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Loe raamatut: «Ritter von Harmental»

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Erster Teil

I.
Der Capitain Roquefinette

Es war am 22-sten März im Jahr der Gnade 1718, in der Fastenzeit, als ein junger Herr von stolzem Ansehen, ungefähr 25 bis 26 Jahr alt, der ein schönes spanisches Roß ritt, sich gegen acht Uhr Morgens an dem letzten Ende des Pont-Neuf zeigte, der zu dem Quais de l’école führt. Er saß so fest und unbeweglich in seinem Sattel, daß es schien, als sey er dort als Schildwache aufgestellt durch den General-Lieutenant der Polizei des Königreichs, den Herrn Voyer d’Argenson.

Nach einem halbstündigen Harren, und nachdem er mit ungeduldigen Blicken oftmals die Uhr de la Samaritaine befragt hatte, schien sein bisher umherschweifendes Auge, endlich mit Zufriedenheit auf einem Individuum zu weilen, das von dem Platz Dauphine kam, sich ein wenig rechts wandte und sich alsdann ihm näherte.

Derjenige, der auf diese Weise die Ehre hatte, die Aufmerksamkeit des jungen Cavaliers auf sich zu ziehen, war ein hochgewachsener wohlbeleibter Mann, der statt einer Perücke einen wahren Wald von schwarzem, mit etwas Grau untermischtem Haar auf seinem Kopfe trug; er war halb bürgerlich, halb militairisch gekleidet, und auf seiner Schulter zeigte sich ein Epaulett, das ursprünglich dunkelroth gewesen, durch Regen und Sonne aber zu Orange verblichen, war. Er war mit einem langen Degen bewaffnet, welcher ihn unablässig gegen die starken Lenden, schlug; sein Haupt war mit einem Hute bedeckt, den vormals goldene Tressen und eine Feder geschmückt hatten, den sein Herr aber jetzt, vermuthlich aus Respekt wegen seines früheren Glanzes, so ganz auf das linke Ohr gedrückt trug, daß der Hut in dieser Stellung nur durch ein Wunder das Gleichgewicht behaupten konnte. In der Gestalt, dem Gange, der Haltung, kurz in dem ganzen Wesen dieses Mannes, welcher ungefähr fünfundvierzig Jahre alt zu seyn schien, mitten auf der Straße daherschritt, und indem er sich mit der einen Hand den Schnauzbart strich, mit der andern dem ihm entgegenkommenden Wagen ein Zeichen gab, ihm auszuweichen, lag übrigens so viel prahlerische Unverschämtheit, daß, wer ihn sah, sich des Lächelns nicht enthalten konnte.

Der oben erwähnte junge Cavalier näherte sich ihm jetzt, augenscheinlich in der Absicht, ihn anzureden; worauf der Daherschreitende, obgleich er jenen durchaus nicht kannte, vor der Kirche de la samaritaine seine Schritte hemmte, den einen Fuß vorsetzte, mit der einen Hand den Schnauzbart strich, die andere an den Griff eines Degens legte, und dergestalt erwartete, was derjenige, der sich ihm näherte, ihm mitzutheilen habe.

Wie es der Mann mit dem orangefarbenen Epaulett vorhergesehen hatte, hielt auch wirklich der junge Reiter sein Pferd vor ihm an, er legte die Hand an seinen Hut und sprach: »Mein Herr, nach Ihrem Wesen zu urtheilen, halte ich Sie für einen Cavalier, sollte ich mich geirrt haben?«

»Keineswegs, wie in Herr, das will ich meinen, entgegnete der auf diese seltsame Weise Angeredete, indem er gleichfalls eine Hand zu seinem alten Filze führte. »Es freut mich übrigens, daß mein ganzes Wesen meinem Range entspricht, denn wenn Sie geben wollen was mir zukommt, so nennen Sie mich Capitain

