen zu handeln und dabei auf betriebliche Entscheidungen Einfluss nehmen kann. Dabei muss er an die Interessen des Unternehmens gebunden sein.[58] Das Tatbestandsmerkmal hat Auffangfunktion und ist weit auszulegen.[59] Auf die rechtliche Ausgestaltung der Beauftragung kommt es nicht an. Neben vertraglichen Beziehungen sind deswegen auch gerichtlich oder behördlich aufoktroyierte Bestellungsakte für die Begründung eines Beauftragungsverhältnisses ausreichend.[60] Wie beim Angestellten genügt zudem ein faktisches Beauftragungsverhältnis. In Entsprechung zum Angestellten ist es ebenfalls erforderlich, dass der Beauftragte Einfluss auf Unternehmensentscheidungen nehmen kann; völlig untergeordnete Hilfstätigkeiten schließen die Stellung als Beauftragter aus.[61] Taugliche Täter sind etwa Unternehmensberater, Architekten und Handelsvertreter, aber auch Insolvenzverwalter und Testamentsvollstrecker.[62]

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Ob und unter welchen Voraussetzungen gesellschaftsrechtliche Organe Beauftragte der Gesellschaft oder der Gesellschafter in ihrer Gesamtheit sind, ist im Einzelnen sehr streitig. Nach wohl überwiegender Ansicht sollen Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder einer AG Beauftrage sein.[63] Für die Gesellschafter einer GmbH und einer Personengesellschaft ist die Rechtslage umstritten.[64] Im Grundsatz muss richtigerweise gelten, dass jeweils die Gesamtheit der Gesellschafter die tatbestandlich nicht erfasste Unternehmensinhaberin ist und daher nur Zuwendungen an diese Gesamtheit stets straflos sind.[65]

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