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Loe raamatut: «Der Pastor von Ashbourn», lehekülg 11

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XVI.
Die Frau und die Tochter des Pastors Smith

Wie ich gesagt, war ich durch einen Theil des Dorfes gegangen, um nach der Kirche zu gelangen; ich bekümmerte mich daher anfangs nicht sehr um den Weg, den mich mein Führer einschlagen ließ. Als indessen die Häuser allmälig seltener wurden und am Ende nur noch eines davon übrig blieb, als das, welches übrig blieb, kein anderes als das grüne, rothe und weiße Haus, das heißt das Haus meiner Unbekannten war, so legte ich die Hand auf den Arm meines Führers und hielt ihn, zurück.

– Wohin führen Sie mich, mein Freund?

– Ei, wohin Sie gehen müssen, mein Herr, antwortete er mir, zu dem Pastor Smith.

– Wohnt der Pastor Smith in diesem Hause? fragte ich erbleichend.

– Ja, mein Herr, antwortete er, es gehört ihm von seiner Frau her, und er bewohnt es seit seiner Verheiratung.

– Und hat der Pastor Smith nicht eine Tochter? fuhr ich, aber zögernd, fort.

– Ja, mein Herr.

– Blond, achtzehn bis neunzehn Jahre alt?

– Ganz recht, ja . . . ein frommes junges Mädchen, mein Herr.

– O mein Gott! murmelte ich ganz wankend.

– Was haben Sie denn, Herr Pastor? Man möchte sagen, daß Sie sich unwohl befänden?

– Nichts! ein Schwindel, das ist Alles, erwiederte ich rasch. Gehen wir!

Und ich selbst schritt auf das Haus zu, die Hand nach dem Klopfer der Thür ausgestreckt.

Aber in diesem Augenblicke ging die Thür auf, und ich sah auf der Schwelle das lächelnde Gesicht des würdigen Herrn Smith. ^

– Gut! sagte er, da sind Sie! das ist schön, pünktlich zu sein . . . Aber was haben Sie denn? Sie scheinen mir bleich und zitternd.

Ich beruhigte ihn durch ein Lächeln und durch einen Händedruck. Ich fürchtete, daß, wenn ich zu sprechen wagte, man an der Veränderung meiner Stimme die Gemüthsbewegung bemerken möchte, die ich empfand.

Aber mein Führer antwortete für mich.

– Ah! sagte er, ich weiß in Wahrheit nicht, was den Herrn Pastor zwanzig Schritte weit von hier befallen hat, das heißt, daß er bleich geworden ist, um glauben zu lassen, daß er sich unwohl befinden würde.

– Wie! sich unwohl befinden? rief Madame Smith aus, welche hinter ihrem Gatten erschien. Smith, geh’ geschwind in die Apotheke, hole Melissenwasser, Orangeblüthwasser, Zucker, während ich Herrn Bemrode in den Salon führen werde. Aber so geh’ doch! aber so geh’ doch!

Ich wollte Madame Smith zurückhalten, aber es war keine Möglichkeit. Sie schob ihren Gatten nach der einen Seite und zog mich nach der anderen fort.

Sobald wir in dem Salon waren, zwang sie mich, in einen Sessel mich zu setzen, und machte das Gartenfenster auf, um mir Luft zu verschaffen.

Alles das geschah, indem sie sprach, mich befragte, selbst auf ihre Fragen antwortete und neue stellte, auf die sie wieder antwortete.

Der Pastor kehrte nach Verlauf von fünf Minuten zurück, indem er ein ganz zubereitetes Glas Wasser in der Hand hielt.

Diese fünf Minuten hatten für Madame Smith hingereicht, um mir mitzutheilen, daß, obgleich ihr Gatte zweiundfünfzig Jahre alt wäre, sie nur neununddreißig alt sei; daß sie eine Tochter hätte, die noch nicht neunzehn Jahre alt wäre; und daß diese Tochter hübsch sei, sänge, Klavier spielte, zeichnete, und mehr noch durch ihren glücklichen Charakter, als durch ihre Schönheit und ihre Talente, nicht ermangeln könnte, das Glück eines Gatten zu machen.

Bei diesen letzten Worten seiner Frau trat Herr Smith ein, und ich sah ihn die Achseln wie Jemand zucken, welcher einsieht, daß ein solches Lob in dem Munde einer Mutter immer verdächtig ist.

In der That, so voreingenommen ich zu Gunsten meiner unbekannten Schönen auch sein mochte, so hätte ich es doch lieber gesehen, wenn Madame Smith nichts gesagt und mich diese Vollkommenheit, die sie so laut proclamirte, selbst hätte schätzen lassen.

