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Loe raamatut: «Der Pastor von Ashbourn», lehekülg 24

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Ohne Zweifel haben Sie bereits vergessen, was dieser Brief enthielt, mein lieber Petrus, denn ich kenne Ihre gewöhnliche Zerstreutheit; alles was nicht zur Wissenschaft der Philosophie gehört, geht unbemerkt an Ihren Augen vorüber, oder wenn ein leichter Schimmer Sie einen Augenblick lang beschäftigt, so ist diese Beschäftigung nicht dauerhafter, als die Spur, welche auf dem See die Schwalbe zurückläßt, die im Vorüberfliegen mit der Spitze ihres Flügels die ruhige Oberfläche des Wassers streift.

Uebrigens will ich für den Fall, daß Sie die wenigen Worte vergessen haben sollten, welche dieser Brief enthielt sie hier anführen; es schadet nichts, daß Sie selbst Ihren eignen Stein zu dem großen Monumente mitbringen, das Sie der Menschheit errichten, und über das ich Sie auffordere, folgenden Vers des Terenz zu setzen, nach meiner Meinung einer der schönsten, die je gemacht worden sind!

Homo sum, et nihil humani a ime alienum puto!

XXI.
Die Pfarre von Waston

Dieser Brief, mein lieber Petrus, in welchem sich ein anderer von Ihrem Bruder befand, enthielt folgende einfache, von Ihrer Hand geschriebenen Worte:

»Mein lieber Bemrode, ich finde durch Zufall auf meinem Schreibtische einen Brief, der, wie ich glaube, von meinem Bruder ist, und der Ihre Adresse zu haben scheint. Ihnen zu sagen, seit wie lange er da ist, ist mir gänzlich unmöglich, aber ich denke, daß es wohl einen guten Monat her ist. denn ich habe ihn unter einer astronomischen Berechnung wiedergefunden, welche vom zwölften August datirt ist. Hatten Sie nicht in der That an Samuel geschrieben, oder hatten Sie nicht an mich selbst zwei oder drei Briefe über eine Angelegenheit von der höchsten Wichtigkeit geschrieben, deren Gegenstand ich vergessen habe? In jedem Falle, mein theurer Bemrode, glaube ich, daß ich Ihre Briefe seiner Zeit meinem Bruder mit derselben Pünktlichkeit habe zukommen lassen, als ich Ihnen den seinigen zukommen lasse,

– »Ich hofft, daß, wenn Sie irgend eine neue Angelegenheit von Wichtigkeit zu behandeln haben, Sie sich an niemand anders wenden werden, als an Ihren Freund.

Der Doctor Petrus Barlow
Vale et me ama..

Nachschrift. – »A propos, ich habe einen chronologischen Punkt von der höchsten Wichtigkeit entdeckt. In Stagira und nicht in Ithome, wie bis jetzt viele Geschichtsschreiber behauptet haben, ist Aristoteles geboren; außerdem ist er im Jahre 384. und nicht im Jahre 382 vor Jesus Christus geboren; ferner sind es immer 368 Jahre, und nicht 365 Jahre vor der neuen Zeitrechnung, daß er sich in Athen niedergelassen hat, wo er nicht in dem Monate Ελαϱηβολιώυ, sondern in dem Monate Εϰατομβαών in die Akatemie eintrat; endlich folgte er zwanzig Jahre, drei Monate und siebzehn Tage, und nicht neunzehn Jahre fünf Monate und acht Tage den Vorlesungen des großen Philosophen, der anfangs den Namen Aristokles hatte, und der, wie Sie wissen, der Breite seiner Schultern den Namen Plato verdankte.

»Wenn Sie erfahren werden, mein lieber Bemrode, daß mein mangelhaftes Interesse für Ihre Angelegenheiten eine Folge des angestrengten Studiums ist, welches ich der Lösung des großen Problemes widmete, so bin ich überzeugt, daß Sie mir verzeihen werden, Sie vernachlässigt zu haben, um meine ganze Aufmerksamkeit einer Frage von dieser Wichtigkeit zuzuwenden.«

Unter demselben Umschlage befand sich folgender Brief Ihres Bruders:

»Samuel Barlow und Comp., Handelsleute, zu Liverpool, Straße der Taverne-Bleue.

