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Loe raamatut: «Der Pastor von Ashbourn», lehekülg 28

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V.
Während der Nacht

Der Name der grauen Dame, dm ich jeden Augenblick um mich herum aussprechen hörte, hätte meine Gedanken wieder auf diese seltsame Sage zurückgeführt, selbst wenn sie sich von ihr entfernt hätten.

Aber ich gestehe, sie beschäftigte mich in dem Grade, daß ich nicht nöthig hatte, daran erinnert zu werden.

Ich beschloß. Alles zu thun, um den Grund dieser geheimnißvollen Geschichte kennen zu lernen.

Ich fing damit an, die Archive der Pfarre zu durchsuchen.

Jeden Abend, während Jenny an dem durch die Trümmer der alten Möbel unserer Vorgänger unterhaltenen Feuer stickte oder zeichnete, brachte ich einen Stoß Geburts- und Sterbeacten auf den Tisch, und las mit einem Eifer ohne Gleichen alle diese einschläfernden Handschriften, ohne ein einziges Blatt zu übergehen.

Jenny sah meinem Thun zu; mehr als ein Mal öffnete sie den Mund, augenscheinlich, um mich zu befragen.

Aber, als ob sie errathen hätte, welcher seltsame Gedanke mich beschäftigte, schloß sie ihn wieder, ohne ein einziges Wort auszusprechen.

Ich meinerseits hatte ihre Bewegung gesehen, aber als ob ich gefürchtet hätte, sie möchte mir gestehen, daß ihre Sorgen den meinigen gleich seien, wagte ich nicht, sie zu fragen: Was willst Du mir sagen?

Unglücklicher Weise waren die alten Bücher mit großer Nachlässigkeit geführt, ganze Jahre fehlten, unter andern das Jahr 1643, in welchem Cromwell die Citadelle von Pembroke nahm und alle Dörfer der Grafschaft zerstörte.

Nach drei Monaten genauer Nachforschungen hatte ich noch nichts gefunden. Ich verzweifelte indessen nicht und entdeckte endlich auf einem gelbgewordenen Papiere folgende kleine, mit fast unleserlichen Buchstaben geschriebene Note, welche, ohne mir irgend eine Gewißheit zu geben, sich nichts destoweniger an den Gegenstand meiner Nachforschungen zu knüpfen schien.

Diese Note betraf das kleine steinerne Kreuz in der Ecke des Friedhofes, von dem die Sage behauptete, daß es das Grab der Selbstmörderin bezeichne.

Diese Note, mein lieber Petrus, welche meine Neugierde nur verdoppelte, lautet wörtlich folgendermaßen:

«Im Jahr der Menschwerdung 1650 habe ich, Albert Martronius, Magister der Theologie und Pastor dieses Dorfes, das kleine steinerne Kreuz in der Ecke des Friedhofes wieder ausbessern und aufrichten lassen.

»Möge der Herr den sterblichen Ueberresten der Unglücklichen, welche darunter liegt, Ruhe bewilligen!«

Das Wort Ruhe war doppelt unterstrichen.

Worauf konnte sich dieses Wort Ruhe beziehen, als darauf, daß der würdige Doctor Albert Martronius der Seele der unter diesem Steine begrabenen Person die Ruhe wünschte, die ihr fehlte; so daß sie sich ruhig in ihrem Grabe hielte, wie es eine Seele thut, die nichts quält?

Es war augenscheinlich, daß ich, wie ein Jäger, der ein Gehege durchsucht, eine Spur entdeckt hatte.

Jedoch verlor ich diese Spur wieder, gleich nachdem ich sie gefunden hatte.

In der That, welchen Schluß konnte ich aus dieser Note ziehen, angenommen auch, daß sie sich auf die graue Dame beziehe?

Sie sagte mir wohl, daß die unter dem steinernen Kreuze begrabene Frau nicht die Ruhe einer christlichen Seele genieße; aber sie sagte mir nicht, welches Ereigniß, welche Begebenheit, welche Katastrophe der Seele der Gestorbenen den Verlust dieser Ruhe zugezogen hatte.

