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Loe raamatut: «Der Pastor von Ashbourn», lehekülg 13

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II.
Wie wir ein Wenig von meiner Predigt, und viel von der Frau sprechen, die ich liebte

Es war unmöglich, dem Auge, dem Geruche, ich möchte fast sagen dem Gefühle, kurz allen Sinnen einen reizenderen Kontrast als den zu bieten, den die frische und dunkle Wiese, welche wir betraten, mit dem Garten voller Licht, Farben und Wohlgerüchen bot, den wir verließen.

Diese grüne, mit ungeheuren Erlen und riesenhaften Zitterpappeln bepflanzte Wiese war die Mitte zwischen dem Tage und der Finsternis zu unserer Linken erstreckte sich ein wahrer, aus diesen beiden Baumarten bestehender Wald, die auf feuchtem Boden so gut wachsen; zu unserer Rechten eine Weidenallee, die einen reizenden kleinen Bach einfaßte, der seinen ewigen Gesang murmelte, indem er dabei in seinem Lause und aus seiner Oberfläche die himmelblauen Sterne des Immergrüns und des Vergißmeinnicht mit goldenem Augapfel zittern ließ.

Auf der anderen Seite des Baches erhoben sich auf dem rauhen Teppich einer frisch gemähten Wiese gelb werdende Heuschober, welche in dem heißen Mittagswinde ihre aromatischen Gerüche verbreiteten.

Wir gingen so ungefähr fünf Minuten lang. Fidel, indem er lief und bellte, Jenny, indem sie den kleinen Fußpfad einschlug, auf welchem man nur einzeln gehen konnte, und ich, indem ich in die Fußtapfen Jenny’s trat. Endlich blieb das junge Mädchen unter einer weit buschigeren Weide, als die anderen stehen, an deren Fuße das niedergedrückte Gras einen gewöhnlichen Aufenthalt andeutete. Sie nahm ihren Hut ab, den sie an einen Zweig hing, setzte sich, und gab mir einen Wink, mich neben sie zu setzen.

Ich gehorchte. Fidel sprang über den Graben, beschrieb einen großen Kreis auf der Wiese, und kehrte zurück, um sich gravitätisch uns gegenüber zu setzen.

Nun, indem sie dabei einen Strauß von Blumen ihres Gartens und von Feldblumen zusammenband, wandte sich Jenny nach mir und sagte:

– Mein lieber Nachbar, als wir beide mit einander ausgegangen sind, habe ich Ihnen versprochen, daß ich Ihnen meine Hühner, meine Tauben und meine Blumen zeigen würde: Sie haben Alles das gesehen. Ich habe hinzugefügt, daß ich Ihnen meine Complimente über Ihre Predigt machen würde: Ihre Predigt war sehr schön, und Sie zweifeln nicht daran, denn Sie haben mich weinen sehen, und die Thränen sind mehr werth, als Lobeserhebungen. Endlich habe ich gesagt, daß Sie mir Ihrerseits von dem Mädchen sprechen würden, das Sie lieben; Sie haben Nichts geantwortet, aber Nichts antworten heißt, versprechen: wer Nichts sagt, willigt ein, oder das Sprichwort ist falsch. Es ist daher jetzt an Ihnen, zu sprechen, und an mir, zu schweigen, mein lieber Nachbar, . . . Sprechen Sie. ich schweige, ich bin ganz Ohr.

Ich saß neben ihr auf meinen Ellbogen gestützt, indem ich sie halb von der Seite betrachtete und Sie auf diese Weise reizend fand: der Augenblick war also gut gewählt von ihr, wie Sie sehen, mein lieber Petrus, um mich aufzufordern, ihr von der Frau zu erzählen, die ich liebte.