»Höchst erfreuet, in Ihnen einen Militair kennen zu lernen, mein Herr Capitain,« entgegnete der junge Reiter, indem er sich neuerdings verbeugte, »das giebt mir um so mehr die gewisse Ueberzeugung, daß Sie einen Cavalier nicht in der Verlegenheit lassen werden.«

»Ganz gewiß nicht,wenn anders dieser Cavalier nicht die Absicht hat, meine Börse in Anspruch zu nehmen, denn ich will Ihnen mit der größten Freimüthigkeit eingestehen, daß ich soeben meinen letzten Thaler in einem Weinhause verzehrte.«

»Es betrifft keineswegs. Ihre Börse, Herr Capitain, im Gegentheil, die meinige steht zu Ihren Diensten.«

»Mit wem habe ich die Ehre zu reden, und was wünschen Sie von mir,« entgegnete der Mann mit dem orange Bande, sichtlich sehr zufrieden mit der einladenden Rede des jungen Reiters.

»Ich bin der Baron René de Valef,« antwortete der Befragte.

»Verzeihen Sie Herr Baron, entgegnete der Capitain, »aber ich glaube, während der Kriege in Flandern, eine Familie dieses Namens gekannt zu haben.«

»Ganz recht mein Herr, es war die meinige, ich stamme ursprünglich aus Lüttich. – Erfahren Sie jetzt, daß der Chevalier Raoul d’Harmental, einer meiner Freunde, in dieser Nacht gemeinschaftlich mit mir, in einen Streit verwickelt wurde, der an diesem Morgen durch einen Zweikampf geschlichtet werden soll; unsere Gegner waren ihrer drei, wir waren nur unserer zwei. Ich begab mich daher diesen Morgen zu dem Marquis de Gace und zu dem Grafen du Surgis, Beide aber waren leider die Nacht nicht zu Hause gewesen. Da sich nun aber die nicht aufschieben läßt, zumal da ich in drei Stunden nach Spanien abreisen muß, und uns der dritte Mann fehlt, so habe ich mich hier auf den Pont-Neuf gestellt, in der Absicht, den ersten Cavalier der sich mir zeigen würde, um diesen Ritterdienst zu ersuchen. Sie kamen und ich wandte mich an Sie.«

»Und Sie haben wohl daran gethan, auf meine Ehre! Schlagen Sie ein, Baron, ich bin Ihr Mann. Um welche Zeit soll das Duell stattfinden?«

»Um neun ein halb Uhr diesen Morgen. »Und wo soll die Sache vor sich gehen?«

»Vor dem Thore Maillot.«

»Teufel, da haben wir keine Zeit zu verlieren! Sie aber sind zu Pferde, ich bin zu Fuß, wie wird sich das arrangieren?

»Es giebt ein Mittel, Capitain!

»Und welches?«

»Sie müßten mir die Ehre erzeigen und hinter mir aufsitzen.«

»Mit Vergnügen, Herr Baron!«

»Ich benachrichtige Sie aber, fügte der junge Reiter mit einem kleinen Lächeln hinzu, daß mein Pferd etwas lebhaft ist.«

»Ey, das habe ich schon bemerkt, entgegnete der Capitain, indem er einen Schritt zurücktrat und das schöne Thier mit einem Kennerblick musterte. »Wenn ich mich nicht sehr irre, so ward dieses Thier zwischen den Bergen von Granada und der Sierra Morena geworfen. Ich ritt ein ähnliches bei Almanza, und zähmte es, wenn es mit mir Reißaus nehmen wollte, oftmals wie ein Lamm und das einzig und allein mit der Kraft meiner Kniee.«

»Sie haben mich völlig beruhigt, zu Pferde also, Capitain!«

»Ich sitze schon, Herr Baron!« und ohne sich des Steigbügels zu bedienen, den ihm der junge Cavalier überließ, schwang sich der Capitain hinter ihn hinauf auf das Thier.