Freilich antwortete die Sage in dieser Beziehung: »Ein Selbstmord!«

Aber wer hatte diesen Selbstmord veranlaßt und wie konnte der Selbstmord der in der Ecke des Friedhofes begrabenen Frau sich wie ein Fluch über die unschuldigen Pastoren erstrecken, welche das Pfarrhaus von Waston bewohnten, und die keine Berührung mit dieser Frau hatten, die lange, bevor sie geboren worden, gestorben war?

Warum hatte dieser Fluch keine Gewalt über sie, so lange sie keine, oder nur in den gewöhnlichen Verhältnissen Kinder hatten?

Warum lastete dieser über dem Haupte der andern Kinder aufgehobene Fluch nur auf dem der Zwillingsbrüder?

Das waren die bestimmten und gewiß interessanten Fragen, auf welche die von mir gefundene Note keineswegs antwortete.

Ich fuhr fort, die Archive bis zu dem Jahre 1382 zu durchsuchen, der Zeit, zu welcher die zehn Sätze Wicleffs verdammt und der Uebersetzer der Bibel, der Vorgänger von Johann Huß und von Luther, der Morgenstern der Reformation, in Oxford verbannt wurde.

Ich fand durchaus nichts.

Jenny, welche mich ewig mit Nachforschungen beschäftigt sah, schien zu glauben, daß ich dieselben für die Vorbereitung des großen historischen Werkes, von dem ich Ihnen gesagt habe, über den Ursprung, das Bestehen und den Verfall der Gallo-Kymris anstellte. Sie mußte es um so mehr glauben, als das erste, was ich gethan hatte, sobald sich mein Arbeitszimmer gehörig eingerichtet befand, gewesen war, den Titel dieses Werkes auf die erste Seite eines prachtvollen Heftes Papier zu schreiben.

Aber ich dachte an etwas ganz Anderes als an die Gallo-Kymris: ich dachte an die graue Dame.

Inzwischen verfloß die Zeit; seit drei Monaten war ich Pastor der Pfarre von Waston, und da man mir aus Begünstigung bei meinem Einzuge in das Pfarrhaus den Gehalt eines Vierteljahrs vorausbezahlt hatte, so hatte ich in den ersten Tagen des Monats Januar in Wirklichkeit die Hälfte meines jährlichen Gehaltes bezogen . . .

Von diesen hundert Pfund Sterling blieben uns durch die von uns gemachten Ersparnisse sechs und siebenzig übrig.

Wir legten davon fünf und zwanzig für unsern Wirth, den Kupferschmied, bei Seite; das war eine Abschlagszahlung auf die fünfzig, die er uns geliehen hatte; dann fünfzehn, die wir dem guten Herrn Smith schuldig waren, der sie selbst entliehen hatte. So blieben uns sechs und dreißig Pfund Sterling für das nächste Vierteljahr übrig, das heißt das Doppelte von dem, was sparsame und von Wenigem zu leben gewohnte Leute, wie wir es waren, nöthig hatten.

Seit einigen Tagen bemerkte ich eine leichte Störung in der Gesundheit Jenny’s; eine unbestimmte Besorgniß in Bezug auf ihre Eltern hatte sich ihrer bemächtigt.

Ich war von dem Hause Baring benachrichtigt, daß ein von einem der Söhne dieses Hauses geführtes Schiff nach Liverpool unter Segel gehen würde.

Von Liverpool nach Wirksworth waren es nur ungefähr zwanzig Meilen auf einer sehr bequemen Straße.

Ich schlug Jenny vor, ihren Eltern einen kleinen Besuch abzustatten, und selbst Herrn Smith die fünfzehn Pfund und unserem Wirthe die fünfundzwanzig Pfund zu überbringen.

Das war im Grunde auch der Wunsch Jenny’s; sie sträubte sich wohl ein wenig, aber nahm es am Ende an.