Ich hatte die Versuchung, sie entweder in meine Arme zu schließen, oder mich zu ihren Füßen zu werfen, indem ich ausrief:

– Jenny! Jenny! Das Mädchen das ich liebe, bist Du! Aber ich wagte es nicht, und dann, muß ich es Ihnen sagen, mein Freund, die Lage war so angenehm, ich fühlte mich so glücklich, neben ihr zu sitzen, ich fand ihren Anblick so schön, daß ich mit dem Glücke, welches ich empfand, noch nicht endigen wollte, wäre es auch für ein weit größeres Glück.

– Sie wünschen also, liebe Jenny, sagte ich zu ihr, die kennen zu lernen, welche ich liebe?

– Ja . . . mein Vater hat uns so viel Gutes über Sie gesagt. . . .

Sie sah, welchen Weg sie eingeschlagen hatte, und da sie nicht zurückweichen wollte, fuhr sie lächelnd und erröthend fort:

– Mein Vater hat uns so viel Gutes über Sie gesagt, daß Sie gesehen haben, zu welcher Thorheit er meine Mutter veranlaßt hatte!

– Eine Thorheit, welche Sie selbst keinen einzigen Augenblick lang getheilt haben, nicht wahr, Jenny?

– Oh! ich, ich verabscheute Sie! Waren Sie nicht die Ursache, daß man mir die Haare rupfte, um mich steif zu frisiren, daß man mir dm Leib in einen Eisenpanzer einschnürte, und daß man mich auf Absätzen gehen ließ, welche mich um zwei Zoll größer machten und die mir die Füße verdrehten? . . . Ich meine, daß dabei wohl Ursache vorhanden war, um Jemand zu verwünschen.

– Ja . . . aber jetzt?

– Oh! jetzt ist es ganz etwas Anderes. . . . Sobald meine Mutter auf ihre Pläne auf Sie verzichtet hat, sobald ich meine kleinen Schuhe habe wieder anziehen, meinen eisernen Panzer weit von mir habe wegwerfen und den Puder aus meinen Haaren bis aus das letzte Stäubchen habe abschütteln können, von diesem Augenblicke an verabscheute ich Sie allein nicht mehr, sondern . . .

Ich unterbrach sie.

– Wahrhaftig? . . . Und glauben Sie, daß ich mich damit begnüge, daß Sie mich nicht mehr verabscheuen?

– Sie haben mich nicht aussprechen lassen, sagte sie; ich stand im Begriffe, Ihnen zu gestehen, daß ich sie nicht allein nicht mehr verabscheute, sondern daß ich Sie auch wie einen Bruder liebte.

– Ich danke! äußerte ich, indem ich ihre Hand ergriff, ich danke, Jenny!

– Da ich Sie nun aber wie einen Bruder liebe, so will ich die Frau kennen lernen, mit der Sie verlobt sind, um sie wie eine Schwester zu lieben, fuhr das junge Mädchen fort.

– Ich habe Ihnen nicht gesagt, daß ich verlobt sei, Jenny.

– Oh! mein Gott! erwiederte sie, indem sie ihre Hand aus der meinigen zurückzuziehen suchte, verlobt oder nicht, da Sie sie lieben und da sie Sie liebt. . . .

Ich hielt ihre Hand zurück.

– Ich habe Ihnen gesagt, daß ich sie liebte. Jenny, aber ich habe Ihnen nicht gesagt, daß sie mich liebe . . .

– Wie! rief das junge Mädchen erstaunt aus, ohne sich mehr mit ihrer Hand zu beschäftigen, die sie mir überließ, Sie lieben eine Frau, die Sie nicht liebt?

– Hat man das niemals gesehen, Jenny, fragte ich sie. indem ich sie zärtlich anblickte, daß man Jemand liebt, der uns nicht liebt?

– Ich weiß nicht, sagte sie.

Indem sie mich hierauf mit mitleidiger Miene anblickte, sagte sie.

– Oh! mein Gott! sollten Sie das Unglück haben zu lieben, ohne geliebt zu seyn?

