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Die Mohicaner von Paris

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V
Die Schlacht

Wir haben am Anfang des vorhergehenden Kapitels gesagt, in welcher strategischen Lage sich, hinsichtlich ihrer Feinde, die drei Helden unserer Geschichte befanden, die wir von der Rue Sainte-Appoline zum Eingang der Hallen geführt haben, und denen wir. Durch ihre unvorsichtige Odyssee, bis zum vierten Stocke der Freischenke gefolgt sind.

Petrus stand, an das offene Fenster angelehnt, mit gekreuzten Armen da und schaute die fünf Männer, aus dem Volke mit einer Miene der Herausforderung an.

Ludovic betrachtete Jean Taureau mit einer Neugierde, welche für ihn den Ernst der Lage verminderte, und, ein Mann der Wissenschaft, sagte er sich, er würde hundert Franken geben. wenn er ein solches Subjekt zu seciren hätte.

Bei weiterer Ueberlegung würde er vielleicht zwei hundert gegeben haben, wenn dieses Subject Jean Taureau selbst gewesen wäre; denn er hätte sichtbar Alles dabei zu gewinnen gehabt, wäre ein solcher Athlet todt und ausgestreckt vor ihm auf einem Tische gelegen, statt daß er voll Leben und drohend aufrecht vor ihm stand.

Jean Robert war, wie gesagt. Vorgeschritten, halb um es zu versuchen, die Sache beizulegen, halb um eintretenden Falles die ersten Streiche zu empfangen oder zu geben.

Jean Robert, der, so jung er war, viele Bücher und besonderes die Theorie des Marschalls von Sachsen über die moralischen Einflüsse gelesen hatte. – Jean Robert wußte wohl. welchen großen Vortheil es unter Allen Umständen, wo die Stärke angewendet werden muß, gewährt, den ersten Schlag zu thun.

Eine geschickte Praxis des Boxens und der Savate, kombiniert von einem damals noch unbekannten Professor dessen Name aber später eine große Berühmtheit erlangen sollte, beruhigte überdies Jean Robert, der persönlich mit einer Physischen Stärke begabt war, welche den Kampf zweifelhaft gemacht hätte, wäre er einem minder furchtbaren Manne, als Jean Taureau gegenüber gestellte gewesen.

Er war also, wie gesagt, entschlossen« die Versöhnungsmittel bis zu dem Augenblick anzuwenden, wo es Feigheit gewesen wäre, den Kampf nicht anzunehmen.

Er war auch der Erste, der wieder das Wort nahm, das gelähmt auf den Lippen Aller während der durch die vier Männer welche Jean Taureau zu Hilfe kamen, operierten angreifenden Bewegung.

»Hören Sie,« sagte er, »ehe wir eins schlagen, wollen wir uns erklären . . . Was wünschen diese Herren?«

»Rennen Sie uns diese Herren, um uns zu beleidigen?« versetzte der Aufwühler; »wir sind keine Heeren verstehen Sie?«

»Ihr habt Recht,« rief Petrus, »Ihr seid keine Herren; Ihr seid Lümmel!«

»Man hat uns Lümmel genannt!« brüllte der Katzentödter.«

»Ah! wir werden Euch die Lümmel geben!« schrie der Maurer.

»Laßt mich doch passieren!« sagte der Köhler.«

»Schweigt, Ihr Alle, und haltet Euch ruhig, das ist meine Sache!«

»Warum ist das mehr Deine Sache, als die unsere.«

»Einmal, weil man sich nicht zu fünf gegen drei stellt, besonders, wenn ein Einziger genügt . . . An Deinen Platz, Gibelotte! an Deinen Platz, Aufwühler!«

Die zwei Männer gehorchten der Aufforderung, und der Katzentödter und Croc-en-Jambe setzten sich brummend nieder.«

»Es ist gut!« sagte Jean Taureau. »Und nun meine kleinen Liebesgötter, werden wir das Lied mit derselben Melodie und bei der ersten Strophe wieder aufnehmen . . . Wollen Sie das Fenster schließen, wenn’s beliebt?«

»Nein,« antworteten gleichzeitig die drei jungen Leute, weiche, in Betracht der Betonung die artige Formel, von der die Aufforderung begleitet war, nicht im Ernste hatten nehmen können.