Ich beauftragte sie, Herrn und Madame Smith meine ganze kindliche Liebe auszudrücken, und gab ihr an meinen Wirth, den Kupferschmied, einen Brief, in welchem ich ihn sehr artig einlud, mich zu besuchen, wenn er in das Fürstenthum Wallis käme.

Alles war also für die Abreise Jenny’s bereit; da aber der Wind aus Nordwest blies und dem zu Folge ganz entgegengesetzt war, so wurde diese Abreise beinahe drei Wochen verschoben.

Nachdem aber gegen Ende Januar der Wind wieder günstig geworden, erhielten wir von dem Hause Baring die Anzeige, daß das Schiff zum Absegeln bereit wäre, und ich führte Jenny selbst nach Milfort.

Es schien, als ob man nur unsere Ankunft erwartete, um die Anker zu lichten. Kaum hatte ich Zeit, Jenny zu umarmen und ihr die Hand zu geben, um sie die Leiter des Steuerbords hinaufsteigen zu lassen, als das Schiff sich in Bewegung setzte, indem es majestätisch die Wellen der Bucht Sanct Anna spaltete und nach Verlauf einer Stunde hinter dem Vorgebirge verschwand, das sich vor der Insel Stockham ausdehnt.

So lange als ich Jenny und sie mich hatte erkennen können, war sie auf dem Hintertheile des Schiffes, und ich auf dem Ufer stehen geblieben, indem wir gegenseitig Grüße, sie mit ihrem Taschentuche, ich mit meinem Hute, auswechselten.

Endlich verschmolzen die Gegenstände in der Entfernung; aber dennoch blieb ich, so lange als ich dem Schiffe mit dem Blicke folgen konnte, regungslos auf derselben Stelle.

Ich wußte, daß Jenny und ich uns nicht mehr sehen konnten; aber ich wußte auch, daß sie die Augen auf den Ort geheftet hielt, wo sie mich zuletzt gesehen, und ich hätte es für eine Art von Untreue an unserer gemeinsamen Liebe gehalten, das User zu verlassen, bevor das Schiff gänzlich verschwunden war.

Als man an dem Horizonte nur noch den Himmel und das Meer sah, setzte ich meinen Hut wieder auf. und indem ich einen Seufzer ausstieß, schlug ich den Weg nach Waston wieder ein.

Was für ein sonderbares Wesen der Mensch ist, mein lieber Petrus! Ich bete Jenny an, ich habe sie niemals eine Stunde lang verlassen, ausgenommen die Nacht, die ich in dem Gefängnisse von Nottingham zubrachte, eine Nacht, die mir eine Ewigkeit schien, und dennoch war dieser Seufzer, den Sie für einen Seufzer der Traurigkeit halten könnten. wenn ich Ihnen nicht eine Erklärung desselben gebe, ein Seufzer der Erleichterung.

Die Abwesenheit Jenny’s sollte mir mehr Freiheit gewähren, um meine Nachforschungen über die graue Dame anzustellen, und, ich muß es Ihnen gestehen, mein lieber Petrus, die graue Dame war die, große Sorge meines Lebens geworden, und ich fürchte sehr, daß sie – obgleich ich noch nicht weiß wie – irgend einen schrecklichen Einfluß auf dasselbe hat.

Jenny schien ihrerseits, obgleich sie mich mit unverkennbarem Bedauern verließ, auf dem Grunde ihres Herzens ein dem meinigen ähnliches Gefühl zu verbergen. Man hätte glauben können, daß sie sich freue, ihre Mutter wiederzusehen, um ihr irgend ein Geheimniß anzuvertrauen, das sie mir noch verheimlichte.

Ich kehrte ganz tiefsinnig nach Waston zurück.

Hundert Schritte weit von den ersten Häusern begegnete ich dem Maurer, der die Thür zu dem Zimmer der grauen Dame zugemauert hatte. Ich ließ ihn zum dritten oder vierten Male die ganze Sache vom Anfang bis zum Ende erzählen.