Vergebens erklärte ich Madame Smith, daß mein Schwindel, wenn ein solcher stattgefunden hätte, nun vorüber wäre, und daß ich mich jetzt vollkommen wohl befände; vergebens: sie ließ mich das von Herrn Smith zubereitete Glas Wasser trinken.

– So! sagte sie, jetzt ist unser lieber Herr Nachbar Bemrode gänzlich wieder hergestellt, – denn Sie fühlen Ihr Unwohlsein nicht mehr, nicht wahr, lieber Herr Bemrode? . . .

Ich machte ein Zeichen, daß ich mich vollkommen wohl befände.

– Nun denn! wir wollen ihm unsere liebe Jenny vorstellen, nicht wahr, mein Freund? fuhr Madame Smith fort.

– Aber, meine Gute, sagte Herr Smith, unsere liebe Jenny wird sich wohl ganz allein vorstellen; es scheint mir, daß Du diesem kleinen Mädchen weit mehr Wichtigkeit verleihst, als sie verdient.

– Wie, mehr Wichtigkeit als sie verdient! wie, kleines Mädchen! rief Madame Smith aus: aber Jenny ist eine große Person von neunzehn Jahren, mein lieber Herr Bemrode, und die schon sehr schöne Parthien ausgeschlagen hat, ich bitte Sie, es zu glauben.

– Ei! ich glaube Ihnen, meine liebe Mistreß Smith, antwortete ich lächelnd.

– Sie ist so gut erzogen, daß das bloße in ihrer Gegenwart ausgesprochene Wort Heirath sie bis über die Ohren erröthen lassen würde. – He! komm doch, mein Kind, komm doch!

Und bei diesen Worten zog sie Miß Jenny Smith weit eher in den Saal, als sie dieselbe einführte.

Ich erwartete meine Unbekannte des Fensters mit ihrem großen, mit Kornblumen bekränzten Strohhute, ihren blonden Haaren, ihren rosigen Wangen, ihrem weißen Kleide und ihrem blauen, um einen, wie ein Rohr schmiegsamen Leib geknüpften Gürtel zu sehen.

Keineswegs: die Person, welche eintrat, war steif frisirt, hatte weiße und rothe Schminke aufgelegt, war in ein Kleid von durchwirktem Pekin gekleidet und wie in einen Schraubstock eingeschnürt; der übrige Theil ihrer Person verlor sich in unermeßlichen Reifröcken.

Sie war immer noch ein sehr reizendes, nach der Mode des Tages gekleidetes Wesen, das war unbestreitbar; aber ach! es war nicht mehr meine Unbekannte des Fensters.

Von alle dem, was ich an ihr bewundert hatte, blieben ihre schönen blauen Augen allein unversehrt; ihre schönen Augen waren das Einzige, was zu verderben der Kunst nicht gelungen war.

– Ach! mein Gott, rief Herr Smith aus, indem er seine Tochter anblickte, wer hat Dich denn so zugerichtet, meine arme liebe Jenny?

– Wie! rief Mistreß Smith aus, wer sie so zugerichtet hat? ei ich!

– Jesus mein Gott! äußerte der Pastor, und wozu, liebe Frau?

– Ei, weil es die Mode ist.

– Und was hat denn die Mode mit armen Landleuten wie wir zu thun, meine gute Augusta, die Mode ist gut für die Stadtleute und für die großen Herrn der Schlösser.

– Mein lieber Herr Smith, bekümmern Sie sich um Ihre Predigten. Sie machen sie sehr schön, obgleich man behauptet, daß unser Herr Nachbar Bemrode sie noch schöner macht, als Sie, und lassen Sie um unsere Toilette uns allein bekümmern.

– Macht Eure Toiletten, es sei; aber um des Himmels Willen entstellt Euren Wuchs und Euer Gesicht nicht! – Ach! meine arme Jenny, fuhr der Pastor fort, wie unbehaglich Du Dich in einem solchen Mieder fühlen mußt, Du, die Du daran gewöhnt bist frei wie die Wespe und wie der Vogel zu sein! und wie häßlich Du Dich unter einer solchen Maske finden mußt, Du, die Du niemals eine andere Schminke, als den Thau des Frühlings gebraucht hast!

– Wissen Sie, mein lieber Herr Smith, rief die Frau des Pastors unwillig über alle diese spöttischen Bemerkungen Ihres Gatten aus, daß Jenny Dank der Reise, die wir nach Chesterfield gemacht haben, heute genau dasselbe Costüm trägt, welches Miß Elisabeth Rogers an dem Tage haben wird, wo sie die Frau des Herrn Stiff geworden, dem Herrn Grafen und der Frau Gräfin von Alton vorgestellt werden wird.