»Aber, versetzte Jean Taureau, indem er über seinem Kopfe und so weit der Plafond sie auszustrecken erlaubte, seine Arme erhob, »so wollen Sie sich also in, Pulver verwandelte lassen?«

»Versuchen Sie es,« erwiderte kalt Jean Robert, indem er einen Schritt mehr gegen den Zimmermann verrückte.«

Petrus machte nur einen Sprung und stellte sich mit diesem Sprunge vor den Hercules, als wollte er Robert einen Schild mit seinem Leibe bilden.

»Halte die zwei Anderen mit Ludovic in Respect,« sagte Jean Robert, indem er Petrus mit der umgekehrten Hand zurückschob; »ich übernehme diesen.«

Und er berührte mit der Fingerspitze die Brust des Zimmermanns.

»Ich glaube, Sie reden von mir mein Prinz?« versetzte spottend der Coloß

»Von Dir selbst.«

»Und was verschafft mir die Ehre, von Ihnen gewählt zu werden?«

»Ich könnte Dir antworten, weil Du als der Unverschämteste die schönste Lection verdienest; doch das ist nicht per Grund.«

»Ich erwarte den Grund.«

»Nun denn da wir denselben Vornamen haben, so gehören wir natürlich zusammen. Du heißest Jean Taureau, und ich heiße Jean Robert.«

»Ich heiße allerdings Jean Taureau, erwiderte der Zimmermann; »doch Du, Du lügst, wenn Du sagst, Du heißest Jean Robert!; Du heißest Jean F. . . . !«

Der junge Mann im schwarzen Frack ließ nicht vollenden; eine von seinen zwei kreuzweise auf seiner Brust liegenden Fäusten sprang wie eine Stahlfeder auf und schlug den Coloßen an den Schlaf.

Jean Tannen der sich nicht gerührt hatte, als er in seinen Armen eine ihm vom zweiten Stocke zugeworfene Frau empfing, Jean Taureau machte drei bis vier Schritte rückwärts und fiel auf einen Tisch. Dessen zwei Füße unter seiner Last brachen.

Eine ungefähr ähnliche Evolution ging in demselben Augenblick unter den vier anderen Kämpfenden vor Petrus, ein Meister mit dem Stocke, unterschlug, in Ermangelung eines Stockes, dem Maurer ein Bein und schleuderte ihn zu Jean Taureau nieder, während Ludovic in seiner Eigenschaft als Anatomiker, dem Köhler in der Gegend der Leber, zwischen der siebenten Rippe und dem Schenkelknochen einen Faustschlag versetzte, daß man sein Gesicht unter der Kohlenlage, die es bedeckte, erbleichen sehen konnte.

Jean Taureau und der Maurer standen wieder auf.

Toussaint, der stehen geblieben war, setzte sich ohne Athem und seine beiden Hände an seine Seite pressend, auf einen an die Wand angelehnten Schemel.

Doch es war dies, wie man wohl begreift, nur ein erster Angriff; ein dem eigentlichen Kampfe vorhergehendes Scharmützel, und die jungen Leute bezweifelten dies nicht, denn Jeder von ihnen hielt sich zu einem neuen Sturme bereit.

Die Ueberraschung war indessen eben so groß für die Zuschauer, als für die handelnden Personen gewesen.

Beim Anblick ihrer zwei Kameraden, Jean Taureau und Sac-à-Plâtre, welche rückwärts niederfielen, beim Anblick von Toussaint-Lonvertnre, welcher sich setzte wie ein Mensch der genug hat, standen Beide auf und rückten, der Eine seinen Haken, der Andere eine Flasche in der Hand vor, um ihren Theil am Feste zu nehmen.

Der Maurer war nur das Opfer eines Ueberfalls gewesen und hatte sich mit mehr Scham als Schmerz wieder erhoben.