Hierauf schüttelte ich den Kopf.

Wenn es ein wirkliches Gespenst ist, sagte ich zu ihm, wenn es ein wahres Phantom ist, so liegt ihm wenig an Ihrer Backsteinmauer: ebenso gut als die graue Dame durch diese Thür ging, von der Niemand den Schlüssel hatte, wird sie durch Ihre Mauer gehen!

Nein, sagte er, denn ich habe ihr einen Streich gespielt, auf den sie nicht gefaßt war.

Welchen Streich?

Ich habe von dem Pastor von Nothon das Wasser segnen lassen, mit welchem ich den Kalk eingerührt habe, der die Backsteine befestigt hat…

Und der Maurer entfernte sich, indem er mit dem Kopfe ein Zeichen seines Siegesbewußtseins machte, welches mir das feste Vertrauen bewies, das er zu seinem Auskunftsmittel hatte.

Und vielleicht, mein Freund, hat der Glaube dieses Mannes in seiner Unwissenheit diese unstäte Seele ebenso fest in ihr Grab verschlossen, als das steinerne Kreuz, welches der ehrwürdige Doctor Albert Martronius, Magister der Theologie, auf demselben angebracht hat.

Ich befand mich nun allein in dem Pfarrhause, was ich seit langer Zeit wünschte, obgleich ich mir diesen Wunsch nicht selbst eingestand, und konnte mich ungehindert allen Nachforschungen hingeben, die mir einfielen.

Indessen ich gestehe, diese Einsamkeit ließ mich nicht ohne Furcht. Die Einsamkeit ist dem Menschen zuwider, und um ihm zu gefallen, muß sein Geist krank oder sein Herz betrübt sein.

Die Einsamkeit ist besonders für ihn entsetzlich, wenn es sich um jene dunklen und geheimnißvollen Fragen handelt, mit denen weder die Vernunft, noch die Wissenschaft, noch die menschliche Fassungskraft etwas zu schaffen haben.

Muß er einer jener unbekannten und übermenschlichen Gefahren Trotz bieten, die sich in der Finsternis; erzeugen, so verdoppelt besonders in diesem Falle die Einsamkeit die phantastischen Größen dieser Gefahr.

Dann ist jeder Gesellschafter eine Stütze, wäre dieser Gesellschafter auch eine Frau, ein Kind, ein Hund; man tust wie eine wirkliche Macht das Mitleid der Frau, die Unschuld des Kindes oder den Instinkt des Thieres zu Hilfe.

Ich war allein und gänzlich allein; selbst Fidel war seiner Gebieterin gefolgt.

Ich hatte also keine andere Zuflucht als zu mir selbst und meinem Muth.

Uebrigens, mein lieber Petrus, bin ich von diesem Muthe, von dem ich spreche, selbst nicht recht überzeugt; ich habe niemals Gelegenheit gehabt, ernstlich zu prüfen, ob ich bei einer vorkommenden Veranlassung tapfer oder feig bin. Das werde ich der Gefahr gegenüber, welche ich suche, erfahren, wenn diese Gefahr nicht vor mir flieht.

Ein einziges Mal hatte ich Gelegenheit, in meinem Herzen allen Zorn der Geringschätzung, allen Haß der Verachtung kochen zu fühlen; das war an dem Tage, an welchem Herr Stiff die Hand nach Jenny ausstreckte. um ihr Gewalt anzuthun, und ich bei dem Schreie eintrat, die meine Frau ausstieß.

Aber das war eine gemeine, gewöhnliche, so zu sagen vertraute Gefahr; eine jener menschlichen Gefahren, die man in dem Leben bei jedem Schritte antrifft, und vor denen es einem Manne von Herz nicht erlaubt ist zurückzuweichen.

Um diese Gefahr herzhaft zu bekämpfen, hatte ich in mir und mit mir alle Rechte des Bürgers, des Menschen und des Gatten.