– Alles das sagt mir nicht, meine Liebe, fuhr der gute Pastor fort, der sichtlich unwillig zu werden anfing, warum Jenny, die nicht das Glück haben soll, die Frau des Herrn Verwalters Stiff zu werden, noch die Ehre, dem Herrn Grafen und der Frau Gräfin von Alton vorgestellt zu sein, heute dieses Kostüm trägt.

Während dieses ganzen Gespräches war Miß Jenny Smith sehr verlegen und unter ihrer Schminke enöthend stehen geblieben; als sie aber sah, daß eine Wolke den blauen Himmel der Ehe zu trüben drohte, sagte sie, indem sie die Hände faltete:

– Guter Vater, ich bitte, bestehen Sie nicht darauf; sehen Sie nicht, daß Sie der Mutter großen Kummer machen, welche seit zwei Stunden die Güte gehabt hat, sich mit mir zu beschäftigen?

– Ja, mein liebes Kind, ja, ich verstehe, sagte der Pastor Smith mit einer leichten Bewegung der Achseln; komm mich zu umarmen.

Indem er sich hierauf nach mir umwandte, sagte er:

– Mein lieber Nachbar, ich versichere Ihnen, daß es Tage gibt, an welchen das arme Kind wirklich hübsch ist.

– Mein Vater! flüsterte Jenny.

Gut! gut! sagte der Pastor, sprechen wir nicht mehr davon, und setze Dich, wenn Du kannst.

Jenny wandte sich um, um mit der Spitze des Fingers eine dicke Thräne abzutrocknen, die an dem Rande ihres Auges perlte, und nachdem sie den weitesten Sessel des Salons gewählt hatte, setzte sie sich mit Mühe darauf.

Was den Pastor anbelangt, der ohne Zweifel verstanden hatte, wie unbehaglich ich mich während dieses kleinen Familien-Auftrittes hatte befinden müssen, so gab er der Unterhaltung eine andere Wendung, und richtete einige theologische Fragen an mich.

Er traf es gut, mein lieber Petrus; Sie wissen, daß die Theologie meine starke Seite ist. Der Pastor Smith ist darin gleichfalls sehr bewandert, so daß es nach Verlauf eines Augenblickes unserer Unterhaltung nicht an einem gewissen Interesse fehlte.

Ich schenkte ihr indessen keine dermaßen unumschränkte Aufmerksamkeit, daß ich nicht, da ich mir Rechenschaft über die Absichten der Mistreß Smith in Bezug auf ihre Tochter ablegen wollte, ihr in allen ihren Bewegungen folgte.

Nun aber strebten alle ihre Bewegungen nach einem einzigen und alleinigen Ziele.

Nachdem,sie so viel als es in ihren Kräften stand, – sie glaubte es wenigstens, – die körperlichen Vorzüge der Mademoiselle Jenny geltend gemacht hatte, hielt sie darauf mir zu beweisen, daß diese körperlichen Vorzüge nicht auf sich allein beschränkt wären, und daß der Gatte, der diese liebe Tochter heirathen würde, außer einer Mitgift, über welche man sich nicht erklärt hatte, wahrscheinlich eine höchst vollständige Ausstattung finden würde.

Das ging aus der Sorge hervor, welche Mistreß Smith darauf verwandte, im Voraus einen Theetisch, von dem wir erst bei der Rückkehr Gebrauch machen sollten, mit ihren Tassen, ihrer Wäsche, ihrer Theekanne von chinesischem Porzellan, und mit zwölf silbernen Theelöffeln zu bedecken, obgleich wir nur zu vier waren.

Außerdem hatte sie zwei oder drei Male einen nach dem andern zwei große Schränke von Nußbaumholz aufgemacht, die von oben bis unten voller Wäsche waren, die trotz ihrem ein wenig bräunlichen Scheine von großer Feinheit schien.

Alle diese Bewegungen waren Herrn Smith eben so wenig als mir entgangen.

Er beschäftigte sich am Ende dermaßen damit, daß er, indem er sich plötzlich mitten in unserer Unterhaltung unterbrach, zu mir sagte:

– Wahrlich, mein lieber Nachbar, ich bin versucht zu glauben, daß Sie, statt ein einfacher Dorfpastor wie ich zu sein, ein Fürst der Kirche sind, der incognito reist. Meine Frau hat sie unter Ihrer Verkleidung erkannt. Deshalb hat sie ihre Tochter als Prinzessin kleiden lassen; deshalb holt sie aus ihrem Kästchen unsere zwölf silbernen Löffel hervor, die einzigen, die wir besitzen; deshalb zeigt sie Ihnen endlich alle diese schöne Wäsche, die sie selbst gesponnen hat, denn trotz ihren Dünsten des Ehrgeizes, die sich ihrer bei wichtigen Veranlassungen bemächtigen, wie die, in der wir uns befinden, ist Mistreß Smith eine vortreffliche Hausfrau.