Dem Zimmermann hatte es geschienen. als wäre er vom Ende eines Balkens durch ein Catapult geschleudert an den Kopf getroffen worden

Die Erschütterung seines Gehirns theilte sich einen Augenblick seinem ganzen Körper mit; er blieb ein paar Secunden betäubt, mit einer Blutwolke vor den Augen, einem Brausen in den Ohren.

Die Blutwolke ist übrigens kein Bild: der Faustschlag von Jena Robert hatte, vom Schlafe abgleitend, über die Stirne hingestreift. und der Siegelring, den der junge Mann am Zeigefinger trug, hatte ein wenig über den Augenbrauen des Zimmergesellen eine blutige Furche geöffnet.

»Ah! tausend Donner! rief er,« während er mit einem noch unsicheren Schritte auf seinen Gegner losging, »so ist es, wenn man unversehens überfallen wird: ein Kind würde einen schlagen!«

Nun. so nimm Dir diesmal Deine Zeit, Jean Taureau, und halte Dich gut; denn es ist meine Absicht, Dich die zwei anderen Füße des Tisches zerbrechen zu machen.

Jean Taureau rückte mit aufgehobener Faust vor und gab sich so aufs Neue seinem Gegner preis, wie dies fast immer der Geschicklichkeit gegenüber die unerfahrene und selbstvertrauende Stärke thut; die ganze Theorie des Boxens beruht hierauf; die Faust braucht weniger Zeit, um eine gerade Linie zu durchlaufen, als um eine Parabel zu beschreiben.

Diesmal war es aber nicht der Angriff, sondern nur die Vertheidigung, was Jean Robert seinen Händen anvertraut hatte: sein rechter Arm diente ihm nur noch, um den furchtbaren Schlag zu dämpfen, mit dem ihn Jean Taureau bedrohte, und in dem Augenblick wo die Faust des Zimmermanns auf ihn niederfiel, machte Jean Robert behende eine Drehung und gab, unterstützt durch seine hohe Gestalt, seinem Gegner gerade mitten auf die Brust einen von jenen erschrecklichen Fußtritten hinter sich, deren Privilegium und Geheimnis damals nur Lecour allein besaß.

Jean Robert hatte nicht gelogen in der Prophezeiung. die er gegen den Zimmermann ausgesprochen; dieser nahm rückwärts den Weg, den er schon gemacht und legte sich, wenn er nicht gerade fiel, abermals auf den Tisch.

Er sprach nicht und schrie nicht: der Schlag, den er.erhalten, hatte seine Stimme völlig ausgelöscht.

Was die drei Anderen betrifft, so hatte sich Folgendes mit ihnen ereignet.

Petrus stellte sich mit seiner gewöhnlichen Behendigkeit zwei Feinden entgegen: dem Aufwühler, der mit seinem Haken in der Hand auf ihn losrückte, schleuderte er ein Stühlchen ins Gesicht, und während der Mensch und das Geräth sich mit einander entschmutzten, warf er durch einen Stoß mit dem Kopfe auf den Bauch als ein wahrer Bretagner, was er war, den Maurer auf seinen Hintern.

Ludovic hatte es also nur mit dem Katzentödter, einem wenig furchtbaren Gegner zu thun. doch in seiner Unwissenheit in der Kunst, in der seine beiden Gefährten vollendete Meister waren, packte er ihn um den Leib und rollte mit ihm auf den Boden.

Nur hatte Gibelotte den ganzen Nachtheil, des Kampfes; er war unter Ludovic gefallen. Statt aber seinen Vorteil zu benützen, fragte sich dieser, während er seinen Gegner unter seinem Knie festhielt, woher der Baldriangeruch komme, der sich so im Uebermaße verbreitete.

 

Er dachte über dieses ziemlich unlösbare Problem nach, als der Aufwühler und der Maurer, da sie sahen, daß der Zimmermann zum zweiten Male niedergeworfen war, Toussaint sich nur mit Mühe von seinem Faustschlage an die Seite erholte, und der Katzentödter unter den Knieen von Ludovic lag, ausriefen:

»Zu den Messern, zu den Messern!«

In diesem Momente kam der Kellner zurück und brachte die Austern

Mit einem Blicke berurtheilte er die Lage, setzte sein Muschelwerk auf den Tisch und eilte die Treppe hinab, ohne Zweifel um den hierbei interessierten Personen zu melden, was vorging

Doch seine Erscheinung war für die Schauspieler der Scene nur ein Detail.