Der Baron hatte die Wahrheit gesprochen. Sein Pferd war an keine so schwere Last gewöhnt, auch versuchte es anfangs, dieselbe von sich abzuschütteln; der Capitain hatte aber gleichfalls nicht gelogen, und bald merkte das muthige Thier, daß gewandte Reiter es beherrschten, so daß es nach zwei vergeblichen Sprüngen nachgab, sich zum Gehorsam entschloß und mit den beiden Cavaliren ruhig über den Quais de l’école, den Quais de Louvre und den Quais der Tuilerien dahin trabte, das Thor de la Conference passierte, und den nach Versailles führenden Weg links liegen ließ. Bei der Brücke d’Antin angelangt, hielt der Baron von Valef die Zügel seines Pferdes ein Wenig an, denn er sah, daß er noch volle Zeit hatte, das Thor Maillot zu der bestimmten Stunde zu erreichen. Der Capitain benutzte diesen Augenblick, um sich an seinen jungen Begleiter zu wenden.

»Darf ich, mein Herr Baron, sprach er, »Sie ohne unbescheiden zu erscheinen, befragen: um welcher Ursache willen wir uns schlagen sollen? Sie begreifen, daß ich davon unterrichtet seyn muß, um darnach mein Benehmen gegen meinen Gegner einzurichten, und um zu wissen, ob es auch der Mühe werth ist, daß ich ihn in die andere Welt expedire.«

»Das ist nicht mehr als billig, Capitain,« versetzte der Baron; »Hören Sie, wie sich alles zugetragen. Wir speisten gestern zu Nacht, bei der Fillon. Sie kennen ohne Zweifel die Fillon Capitain?«

»Was sollt’ ich nicht? ich war es, der ihr im Jahr 1705 Berühmtheit verschaffte, bevor ich den Feldzug in Italien mitmachte.«

»Wolan, lächelte der Baron, »Sie macht Ihnen alle Ehre. Wir speisten also, wie gesagt, gestern bei ihr zur Nacht, wir beide, der Chevalier d’Harmental und ich –«

»Ohne irgend jemand vom schönen Geschlecht?« ragte der Capitain.

Allerdings! Sie müssen wissen, Harmental ist eine Art Trappist. Er besucht die Fillon nur aus Besorgniß, daß man glaube er gehe nicht dort hin, er liebt stets nur eine zur Zeit und ist jetzt bis über die Ohren in die kleine Averne verliebt, die Frau des Gardelieutenants.«

»Schön, schön! und weiter?«

»Wir schwatzten also dort von unsern Angelegenheiten, als plötzlich eine lustige Gesellschaft in das Cabinet trat, welches an das unsere gränzte, Da das was wir uns mitzuheilen hatten, niemand anders etwas anging, schwiegen wir, und hörten so ohne daß wir es wollten, das Gespräch unserer Nachbaren. Nun erstaunen Sie über den seltsamen Zufall: unsere Nachbarn sprachen gerade von dem einzigen Gegenstande, den wir gerade nicht hätten hören sollen.«

»War es vielleicht von der Geliebten des Chevaliers?«

»Sie haben es errathen. Bei den ersten Worten ihres Gesprächs stand ich auf, um meinen Freund fortzuführen, statt aber mir zu folgen, legte er mir die Hand auf die Schulter und drückte mich wieder nieder auf meinen Sessel. »Philipp liebt also die kleine Averne?« fragte eine Stimme. »Seit dem Feste bei der Marschallin d’Estree, antwortete eine andere, »dort reichte sie ihm, als Venus verkleidet, einen Degengürtel, der von Versen begleitet war, in welchen sie ihn mit Mars verglich.« – »Aber das ist ja schon acht Tage her, bemerkte eine dritte Stimme. – »Ei freilich, versetzte der, welcher zuerst gesprochen, »sie hat sich nicht sogleich ergeben; sey es, daß sie von dem armen Harmental wirklich etwas hielt, oder daß sie wußte, daß der Regent grade das liebe, was ihm Widerstand leistet. Kurz, diesen Vormittag hat sie das Geschenk eines mit Blumen und Juwelen gefüllten Körbchens durch die Erklärung erwidert, daß sie bereit sey, Se. Königliche Hoheit zu empfangen.«