– Ich zweifle durchaus nicht daran, mein Herr, antwortete ich; aber, sagen Sie mir, ist es nicht Zeit, daß wir uns nach dem kleinen Dorfe Wetton auf den Weg machen, wo ich predigen soll?

– O! sagte Mistreß Smith, Sie haben noch eine gute halbe Stunde Zeit. Aber gleichviel, Jenny, hole Dein Gesangbuch: ich hoffe wohl, daß Du diese Gelegenheit nicht verlieren wirst, die schöne Predigt zu hören, welche Herr Williams Bemrode halten wird, um ihm bei seiner Rückkehr ein Compliment darüber machen zu können.

Augenscheinlich erfreut, diese Gelegenheit zu finden, das Zimmer zu verlassen, gelang es Miß Jenny, sich nach einigen Bemühungen aus ihrem Sessel zu ziehen, und entfernte sich, um ihr Gebetbuch zu holen.

Nun ereignete sich das, was ich vorausgesehen hatte: kaum war die Thür hinter dem jungen Mädchen wieder verschlossen, als die Mutter, die nur diesen Augenblick erwartete, um ihr Lob wieder vorzunehmen, anfing ihre Tochter wegen ihrer Sparsamkeit, ihrer Talente in der Malerei, in der Musik, im Sticken, im Nähen und in der Küche zu rühmen.

Was mich anbetrifft, so fing ich an, Eines zu bemerken: nämlich, daß ohne Zweifel die gute Mistreß Smith, welche wußte, daß ich zu verheirathen wäre, das Einkommen der Pfarre von Ashbourn kannte und besonders wünschte, ihre Tochter in ihrer Nachbarschaft zu verheirathen, die Augen auf Ihren Diener geworfen hätte, mein lieber Petrus, um ihren Schwiegersohn aus ihm zu machen.

– So ist es, sagte ich mir im Stillen: daher die wunderliche Toilette, welche selbst den guten alten Smith verwundert hat, daher die Zurschaustellung der silbernen Löffel und der Wäsche, daher endlich das Hinausgehen der Mademoiselle Jenny, ein ohne Zweifel zwischen ihr und ihrer Mutter verabredetes Hinausgehen, damit die Mutter hinter dem Rücken der Tochter und von der Tochter alles das Gute sagen könnte, was sie nicht in ihrer Gegenwart zu sagen wagte. Nicht übel berechnet, Mistreß Smith, nicht übel!

Und Sie, der Sie mich kennen, mein lieber Petrus, Sie, der Sie wissen, mit welcher Widerspenstigkeit ich auferlegte Bedingungen annehme, Sie müssen begreifen, daß, je mehr Mistreß Smith Miß Jenny rühmte, desto mehr ich mit meinem unglückseligen Geiste des Widerspruches geneigt war, Fehler an ihr zu finden.

Ohne Zweifel sah der würdige Herr Smith mit seinem herrlichen Instinkte als rechtschaffener Mann, der mehr werth ist als alle Berechnungen des Verstandes, das ein, denn indem er lächelte, um seine Ungeduld zu verbergen, sagte er zu seiner Frau:

– Aber, meine liebe Augusta, wahrlich, ich erkenne Dich eben so wenig im Moralischen, als ich so eben Jenny im Physischen nicht erkannte. Auf welchen Balsam, auf welches Universalmittel, auf welches Kraut bist Du denn heute gestoßen, daß die arme Jenny, an der Du gewöhnlich so viel zu tadeln findest, heute Morgen vollkommen ist?

– Ich, an Jenny etwas zu tadeln! rief Mistreß Smith erröthend aus. Aber ich weiß nicht, wo Sie das hernehmen. Höchstens Kleinigkeiten, denn am Ende finde ich zuweilen in einem Monate, in sechs Monaten, sogar in einem Jahre keine Gelegenheit, sie ernstlich zu schelten.

– Aber bemerke wohl, liebe Frau, erwiederte Herr Smith mit einem freundlichen Lächeln, das trotz seiner Freundlichkeit nicht frei von Spott war, bemerke wohl, daß ich Dich durchaus nicht tadle, Jenny heute so vollkommen zu finden, – da ich Dir mehr als ein Mal, wenn das arme Kind fern und wir beide allein waren, im Gegentheile vorgeworfen habe, ein wenig zu streng gegen sie zu sein.