Sie hatten zu viel zu thun, um sich mit seinem Erscheinen und Verschwinden zu beschäftigen, was so rasch erfolgt war, daß man, wären die Austern nicht gewesen, welche von der Gegenwart eines Kellners zeugten, an einen Traum hätte glauben kennen.

Kein Traum war aber das, was im vierten Stocke und im Stocke darunter geschah.

Bei dem durch den doppelten Fall des Zimmermanns verursachten Lärmen, beim Krachen des zerbrochenen Tisches, bei dem Rufe: »Zu den Messern! Zu den Messen!« erwachten die im Saale des dritten Stockes eingeschlafenen Trunkenbolde plötzliche die am wenigsten Berauschten horchten; Einer von ihnen schwankte nach der Thüre. öffnete sie. und diejenigen welche noch zu sehen vermochten, sahen den Kellner ganz erschrocken im Halbdunkel der Treppe vorüber rennen.

Als Leute von Erfahrung vermutheten nun diese Menschen, was vorging, und plötzlich hörten die drei jungen Freunde auf den Stufen ein Geräusch von hastigen Tritten und Geschrei, das dem Brüllen des Meeres im Sturme glich.

Es war der Schaum der Halle, der stieg, und bald sah man durch die gähnende Thüre die Stube sich mit seltsamen. Weinschweren, verblödeten und besonders darüber, daß sie mitten in»ihrem Schlafe gestört worden, wüthenden Personen füllen.

»Ah! man ermordet sich also hier!« riefen zwanzig heisere, abscheulich klingende Stimmen.

Beim Anblicke dieser Menge oder vielmehr dieser Meute, fühlte Jean Robert, der am meisten für Eindrücke Empfängliche von den drei jungen Leuten, unwillkürlich seine Adern jene Empfindung eisiger Kälte durchlaufen, welche jedes Wesen. so stark es auch sein mag, bei der Berührung eines Reptils erfaßt, und sich an seinen Kameraden den Maler wendend, murmelte er:

»Ah! Petrus. wohin hast Du uns geführt!«

Petrus improvisierte aber ein ganz neues Verteidigungssystem.

Auf die Schreie:.,Zu den Messern! zu den Messern!« welche die vier Wüthenden wiederholten, denn der Zimmermann und Toussaint, da sie die Stimme wiedergefunden hatten. nahmen ihren Antheil an dem Concerte von Drohungen antwortete Petrus durch den Ruf: »Zu den Barrikaden!« der nicht ein einziges Mal in den Straßen von Paris hörbar geworden war, seit dem Tage, dem dieses Vertheidigungssystem einen historisch zu Namen gegeben hat.

Bekanntlich haben sich die Pariser später für diese Stummheit von zweihundert und fünfzig Jahren entschädigt.

Und indem er den Schrei: »Zu den Barricaden!« ausstieß, zog Petrus Jean Robert nach sich, zwang er Ludovic wieder aufzustehen, und flüchtete sich mit seinen zwei Gefährten in eine Ecke, die sie auf der Stelle von der übrigen Stube durch einen Wall von Tischen und Bänken trennten.

Petrus hatte überdies den Augenblick des Waffenstillstandes, so kurz er war, den ihm sein Sieg gegeben, benützt, um vom Fenster den einst vergoldeten Stab, der die Vorhänge trug. Und der seit dem Anfange des Kampfes der Gegenstand seines Erachtens war, abzureißen. Jean Robert hatte seinen Stock mitgenommen, Ludovic begnügte sich mit den Waffen. die ihm die Natur gegeben.

In einem Augenblick waren die drei Freunde geschirmt hinter einer improvisierten Feste.