»Ja, jetzt fange ich an, die Sache zu begreifen!« rief der Capitain, »der Chevalier gerieth in Zorn, nicht wahr?«

»Ganz recht. Statt, wie unsereins gethan haben würde, darüber zu lachen und die Gelegenheit sich zum Nutzen zu machen, ein Obristenpatent wieder zu erlangen, das man ihm genommen hat, unter dem Vorwande, die Staatsausgaben beschränken zu müssen, wird mein Freund Harmental so bleich, daß ich glaubte, er werde in Ohnmacht fallen, dann trat er rasch zum Cabinet, schlug mit der geballten Faust gegen die Wand, so daß alles schwieg und rief »Meine Herren, es thut mir leid, Ihnen widersprechen zu müssen, derjenige von Ihnen aber, der behauptet hat: Madame d’Averne habe dem Regenten oder sonst jemand, ein Rendezvous zugesagt, hat gelogen!

»Ich war es, mein Herr, der dies gesagt hat und der seine Behauptung aufrecht halten wird,« entgegnete die erste Stimme; »enthält sie etwas, das Ihnen mißfällt, so stehe ich zu Diensten, ich nenne mich Lafare und bin Capitain in der Garde.«

»Und ich nenne mich Fargy,« rief die zweite Stimme.«

»Und ich Ravanne, die dritte.

»Sehr wohl meine Herren,« erwiderte Harmental. »Morgen Vormittag zwischen neun und zehn Uhr also bei dem Thore Maillot.« – Darauf setzte er sich mir wieder gegenüber; jene Herren schwatzten von gleichgültigen Dingen, und wir beendigten unser Souper. Jetzt wissen Sie alles, Capitain.«

Dem Letzteren schien die Sache äußerst geringfügig; obgleich er die allzugroße Reizbarkeit des Chevaliers mißbilligte, war er dennoch entschlossen, für die Angelegenheit, zu deren Verfechter er nun einmal gewählt worden war, den Degen zu ziehen. Wenn er sich übrigens auch hätte zurückziehen wollen, so war dies jetzt zu spät. Man befand sich bereits bei dem Thore Maillot und ein junger Cavalier, der dort zu harren schien, und der aus der Ferne den Baron und den Capitain bemerkt hatte, sprengte ihnen jetzt entgegen. Es war der Chevalier von Harmental.

»Mein lieber Chevalier, sprach der Baron von Valef, indem er mit seinem Freunde einen Händedruck wechselte, »erlaube mir, Dir hier, in Ermangelung eines alten Freundes, einen neuen vorzustellen. Weder Surgis noch Gace waren daheim. Ich traf diesen Herrn auf dem Pont-Neuf, schilderte ihm unsere Verlegenheit und er erbot sich mit großer Bereitwilligkeit, derselben abzuhelfen.«

»Ich bin Dir also zwiefach verbunden, mein lieber Valef, entgegnete der Chevalier, indem er auf den Capitain einen Blick warf, in welchem sich ein kleines Erstaunen aussprach. »Sie, aber mein Herr, bemerkte er, muß ich um Verzeihung bitten, daß ich Sie zum Anfange unserer Bekanntschaft mit einem so unangenehmen Geschäft, belästige. Sie werden mir hoffentlich Gelegenheit geben, mich Ihnen wieder gefällig zu beweisen; seyn. Sie überzeugt, Sie werden mich stets zu Ihren Diensten bereit finden. Verfügen Sie alsdann frei über mich, wie ich jetzt über Sie.

