Loe raamatut: «La San Felice Band 8»
Achter Theil
Erstes Capitel.
Erster Tag
Kaum hatte Championnet auf der Straße von Maddalone nach Aversa eine Viertelmeile zurückgelegt, als er einen Reiter in gestrecktem Galopp auf sich zukommen sah.
Es war der Fürst von Maliterno, welches seinerseits vor der Wuth der Lazzaroni floh.
Kaum hatten diese auf dem Castell Sam Elmo die dreifarbige Fahne wehen sehen, als der Ruf: »Zu den Waffen!« die ganze Stadt durchhalte, und von Portici bis nach Pozzuolo Alles, was im Stande war, eine Flinte, eine Pike, einem Knüppel, ein Messer zu tragen, vom fünfzehnjährigen Knaben an bis zum siebzigjährigen Greis, nach der Stadt stürzte und »Tod den Franzosen!« schrie oder vielmehr heulte.
Hunderttausend Mann entsprachen dem Aufrufe der Priester und Mönche, welche eine weiße Fahne in der einen und ein Crucifix in der andern Hand an den Kirchthüren und auf den Ecksteinen der Straßen predigten.
Diese wirksamen Predigten steigerten den Muth der Lazzaroni gegen die Franzosen und die Jakobiner auf den höchsten Gipfel. Jeder an einem Jakobiner oder an einem Franzosen begangene Mord war eine verdienstliche That, jeder fallende Lazzarone ein Märtyrer.
Seit fünf oder sechs Tagen befand sich diese halbwilde Bevölkerung, die man sich in Blut, Plünderung und Brand berauschen ließ, in jenem Stadium des Wahnsinns, wo der in ein Vernichtungswerkzeug umgewandelte Mensch an weiter nichts mehr denkt, als zu tödten und darüber sogar den Instinkt der Selbsterhaltung vergißt.
Als die Lazzaroni aber erfuhren, daß die Franzosen gleichzeitig über Capodichino und Poggioreale vorrückten, daß man schon die Spitze der beiden Kolonnen sehen könne, während eine Staubwolke verrieth, daß die dritte Kolonne die Stadt umging und durch die Moräste und auf der Via del Pascone gegen die Magdalenenbrücke vorrückte, war es, als ob ein elektrischer Schlag mit einem Male diese Menge wie einen Wirbelwind nach den bedrohten Punkten triebe.
Die die Straße von Aversa verfolgende französische Kolonne war von dem General Dufresse commandiert, der Macdonald ersetzte, welcher, in Folge eines Wortwechsels, den er in Capua mit Championnet gehabt, seine Demission gegeben und gleich einem noch von Schaum bedeckten Schlachtroß dieses Trompetengeschmetter und diesen Trommelwirbel hörte, während er selbst zur Ruhe verurtheilt war. Unter General Dufresses Befehlen stand Hector Caraffa, welcher als der Coriolan der Freiheit im Namen der großen Göttin kam, um Krieg gegen den Despotismus zu führen.
Die Kolonne, welche über Capodichino vorrückte, war von Kellermann commandiert, unter dessen Befehlen der General Rusca stand, welchen der Verfasser dieses Buches im Jahre 1814 bei der Belagerung von Soissons fallen sah. Eine Kanonenkugel riß ihm den Kopf ab.
Die über Poggioreale vorrückende Kolonne stand unter dem Commando des Obergenerals selbst, der die Generäle Duhesme und Monnier unter sich hatte.
Die endlich, welche durch die Moräste und die Via del Pascone die Stadt umging, ward von dem General Matthieu Maurice und dem Brigadechef Broussier geführt.
Die auf ihrem Marsche am weitesten vorgerrückte Kolonne war die Championnets, weil sie den schönsten Weg hatte. Sie stützte sich rechts auf die Straße von Capodichino, auf welcher, wie wir eben gesagt, Kellermann marschierte und links auf die Moräste, in welchen Matthieu Maurice manövrierte, der noch an einer Wunde litt, welche ihm eine Kugel Frau Diavolos in der Seite beigebracht.