– Ich habe das Unglück. Jemand zu lieben, antwortete ich, die nicht weiß, daß ich sie liebe.

– Haben Sie niemals gewagt, ihr Ihre Liebe zu gestehen?

– Ich habe sie nur ein einziges Mal in meinem Leben gesprochen!

– Aber wie haben sie sich in eine Frau verlieben können, die Sie nur einmal gesehen haben?

– Ich sagte Ihnen nicht, daß ich sie nur einmal gesehen hätte, Jenny, ich habe Ihnen nur gesagt, daß ich sie nur einmal gesprochen hätte.

– Oh! aber dann ist das ein ganzer Roman, rief das junge Märchen lustig aus.

– Ein ganzer Roman, ja, liebe Jenny, ein Hirtengedicht von Longus. . . .

– Und Sie werden mir hoffentlich das erzählen.

– Wenn Sie es erlauben, Jenny. . . .

– Wenn ich es erlaube? Ich glaube wohl, daß ich es erlaube! ich thue mehr, ich bitte Sie darum!

Es wäre mir unmöglich, Ihnen zu sagen, mit welcher reizenden Koketterie, die zugleich voller Unschuld und Treuherzigkeit war, Jenny diese letzten Worte aussprach.

Wenn ich sie nicht geliebt hätte, so würde ich zuverlässig da, unter dieser Weide, – sie neben mir sitzend, mit diesem zu unseren Füßen murmelnden Bache, diesen über unsern Häuptern singenden Vögeln, diesem aus dem Schatten strömenden Geruche der Maiblumen, diesem von der sonnigen Wiese herüber gewehten Dufte des Heues – mit ihrer in meinen Händen ruhenden Hand, ihren auf meine Augen gefesselten Augen, ihrem freundlichen Lächeln, das meine Gedanken auf dem Grunde meines Herzens suchte, ihrer Neugierde, welche meine Worte auf den Rand meiner Lippen lockte, – — wenn ich sie nicht geliebt hätte, – so würde ich zuverlässig zu dieser Stunde, in diesem Augenblicke mich in sie verliebt haben! —

– Oh! ja, Jenny, rief ich aus, indem ich ihre Hand feurig an meine Lippen drückte, oh! ja, ich will Ihnen sagen, wen ich liebe, und nicht wahr, Sie werden mich nicht in Verzweiflung setzen, mir zu sagen, daß man mich nicht lieben könnte?

Das junge Mädchen blickte mich voller Erstaunen an.

– Hören Sie, sagte ich zu ihr, es ist das erste Mal, daß ich liebe; vor acht Tagen kannte ich die Liebe nur erst dem Namen nach, oder ich kannte sie vielmehr nicht einmal dem Namen nach.

– Vor acht Tagen?

– Ja.

– Und Sie haben plötzlich dieses Wunder der Schöpfung entdeckt, das Ihr Herz fangen sollte? sagte sie lachend. Und Sie haben auf diese Weise geliebt?

– Ganz recht, Jenny, es hat sich so zugetragen, wie Sie sagen. . . Hat man Ihnen nicht zuweilen erzählt, daß man an einem Winkel des Himmels, den man für unbewohnt hielt, plötzlich mit Hilfe eines Teleskops einen bis dahin unbekannten Stern, und dennoch den schönsten, den glänzendsten der Sterne entdeckt hätte?

– Und Sie haben dazu ein Fernrohr nöthig gehabt?