»Gut gesprochen, Chevalier, rief jetzt der Capitain, indem er vom Pferde sprang. »Sie haben eine Art und Weise, die mich für Sie durchs Feuer treiben würde.«

»Wer ist das seltsame Original?«, fragte der Chevalier leise zu dem Baron gewandt, während der Capitain, um die steifgewordenen Beine wieder gelenkig zu machen, mit den Füßen den Boden stampfte.

»Wahrlich, ich weiß es nicht,« entgegnete Valef »so viel aber weiß ich, daß wir uns ohne ihn in großer Verlegenheit befinden würden. Es wird irgend einer vom Militair seyn, den der Friede bei Seite geworfen hat. Bald wird es sich übrigens zeigen, wie er sich bei der Sache benimmt.«

»Wolan,« rief jetzt der Capitain, belebt durch seine Körperbewegung. »Wo bleiben denn unsere Gegner? fühle ich mich doch diesen Morgen recht kampflustig!«

»Als ich hierher ritt, waren sie noch nicht angelangt,« erwiderte Harmental, »aber ich gewahrte in der Ferne einen Miethwagen, dessen Langsamkeit ihnen wahrscheinlich zur Entschuldigung dienen wird, daß sie etwas spät eintrafen. Uebrigens ist noch keine Zeit verloren, fügte er hinzu, indem er eine reich mit Brillanten besetzte Flaschenuhr hervorzog, es ist kaum neun ein halb Uhr.

Schnell, also ihnen entgegen, sprach Valef indem er sich jetzt gleichfalls aus dem Sattel schwang und den Zaum seines Pferdes dem Diener Harmentals zuwarf, »denn langten sie an dem bestimmten Orte, vor uns an, würde es scheinen, als hätten wir auf uns warten lassen.«

»Du hast recht, versetzte Harmental; er stieg dann vom Pferde und trat mit seinen beiden Gefährten in das Gehölz.

»Befehlen die Herren etwas?«, fragte der Besitzer der dort befindlichen Restauration, der Gäste erwartend vor einer Thüre stand.

»Versteht sich, Durand, entgegnete Harmental, welcher, um nicht gestört zu werden, dem Restaurateur gern glauben machen wollte, daß ihr Hierseyn nur einen Spaziergang zur Absicht habe, »bereitet ein Frühstück für drei Personen, wir schlendern hier ein wenig umher und kehren bald zurück.«

Mit diesen Worten ließ er drei Louis d’ors in die Hand des Gastwirths gleiten. Der Capitain gewahrte die glänzenden Goldstücke und berechnete mit dem Scharfsinne eines Kenners, was man für zwei und siebzig Livres im Bois de Boulogne alles bekommen könne. Da er aber den Empfänger des Geldes kannte, hielt er eine Empfehlung seinerseits nicht für überflüssig: »Macht Eure Sache gut, Herr Garkoch,« sprach er zu Durand gewandt, »Ihr wißt, ich verstehe mich darauf, daß die Speisen delicat und der Wein unverfälscht aufgetragen werden, versteht Ihr mich, sonst pflücken wir später ein Hühnchen mit einander.«

»Seyn Sie unbesorgt, Herr Capitain, antwortete der Restaurateur; »einen Gast wie Sie werde ich doch nicht hinters Licht führen.«

»Nun, wir wollen sehen. Ich habe seit zwölf Stunden nichts zu mir genommen, richtet Euch danach.«

Der Wirth verbeugte sich, wie Jemand, der genau begriff, was die an ihn gerichtete Rede sagen wollte; er begab sich kopfschüttelnd in seine Küche, denn es leuchtete ihm ein, daß er ein weniger gutes Geschäft gemacht, als er anfangs gehofft hatte. Der Capitain warf ihm noch einen warnenden Wink zu, und eilte alsdann mit raschen Schritten seinen beiden Kampfgenossen nach, welche ihre Schritte hemmten, um ihn zu erwarten.

Der Chevalier hatte sich hinsichtlich des Miethwagens, nicht geirrt; so wie sie in die nächste Allee traten, erblickten sie ihre drei Gegner, welche so eben ausstiegen: es waren, wie wir bereits berichtet haben, der Marquis Lafare, der Graf Fargy und der Chevalier von Ravanne.