Duhesme, der ebenfalls noch an zwei Wunden litt und sehr bleich war, bei dem aber das kriegerische Feuer das verlorene Blut ersetzte, commandierte Championnets Avantgarde. Er hatte Befehl, Alles niederzuwerfen, was sich ihm entgegenstellen würde, und er war ganz der Mann zu jenen kräftigen Handstreichen, zu welchen es vor allen Dingen Entschlossenheit und Muth bedarf.
Eine Viertelmeile vor der Porta Capuana stieß er auf eine Masse von fünf- bis sechstausend Lazzaroni. Dieselben schleppten eine Batterie Geschütze mit, welche von den Soldaten des Generals Naselli, die sich ihnen angeschlossen, bedient wurde.
Duhesme schleuderte Monnier und seine sechshundert Mann auf diesen Haufen, mit dem Befehl, sich mit dem Bajonnet den Weg hindurchzubahnen und sich der Geschütze zu bemächtigen, die auf einer kleinen Anhöhe aufgepflanzt waren und über die Köpfe der Lazzaroni hinweg die französische Kolonne niederkartätschten.
Regelmäßigen Truppen gegenüber wäre ein solcher Befehl Unsinn gewesen. Der auf diese Weise angegriffene Feind hätte weiter nichts zu thun gebraucht, als seine Reihen zu öffnen und von beiden Seiten zu feuern, um seine sechshundert Angreifer in einem Augenblick zu vernichten. Den Lazzaroni aber erzeigte Duhesme nicht die Ehre, mit ihnen zu rechnen.
Monnier rückte mit gefälltem Bajonnet vor, drang, ohne sich durch Flintenschüsse, Pistolenschüsse und Dolchstiche abhalten zu lassen, in die Mitte dieser Flut, verschwand darin, stieß Alles nieder, was er erreichen konnte, und wälzte sich mitten unter Geschrei, Geheul und Verwünschungen hindurch, wie ein Strom einen See durchschneidet, während Duhesme an der Spitze seiner Leute und unter dem Feuer der Batterie im Sturmschritt und mit gefälltem Bajonnet kaltblütig den von dem Feinde besetzten Hügel erstieg, die sämtlichen Artilleristen, welche Widerstand zu leisten versuchten, an ihren Geschützen niedermachte, diese tiefer richten ließ und nun auf die Lazzaroni mit ihren eigenen Kanonen feuerte.
Gleichzeitig ließ er, die Unordnung benutzend, welche durch diese Salve unter den Lazzaroni bewirkt ward, zum Angriff blasen und stürzte sich mit dem Bajonnet auf sie.
Nicht im Stande, sich in Angriffskolonnen, um die Batterie wiederzunehmen, oder in Carrés, um Duhesmes Angriff auszuhalten, zu formieren, zerstreuten sich die Lazzaroni über die Ebene wie eine Schaar gescheuchter Vögel.
Ohne sich dann weiter um diese sechs- oder achttausend Mann zu kümmern, marschierte Duhesme dann, die eroberten Kanonen mitnehmend, gegen die Porta Capuana.
Hundert Schritte von dem unregelmäßigen Platz vor der Porta Capuana stieß Duhesme jedoch am Fuße der Anhöhe von Casamuova auf eine kleine Brücke und zu beiden Seiten dieser kleinen Brücke auf mit Schießscharten versehene Häuser, aus welchen ein so gut gezieltes Feuer unterhalten ward, daß die Soldaten zögerten.
Monnier sah dieses Zögern, eilte, seinen Hut auf der Säbelspitze emporhaltend, voran, hatte aber kaum zehn Schritte zurückgelegt, als er gefährlich verwundet niederstürzte.
Seine Officiere und Soldaten eilten herbei, um ihn aufzurichten und von dem Kampfplatz hinweg zu führen, die Lazzaroni aber gaben Feuer auf diesen dichtgedrängten Trupp. Drei oder vier Officiere und acht oder zehn Soldaten fielen auf ihren verwundeten General, die Reihen geriethen in Unordnung und die Avantgarde wich zurück.