»An Herrn Williams Bemrode, gegenwärtig Pastor der Pfarre von Ashbourn.

»Mein Herr und lieber Freund,

»Ich habe Ihr Geehrtes vom zweiten August erhalten, in welchem Sie mir Ihre Besorgnisse in Bezug auf Ihre Pfarre von Ashbourn aussprechen, die Sie eingezogen zu sehen fürchten, und mich bitten, meinen Einfluß bei meinen Correspondenten geltend zu machen, um Ihnen eine andere Pfarre, sei es nun in England, oder in Schottland, oder in Irland, oder sogar in Amerika zu verschaffen.

»Da meine Correspondenten sich ganz ausschließlich mit dem Handel beschäftigen, die Einen im Großen, die Andern im Kleinen, und wahrscheinlich Keiner von ihnen jemals eine Bestellung gleich der erhalten hat. die Sie bei mir machen, so habe ich, um den Zweck Ihres Geehrten auszuführen, meine Zuflucht zu meinen Bekanntschaften nehmen müssen.

»Unter der Zahl dieser befindet sich gerade der Rector von Pembroke, der die Ernennung mehrerer Pfarrstellen hat, und den die Verheirathung eines seiner Verwandten binnen wenigen Tagen nach Liverpool führen sollte.

»Ich habe diesen Verwandten gebeten, mir auf der Stelle Nachricht zu geben, wenn der Rector angekommen wäre. Eine Stunde später wurde mir diese Ankunft gemeldet.

»Ich habe mich unmittelbar nach dem Orte begeben, wo er sich befand, und habe ihm Ihr Verlangen mit dem Wunsche vorgelegt, daß er dasselbe berücksichtige. »Meiner Treue! das trifft sich gut, mein lieber Samuel,« antwortete der Rector; »Sie haben, sagen Sie, unter Ihren Freunden einen Pastor, der eine Pfarrstelle sucht?«

»Ich zog Ihr Geehrtes vom zweiten August aus meiner Tasche und legte es ihm vor.

»Er las es. – Ja, so ist es, sagte er. Nun. ich habe gerade eine Pfarre, die einen Pastor erwartet. – Gut, sagte ich, das ist eine Antwort, die nicht auf sich wird haben warten lassen. – Aber, fügte der Rector hinzu, es bleibt zu wissen übrig, mein lieber Samuel, ob diese Pfarrstelle Ihrem Freunde anstehen wird. – Warum sollte sie ihm nicht anstehen, lieber Rector? Sie sehen wohl, daß das Verlangen ohne Bezeichnung des Ortes, ohne Angabe der Gelder gemacht ist. – Es ist nämlich, antwortete der Rector, eine große Unannehmlichkeit mit dieser Pfarre verbunden.– Ah, ich verstehe, antwortete ich, ihr Gehalt ist gering und gewährt kaum den Lebensunterhalt. – Ihr Gehalt ist im Gegentheile einer der ansehnlichsten von der ganzen Grafschaft Wallis und erhebt sich auf zweihundert Pfund Sterling.

– Dann macht ihre Lage in den Gebirgen sie unangenehm zu bewohnen? – Sie liegt fast Pembroke gegenüber, auf der andern Seite des Meerbusens, eine Meile weit von der Stadt Milford und in der freundlichsten Lage von der Welt.

– Aber dann, mein lieber Rector, begreife ich nicht recht, was mein Committent mehr wünschen könnte, als das, was Sie ihm anbieten. – Warten Sie. Mit dieser Pfarre sind nicht allein die in Rede stehenden zweihundert Pfund Sterling verbunden, sondern sie sind mit ihr sogar wegen einer Sage verbunden, welche die Ursache ist, daß kein Pastor sie annehmen will. Um nun aber einen Pastor zu finden, hat man den Gehalt verdoppeln müssen, und dabei ist seit dem letzten Unglücke, das sich vor fünf Jahren in dieser Pfarre zugetragen hat, dieselbe unbesetzt geblieben. – Aber welches ist am Ende diese Sage? fragte ich. – Man hat bemerkt, daß seit ungefähr dreihundert Jahren jedes Mal, wo zwei Zwillingsbrüder in dieser Pfarre geboren sind, der eine von ihnen, entweder aus Absicht oder durch Zufall, den andern getödtet hat. – Ist das eine Thatsache, mein lieber Rector, oder ist es ganz einfach eine Sage?«