– Ja, Jenny, und das ist es, warum ich sie kenne, ohne daß sie mich kennt, warum ich sie sehe, ohne daß sie mich sieht. .. Zwei Tage ist der Himmel bedeckt gewesen, zwei Tage war sie verschwunden; während dieser beiden Tage habe ich nicht gelebt; die Erde schien mir entvölkert, der Himmel leer; die anderen Sterne bestanden nicht. . . Endlich habe ich sie wieder gesehen, aber neblig, aber gealtert . . . Nun habe ich geglaubt, mich geirrt zu haben; ich habe an meinem Teleskop gezweifelt, ich habe an mir selbst gezweifelt. . . Glücklicher Weise war es dieses Mal, wo ich mich wirklich irrte! Plötzlich hat sie sich der Wolken entledigt, die sie einhüllten, und ich habe sie rein, züchtig, glänzend wiedergefunden; so daß Sie mich nach allen meinen Zweifeln, nach allen meinen Befürchtungen, beruhigter und verliebter als jemals in sie sehen!

– Hören Sie, Herr Bemrode, sagte Jenny zu mir, die ernster geworden, ohne streng zu sein, ich verstehe die bildliche Sprache nicht recht, und besonders ist mein Verstand nicht scharf und geziert genug, um Ihnen in demselben Style zu antworten. Lassen Sie daher Ihren Stern aus dem siebenten Himmel herabkommen, in den Sie ihn gestellt haben, so daß man ihn nur mit diesem wundervollen Teleskop sehen kann, mit dessen Hilfe Sie ihn entdeckt haben; sondern sie ihn ein wenig mehr ab, stellen Sie ihn in meinen Gesichtskreis, und dann allein werde ich Ihnen zu sagen vermögen, was ich davon denke, und dem zufolge, was Sie von ihm denken müssen.

Als ich sie hörte, mein lieber Petrus, sah ich ein, daß jener entscheidende Moment des Lebens für mich gekommen war, wo es dem Menschen verliehen ist, zwischen der Freude und der Traurigkeit, zwischen dem Leben oder dem Nichts zu wählen; ich sah ein, daß Gott das Leben und die Freude in meinen Bereich stellte, und daß es sich nur noch darum Handelte die Hand auszustrecken und sie zu ergreifen. – Ich erzählte ihr Alles: meine Ankunft in Ashbourn; wie ich dort von der würdigen Wittwe des Pastors Snart empfangen worden wäre; wie ich geglaubt hätte in ihr eine zweite Mutter wiederzufinden; wie sie mich einen Augenblick lang ihren Sohn genannt hätte. Ich schilderte ihr meinen Schmerz. als ich sie bei meiner Rückkehr todt fand; mein Alleinsein, meine Armuth, dann, wie durch die Liebe meiner Gemeinde meine Armuth verschwunden wäre, indem sie mir nur noch das Alleinsein ließ; dann endlich, wie durch eine Gunst der Vorsehung, durch eine Mildthätigkeit des Herrn dieses Alleinsein gleichfalls verschwunden wäre. Ich machte ihr die Beschreibung dieses kleinen grünen, rothen und weißen Hauses, das halb aus einem Dickicht von Bäumen und Blumen hervortretend, mein einziger Horizont geworden war; ich schilderte ihr dieses Fenster, den reizenden Rahmen eines noch reizenderen Porträts. Sie wohnte allen meinen Hoffnungen bei, wenn meine Unbekannte erschien, allen meinen Bangigkeiten, wenn das Fenster leer oder geschlossen war. Ich verhehlte ihr meine beiden Abend-Ausgänge nicht, den einen, wo ich mich darauf beschränkt hatte, auf die Heerstraße zu kommen und das Lob des Herrn Smith und seiner Tochter zu hören; den andern, wo ich so weit gegangen war, die Runde um das Haus zu machen, das erloschen, fast todt war, mit Ausnahme jenes in dem unteren Saale gebliebenen Funkens von Leben und von Licht, das ich flüchtig durch das Gitterthor der Straße gesehen hätte, ein Gitterthor, von welchem mich die Stimme dreier Männer und das Rollen des Wagens verjagt hätten. Sie konnte mir nach meiner Wohnung folgen, mich in das Pfarrhaus zurückkehren sehen, das weit trauriger, weit einsamer, weit leerer als jemals war; mich in mein Zimmer, ohne Licht hinaufgehen, unwillkürlich mein Fenster aufmachen sehen, und plötzlich einen Schrei ausstoßen hören, als ich meinen verschwundenen Stern wiederfand. Dann kamen nach diesem Ganzen die ausführlicheren Umstände: der Käfig und der Distelfink, die weißen Vorhänge des Bettes, die Sessel von Zitz mit Rosen, der Topf von blauer Fayence, der Strohhut, der Kranz von Kornblumen, nichts war ausgelassen, nichts war vergessen, nicht einmal meine getäuschte Hoffnung am Morgen, als ich meine blonde Unbekannte mit dem weißen Kleide und dem blauen Gürtel, in eine Stadtdame verwandelt, steif frisirt, in einem Kleide von durchwirktem Pekin und auf ihren Pantoffeln mit hohen Absätzen wanken sah. So weit gekommen, mußte ich bis an das Ende gehen und Alles sagen, selbst meine Lüge.