Die Lazzaroni stürzten sich sofort auf die Todten und die Verwundeten – auf die Verwundeten, um ihnen vollends den Garaus zu machen, auf die Todten, um sie zu verstümmeln.
Duhesme sah diese Bewegung, rief seinen Adjutanten Ordonneau, befahl ihm, zwei Compagnien Grenadiere zu nehmen und den Uebergang über die Brücke um jeden Preis zu forcieren.
Es waren die alten Soldaten von Montebello und von Rivoldi. Sie hatten mit Augereau die Brücke von Arcole, mit Bonaparte die Brücke von Rivoli forciert.
Sie fällten das Bajonnet und trieben im Sturmschritt durch einen Kugelregen hindurch die Lazzaroni vor sich her und drangen bis auf den Gipfel der Anhöhe.
Der General, die verwundeten Soldaten und Officiere waren gerettet, sahen sich nun aber in einem Kreuzfeuer, welches aus allen Fenstern und von allen Terrassen kam, während in der Mitte der Straße gleich einem Thurm ein Haus von drei Etagen emporragte, welches vom Erdgeschoß bis zum First hinauf Flammen spie.
Zu beiden Seiten dieses Hauses waren Barrikaden errichtet, die bis zur ersten Etage hinaufreichten und die Straße sperrten.
Dreitausend Lazzaroni vertheidigten die Straße, das Haus, die Barrikaden. Fünf- oder sechstausend, die über die Ebene zerstreut waren, schlossen sich, durch Seitengäßchen und Gartenöffnungen kommend, ihren Cameraden an.
Ordonneau sah sich der Position gegenüber und hielt sie für uneinnehmbar. Dennoch zögerte er zum Rückzug zu commandieren, als er plötzlich von einer Kugel getroffen ward und niederstürzte.
Es dauerte nicht lange, so kam Duhesme mit den Kanonen, welche er den Lazzaroni unter dem Feuer der Tirailleurs abgenommen.
Man pflanzte sie auf und bei der dritten Salve schwankte das Haus einen Augenblick, stürzte dann mit furchtbarem Gekrach zusammen und zerschmetterte in seinem Sturz sowohl die, welche sich darin befanden, als die Vertheidiger der Barrikaden.
Nun drang Duhesme mit gefälltem Bajonnet vor und pflanzte unter dem Rufe: »Es lebe die Republik« die dreifarbige Fahne auf den Trümmern des Hauses auf.
Während dieser Zeit aber hatten die Lazzaroni eine riesige Batterie von zwölf Geschützen auf einer Höhe errrichtet, welche den Steinhaufen, auf welchem die Fahne flatterte, bedeutend überragte, und es dauerte nicht lange, so sahen die im Besitz der beiden Barrikaden und der Trümmer des Hauses befindlichen Republikaner sich einem furchtbaren Kartätschenhagel preisgegeben.
Duhesme ließ seine Kolonne hinter den Trümmern und den Barrikaden Posto fassen, befahl dem 25. Regimente reitender Jäger, etwa dreißig Artilleristen hinter sich auf den Sattel zu nehmen, den Hügel, auf welchem die zwölf Geschütze aufgepflanzt standen, zu umreiten und einen Angriff im Rücken zu machen.
Ehe noch die Lazzaroni sich über die Absicht der Chaffeurs klar waren, führten diese quer durch die Ebene und ohne sich an die Musketenschüsse, die man von der Straße aus auf sie abfeuerte, zu kehren, ihren Halbcirkel aus, stießen dann plötzlich ihren Pferden die Sporen in die Flanken, und sprengten im Galopp die Anhöhe hinauf.
Beim Getöse dieses Orcans von welchem der Boden erzitterte, verließen die Lazzaroni ihre halbgeladenen Kanonen.
Die auf der Höhe des Hügels angelangten Artilleristen sprangen von den Pferden und machten sich an die Arbeit und die gleich einer Lawine den entgegengesetzten Abhang hinunterstürzenden Chaffeurs begannen die Verfolgung der Lazzaroni, welche sich über die Ebene zerstreuten.