– Gut! sagte ich mir in meinem Innern, jetzt ist die Reihe an dem Vater! Die Komödie scheint mir gut gelernt und die Rollen vollkommen vertheilt.

Aber die gute Mistreß Smith war nicht die Frau, einen Vorwurf anzunehmen ohne darauf zu antworten; sie war sogar so empfindlich bei dem, der so eben aus dem Munde ihres Gatten hervorgegangen war, daß sie einen Augenblick lang ihre Rolle vergaß, um darauf zu antworten.

– Streng, rief sie aus, streng gegen unser Kind! und das, weil ich ihr immer Sparsamkeit, Mildthätigkeit, Frömmigkeit, Einfachheit anempfehle, und . . .

– Ich sage Dir streng, liebe Freundin, weil Du willst, daß Deine Tochter, die nur ein Kind ist, alle Vorzüge in demselben Grade als Du besitzt, die Du eine Frau und eine Mutter bist; gib unserer Jenny zwanzig Jahre der Ehe, einen Gatten, der sie liebt, und statt eines Kindes, das sie ist, wird Jenny wie Du das Muster der Gattinnen und der Mütter sein.

Indem er sich hierauf nochmals nach mir umwandte, sagte er:

– Und jetzt kommen Sie, mein lieber Amtsbruder, denn wir haben gerade die Zeit, die Viertelstunde Weges zurückzulegen, die wir zu machen haben.

– Aber! rief Madame Smith aus, erwarten wir die liebe Jenny nicht?

– Die liebe Jenny hat uns nicht nöthig, wenn sie ihre Mutter hat; – kommen Sie, mein lieber Bemrode, kommen Sie!

Und indem er vorausging, zeigte er mir den Weg. Ich verneigte mich vor Mißtreß Smith, und folgte dem vortrefflichen Manne.

In dem Augenblicke, wo ich das Haus aus dem Gesicht verlor, wandte ich mich um, und sah nun auch Mademoiselle Jenny, die uns, ihr Gesangbuch unter dem Arme, mit ihrer Mutter folgte.

Ich weiß nicht, warum ich den Schritt beschleunigte, damit die beiden Frauen uns nicht einholten.

XVII.
In welchem ich meine Unbekannte mit ihren blonden Haaren, ihrem Strohhute, ihren rosigen Wangen und ihrem weißen, mit einem blauen Bande geschürzten Meide wiederfinde

Doch, ich weiß, warum ich den Schritt beschleunigte, mein lieber Petrus, und ich will es Ihnen sagen.

Das kam daher, weil meine Träume in Bezug auf meine schöne Unbekannte verschwunden waren.

Weil ich eine mütterliche und sogar väterliche Berechnung da sah, wo ich anfangs Einfachheit des Herzens zu finden gehofft hatte.

Weil ich endlich meine Frau wählen wollte, und nicht, daß man mir sie aufdrängte.

Wir legten die Strecke, welche Wirksworth von Wetton trennte, zurück, ohne mehr als drei bis vier Worte zu wechseln. Herr Smith respectirte mein Schweigen, indem er ohne Zweifel glaubte, daß ich meine Predigt vorbereite.

Dem war nicht so. Ich dachte an meine Unbekannte.

O! meine Unbekannte, wenn ich sie so wiedergefunden hätte, wie ich sie in ihren Erscheinungen, mit ihren wallenden Haaren, ihren Blumen, ihrem Vogel, ihrem klaren Blicke, ihrer Natürlichkeit, kurz aller der Anmuth gesehen hatte, die ich ihr in der Gluth meines Herzens, in der Thorheit meiner Einbildungskraft zuschrieb! Wenn ihre Eltern, statt sie mir in gewisser Art an den Hals zu werfen, abgewartet hätten, daß ich sie verlangte, ihr die Zeit gelassen hätten, mich zu lieben, und mir mit jener patriarchalischen Einfachheit, die man immer sucht und die man niemals findet, gesagt hätten:

– Sie sind arm, lieber Herr Bemrode, und unsere Tochter ist arm wie Sie; aber Ihr seid jung, aber Ihr liebt Euch, – vereinigt Eure beiden Armuthen, und die Liebe wird daraus einen Reichthum machen!

O! wie ich die arme Jenny angenommen haben würde, wenn sie das gesagt hätten; wie ich ihren Arm in den meinigen gelegt, wie ich sie in mein kleines Haus von Ashbourn geführt hätte, ohne irgend Etwas von ihren Eltern zu verlangen, als diesen Strohhut, dieses weiße Kleid und diesen blauen Gürtel, mit denen sie mir erschienen war, und von denen ich sie, wenigstens in meiner Erinnerung, nicht zu trennen vermochte!