Ich sagte es, – aber ich sagte auch meine Freude, mein Glück, als ich den reizenden Schmetterling, von dem ich geträumt hatte, in dem Augenblicke wiederfand, wo er aus seiner goldenen Hülle weit glänzender, weit frischer, weit luftiger als jemals hervorging. Ich nahm eine nach der andern alle die Umstände dieser letzten, wie eine Sekunde rasch verflossenen Stunde vor, die indessen mein ganzes zukünftiges Leben enthielt: Den Hühnerhof mit seinen Hühnern, seinen Enten, seinen Tauben, das heißt das materielle Leben; den Garten mit seinen Blumen, seinen Singvögeln, seiner Sonne, das heißt das poetische Leben; diese Wiese mit ihrem Schatten, ihrem murmelnden Bache, ihren fernen Wohlgerüchen, das heißt das sinnende und gesammelte Leben; ich unterbrach mich in meiner Erzählung erst bei dem Ende meines Romans selbst, das mich hierher, unter diese Weide führte, wo ich neben ihr lag und dazu gelangt, rief ich aus:

– Jenny! theure Jenny! Sie kennen die Geliebte meines Herzens jetzt; meine Wonne oder mein Schmerz hängen von ihr ab . . . Sagen Sie meine theure Jenny, darf ich hoffen oder muß ich verzweifeln? —

Jenny hatte den ganzen Anfang meiner Erzählung angehört, indem sie ihre schönen Augen lächelnd und forschend auf mich heftete, denn sie verstand noch nicht und glaubte, daß die Rede von einer Fremden wäre; dann hatte sie allmählig errathen, daß es sich um sie handelte, nun hatte sie langsam die Augen niedergeschlagen, aber ohne daß sie aufhörte, mich anzuhören; endlich hatte eine weit feurigere Röthe ihre Wangen bedeckt, eine weit raschere Bewegung ihren Busen gehoben; plötzlich war sie aufgestanden, aber sie war, immer mehr erröthend, regungslos und gleich der Statue der Bescheidenheit stehen geblieben . . . Und ich hatte mich bei den letzten Worten auf die Kniee geworfen, indem ich sie bei ihrer schönen Hand zurückhielt, denn sie hatte geschienen, sich entfernen zu wollen; aber auf meine Bitte, bei dem leisen Schmerzensschrei. der mir entschlüpfte, als ich diese Hand bereit fühlte, aus der meinigen zu gleiten, hatte sie Mitleid mit mir und blieb. Dieses Mitleid machte mich sehr glücklich, denn in diesem Falle, – Sie, der gelehrte Professor der Philosophie weiß es, – in diesem Falle ist das Mitleid nichts Anderes, als ein Anfang von Liebe!

Ich blieb also mit einem Knie auf dem Boden, athemlos, das Auge auf sie geheftet, indem ich ihre Hand in meine Hand drückte und nur die Kraft hatte, folgende Worte zu flüstern.,

– Jenny!. . . theure Jenny!. . .