Seiner Angreifer nun ledig, befahl Duhesme den Sapeurs, einen Weg durch die Barrikade zu bahnen und die Kanonen vor sich herschiebend, rückte er, die Straße reinfegend, vor, während von der Höhe des Hügels die republikanischen Artilleristen auf jede Gruppe, die sich zu formieren versuchte, Feuer gaben.
In diesem Augenblick hörte Duhesme hinter sich den Sturmmarsch schlagen. Er drehte sich um und sah die 64. und 73. Halbbrigade Linientruppen, welche, von Thiébaut geführt, unter dem Ruf: »Es lebe die Republik!« im Sturmschritt heranrückte.
Championnet, der die furchtbare Kanonade hörte und an der Zahl und Unregelmäßigkeit der Flintenschüsse erkannte, daß Duhesme es mit Tausenden von Feinden zu thun hatte, hatte sein Pferd in Galopp gesetzt und Thiébaut befohlen, ihn so schnell als möglich zu folgen und Duhesme zu unterstützen.
Thiébaut hatte sich dies nicht zweimal sagen lassen und war nun da.
Er rückte über die Brücke, über die in den Gassen liegenden Todten hinweg, durch die Öffnungen der Barrikaen, und langte in dem Augenblick an, wo Duhesme, Meister des Schlachtfeldes, seine erschöpften Soldaten Halt machen ließ.
Hundert Schritte vor den ersten Soldaten Duhesmes ragte die Porta Capuana mit ihren Thürmen empor und zwei eine kleine Vorstadt bildende Reihe Häuser kamen, so zu sagen, den Republikanern entgegen.
Plötzlich und in dem Augenblick, wo diese es am wenigsten erwarteten, krachte eine furchtbare Salve von den Terrassen und aus den Fenstern dieser Häuser, während von der Plattform der Porta Capuana zwei kleine hinaufgetragene Kanonen ihren Kartätschenhagel spieen.
»Ha,« rief Thiébaut, »ich fürchtete schon, zu spät zu kommen. Vorwärts, meine Freunde!«
Die von einem der tapfersten Officiere der Armee geführten frischen Truppen drangen trotz des Kreuzfeuers in die Vorstadt ein. Anstatt in der Mitte der Straße zu marschiren, bewegte sich die rechte Seite der Kolonne dicht an den Häusern hin und feuerte auf die links gelegenen Fenster und Terrassen, und die linke Seite that dasselbe auf die rechts gelegenen, während die mit ihren Aexten bewaffneten Sapeurs die Thüren der Häuser einschlugen.
Die mittlerweile hinreichend ausgeruhten Truppen Duhesme's begriffen das von Thiébaut angeordnete Manöver, drangen in die von den Sapeurs geöffneten Häuser, begannen mit den Lazzaronis einen Kampf, Mann gegen Mann, und trieben sie die Treppen hinauf, aus dem Erdgeschoß in das erste Stockwerk, aus dem ersten in das zweite, aus dem zweiten auf das platte Dach oder die Terrasse des Hauses.
Hoch in der Luft sah man dann Lazzaroni und Republikaner in blutigem Kampf.
Die Terrassen bedeckten sich mit Feuer und Rauch, während die Fliehenden, welche nicht Zeit hatten, die Terrassen zu gewinnen und nach dem, was ihre Priester und Mönche ihnen gesagt, glaubten, daß sie von den Franzosen keinen Pardon zu erwarten hätten, zu den Fenstern hinaussprangen, auf dem Pflaster die Beine brachen oder in die Spitzen der Bajonnette stürzten.
Auf diese Weise wurden sämtliche Häuser der Vorstadt genommen und geräumt.
Dann aber, da mittlerweile der Abend eingebrochen, und es nun zu spät war, um die Porta Capmana anzugreifen, während man zugleich irgend eine Ueberrumplung fürchtete, erhielten die Sapeurs Befehl, die Häuser anzuzünden, und Championnet's Corps nahm Stellung vor dem Thore, welches es den nächstfolgenden Tag angreifen sollte und von dem es bald durch einen doppelten Flammenvorhang getrennt war.