Der erste beste, von einer Frau in Gefahr zu Hilfe gerufene Mann hätte das gethan, was ich that.

Aber bei der Gefahr, die ich suchen wollte, – und ich war dazu fest entschlossen. – hatte ich nichts von alle Dem.

Was mich diese Gefahr suchen ließ, war keine Pflicht, es war eine einfache Neugierde; wenn ich ihr, sei es nun am Tage oder in der Nacht, begegnete, so war es Gott allein, den ich um Beistand gegen sie bitten mußte, denn Gott allein konnte mir mit der himmlischen Rüstung des Glaubens beistehen, ein Phantom zu bekämpfen.

Aus allen diesen Betrachtungen ging hervor, daß ich, in meine Wohnung zurückgekehrt und in diesem alten in Ruinen verfallenden Pfarrhause allein einer schrecklichen Sage gegenüber, ein Gefühl empfand, das zu beseitigen die Anwesenheit Jenny’s, so schwach das arme Wesen auch sein mochte, bis dahin genügt hatte.

Es war ein Gefühl beharrlicher Neugierde, aber auch zu gleiche! Zeit unüberwindliches Entsetzen. Ich beschloß daher auch, an diesem Abende nichts zu unternehmen, und den Abend, wie ich es an den vorhergehenden Tagen gethan hatte, mit Lesen oder Schreiben zuzubringen.

Da ich jedoch sehr in Rückstand mit Ihnen war, mein lieber Petrus, so entschied ich mich für das Zweite, und beschloß nicht eher zu Bett zu gehen, als bis ich meinen Bericht an Sie bis auf den letzten Tag geschrieben hätte.

Das that ich denn und da diese Erzählung den ganzen Zeitabschnitt meiner hiesigen Ankunft und die ersten Nachforschungen über die graue Dame umfaßt; da in diesen ersten Nachforschungen die zwei Erzählungen von den beiden Erscheinungen, bei der Nachbarin, um die Geburt der beiden Zwillinge Benker’s. und bei dem Bergmann, um den Mord Johns durch seinen Bruder Clarevce zu verkünden, einbegriffen waren, so hatte ich gegen die Schwäche unserer armen menschlichen Natur zu kämpfen, und konnte von der ersten Nacht an meinen Muth ermessen.

Ich weiß nicht, ob mein Muth wachsen wird, mein Freund, – was indessen wahrscheinlich ist, – aber ich weiß, daß er in dieser Nacht auf eine schreckliche Probe gestellt wurde, und daß, wenn er nicht unterlag, es nur daher kam, daß der Zufall, oder sagen wir es richtiger, die Vorsehung, ihm keine Gelegenheit zum Kampfe gab.

Alles ging gut bis auf die erste Erzählung; als ich aber in dieser traurigen Einsamkeit, in der ich mich befand, in dem geräumigen Saale, von dem meine Lampe nur einen sehr schwachen Theil erleuchtete und alles Uebrige in Dunkelheit ließ, die phantastische Erzählung anfangen mußte, fühlte ich meine Stirne feucht werden und meine Hand zittern.

Die Stille selbst schien mir eine Drohung.

Ich beschloß indessen, diesen ersten Anfall von Furcht zu überwinden; ich blicke zu meiner Rechten und zu meiner Linken, dann hinter mich.

Die Tiefen des unermeßlichen Zimmers verloren sich in einer beunruhigenden Dunkelheit. ,

Meine Vernunft sagte mir wohl, daß ich nichts zu fürchten hätte, aber was vermag die Vernunft gegen Gedanken der Art, die sich meiner bemächtigt hatten?

Ich war in eine Atmosphäre voller Erstarrung und Schauder gehüllt.

Nichts destoweniger überwand ich mich und schrieb.

Aber im Schreiben fielen Schweißtropfen von meiner Stirn herab, und meine feuchten Finger ließen ihre Spur auf dem Papier zurück.