»Der Rector zögerte einen Augenblick lang, dann antwortete er: »Die Ehre zwingt mich zugestehen, mein lieber Samuel, daß es eine Thatsache ist . . . Legen Sie jetzt den Fall Ihrem Freunde, Herrn Williams Bemrode, vor, und sagen Sie ihm, daß, wenn er durch diesen Umstand nicht zurückgehalten werde, die Pfarre sein wäre.«

»Ich Übermache Ihnen also, lieber und geehrter Herr Bemrode, das Anerbieten der Pfarre von Waston, so wie es mir von meinem Freunde, dem Rector von Pembroke, gemacht worden ist, indem ich Ihnen im Voraus Alles sage, was sich für und gegen die genannte Pfarre sagen läßt, und Sie auffordere, ihre Vortheile und Nachtheile gehörig zu erwägen, bevor Sie einen Entschluß fassen, und Ihnen erkläre, daß ich in jedem Falle die Ueberlieferung derselben nicht verbürge, die Ihnen aus einen einfachen Avisbrief, den Sie so gefällig sein wollen an mich zu richten, gemacht werden wird.

»In der Hoffnung, lieber Herr Bemrode, Ihre Wünsche so gut als möglich ausgeführt zu haben, habe ich die Ehre, mich Ihren ganz ergebenen und ganz gehorsamen Diener zu nennen.

Samuel Barlow und Comp
Liverpool, den 12. August 1754.«

Als ich dies Datum las, konnte ich die Betrachtung nicht zurückhalten, mein lieber Petrus, daß der Brief vor sechs Wochen geschrieben war, und daß er, angenommen, daß er achtundvierzig Stunden darauf verwandt hätte, um von Liverpool nach Cambridge zu gelangen, er etwa vierzig bis zweiundvierzig Tage aus Ihrem Schreibtische geblieben war.

Freilich entdeckten Sie während dieser Zeit über Aristoteles dermaßen wichtige Irrthümer, daß, wären aus dieser Verspätung auch noch weit schlimmere Ereignisse, als die, welche mich betroffen, hervorgegangen, ich sie Ihnen von ganzem Herzen zu Gunsten der großen Klarheit verzeihen würde, die Sie über den Geburtsort des berühmten Erziehers Alexanders, – über das Jahr, in welchem er das Licht der Welt erblickte, und über die Zeit verbreitet haben, die er unter Plato studirte.

Aber geben sie zu, mein lieber Petrus, daß es ein großes Glück für mich ist, daß mein Wirth, der Kupferschmied, ein einfacher, das Kupfer hämmernder und verzinnender Handwerker ist, statt ein Gelehrter wie Sie zu sein; denn wenn er statt sein Kupfer zu verzinnen oder zu hämmern, zum Beispiel das einfache Problem zu lösen gehabt hätte, in welcher der Städte, in Smyrna, in Chios, in Kolophon, in Salamis, in Rhodus, in Argos oder in Athen »Homer geboren worden ist, so würde ich, obgleich er sich nur eine einzige Frage an der Stelle der drei gestellt hätte, die Sie so glücklich gelöst haben, große Gefahr gelaufen sein, die schönsten Jahre meines Lebens im Gefängnisse zuzubringen!

– Und wäre es jetzt für die Fortschritte des menschlichen Geistes nicht erspießlicher, daß diese wichtige Frage, welche seit drei tausend Jahren die angesehensten Städte Griechenlands und die angesehensten Gelehrten Europas veruneinigt, gelöst würde, und daß ein armseliger Mensch wie ich, statt einen Brief, den er Ihnen schreibt, aus der Pfarre von Wirksworth zu datiren, ihn künftig aus dem Schuldgefängnisse von Nottingham datirte?

Aber, gleichviel, mein lieber Petrus, ich halte mich nichts desto weniger für Ihren Schuldner, denn Sie konnten mir diesen Brief nicht allein ein wenig spät übersenden, wie Sie es gethan haben, sondern Sie konnten ihn mir auch gar nicht übersenden. —

Als ich den Brief gelesen, näherte ich mich Herrn und Madame Smith wieder, und antwortete Jenny, die mich mit dem Auge befragte:

– Es ist ein Brief des Herrn Samuel Barlow, in Betreff einer Angelegenheit, für was ich Deine Meinung nöthig habe.