Während dies Alles geschah, langte Championnet selbst an, umarmte Duhesme und sagte zu Thiébaut, um ihn für die ausgeführte prächtige Angriffsbewegung zu belohnen:
»Angesichts der Porta Capuana, welche Du morgen nehmen wirst, ernenne ich Dich zum Generaladjutanten.«
»Wohlan,« sagte Duhesme, entzückt über diese Belohmng, die ihm durch einen tapferen Officier gewährt ward, vor welchem er die größte Achtung hegte, »das nenne ich zu einem schönen Grad, und zwar durch ein schönes Thor gelangen.«
Zweites Capitel.
Die Nacht
Auf sämtlichen drei Punkten, wo die Franzosen den Angriff auf Neapel eröffnet, hat man sich mit derselben Erbitterung geschlagen. Von allen Seiten treffen die Adjutanten in dem Hauptquartiere der Porta Capuana ein und finden den Bivouac des Generals zwischen der Via del Vasto und der Arenaccia hinter der Doppelreihe der brennenden Häuser.
Der General Dufresse ist zwischen Aversa und Neapel an einem Punkte, wo der Weg sich verengt, auf ein Corps von zehn- oder zwölftausend Mann Lazzaroni mit sechs Stücken Geschütz gestoßen.
Die Lazzaroni standen am Fuße einer Anhöhe, die Geschütze auf dem Gipfel derselben. Duhesmes Husaren haben fünf Angriffe auf den Haufen gemacht, ohne ihn sprengen zu können. Die Lazzaroni waren so zahlreich und standen so dicht beisammen, daß die Todten, von den Lebenden gehalten, aufrecht stehen blieben.
Es hat mit dem Bajonnet angreifender Grenadiere bedurft, um endlich eine Bresche in diese Menschenmauer zu machen.
Vier von dem General Eblé commandierte leichte Geschütze haben drei Stunden lang auf die Lazzaroni kartätscht und diese haben sich endlich auf die Höhen von Capodimonte geflüchtet, wo Dufresse sie morgen angreifen wird.
Gegen das Ende des Kampfes hat sich ein von Schipani und Manthonnet geführtes Corps Patrioten den Reihen des General Dufresse angeschlossen.
Sie melden, daß Nicolino sich des Castells San Elmo bemächtigt hat. Er hat aber nur dreißig Mann und wird von Tausenden von Lazzaronis blockiert, welche Faschinen aufthürmen und die Thore in Brand stecken, und Leitern herbeischleppen, um die Mauern zu ersteigen. Sie haben sich des am Fuße der Wälle des Castells liegenden Klosters San Martino bemächtigt, oder vielmehr, die Mönche haben sie herbeigerufen und ihnen die Thür geöffnet.
Von den Terrassen des Klosters aus feuern sie gegen das Castell.
Wenn Nicolino nicht noch in der Nacht Beistand erhält, so wird das Castell San Elmo bei Tagesanbruch unrettbar genommen.
Dreihundert Mann werden sich, von Hector Caraffa und den Patrioten geführt, während der Nacht einen Weg bis an die Thore des Castells bahnen; zweihundert davon werden die Garnison verstärken und hundert den Lazzaroni das Kloster San Martino wieder abnehmen.
Kellermann hat sich nach einem erbitterten Kampfe der Höhen von Capodichino bemächtigt, aber über den Campo Santo hinaus hat er noch nicht vorzudringen vermocht.
Er hat die Bäckereien, die Kirchen, die Villa's, welche alle den heldenmüthigsten Widerstand geleistet, nur eine nach der andern mit dem Bajonnet nehmen können.
Die Cavallerie, welche seine Hauptstärke ausmacht, ist ihm unter dieser Menge Hügel, welche das Terrain bedecken, von keinem Nutzen gewesen.
Von seinem Bivouac aus sieht er die lange mit Lazzaroni bedeckte Straße von Foria sich hinziehen. Das umfangreiche Gebäude des Armenhospitals schützt sie. An jedem Fenster desselben sieht man ein Licht. Den nächstfolgenden Tag werden alle diese Fenster Kugeln speien.