Unsere geneigten Leser wollen uns jetzt gestatten, ihnen eine kurze Schilderung dieser drei Personen zu liefern, welche in dieser unserer anspruchslosen Erzählung den Schauplatz mehrmals betreten werden.

Lafare, der Bekannteste der Dreien, Dank den Versen, die er hinterlassen hat, war damals ein Mann von ungefähr 36 Jahren, begabt mit einem freien offenen Antlitz und einer unverwüstlichen guten Laune; dabei stets bereit bei der Tafel, beim Spiele und mit den Waffen in der Hand, es mit jedermann aufzunehmen, und zwar das alles ohne Haß und Groll; er war ein Liebling der Damen und ein Günstling des Regenten, der ihn zum Hauptmann in der Garde ernannt, und ihn während der letzten zehn Jahre zwar mitunter als seinen Nebenbuhler angetroffen, stets aber als seinen treuesten Diener erkannt hatte. Der Herzog von Orleans, der die Gewohnheit hatte, seinen Günstlingen Beinamen zu geben, nannte ihn daher stets nur: »hon enfant.« Seit einiger Zeit aber schien Lafare’s Popularität bei den Damen des Hofes und der Oper etwas zu sinken; denn es hatte sich das Gerücht verbreitet, daß er die Lächerlichkeit begehe, ein ordentlicher Mensch werden zu wollen. Zwar behaupteten einige seiner Freunde, um seinen Ruf aufrecht zu halten, mit gedämpfter Stimme, daß diese scheinbare Bekehrung keinem andern Beweggrund habe, als die Eifersucht der Mademoiselle de Conti, Tochter der Herzogin von Conti und Enkelin des großen Condé, welche wie man versicherte, den Gardecapitain des Regenten mit einer ganz besonderen Zuneigung beehrte. Seine Verbindung mit dem Herzog von Richelieu unterstützte diese Ansicht.

Der Graf von Fargy, gemeinhin nur der schöne Fargy genannt, war in der That der schönste junge Mann seiner Zeit, was ihm in jener Epoche der Galanterie Verpflichtungen auferlegte, vor denen er niemals zurückgeschreckt war. Er war zu gleicher zeit zart und kräftig, ungemein liebenswürdig, kurz er vereinte in sich alle Eigenschaften eines Romanhelden jener Zeit Vereint man nun noch hiermit sein schönes Aeußere, seinen Verstand und Witz, so wie seinen kühnen Muth, so wird man sich der den glänzenden Ruf nicht wundern, den er in der Welt,in welcher er lebte, sich erworben hatte.

Was den Chevalier von Ravanne betraf, der rücksichtlich seiner Jugend, so seltsame Memoiren hinterlassen hat, daß man, trotz ihrer Authenticität, an ihrer Wahrhaftigkeit zweifeln möchte, so war derselbe damals kaum dem Pagenalter entwachsen, er war reich und stammte aus einer vornehmen Familie; er trat ein in das Leben, durch dessen goldenes Thor und jagte nach allen Freuden desselben mit der ganzen Begierde und Unvorsichtigkeit der Jugend: Er machte in seinem achtzehnten Jahre alle Fehler und Thorheiten seiner Zeit mit; man begreift daher, wie stolz er darauf war, Männern wie Lafare und Fargy als Secundant in einer Angelegenheit zur Seite zu stehen, von der man erwarten konnte, daß die großes Aufsehen erregen würde.

II.
Das Duell

So wie Lafare, Fargy und Ravanne ihre Gegner in die Allee treten sahen, eilten sie ihnen entgegen. Als sie sich einander bis auf zehn Schritte genähert hatten, zogen sie sämmtlich die Hüte und begrüßten sich mit jener zierlichen Höflichkeit, die bei ähnlichen Gelegenheiten ein Charakterzug der Aristokratie des achtzehnten Jahrhunderts bildete, wobei ihr anmuthiges Lächeln jedem Vorübergehenden hätte glauben machen können, daß hier von einer freundlichen Begegnung, nicht aber von einem feindlichen Zusammentreffen die Rede say.