Hierauf, indem ich es für unnöthig hielt, länger auf der Heerstraße zu bleiben und zwei Wagen zu behalten, bezahlte ich den Kutscher des meinigen; ich nahm mein Bündel und mein Fernrohr aus seiner Carriole, trug sie in die Carriole des Herrn Smith, und schickte ihn nach Nottingham zurück.

Drei viertel Stunden nachher fuhren wir durch Ashbourn. Vielleicht wäre es christlicher von mir gewesen, bescheidener Weise und in dem Hintergründe der Carriole meines Schwiegervaters verborgen, durchzufahren, ohne mich diesen guten Landleuten zu zeigen; aber, wie Sie wissen, mein lieber Petrus, bin ich von dem Dämon des Stolzes besessen! Der Zufall wollte, daß das erste meiner Pfarrkinder, dem ich begegnete, gerade der Fuhrmann war. der mich am Tage vorher nach dem Schuldgefängnisse gefahren hatte; der wackere Mann hatte nach der Aussage des Herrn Smith bei seiner Rückkehr nach Ashbourn eine solche Teilnahme für mein Unglück gezeigt, daß ich dem Verlangen nicht zu widerstehen vermochte, ihn meine Befreiung wissen zu lassen; ich rief ihn, um ihm die Hand zu drücken; aber als er mich erkannte, faltete er. statt zu mir zu kommen, die Hände, indem er sie gen Himmel erhob, und rief:

– Jesus mein Gott! Kinder, es ist unser guter Pastor, Herr Williams Bemrode, den der Herr uns zurücksendet.

Bei diesem Rufe öffnete sich eine Thür, dann zwei Thüren, dann alle Thüren. Alle Welt eilte herbei. Männer. Frauen und Kinder, und der Wagen war augenblicklich umringt, angehalten, überfallen, wie es ein Schiff auf dem Meere von den sich drängenden Wellen ist.

Es war keine Möglichkeit, weiter zu fahren, mein lieber Petrus; ich mußte halten und aussteigen.

Nun streckten sich alle Arme nach mir aus, und Jedermann rief:

– Ah! lieber Herr Bemrode! Ah! würdiger Herr Bemrode! Sie sind es also! Sie sind also hier! es ist also nicht wahr, daß Sie im Gefängnisse waren?

Und noch tausend andere Dinge, und das in so verschiedenen Tonarten,, daß die arme Jenny, welche, wie Sie wissen, außerordentlich musikalisch ist, aus Freude zu weinen begann, wie sie sagte; aber, wie ich vermuthe, auch ein wenig über den Mangel an Harmonie dieses allgemeinen Concertes.

Nach Verlauf von zehn Minuten hatte sich das Gerücht von meiner Rückkehr in dem ganzen Dorfe verbreitet, und nur die Gebrechlichen und die Gelähmten blieben noch in den Häusern.

Ich schritten Mitte dieses Gefolges wackerer Herzen weiter, indem auch ich ein wenig weinte, welche Mühe ich mir auch geben mochte, meine Thränen zurückzuhalten, als ich in die Nähe der Kirche gelangt, meinen Nachfolger und seine Frau erblickte, die unter der Thür des Pfarrhauses standen. Ohne Zweifel kannten sie die. Ursache von alle diesem Lärm nicht, und kamen auf die Straße, um sich darnach zu erkundigen; als sie mich aber erkannten, kehrten sie eilig zurück, und einer von ihnen verschloß sogar geräuschvoll die Thür. Gott gebe, daß es nicht aus einer Regung des Neides und des Zornes geschah! Wer weiß, ob nicht, Dank der Fürsorge des guten Herrn Samuel Barlow, das nicht ein Glück war, was ich anfangs für ein Unglück gehalten hatte, und ob die Pfarre von Waston uns nicht ebenso schöne und ebenso ruhige Tage als die verhieß, welche wir in Ashbourn zugebracht hatten? . . .