Auf der Strada Giovanella ist eine Batterie aufgepflanzt, auf dem Largo delle Pigne liegt ein Bivouac, der großentheils aus Soldaten von der königlichen Armee besteht. Zwei Geschütze vertheidigen den Aufgang des Museo Borbonico, welches auf die große Toledostraße geht.
Mit Hilfe eines Fernrohrs sieht Kellermann die Anführer, welche die Straßen durchreiten und ihre Leute ermuthigen. Einer dieser Anführer trägt die Kapuzinerkutte und reitet auf einem Esel.
Matthieu Maurice und der Brigadechef Broussier haben sich der Moräste bemächtigt.
Freilich haben diese, von einem Netz von Gräben durchschnittenen Moräste nur mit bedeutenden Verlusten genommen werden können, weil die Lazzaroni durch die Unebenheiten des Terrains geschützt werden und die Republikaner ohne Deckung angreifen müssen.
Sie sind bis Granili gedrungen, welches man zu bewachen vergessen, und haben die Straße von Portici abgeschnitten.
Broussier lagert an der Marinella, Matthieu Maurice, der am linken Arm leicht verwundet ist, an der Mühle dell' Inferno.
Den nächstfolgenden Tag werden sie bereit sein, die Magdalenenbrücke anzugreifen, welche von dem Glanz der vor der Bildsäule des heiligen Januarius brennenden Kerzen strahlt.
Von den Fenstern der Granili aus sieht man ganz Neapel von der Marinella bis zur Höhe des Molo. Die Stadt wimmelt von Lazzaroni, die sich zur Vertheidigung rüsten.
Championnet hörte diesen letzten Rapport, als plötzlich sich hinter ihm lautes Geschrei erhebt und in einem ungeheuren Halbkreise, von welchem das eine Ende die Straße von Capma und das andere die Arenaccia berührt, eine Salve kracht.
Die Kugeln jagen die Asche des Feuers empor, an welchem der Obergeneral sich wärmt.
In einem Augenblicke sind Championnet und Duhesme, Monnier und Thiébaut auf den Füßen.
Die dreitausend Mann, aus welchen das Armeekorps des Obergenerals besteht, bilden ein Quarré und erwidern das Feuer der Angreifer, die sie noch nicht kennen.
Es sind dies die Insurgenten sämtlicher Dörfer, welche die Franzosen während des Tages durchzogen haben.
Sie haben sich gesammelt, und greifen ihrerseits an. Sie haben die Dunkelheit benützt, und ihre erste Salve beinahe aus nächster Nähe abgefeuert.
Die Menge der Flintenschüsse verräth, daß man es mit einem Corps von wenigstens vier- bis fünftausend Mann zu thun hat.
Mitten unter dem Knattern des Kleingewehrfeuers aber und über das Geschrei und Geheul der Lazzaroni hinweg hört man jenseits der drohenden Linie Trommelwirbel und Trompetengeschmetter, und dann ein bewunderungswürdig unterhaltenes Pelotonfeuer, welches das Anrücken einer regulären Truppe verräth.
Die Lazzaroni, welche zu überrumpeln glaubten, wurden selbst überrumpelt.
Woher kommt dieser Beistand, der eben so unerwartet ist als der Angriff?
Championnet und Duhesme sehen einander an, und fragen sich vergebens.
Der Trommelwirbel und die Fanfaren kommen näher und der Ruf: »Es lebe die Republik!« wird durch denselben Ruf beanwortet.
Der Obergeneral ruft:
»Soldaten! Es ist Salvato und Villeneuve, welche von Benevento kommen. Werfen wir uns auf dieses ganze Gesindel, welches – ich stehe Euch dafür – nicht wagen wird, uns zu erwarten.«
Duhesme und Monnier formieren ihre Quarrés in Angriffskolonnen, die Chasseurs steigen zu Pferde, Alles setzt sich in unaufhaltsame Bewegung.