Freunde,« sprach Petrus zu den zwei Andern, indem er ihnen in einer Ecke der Bastei einen Haufen von leeren Flaschen von zerbrochenen Tellern, von Austerschalen, von eisernen Gabeln, von Messern ohne Hefte, von Heften ohne Klingen zeigte. »Ihr seht, es wird uns nicht an Munition fehlen.«

»Nein,« erwiderte Jean Robert; »doch wie verhält es sich hinsichtlich der Schläge und der Wunden? Ich was mich betrifft, habe gegeben, aber keine bekommen.«

»Völlig unversehrt!« sagte Petrus.

»Und Du, Ludovic?«

»Ich glaube, ich habe einen Faustschlag zwischen dem Kinnbacken und dem Schlüsselbein bekommen; doch das ist es nicht, was mich beschäftigt.«

»Und was beschäftigt Dich denn?« fragte Jean Robert.

»Ich möchte gern wissen, warum derjenige, mit welchem ich es zuletzt zu thun hatte, so stark nach Baldrian riecht?««

In diesem Augenblick fügte das Gebrülle der Menge eine neue Besorgniß den schon ziemlich, ernsten Besorgnissen der jungen Leute bei.

VI
Herr Salvator

Der Anblick der Menge brachte auf die Männer aus dem Volke einen Eindruck ganz dem entgegengesetzt hervor, den er auf die drei Freunde hervorbrachte.

Der Zimmermann und seine Gefährten fühlten, daß ihnen eine Hilfe zukam.

Jean Robert und seine Freunde begriffen, daß es neue Gegner waren, die zu ihnen kamen.

Die Menschen werden durch die Sympathie zu ihres Gleichen hingezogen.

Während sie grimmige Blicke aus die drei jungen Leute warfen, die sich in ihre Feste zurückgezogen, umgab auch diese Menge Jean Taureau und seine Gefährten und verlangte von ihnen Erklärung über all diesen Lärmen.

Die Erklärung war schwer zu geben; der Zimmermann hatte ein erstes Unrecht gehabt, daß er von den jungen Leuten gefordert sie sollten das Fenster schließen.

Dann hatte er ein zweites Unrecht gehabt, das noch schwerer, als das erste daß er von Jean Robert einen Faustschlag und einen Fußtritt erhalten, die ihm der eine das Gesicht zerrissen und der andere die Brust eingedrückt.

Er erzählte seine Fälle der Menge; doch wie er auch die Sache drehte er konnte nicht herauskommen aus dem doppelten Kreise: »Ich wollte das Fenster schließen lassen, und das Fenster ist offen geblieben! – Ich wollte schlagen, und ich bin geschlagen worden.«

Die Menge, als eine wackere Menge, was sie war im Grunde voll gesunden Menschenverstandes, trotz ihrer Vorurtheile gegen die schwarzen Fräcke, die Menge, welche einsah, daß Jean Taureau um mich eines Volksausdruckes zu bedienen, der Narr im Spiele war, fing auch an ihm eins Gesicht zu lachen

Der Zimmermann bedurfte nicht dieser neuen Aufregung.

Er war nur wüthend: dieses Lachen machte ihn wahnsinnig.

Er suchte mit den Augen die drei jungen Leute sah sie in ihrer Ecke verbarricadirt und schon angegriffen von seinen vier Gefährten, welche nicht minder erbittert als er.


»Haltet ein!« rief er »haltet ein! Laßt mich diesen Schwarzfrack in Staub zermalmen.«

Doch die vier Gefährten waren taub.

Dagegen blieben sie allerdings nicht stumm.

Der Aufwühler war unter dem Auge von einem von Ludovic geschleuderten Flaschenscherben getroffen worden, welcher Scherbe ihm die Backe aufgerissen.

Jean Robert hatte durch einen Schlag mit einem kleinen Stuhle Toussaint den Kopf schwer verletzt.

Petrus endlich hatte mit zwei Hieben seines Stockes, durch die Zwischenräume der Barricade, den Katzentödter auf die Brust und den Maurer an die Seite getroffen.

Die vier Verwundeten brüllten aus vollem Halse:

»Schlagt sie todt! schlagt sie todt!«

Es wage in der That, ein Kampf auf Leben und Tod geworden.

