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Karl Sand

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»Mit großem Vergnügen würde ich zu diesem Werke beitragen; Sie sehen aber, daß ich kaum französisch spreche; Sie sprechen nicht deutsch; so würde es schwer sein uns zu verstehen.« – »Das hindert nicht,« entgegnete ich; »ich habe dort in meinem Wagen oder vielmehr eine Dolmetscherin, mit der Sie, hoffe ich, sehr zufrieden sein werden; sie spricht deutsch wie Göthe, und wenn Sie einmal angefangen haben zu sprechen, so wette ich darauf, Sie sagen Alles.« – Wohlan denn, mein Herr,« antwortete der Spaziergänger. »Ich verlange nichts weiter, als Ihnen gefällig zu sein.«

Wir gingen nach dem Wagen, der uns immer noch auf der großen Straße erwartete, und ich stellte meiner Reisegefährtin die neue Erwerbung, die ich gemacht, vor. Die gewöhnlichen Begrüßungen wurden gewechselt und das Zwiegespräch begann mit dem reinsten sächsischen Dialekt. Wenn ich auch kein Wort von Dem verstand, was gesagt wurde, so konnte ich doch an der Schnelligkeit der Fragen und an der Länge der Antworten leicht sehen, daß die Unterhaltung zu den interessantesten gehörte. Endlich nach einer halben Stunde, begierig zu wissen, woran ich sei, sagte ich: »Nun?« – »Nun,« antwortete meine Dolmetscherin, »Du hast Glück gehabt,, und konntest i Dich an keinen Bessern wenden.« – »Hat der Herr Sand gekannt?« – »Der Herr ist der Aufseher des Gefängnisses, in dem er gewesen, M—g.« – »Wirklich?« – »Neun Monate, d. h. von dem Augenblick an, wo er aus dem Hospital gekommen, hat er ihn alle Tage gesehen.« – »Vortrefflich!« – »Das ist aber nicht Alles; er war mit ihm in dem Wagen, der ihn zum Tode geführt; er war mit ihm auf dem Schaffot; in ganz Mannheim ist nur ein Bildniß von Sand und das hat dieser Herr.«

Ich verschlang jedes Wort: als Alchymist des Gedankens öffnete ich meinen Schmelztiegel und fand Gold.

– »Frage doch,« erwiderte ich lebhaft, »ob der Herr erlaubt, daß wir die Nachrichten, die er mir geben kann, zu Papier bringen.«

Meine Dolmetscherin fragte von Neuem; dann, sich nach nach mir zuwendend, sagte sie: »Es ist bewilligt.«

M—g stieg mit uns in den Wagen, und statt nach Heidelberg zu reisen, fuhren wir nach Mannheim zurück und stiegen vor dem Zuchthause ab. M—g verleugnete keinen Augenblick die Gefälligkeit, die er gezeigt. Mit der größten Dienstfertigkeit, der umständlichsten Geduld, dem willfährigsten Gedächtniß kam er auf jeden Umstand zurück, indem er sich zu meiner Verfügung stellte, wie es ein Cicerone würde gethan haben; endlich, als ich Alles über Sand erschöpft, fragte ich ihn über die Art, wie die Hinrichtung vor sich gegangen.

»Was das betrifft,« so meinte er, »so kann ich Ihnen eine Empfehlung bieten an eine Person in Heidelberg, die Ihnen darüber alle Auskunft geben wird, die Sie nur wünschen.« – Ich nahm es mit Dank an und als ich nach tausend Danksagungen von M—g Abschied nahm, gab er mir den Brief offen mit. Er trug die Aufschrift:

»An Herrn Doctor Widmann in Heidelberg, große Straße Nr. 111.«

Ich wandte mich zu M—g: »Wäre das ein Verwandter des Henkers, der Sand hingerichtet?«