Die Reihen der Lazzaroni werden von Salvatos Hußaren und Thiébaut's Chaffeurs durch Duhesme's und Monniers Bajonnette durchbrochen und auf einem Hügel von Todten umarmen sich die beiden Trupps unter dem Rufe: »Es lebe die Republik!«
Championnet und Salvato wechselten einige rasche Worte. Salvato ist, wie immer, gerade im rechten Augenblicke gekommen, und hat seine Gegenwart durch einen Donnerschlag geoffenbart.
»Er wird mit seinen sechshundert Mann nun Matthieu Maurice und Broussier verstärken.
Wenn die Wunde des Ersteren schwerer ist, als man glaubt, oder wenn dieser General, der so häufig getroffen wird, weil er stets voran ist, eine neue Wunde empfängt, so wird Salvato das Commando übernehmen.
Er soll dem General Matthieu Maurice den Befehl überbringen, mit Tagesanbruch die Magdalenenbrücke anzugreifen.
Diese Brücke wird durch die mit Schießscharten versehenen Häuser der Marine und des Fleckens San Loretto vertheidigt; von hinten wird sie durch das Castell del Carmine gedeckt, welches durch sechs Stück Geschütz, durch ein Bataillon Albanesen und durch Tausende von Lazzaroni vertheidigt wird, zu welchen sich etwa tausend Mann von Livorno zurückgekehrte Soldaten gesellt haben.
Gegen drei Uhr Morgens weckte man Championnet, der, in seinen Mantel gehüllt, schlief.
Ein Adjutant Kellermanns hatte ihm Nachrichten von der Expedition gegen das Castell San Elmo gebracht.
Hector Caraffa hatte sich, die Dunkelheit benutzend, durch jene Menge von Hügeln hindurchgeschlichen, welche Capodimonte mit Sam Elmo verbinden.
Abgesehen von der Schwierigkeit des außerordentlich unebenen Terrains, hatte er während des vierstündigen Marsches einen oft ungleichen, aber stets mörderischen, ununterbrochenen Kampf auszuhalten gehabt und nicht weniger als fünf Meilen fortwährender Hinterhalte und überdies ein Quartier des insurgirten Neapels passiren müssen.
Unter das Feuer von San Elmo angelangt, welches ihn so gut als möglich unterstützte, indem es blinde Kanonenschüsse löste, weil man fürchten mußte, daß die Kugeln ihr Ziel verfehlen und, anstatt Feinde, die Freunde treffen würden, hatte Hector Caraffa, anstatt seine Leute in zwei Schaaren zu theilen, seine ganze Streitmacht zusammengenommen, und in dem Augenblick, wo man glaubte, er werde das Castell San Elmo angreifen, sich auf das Karthäuserkloster San Martino geworfen.
Die Lazzaroni, welche einen Angriff nicht erwarteteten, versuchten sich zu vertheidigen, aber vergebens.
Die Patrioten, welche den Franzosen zeigen wollten, daß sie an Muth Niemandem nachstünden, eilten der Kolonne voran und drangen unter dem Ruf: »Es lebe die Republik!« zuerst ein.
In weniger als zehn Minuten waren die Lazzaroni aus dem Kloster hinausgetrieben und die Thore hinter den Franzosen wieder geschlossen.
Hundert Mann blieben verabredetermaßen in der Karthause. Die andern zweihundert stiegen mittelst der Rampe del Petrio nach dem Fort hinauf, dessen Thore ihnen nicht blos als Bundesgenossen, sondern auch als Befreiern geöffnet wurden.
Nicolino ließ Championnet bitten, ihm die Ehre zu gestatten, den nächstfolgenden Tag das Signal zum Kampfe dadurch zu geben, daß er beim ersten Strahl der aufgehenden Sonne einen Kanonenschuß abfeuern ließe.
Diese Ehre ward ihm bewilligt und der General schickte seinen Adjutanten zu allen Corpsanführern, um ihnen zu sagen, daß das Angriffssignal ein Kanonenschuß sein würde, welchen die neapolitanischen Patrioten von der Höhe des Castells San Elmo abfeuerten.