Außer sich durch das Gelächter der Menge und durch den Anblick des Blutes, das auf die Kleider seiner Gefährten und auf die seinigen rieselte, zog Jean Taureau aus seiner Tasche seinen eisernen Zirkel und rückte, die furchtbare Waffe in der Hand. allein gegen die Barricade vor.

Petrus und Ludovic stürzten ihm mit einer und derselben Bewegung, Jeder mit einer Flasche bewaffnet und bereit, dem Zimmermann den Kopf zu zerschmettern, entgegen; Jean Robert aber, der sah, daß es der einzige Gegner war welcher noch übrig blieb, und daß man mit ihm einmal ein Ende machen müsse ließ seine zwei Freunde. indem er sie an ihren Jacken zurückzog wieder von der Barricade herabsteigen, gab dieser einen Fußtritt, der eine Bresche öffnete, ging mit seinem Stöckchen in der Hand aus dieser Bresche hinaus und sagte zu Jean Taureau:

»Sie haben also noch nicht genug?«

Die Menge brach in ein Gelächter aus und klatschte in die Hände.«

»Nein ist erwiderte der Zimmermann. »und ich werde erst genug haben. wenn ich Dir sechs Zoll von meinem Zirkel in den Bauch gestoßen.«

»Das heißt, da Sie nicht der Stärkere sind, Jean Taureau. so wollen Sie der Schlechtere sein? das heißt weil Sie mich nicht besiegen können, so wollen Sie mich ermorden?«

»Tausend Donner. ich will mich rächen!« schrie der Zimmermann. der sich durch den Lärmen seiner eigenen Worte aufstachelte.

»Nimm Dich in Acht!« versetzte der junge Mann; »denn bei meinem Ehrenwort, Du bist nie eine Gefahr gelaufen der ähnlich, welche Du in diesem Augenblicke läufst!«

Er wandte sich sodann an die Menge und sprach.

»Ihr seid Männer; bringt diesen Menschen zur Vernunft. Ihr seht, daß ich ruhig bin, und daß er wahnsinnig ist.«

Vier oder fünf Männer trennten sich vom Kreise, und traten zwischen Jean Robert und den Zimmermann.

Doch statt ihn zu besänftigen, schien diese Intervention den Grimm von Jean Taureau nur zu verdoppeln.

Er stieß die fünf Männer einfach dadurch zurück, daß er die Arme ausstreckte

»Ah!« sagte er, »ich bin nie eine Gefahr gelaufen der ähnlich, welche ich jetzt laufe! Gedenkst Du Dich mit diesem Stöckchen gegen meinen Zirkel zu vertheidigen? Sprich!«

Und er schwang über seinem Kopfe das spitzige Instrument. das, sich ausdehnend, wenigstens achtzehn Zoll Länge angenommen hatte

»Das ist es gerade. worin Du Dich täuschst, Jean Taureau, erwiderte der junge Mann: »mein Stöckchen ist kein Stöckchen, es ist eine Schlange, und wenn Du daran zweifelst,sieh,« fügte er bei, indem er aus dem dünnen Stocke den Degen zog, dem er als Scheide diente, »sieh ihre Zunge.«

Und eine viereckige, feine spitzige, zwölf bis fünfzehn Zoll lange Klinge glänzte in der Faust des jungen Mannes, der sich auslegte wie für ein Duell.

Die Menge brüllte vor Freude und bebte zugleich vor Schrecken.

Der Wein war getrunken. das Blut sollte fließen; die Dinge nahmen den gewöhnlichen Stufengang; die Peripetien folgten sich nach den Gesetzen der dramatischen Kunst immer interessanter.

»Ah! sagte der Zimmermann, sichtbar um den Gewissensbiß erleichtert, gegen den er kämpfte. »Du hast also auch eine Waffe? Ich wartete nur hierauf.«

Und den Kopf gesenkt, mit aufgehobenem Arme, seine Brust mit der Unerfahrenheit der Stärke entblößend, stürzte Jean Taureau auf den jungen Mann mit dem schwarzen Fracke und dem seinen Degen zu.