Ich endigte die erste Erzählung, die der Nachbarin.

Aber in dem Augenblicke, wo ich die zweite, die des Bergmannes, anfangen wollte, und wo meine unruhige Hand bereits die ersten Zeilen davon geschrieben hatte, begann meine Lampe zu knistern und schien auszugehen.

Vergebens versuchte ich sie wieder anzufachen, indem ich mit meinem Federmesser den Docht aufzog, das Oel war aufgezehrt, es war keine Möglichkeit, sie länger brennend zu erhalten.

Ich wußte nicht, wo ich ein anderes Licht finden könnte, außerdem wagte ich bei dem abnehmenden Scheine dieser erlöschenden Lampe nicht, mich an die Aufsuchung einer anderen zu machen.

Ich war instinktmäßig aufgestanden; ich hatte die Lampe ergriffen und hielt sie krampfhaft in der Hand; das Knistern, welches ihr Ende meldete, wurde in dem Maße immer lebhafter, als ihr Licht immer schwächer wurde.

Endlich warf sie einen ebenso glänzenden als flüchtigen Schein; während der Secunde, welche dieser Schein dauerte, übersah mein Blick alle in dem Zimmer enthaltenen Gegenstände, die Möbeln, die Geräthschaften, die Bilder; Alles schien mir mit Bewegung und Leben begabt.

Hierauf erlosch die Lampe, und ich befand mich in der vollständigsten Dunkelheit.

O! ich gestehe es, mein lieber Petrus, in diesem Augenblicke schien mich das Leben mit dem Lichte zu verlassen; es fand ein Augenblick Statt, in welchem ich nach dem kalten Schweiße meiner Stirn, nach dem zwischen meinen Schultern hinab laufenden Schauder ohnmächtig zu werden glaubte.

Gerade in diesem Augenblicke sprang eine Saite von Jenny’s Klavier mit einem so traurigen Klange, daß er bis auf den Grund meines Innern drang.

Ich hätte einen Schrei des Schreckens ausgestoßen, wenn ich nicht gefühlt hätte, daß der Klang meiner Stimme meinen Schrecken noch vermehren würde.

Besonders hätte ich zuverlässig meine Lampe fallen lassen, wenn meine krampfhaften Finger sie nicht wie eine eiserne Zange umschlungen hätten.

Während länger als zehn Minuten blieb ich regungslos stehen. Endlich, da sich nichts um mich herum regte, da sich kein Geräusch hören ließ, da ich nicht ewig so stehen bleiben konnte, beschloß ich, mein Zimmer aufzusuchen.

Das war ein großer Entschluß. Dieselbe Treppe, welche nach Jenny’s Zimmer ging, führte, wie Sie sich erinnern werden, auch nach dem Zimmer der grauen Dame.

Indem ich mich entschloß, in den ersten Stock hinaufzugehen, ging ich also, so zu sagen, der Erscheinung entgegen.

Die vermauerte Thür und die Vorsichtsmaßregel, welche der Maurer getroffen hatte, seinen Kalk mit gesegnetem Wasser einzurühren, eine Vorsichtsmaßregel, die ihm entscheidend schien, schien mir sehr unzulänglich.

In diesem Momente fiel es mir wieder ein, daß ich einen Augenblick lang den Gedanken gehabt hatte, diese Mauer einzureißen und das verfluchte Zimmer zu besuchen.

Freilich hatte ich diesen Einfall am hellen Tage und bei dem Lichte der Sonne gehabt.

Aber während der Nacht, in der Dunkelheit, indem ich diese erloschene Lampe in der Hand hielt, schauderte ich bei dem bloßen Gedanken daran.

Es war, wie ich gesagt habe, schon viel für mich, das Zimmer wieder aufzusuchen.

Ich unternahm die gefährliche Odyssee.

Auf dem Wege und bevor ich an die Thür meines Arbeitszimmers gelangte, las auf die Treppe ging, stieß ich an ein oder zwei Möbeln.