Aber nichts hatte sich so zugetragen, wie ich es hoffte; statt frei, vergnügt und leicht an meiner Seite zu gehen, folgte uns Jenny von Weitem, gehindert, traurig, und wegen ihrer Pantoffeln mit hohen Absätzen bei jedem Schritte strauchelnd.

Wir kamen beinahe zehn Minuten vor den Damen in der Kirche an.

Die Kirche war voll. Es war augenscheinlich, daß man mich mit Ungeduld erwartete; aber ich gestehe Ihnen, mein lieber Petrus, daß meine Predigt in meinem Geiste nur noch eine untergeordnete Sache war, auf welche ich, ganz beschäftigt mit der getäuschten Hoffnung, die ich erlitten hatte, einen geringen Werth legte. Glücklicher Weise erreiche ich besonders dann, wenn ich mir die wenigste Mühe gebe, zu einem Resultate zu gelangen, es weit sicherer.

Mein Text war schön: es ist die große Selbstsucht der Natur, welche, indem sie immer vor sich blickt und vor allen Dingen nöthig hat, daß die Generationen den Generationen folgen, durch die,Stimme des Herrn zu der jungen Gattin sagt: Du sollst Deinen Vater und Deine Mutter verlassen, um Deinem Gatten zu folgen.

Und das ist es, warum Gott, der im Voraus für Alles gesorgt hat, den Vätern und den Müttern eine unermeßliche Liebe für ihre Kinder verliehen hat, während die Kinder, ohne undankbar zu sein, da sie den Absichten des Herrn gehorchen, weit davon entfernt sind, dieselbe Liebe für ihre Eltern zu haben, als die Eltern für sie haben.

Man sage zu einer Mutter: »Du sollst Deine Tochter verlassen,« wäre es auch, um die heiligste Pflicht zu erfüllen, und die Mutter wird nicht gehorchen, so schmerzlich theuer ist ihr das Kind ihres Schooßes und ihrer Milch. Man sage zu der Tochter: »Du sollst Deine Mutter verlassen, um Deinem Gatten zu folgen,« und die Tochter wird lächelnd gehorchen, indem sie wie die Rose dem entgegen geht, der aus dem Wege vorüber kommt und der sie im Vorüberkommen pflückt, sie in sein Knopfloch oder an seinen Hut steckt, indem er den Rosenstrauch unfruchtbar läßt und die Blume und den Wohlgeruch mit sich fortnimmt.

Ich erntete großen Beifall; ich ließ alle Mütter weinen und alle Kinder lächeln.

Und dennoch hatte mich Zweierlei mit ernsten Gedanken erfüllt.

Ich hatte die Kanzel einige Augenblicke früher bestiegen, bevor ich meine Predigt anfing, so daß ich die Augen auf meine Zuhörer werfen konnte, welche den Augenblick, wo ich sprechen würde, mit mehr oder weniger Ungeduld, mit mehr oder weniger Neugierde erwarteten.

Unter der Zahl dieser Zuhörer befanden sich Jenny und ihre Mutter; ihre Mutter hatte sich gerade mir gegenüber gesetzt, und natürlicher Weise hatte sich ihre Tochter neben sie gesetzt.

Aber kaum war sie in die Kirche eingetreten, als alle Verlegenheit, alle Befangenheit, alles Erröthen das junge Mädchen verlassen hatte, um einer sanften, heiligen und wahrhaften Frömmigkeit Platz zu machen; kaum hatte sie sich um die Art von Aufruhr bekümmert, den um sie herum ihr für ihre Stellung viel zu eleganter Anzug erhoben hatte, und, als ob sie eingesehen hätte, daß Gott unter der vergoldeten Hülle das reine Herz sehen würde, hatte sie einen Augenblick lang ihre Augen gen Himmel erhoben. Hierauf hatte sie dieselben auf ihr Buch niedergeschlagen, das sie von diesem Augenblicke an nicht mehr verlassen hatten.