»Meine Herren,« begann der Chevalier von Harmental, dem das erste Wort mit vollem Rechte gebührte, ich hoffe, daß weder Sie noch wir von irgend jemand hierher gefolgt wurden; aber es ist bereits ein wenig spät und wir könnten hier leicht gestört werden, ich halte es daher für rathsam, daß wir eine entlegnere Stelle suchen, wo wir mit mehr Ruhe und Bequemlichkeit das kleine Geschäft abmachen können, das uns hier zusammenführt.«

»Meine Herren, entgegnete Ravanne, »ich weiß den passendsten Ort. Kaum hundert Schritte von hier – man kann sich dort in einer Wüste wähnen.«

»So folgen wir dem Kinde, rief der Capitain, »die Unschuld führt zum Heil.«

Ravanne wandte sich und maaß den Mann mit den orangefarbenen Epauletts von Kopf bis zur Zehe.

»Haben Sie sich noch gegen keinen Anderen verpflichtet, mein großgewachsener Herr,« versetzte er in einem etwas ironischem Tone, »so bitte ich um den Vorzug.«

»Halt, Ravanne, halt,« fiel Lafare ein, »ich habe dem Herrn von Harmental zuvor einige Erklärungen zu geben.«

»Herr von Lafare, versetzte der Chevalier, »Ihr Muth ist so sehr erprobt, daß die Erklärungen, die Sie mir anbieten, ein Beweis Ihres Zartgefühls sind, welches ich mit Dank anerkenne. Diese Auseinandersetzungen würden aber unser Geschäft nur verzögern, und ich glaube, wir haben keine Zeit zu verlieren.«

»Bravo, Bravo!« rief Ravanne, das heiße ich gesprochen, wie es sich geziemt, haben wir uns einander erst den Hals gebrochen, dann, hoffe ich, werden Sie mir Ihre Freundschaft nicht versagen. Viel Gutes habe ich bereits von Ihnen gehört, und lange schon sehne ich mich nach der Ehre. Ihrer Bekanntschaft.«

Die beiden Herren verbeugten sich gegen einander.

»Voran also, Ravanne,« rief nunmehr Lafare, »da Du Dich zu unserm Führer aufgeworfen hast, so zeige uns den Weg.«

Ravanne sprang alsogleich in das Gebüsch, seine fünf Gefährten folgten; die Pferde und der Wagen blieben, wo sie sich befanden.

Nach einem Marsche von zehn Minuten, während dessen die Gegner das tiefste Schweigen beobachteten, theils um durch ein Gespräch ihre Anwesenheit nicht zu verrathen, theils weil in dem Augenblicke einer nahen Gefahr der Mensch sich immer in sich selbst zurückzieht, erreichten sie einen von Bäumen dicht umkränzten freien Platz.

»Nun; Ihr Herren,« fragte Ravanne zufrieden um sich blickend, was sagen Sie von dieser Stelle?«

»Ich meine,« versetzte der Capitain, »daß, wenn Sie sich rühmen, sie entdeckt zu haben, Sie nur schlecht einen kleinen Columbus spielen. Sie hätten mir nur zu sagen gebraucht, daß Sie hierher wollten, und ich hätte Sie mit geschlossenen Augen hierhergeführt.«

»Wolan, mein Herr,« erwiderte Ravanne, »so werden wir Sorge tragen, daß man Sie von hier so fortschaffe, wie Sie nach Ihrer Behauptung hergekommen seyn würden.«

»Sie wissen es, daß Sie es sind, Herr von Lafare, mit dem ich es zu thun habe,« rief Harmental, indem er seinen Hut auf die Erde warf

»Ganz recht, mein Herr,« entgegnete der Gardecapitain, indem er dem Beispiele seines Gegners folgte, »ich weiß aber auch, daß mir nichts mehr Ehre, aber auch zugleich mehr Schmerz verursachen könnte, als ein Zweikampf mit Ihnen und zwar um einer solchen Ursache willen.«

Harmental lächelte wie ein Mann, der diese höfliche Rede anzuerkennen wußte, aber er erwiderte nur, indem er den Degen zur Hand nahm.