Nun sagte sie mit ihrer sanften und zugleich bebenden Stimme zu mir:

– Herr Bemrode, es scheint mir, daß das nicht recht ist, was Sie in diesem Augenblicke thun, und daß der Umweg, den Sie genommen haben, sehr spitzfindig für Jemand ist, der liebt. . . Aber gleichviel, ich will Ihnen einfach antworten: Ja, als mich meine Mutter nach Chesterfield geführt hat, um mich wie die Braut des Verwalters des Grafen von Alton kleiden zu lassen, als man mir gesagt hat, daß ich um Ihnen zu gefallen, meine Haare pudern, dieses garstige durchwirkte Kleid und diese hohen Pantoffeln anziehen müßte, die mich nicht allein daran verhinderten zu laufen, sondern sogar zu gehen, hat es mir geschienen, daß ein Mann, der nur sie zu lieben, von einer Frau alle Opfer des Einfachen, des Natürlichen, des Wahren verlangte, falsch lieben müßte; daß dieser Mann meine Vögel, meine Blumen, meine Wiese verabscheuen würde; daß das Leben, in welches ich eintreten sollte, ein anderes als das meinige wäre, das so freundlich, so still, so ruhig war. . . Nun habe ich, eben so wie Sie ein Vorurtheil gegen mich gefaßt haben, ein Vorurtheil gegen Sie gefaßt; ich habe meine Mutter verspätet, die mich beeilte, um den Weg nicht mit Ihnen zurückzulegen; ich habe mich, oder vielmehr meine Mutter hat mich zu meinem großen Bedauern der Kanzel gegenübergesetzt; ich habe mich mit der Absicht gesetzt, Ihre Predigt schlecht zu finden. . . das wurde mir unmöglich. Ihre Predigt war sehr schön. . . . Nur hat mich der Text wohl noch als Ihre Worte weinen lassen, denn der Text sagte: »Du sollst Deinen Vater und Deine Mutter verlassen, um Deinem Gatten zu folgen,« und meinen Vater und meine Mutter zu verlassen, schien mir das größte Unglück von der Welt. . . Als Ihre Predigt beendigt, weinte ich zugleich über Ihre Worte und über den Text, denn, ich wiederhole es Ihnen. Sie sind sehr beredtsam gewesen; aber ich war bös auf Sie, einen solchen Gegenstand gewählt zu haben. Deshalb bin ich zuerst aufgebrochen, und habe Sie nicht erwarten wollen, wie sehr meine Mutter auch in mich drang. Daher mein Schweigen bei Ihrer Rückkehr; zehn Male habe ich das Verlangen gehabt, Ihnen Komplimente zu machen, ich habe nicht den Muth dazu gehabt. Als Sie mit meiner Mutter das Zimmer verlassen haben, – ich muß Ihnen Alles sagen, nicht wahr? – als Sie mit meiner Mutter das Zimmer verlassen haben, bin ich aufgestanden, bin zu meinem Vater gegangen, und habe ihn auf die Stirn geküßt; hierauf habe ich mich vor ihm auf die Kniee geworfen und mit gefalteten Händen zu ihm gesagt: »Nicht wahr, guter Vater, Du wirst nicht verlangen, daß Deine Tochter einen Mann heirathet, den sie nicht liebt und der sie unglücklich machen würde?«

– O! Jenny! Jenny! rief ich aus.