Der Gesang begann. Bei dem einfachen Gebete sitzend, stand sie für den Gesang auf. Nun schienen ihre Augen und ihr Mund sich mit einander zu öffnen – ihre Augen für die Frömmigkeit, ihr Mund für die Harmonie; nun schien sie Alles zu vergessen: die Erde für den Himmel, die Menschen für die Engel; nun sonderte sich in reiner, himmlischer Ton von den anderen Tönen ab. Ihre Worte schienen Flügel zu haben, um sich allein unter den anderen Worten in die Räume des Himmels zu erheben und sich in der Unendlichkeit zu verlieren. Ich erinnerte mich, daß ihre Mutter sie mir als sehr musikalisch gerühmt hatte. Aber was sie da trieb, war nicht Musik; es war etwas Einfaches und Erhabenes, wie der Gesang eines Vogels, wie das Rauschen eines Baumes, wie das Murmeln eines Baches, kurz wie eine Stimme der Natur, und nicht wie ein Gesang der Menschheit. Alle diese Harmonie strömte ohne Anstrengung und ohne Ermüdung über ihre Lippen. Nur verlieh ihr ein wenig auf ihre Schulter geneigter Kopf, als ob ihr Hals— ein reizender Fehler der Schwäne – zu lang und zu biegsam wäre, um ihn zu tragen, ihrer ganzen Haltung eine unbeschreibliche Anmuth und ihren Zügen einen hohen Reiz, und das dauerte so lange als der Gesang. Ihre Stimme, ein sanftes Ausströmen der Seele, das mit ihm angefangen ’hatte, hörte mit ihm auf, mit der Einfachheit des Gebetes entstehend und mit der Erhabenheit des Glaubens sterbend.

Hierauf setzte sie sich wieder, wie sie aufgestanden war, ohne etwas Auffallendes und ohne Geräusch, indem sie nicht ahnte, daß sie einen göttlichen Ton in ein menschliches Concert gemischt hatte.

Nun war an mir die Reihe zu sprechen.

Bei den ersten Worten, welche ich aussprach, erhoben sich ihre schönen blauen Augen auf mich und verließen mich nicht mehr; aber es war leicht zu sehen, daß es nicht der Mann war, den sie anblickte, sondern der Prediger, den sie mit dem Blicke anhörte, als ob ihre Ohren nicht ausgereicht hätten, als ob sie verstanden hätte, daß das, was man mit den Lippen sagt, allein aus dem Verstande kommen kann, während das, was man mit den Augen sagt, zuverlässig aus dem Herzen kommt.

Ich gestehe, daß alles das, was ich seit einigen Augenblicken sah und hörte, mich ein wenig mit Mademoiselle Jenny ausgesöhnt hatte; als meine Predigt beendigt – vielleicht war es, mein lieber Petrus, nur um ihre Meinung darüber zu erfahren, aber am Ende, ich wiederhole es, als meine Predigt beendigt, war ich daher auch entschlossen, ihr den Arm anzubieten, um nach Wirksworth zurückzukehren.

Aber während meines kurzen Aufenthaltes in der Sakristei war das junge Mädchen mit ihrer Mutter aufgebrochen.

In der Sakristei fand ich Herrn Smith wieder, der mich erwartete und mir mit einem so aufrichtigen Ausdrucke, daß man sich nicht über die Absicht täuschen konnte, sein Compliment machte. An der Thür der Sakristei und der Kirche fand ich fast mein ganzes Auditorium wieder, das mich gleichfalls erwartete, um mir Complimente zu machen.

Das war ein Triumph, Sie werden es zugeben, mein lieber Petrus; aber warum schien er mir unvollständig? Weil diesem Triumphe eine Stimme fehlte und es eine so reine Stimme war, daß alle anderen mir nur im Namen der Erde Glück zu wünschen schienen, während, wenn sie mir Glück gewünscht, es mir geschienen hatte, daß sie mir im Namen des Himmels spräche.

Ich kehrte also nach Wirksworth zurück, wie ich gekommen war, in der alleinigen Begleitung des Herrn Smith, und noch weit wortkarger bei der Rückkehr, als ich es bei dem Kommen gewesen war. Dieses Mal hatte ich nicht die Entschuldigung, in Gedanken versunken zu sein, und dennoch überließ mich der gute Pastor Smith gänzlich meiner Träumerei.

Ja, meiner Träumerei, mein lieber Petrus, denn ich träumte unwillkürlich von ihr. Unter der von ihrer Mutter umgestalteten Jenny fand ich allmälig meine Unbekannte des Fensters wieder. Und dennoch schüttelte ich den Kopf und sagte mir in meinem Innern: »Nein, nein, nein, niemals!«

Wir kehrten in das Haus zurück. Madame Smith und ihre Tochter erwarteten uns in dem Salon. Madame Smith ergoß sich in Lobeserhebungen über meine Predigt.

Jenny sagte nicht ein Wort.

Ich glaube, mein lieber Petrus, daß ich alle Lobeserhebungen der Mutter für ein einziges Wort des Tadels der Tochter hingegeben hätte; das hätte mir wenigstens eine Veranlassung geboten, sie anzureden, ihr zu antworten, mit ihr zu erwägen.

Ihr Schweigen erbitterte mich.

Man meldete, daß das Frühstück angerichtet wäre.