Bei jedem Male blieb ich stehen, um dem von mir selbst veranlaßten Geräusche Zeit zu lassen, aufzuhören, und dem Zucken meiner Nerven, sich wieder zu beruhigen.

An der Thür angekommen, zögerte ich, sie aufzumachen.

Es schien mir, als ob die graue Dame mich auf der anderen Seite stehend erwartete.

Endlich machte ich sie durch eine Anstrengung meines Willens rasch auf.

Der Corridor war leer. Der durch eine Fensterscheibe fallende Schein des Mondes erleuchtete ihn.

Ich zog die Thür hinter mir zu, ohne mich umzuwenden. Ich fürchtete, wenn ich sie offen ließe, verfolgt zu werden; durch Wen oder Was? wußte ich es?. . . durch meinen eigenen Schrecken!

Ich fing nun an, die Treppe hinaufzugehen; jede Stufe krachte unter meinen Schritten, und bei jedem Krachen blieb ich erbebend stehen.

Je näher ich dem ersten Stockwerke kam, um so langsamer ging ich; denn in dem Maße, als ich mich dem Zimmer näherte, das Jenny und ich bewohnten, näherte ich mich auch dem Zimmer der grauen Dame.

Auf dem ersten Vorplatze fand ich denselben Mondschein, als in dem Corridor wieder. Mit Hilfe dieses Scheines hätte ich meinen Blick bis in den zweiten Stock erheben können, aber ich wagte es nicht.

Die Thür von Jenny’s Zimmer stand offen: ich erinnerte mich, sie in der That aufgelassen zu haben. Ich stürzte in das Zimmer, und verschloß und verriegelte die Thür hinter mir.

Ein schwacher Wall, um einen Mann zu vertheidigen, den eine mit Backsteinen vermauerte Thür nicht beruhigte!

Dort fühlte ich mich ein wenig mehr zu Haus; dieses Zimmer, das ich mit den Augen der Erinnerung sah. hatte nicht jenen finstern und phantastischen, über den übrigen Theil der Wohnung verbreiteten Anstrich.

Ich stellte die Lampe auf eine Kommode und hatte den Einfall, Feuer zu schlagen und eine Wachskerze anzuzünden.

Ich wußte, wo ich auf dem Kamine das Feuerzeug, den Schwamm und die Schwefelhölzer finden konnte.

Sobald die Wachskerze einmal angezündet, war ich so ziemlich sicher, daß der Schrecken verschwinden würde, der mich peinigte.

Aber um sie anzuzünden, mußte ich den Stein schlagen, und ich fürchtete, bei dem flüchtigen Scheine der Funken irgend eine gräßliche Erscheinung zu erblicken.

Ich legte die Hand auf den Kamin; ich fühlte die Kälte des Feuerzeuges, den Sammt des Schwammes, aber ich schob den einen wie das andere zur Seite.

Indem ich dies that, ließ ich den Feuerstein fallen.

O! mein lieber Petrus, welche sonderbare Sache die Furcht ist!

Wenn dieser Feuerstein auf eine der empfindlichsten Fibern meines Herzens gefallen wäre, so würde sein Stoß nicht tiefer in meiner Brust fühlbar gewesen sein.

Ich sah ein. daß ich ganz der Sklav der Nacht und des Schreckens wäre, und daß ich kein anderes Verlangen mehr hätte, als das Bette zu erreichen, mich auszukleiden und mich hin zu legen.

Dazu gelangte ich unter endlosem Erbeben.

In dem Augenblicke, als ich mein Lager fand, erschallte der erste Schlag der Mitternachtsstunde.

Ich zog die Bettdecke über meinen Kopf und zählte die elf anderen Schläge nach dem Klopfen meines Herzens.

Žanrid ja sildid
Vanusepiirang:
0+
Ilmumiskuupäev Litres'is:
10 detsember 2019
Objętość:
780 lk 1 illustratsioon
Õiguste omanik:
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