»Es ist sein Sohn und er war bei ihm, als der Kopf fiel.« – »Welches Gewerbe übt er denn?« – Das seines Vaters, er ist ihm gefolgt.« – »Sie nennen ihn aber Doctor?« – »Ohne Zweifel, bei uns führen die Henker diesen Titel.« – »Aber Doctor, wovon?« – »Doctor der Chirurgie.« – »Nun, bei uns,« sagte ich, »ist Alles das Gegentheil: die Chirurgen nennt man Henker.« – »Sie werden übrigens,« fügte M—g hinzu, »einen ganz trefflichen jungen Mann finden, der, wenn er auch damals sehr jung war, die Erinnerung an dieses Ereigniß treu bewahrt hat. Was seinen armen Vater anlangt, so glaube ich, daß er sich ebenso gern die rechte Hand abgehauen hatte, als Sand hingerichtet; er wollte aber nicht, daß man einen Andern dazu ausfindig mache. Daher mußte er thun, was ihm befohlen, und er that es, so gut er konnte.«

Ich dankte M—g, mit dem festen Willen, von seinem Briefe Gebrauch zu machen, und wir reisten, nach Heidelberg, wo wir Abends 11 Uhr ankamen.

Am folgenden Tage galt mein erster Besuch dem Herrn Doctor Widmann.

Nicht ohne eine gewisse Bewegung, die ich übrigens an dem Wesen meiner Reisegefährtin abgespiegelt sah, kingelten wir an der Thür des Nachrichters, wie ihn die Deutschen nennen. Eine alte Frau und ließ uns, um Herrn Widmann zu erwartete, der seinen Anzug beendigte, links von einem Gange und am Fuße einer Treppe, in ein hübsches Arbeitsstübchen eintreten. Dieses Cabinet war angefüllt mit Seltenheiten, mit Sternkorallen, Muscheln, ausgestopften Vögeln und getrockneten Pflanzen; eine doppelläufige Flinte, ein Pulverhorn und eine Jagdtasche zeigten, daß Herr Widmann ein Jäger sei.

Nach einem Augenblicke hörten wir das Geräusch seiner Schritte, und die Thier öffnete sich.

Herr Widmann war ein sehr schöner junger Mann von 30 bis 32 Jahren, mit schwarzem Backenbarte, der durch seine männlichen, charakterfesten Gesichtszüge völlig einnahm: er trug ein Morgenkleid von einem gewissen ländlichen Anstrich.

Er schien Anfangs über unsern Besuch nicht allein verlegen, sondern auch unruhig. Diese zwecklose Neugierde, deren Gegenstand er zu sein schien, war in der That auffallend. Ich beeilte mich ihm den Brief M—g’s zu geben und ihm die Ursache zu sagen, die mich herführte. Nun erholte er sich nach und nach wieder, und zeigte sich uns endlich ebenso gastfreundlich und gefällig, als es den Abend vorher Jener gewesen war, der uns an ihn empfohlen hatte.

Hierauf rief Herr Widmann sich Alles in’s Gedächtniß zurück: auch er hatte die Erinnerung an Sand treu bewahrt und erzählte uns unter Anderem, sein Vater habe auf Gefahr, sich in’s Unglück zu stürzen um Erlaubniß gebeten, ein anderes Schaffot auf seine Kosten wieder machen zu lassen, damit kein Verbrecher auf dem Altar, wo der Märtyrer gestorben sei, hingerichtet werde. Diese Erlaubniß war ihm gewährt worden, und aus dem Schaffot hatte sich Herr Widmann Thüren und Fenster zu einem kleinen Landhause mitten in einem Weinberge machen lassen. In drei oder vier Jahren war dieses Haus ein Wallfahrtsort geworden, endlich aber habe sich die Menge vermindert und heutzutage, wo ein Theil Derer, die mit ihren Taschentüchern das Blut vom Schaffot abgetrocknet, öffentliche Aemter verwalten und von der Regierung besoldet werden, verlangen hin und wieder die Fremden diese seltsamen Reliquien zu sehen. Herr Widmann gab mir einen Führer, denn nachdem ich Alles gehört, wollte ich auch Alles sehen.

Das Hans liegt eine halbe Stunde von Heidelberg, links von der Straße nach Karlsruhe und auf halben Wege nach dem Gebirge. Es ist vielleicht das einzige Denkmal dieser Art, das in der Welt existirt. Unsere Leser werden aus dieser Anekdote besser als aus Allem, was wir ihnen noch sagen könnten, beurtheilen, welch ein Mann Derjenige war, der in dem Herzen seines Wächters und seines Henkers eine solche Erinnerung zurückgelassen hat.

– E n d e -