Als ich auf dem Marktplatze angekommen war, bot uns Jedermann, da man sah, daß wir nach Wirksworth zurückkehren wollten, wo wir augenscheinlich nicht erwartet wurden , da Herr Smith und seine Frau abgereist waren, um zu uns nach Nottingham zu gehen, – bot uns, sage ich, Jedermann sein bescheidenes Mahl zu theilen. Wir zögerten, es anzunehmen, weil, wenn wir das Mahl des Einen annahmen, wir fünfzig Eifersüchtige machten; aber plötzlich rief eine Stimme aus:

– Es ist die Stunde des Abendessens; es ist ein herrliches Wetter; vereinigen wir alle Mahlzeiten in eine einzige, und essen wir alle mit einander auf dem Marktplatze; Jeder bringt das, was er für sich zubereitet hat, und auf diese Weise wird man aus wenig viel machen.

Der Vorschlag wurde mit allgemeinem Jubel angenommen.

In einem Augenblicke wurden ein Dutzend Tische aus der Schenke des Bierbrauers gebracht und auf dem Marktplatze aufgestellt; einige zwanzig andere vereinigten sich mit diesen ersten. Jeder brachte sein Brod, seine Schüssel, sein Bier, seinen Stuhl, seine Lampe oder sein Talglicht, und nach Verlauf von zehn Minuten saßen dreihundert Personen an diesem improvisirten großen Gastmahle, das bei dem Vortheile der Mannigfaltigkeit der Gerichte an jene denkwürdigen, wie ich glaube, von Lykurg gestifteten Gastmahle mit Schwarzbrodsuppe erinnerte. Ich sage: Ich glaube, denn seit den wichtigen Irrthümern, die Sie, mein lieber Petrus, mit so viel Gelehrsamkeit und Geduld in Aristoteles Leben entdeckt haben, und in welche die gelehrtesten Männer des Alterthums und der modernen Zeiten verfallen waren, wage ich nichts mehr zu behaupten.

Obgleich sehr einfach, verlängerte sich das Mahl bei dem schönen Himmel, der über unseren Häuptern funkelte, und der ungezwungenen Heiterkeit, die unter uns herrschte, bis ziemlich spät in die Nacht.

Endlich stand man um elf Uhr vom Tische auf. Wir glaubten, daß wir zwei Meilen zu Fuß zurückzulegen hätten, und ich gestehe, daß diese neue Ermüdung nach den von meiner armen Jenny erlittenen Gemüthsbewegungen und Beschwerden mir keine geringe Besorgnis; erregte; aber unser Kutscher erwartete uns mit seinem Wagen, und sein Pferd, das gefressen und sich ausgeruht hatte, während wir aßen und uns ausruhten, war bereit, uns nach Wirksworth zu führen, und meldete uns durch sein feuriges Wiehern, daß es uns diesen Dienst keineswegs mit Widerwillen erwiese.

Bis an das Ende des Dorfes waren wir gezwungen, im Schritt zu fahren, da alle unsere Tischgenossen uns begleiteten; aber hundert Schritte weit jenseits des letzten Hauses entschlossen sie sich endlich, Abschied zu nehmen, und wir hörten trotz dem Rollen des Wagens noch lange die Abschieds- und Glückwünsche, mit denen sie uns bei unserer Abreise grüßten.

Ich gestehe, daß ich nach den Ereignissen, die sich zugetragen hatten, mich mit großer Freude wieder in dem kleinen Hause der guten Madame Smith sah; dann drängte es mich, mit Jenny allein zu sein, um ihr den Brief Ihres lieben Bruders, meines so würdigen und freundlichen Beschützers, mitzutheilen.

Kaum befanden wir uns daher auch in diesem kleinen weißen Zimmer, das trotz der in dem Leben seiner ehemaligen anmuthigen Bewohnerin entstandenen Veränderungen seinen jungfräulichen Charakter beibehalten hatte, als ich, ohne Jenny etwas zu sagen, das ihren Entschluß bestimmen könnte, ihr den Brief des Herrn Samuel Barlow mit der einfachen Aufforderung übergab, ihn zu lesen.

Jenny las ihn, und las ihn nochmals.

– Nun? fragte ich sie.

– Ich glaube nicht, sagte sie, daß man zwischen der Gewißheit eines wirklichen Elendes und der Furcht vor einer eingebildeten Gefahr zu schwanken hat.