Ich setzte mich wüthend zu Tisch.

Wenn ich Jenny nicht aufmerksam und von dem einen Ende meiner Predigt bis zu dem andern die Augen auf mich geheftet gesehen hätte, wenn ich sie nicht in dem Augenblicke gesehen hätte, wo ich von jener Bereitwilligkeit der Kinder sprach, die zu verlassen, denen sie das Leben verdanken , wenn ich sie nicht mit einer Hand die Hände ihrer Mutter hätte suchen, und mit der andern eine Thräne in ihrem Auge hätte abtrocknen sehen, so würde ich mir gesagt haben, daß sie mich nicht gehört und demzufolge nicht verstanden hätte. Aber dem war nicht so. Sie hatte nicht eines meiner Worte verloren, ich war überzeugt davon; ihr Schweigen war daher Eigensinn, Unhöflichkeit, oder wenigstens linkisches Benehmen.

Eigensinn mit diesen wie eine Gazelle sanften Augen, Unhöflichkeit mit dieser wie ein Gesang rührenden Stimme, linkisches Benehmen mit dieser entzückenden Anmuth, das war schwer zu glauben, und dennoch mußte dem wohl so sein.

Ich beschloß daher auch, ihr Schweigen durch mein Schweigen zu vergelten. Ich wußte, daß das Frühstück von Miß Jenny zubereitet war, und, obgleich ich gestehen muß, mein lieber Petrus, daß es vortrefflich war, obgleich diese Vortrefflichkeit noch durch einen schrecklichen Hunger gewürzt war, den ich meinen beiden Morgengängen verdankte, obgleich ich für mich allein die Hälfte von diesem Frühstücke verschlang, so sprach ich doch kein einziges Wort aus, welches glauben lassen konnte, daß ich es gut fände.

Nur ist der Unterschied, der zwischen uns beiden stattfand, daß Jenny einfach und wie Jemand schwieg, der nichts zu sagen hat, während ich wie Jemand schwieg, der das Herz voll hat und der sich ärgert nicht zu sprechen.

Bei diesem gegenseitigen Schweigen wurde das Frühstück, – wie sie begreifen müssen, mein lieber Petrus, – sehr langweilig. Mademoiselle Jenny stand zuerst auf und beschäftigte sich mit dem Thee mit derselben Einfachheit, welche sie seit unserer Rückkehr aus der Kirche darauf verwandte, Alles zu thun. Sei es nun, daß sie sich allmählig an ihr Costüm gewöhnte, oder daß die Natur den Sieg über diese unglückselige Kunst davon getragen, in welche man alle ihre Bewegungen eingezwängt hatte, sie hatte allmählig ihre natürliche Anmuth und ihre gewöhnliche Einfachheit wieder angenommen.

Ich ärgerte mich daher nur noch mehr, daß sie, da sie so einfach und so natürlich war, mich nur anredete, um mir zu sagen, daß der Thee gemacht wäre, und um mich einzuladen, von der Tafel zu dem runden Tische überzugehen.

Was die Mutter anbetrifft, so war es leicht zu bemerken, daß alle diese Langsamkeiten des Mahles und des Thees ihr lästig waren; kaum hatte ich daher meine erste Taffe Thee getrunken, als sie, ohne mich zu fragen, ob ich eine zweite wollte, zu mir sagte:

– Herr Bemrode, Sie haben nur das Erdgeschoß unseres kleinen Hauses besucht. Folgen Sie mir, und ich will Ihnen den ersten Stock zeigen: Sie werden sehen, daß es zwischen seinen vier Mauern mehr Wohnungen enthält, als man auf den ersten Blick glauben würde, und daß im Nothfalle zwei Haushaltungen darin Raum fänden.

Ich war entzückt, das Zimmer zu verlassen, in welchem sich Mademoiselle Smith befand, wäre es auch nur um ihr zu beweisen, daß ich nicht im Geringsten von der Welt auf ihre Gegenwart hielte.

Ich folgte daher Mistreß Smith, indem ich ein Lächeln schnitt, von dem ein feinerer Beobachter, als der Greis, oder neugieriger, als das junge Mädchen leicht den Grund erforscht hätten, von dem aber die gute Madame Smith, der Pastor und Mademoiselle Jenny nur die Oberfläche sahen.

Ich dachte mir, daß diese Wanderung in die höheren Breiten des Hauses keinen andern Zweck hätte, als mir die Reichthümer zu zeigen, die mir unbekannt geblieben waren, da ich nur seine unteren Regionen besucht hatte.

Žanrid ja sildid
Vanusepiirang:
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Ilmumiskuupäev Litres'is:
10 detsember 2019
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