Plötzlich aber packte ihn eine mächtige Hand am Armgelenke, schüttelte ihn kräftig und zwang ihn, den Zirkel loszulassen, der, niederfallend. im Boden stecken blieb.

Der Zimmermann stieß einen gräßlichen Fluch aus und wandte sich um.

Kaum aber hatte er denjenigen gesehen, welcher sich seinem Vorhaben widersetzt.,als seine Stimme vom Ausdrucke der Drohung zum Tone der Ehrfurcht überging, und er sagte:

»Ah! Herr Salvator, verzeihen Sie, das ist etwas Anderes.«

»Herr Salvator!« wiederholte die Menge; »ah! seien Sie willkommen: das sollte eine schlimme Wendung nehmen!«

»Herr Salvator!« murmelten gleichzeitig Jean Robert. Petrus und Ludovic. »Was ist das?«

»Das ist ein Bursche, dessen Name als gute Vorbedeutung dienen kann.« fügte Petrus bei; »wir wollen sehen, ob er seinem Namen Ehre macht.«

Der Mann. der, dem Gotte des Alterthums ähnlich, so wunderbar dazwischen gekommen war um aller Wahrscheinlichkeit nach, eine friedliche Entwicklung an die Stelle eines blutigen Ausgangs zu setzen; und der auch aus einer Maschine hervorgegangen zu ein schien, so plötzlich und unvorhergesehen war seine Erscheinung, mochte ungefähr dreißig Jahre alt sein.

Es war in der That in dem Augenblick, wo er erschien und seinen beherrschenden Blick aus der Menge umherlaufen ließ, das männliche und sanfte Gesicht des Mannes in diesem dreißigsten Lebensjahre, wo die Schönheit in ihrer ganzen Kraft ist und die Kraft in ihrer ganzen Schönheit.

Einen Augenblick später wäre es sehr schwierig, um nicht zu sagen unmöglich gewesen, ihm ein bestimmtes Alter auf etwa zehrt Jahre anzuweisen.

 

Seine Stirne hatte wohl die Reinheit und Klarheit der Jugend, wenn sein Blick neugierig und wohlwollend umherschweifte, sobald aber das Schauspiel, das seinen Augen begegnete, ihm Ekel einflößte, da zogen sich seine schwarzen Brauen zusammen, und seine mit Falten bedeckte Stirne entlehnte das Aussehen von der Männlichkeit.

So, als er, nachdem er den Arm des Zimmermanns aufgehalten und ihn einzig und allein durch den Druck seiner Hand die Waffe, mit der er seinen Gegner bedrohte, loszulassen gezwungen hatte, als er, nachdem er einen raschen Blick auf die drei jungen Leute geworfen und in ihnen Menschen aus der Gesellschaft, die sich an diesen schlimmen Ort verirrt, erkannt hatte, den Kreis vollends umfaßte, den er nur zur Hälfte durchlaufen, und den Aufwühler mit klaffendem Gesicht auf einem Tische ausgestreckt sah, die Kleider den Maurers mit großen Blutflecken besprenkelt, den Köhler bleich unter seiner schwarzen Larve, und den Katzentödter beide Hände auf seiner, Seite, schreiend, er sei todt, da verlieh dieser Anblick, auf den er doch gefaßt sein mußte, seiner ganzen Physiognomie einen Ausdruck von Härte und Strenge. bei dem die Unbändigsten den Kopf senkten und die Trunkensten erbleichten.

Da der Mann. den wir in Scene gebracht haben, der Hauptheld unserer Geschichte ist, so müssen unsere Leser uns erlauben, für ihn zu thun, was wir für viel minder wichtige Personen gethan haben, nämlich ihnen die möglichst genaue Beschreibung seiner Person zu geben.

Er war vor Allem, wie gesagt, ein Mann von dreißig Jahren oder so ungefähr.