– Warten Sie doch! antwortete das junge Mädchen mit einem liebenswürdigen Lächeln; Sie haben mir Alles gesagt, lassen Sie mich Ihnen auch Alles sagen. – Mein Vater ist gut, mein Vater liebt mich; er hat mir geantwortet: »Mein Kind, Du wirst niemals einem Anderen angehören, als dem Manne, den Du wählen wirst.« Nun bin ich ihm um den Hals gefallen und habe ihn noch weit zärtlicher als das erste Mal geküßt. In diesem Augenblicke sind Sie mit meiner Mutter wieder eingetreten, und meine Mutter hat uns gemeldet, daß Sie eine andere Frau liebten und daß Sie sich verheirathen würden. Bei dieser angenehmen Nachricht habe ich mein Herz wieder lächeln fühlen; ich würde in die Hände geklatscht haben und vor Freude gesprungen sein, wenn ich es gewagt hätte. . . Aber wenigstens frei, wieder das zu scheinen, was ich war, bin ich aus dem Saale geeilt und rasch auf mein Zimmer hinauf gegangen, um mich dieser abscheulichen Toilette zu entledigen, und in dem Maße, als ich meine Haare von dem Puder befreite, als ich mein Kleid aufschnürte, als ich meine Pantoffeln mit hohen Absätzen an das andere Ende des Zimmers warf, schienen Sie mir bei weitem schöner, bei weitem liebenswürdiger, bei weitem beredtsamer als eine Stunde vorher. Ich erinnerte mich, den Text Ihrer Predigt in der Bibel gelesen zu haben, und da er in der Bibel stand, so verwunderte ich mich nicht mehr, daß Sie ihn genommen hatten. Endlich bin ich munter, vergnügt und mit leichtem Herzen hinuntergegangen; ich habe Sie in dem Salon wiedergefunden und mir gesagt, daß ich ungerecht gegen Sie gewesen sei; es hat mir geschienen, daß Sie meine Vögel, meine Blumen, den Schatten der Weiden, den Spaziergang an dem Ufer des Baches lieben müßten; ich habe Ihnen gesagt: »Kommen Sie!« Sie sind gekommen. Nun habe ich Ihnen, wie als ob ich Sie seit zehn Jahren kannte, meine Vergnügungen, meine Freuden, mein Leben erzählt; Sie haben meine Hühner gefüttert, Sie haben Fidel geschmeichelt, Sie haben mein Schwarzköpfchen geküßt, Sie haben sich neben mich gesetzt, indem Sie die Wohlgerüche der Wiese einathmeten. – und ich fürchtete Sie nicht allein nicht mehr, sondern ich liebte Sie auch noch wie meinen Bruder!. . . Jetzt fragten Sie mich, ob ich Sie auf eine andere Weise lieben könnte. . . Ich weiß es nicht, denn da ich niemals Jemand Anderes, als meinen Vater, als meine Mutter gekannt habe, da ich nur die Landleute dieses Dorfes gesehen, so kenne ich die Liebe durchaus nicht. Aber Sie, der Sie so gelehrt sind. Sie werden es wohl sehen, ob ich Sie liebe. . . Sie werden es mir sagen, und obgleich Sie einmal gelogen haben, so werde ich dennoch trachten Ihnen zu glauben. . .

– O! Jenny! Jenny! rief ich aus, Sie sind ein Engel der Aufrichtigkeit!. . . Ja, Sie werden mich lieben, wie ich Sie liebe!

Ich wünsche nichts mehr, antwortete das junge Mädchen, indem sie mir ihre Hand wiedergab, die sie mir entzogen hatte.

Und ich drückte von Neuem meine Lippen darauf, aber dieses Mal war es nicht aus Ueberraschung.

Ich fühlte daher auch diese das erste Mal gefühllose Hand unter meinem Kusse erbeben.

– Kehren wir in das Haus zurück, Herr Bemrode, sagte Jenny, es scheint mir. daß nach dem, was wir uns gesagt, ich das Bedürfniß habe, meine Mutter zu umarmen . . .

Und wir gingen neben einander, ohne uns ein einziges Wort zu sagen, so voll waren unsere Herzen.

Žanrid ja sildid
Vanusepiirang:
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Ilmumiskuupäev Litres'is:
10 detsember 2019
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780 lk 1 illustratsioon
Õiguste omanik:
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