Aber obgleich Jenny durch diese Einwilligung meinem geheimen Wunsche entsprach, sagte ich doch:

– Meine innig Geliebte, hast Du gehörig überlegt, und willst Du nicht bis morgen warten, um einen entscheidenden Entschluß zu fassen?

– Wozu? Antwortete Jenny; die Nacht wird keine Aenderung in den Ausdrücken des Briefes hervorbringen, den der gute Herr Samuel Barlow Dir schreibt; außerdem fügte sie lächelnd hinzu, ist die Sage für uns weniger gefährlich, als für jeden anderen.

Ich verstand, was Jenny sagen wollte; sie meinte, daß, da wir sechs Monate verheirathet gewesen wären, ohne Kinder zu haben, es sehr unglücklich sein würde, plötzlich Zwillinge gerade dort zu haben, wo Zwillinge die brudermörderische Geschichte des Eteokles und Polynices erneuern sollten.

Freilich war das nicht im Mindesten von der Welt ein Grund für mich; es war gerade eben so viel, als ob man behaupten wollte, daß ich mein großes Werk niemals aus führen würde, weil ich es noch nicht begonnen hatte.

Zur Beruhigung meines Gewissens machte ich daher Jenny zwei bis drei Bemerkungen, aber sie widerlegte die selben mit so festem Muthe und einem so gesunden Verstande, daß ich mich nicht enthalten konnte, gänzlich ihrer Meinung zu sein.

Uebrigens wiederhole ich, daß es nicht sehr schwer war, mich dazu zu bringen.

Das war nicht Alles. Jenny verlangte, daß ich, bevor ich mich zu Bett legte, Ihrem vortrefflichen Bruder schriebe, um ihm für feine Gefälligkeit zu danken und ihn zu bitten, den Herrn Rector von Pembroke zu benachrichtigen, daß wir die Pfarre von Waston annähmen, wie schrecklich die Sage auch sein möge, die auf ihr ruhe.

Wir erwarten dem zu Folge nur die Antwort Ihres Bruders, mein lieber Petrus, um uns auf die Reise zu begeben, und es ist wahrscheinlich, daß der nächste Brief, den Sie von mir erhalten, aus der Provinz Wallis datiert sein wird.

Als wir am folgenden Morgen Herrn und Madame Smith das Glück mittheilten, welches uns zufiel, versteht es sich von selbst, daß wir ihnen die verhängnißvolle Sage der brudermörderischen Zwillinge verschwiegen.

In jedem Falle, mein lieber Petrus, wird es damit geschehen, wie es dem Herrn gefällt; er ist zu gütig und zu barmherzig in der Vergangenheit gegen mich gewesen, als daß ich meine Zukunft nicht mit Vertrauen und Glauben seinen Händen übergäbe.

Gott, der in dem Pfarrhause von Ashbourn mit mir gewesen ist, Gott, der in dem Gefängnisse von Nottingham mit mir gewesen ist, Gott wird auch wohl in der Pfarre von Waston mit mir sein.

XXII.
Die Abreise

Heute Abend, Donnerstag den zwölften Oktober, erhalten wir, mein lieber Petrus, den Brief Ihres Bruders, der uns sagt, daß die Pfarre immer noch frei ist und uns erwartet. Morgen, den dreizehnten, reifen wir ab.

Das Einzige, was mich bei der Abreise beunruhigt, ist nicht diese thörichte Sage, die ich bestimmt für eine Fabel halte, sondern zu wissen, ob ich dort, an dem äußersten Ende von England, in diesem unglücklichen Winkel der Grafschaft Wallis, die Bücher finden werde, die ich für die Ausführung meines großen Werkes nöthig habe.

Leben Sie wohl, mein lieber Petrus; ich gehe so weit, und wende Cambridge dermaßen den Rücken, daß ich es nicht wage, Ihnen zu sagen: auf Wiedersehen!

Ihr sehr freundschaftlicher und sehr ergebener
Williams Bemrode,
Pastor der Pfarre von Waston
Žanrid ja sildid
Vanusepiirang:
0+
Ilmumiskuupäev Litres'is:
10 detsember 2019
Objętość:
780 lk 1 illustratsioon
Õiguste omanik:
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