Seine schwarzen Haare waren geschmeidig und gelockt; was sie minder lang scheinen ließ, als sie in Wirklichkeit waren, und wenn sie in ihrer ganzen Länge auf seine Schultern niedergefallen wären; seine Augen waren blau, sanft, durchsichtig, klar wie das Wasser eines Sees, und wie das Wasser des Sees, mit dem wir sie verglichen, den Himmel wiederscheint. so schienen die Augen des jungen Mannes mit dein wohlklingenden Namen der Spiegel zu sein, wo sich die heitersten Gedanken der Seele reflektierten.

Das Qual seines Gesichtes war von einer Raphaelischen Reinheit, nichts störte den anmuthigen Umriß desselben, und man folgte den harmonischen Linien mit der unaussprechlichen Freude, die man beim Anblick der sanften krummen Linie empfindet, die in den ersten Tagen des Monats Mai die aufgehende Sonne am Horizont im Profit zeichnet.

Die Nase war gerade und stark, ohne zu bedeutend vorzutreten, der Mund war klein, gut meublirt und dem Anschein nach fein, denn unter dein schwarzen Schnurrbarte, der ihn beschattete, konnte man die Zeichnung unmöglich genau erschauen.

Sein eher mattes, als bleiches Gesicht war umgeben von einem schwarzen und dichten, aber nicht dicken Bart; die Scheere oder das Rasirmesser hatten gewiß nie ihren Weg hier durch gemachte es war das Milchhaar in seiner ganzen Dünne, der jungfräuliche Bart in seiner ganzen Zartheit, seiden, die Züge mildernd, statt sie hart zu machen.

Besonders ausfallend aber an diesem jungen Manne war der weiße Ton, das Matte seiner Haut; dieser Ton war in der That weder die gelbliche Blässe des Gelehrten, noch die weiße Blässe des Wüstlings, noch die bleifarbige Blässe des Verbrechers: um einen Begriff von der makellosen Blässe dieses Gesichtes zu geben, werden wir Bild und Vergleichung nur in der melancholischen und leuchtenden Blässe des Mondes. In den durchsichtigen Blumenblättern des weißen Lotus, im unbefleckten Schnee, der die Stirne des Himalaya bekränzt, finden.

Was seine Kleidung betrifft, so bestand sie aus einer Art von schwarzem Sammetualetot, den man nur an die Taille anzuschließen gebraucht hätte, um ihm das Aussehen eines Wammses aus dem fünfzehnten Jahrhundert zu geben, einer Weste und Beinkleidern von schwarzem Sammet.

Eine Mütze von demselben Stoffe saß aus seinem Kopfe. und man war ganz erstaunt, so wenig man Künstler sein mochte, daß man vergebens die Feder von einem Adler, einem Reiher oder einem Strauße suchte, welche aus dieser Mühe eine Toque gemacht hätte

Was mitten unter der Menge einen seltsam aristokratischen Charakter dieser Kleidung gab, welche ein nachlässig um den Hals geschlungenes, purpurrothes seidenes Foulard vervollständigte, war der Umstand, daß sie statt von Baumwollsammet zu sein, wie die Kleider der Leute aus dem Volke, aus Seidesammet bestand, wie die Robe einer Schauspielerin oder einer Herzogin.

Diese malerische Tracht fiel nicht nur Jean Robert und Ludovic, sondern auch Petrus auf; die Wirkung die sie auf den Letzteren hervorbrachte, war sogar so groß, daß er, nachdem er, wie gesagt, als er den Namen von Salvator nennen hörte, ausgerufen: »Das ist ein Bursche, dessen Name als gute Vorbedeutung dienen kann; wir wollen sehen, ob er seinem Namen Ehre macht,« beifügte:

»Teufel! welch ein schönes Modell für meinen Raphael bei seiner Fomarina, und wie würde ich ihm sechs Franken für die Sitzung geben, statt vier, wenn er mir stehen wollte!«

Jean Robert aber, der in seiner Eigenschaft als dramatischer Dichter überall und in Allem Theatereffecte suchte, war am meisten der ehrfurchtsvolle Empfang aufgefallen, dessen Gegenstand von Seiten der Menge dieser junge Mann gewesen, ein Empfang, der ihn an das quos ego von Neptun erinnerte. wie er unter seinem göttlichen Dreizack die erzürnten Wellen des sicilianischen Archipels ebnete.