»Ich glaube, Herr Baron,« sprach Fargy zu Valef gewandt, »daß Sie im Begriff stehen, nach Spanien abzureisen?«

»Ich wollte schon diese Nacht aufbrechen, mein lieber Graf,« erwiderte Valef, »nur das Vergnügen, diesen Morgen hier mit Ihnen zusammen zu treffen, konnte mich zurückhalten, so wichtige Geschäfte rufen mich dorthin.«

»Das macht mich untröstlich!« entgegnete Fargy, indem er seinen Degen entblößte, »denn, wenn es mir gelingen sollte, diese Ihre Reise noch länger zu verzögern, so würden Sie ohne Zweifel mein Todfeind werden.«

»Ganz gewiß nicht, mein lieber Graf,« lächelte Valef, »ich würde glauben, es geschähe aus lauter Freundschaft. Thun. Sie also Ihr Möglichstes, ich bin zu Ihren Diensten.

»Nun, mein Herr, nun,« rief Ravanne dem Capitain zu, welcher sorgfältig seinen Rock zusammenfaltete und ihn neben seinen Hut legte, »Sie sehen, daß ich auf Sie warte.«

»Werden wir nicht ungeduldig, lieber junger Mann,« antwortete der alte Soldat, indem er mit seinen Vorbereitungen fortfuhr. Eine der vorzüglichsten Eigenschaften bei dem Waffenhandwerk ist die Kaltblütigkeit. In Ihrem Alter machte ich es grade wie Sie; nach dem dritten oder vierten Degenstoße aber, den ich empfing, sah ich ein, daß ich auf einem falschen Wege war.«

Bei diesen letzten Worten zog er seinen Degen, der, wie wir bereits berichtet haben, von bedeutender Länge war.

»Alle tausend Teufel,« lachte Ravanne,. »was haben Sie da für eine Waffe! die erinnert mich wahrlich an den Bratspieß in der Küche meiner Mutter, und es thut mir jetzt leid, daß ich mir denselben nicht von unserm Haushofmeister erbat, um mich Ihnen würdig entgegenstellen zu können.«

»Ihre Frau Mutter ist eine sehr würdige Dame und ihre Küche eine sehr gute Küche, ich hörte von Beiden mit großem Lobe sprechen, mein Herr Chevalier, entgegnete der Capitain, in einem fast väterlichen Tone; »ich würde daher untröstlich seyn, Sie der einen und der anderen zu rauben, wegen einer armseligen Geschichte, wie diejenige, um derentwillen wir jetzt die Degen mit einander kreuzen sollen. Bilden Sie sich also ein, daß Sie nur eine Stunde bei Ihrem Fechtmeister nähmen und fallen Sie aus.»

Diese Aufforderung war durchaus unnöthig; die Ruhe und Kaltblütigkeit seines Gegners machte Ravanne’s jugendliches Blut kochen, und er griff den Capitain mit der größten Heftigkeit und Unbesonnenheit an. Der Letztere trat einen Schritt zurück.

»Ha, Ha, Sie weichen schon, mein großgewachsener Herr! rief Ravanne.

»Weichen ist nicht Fliehen, mein kleiner Ritter,« versetzte der Capitain, »es ist ein Theil der Fechtkunst, den ich Sie auffordere nachzuahmen. Ueberdem macht es mir Spaß, Ihr Spiel zu studieren. Sie sind, wie es mir scheint, ein Zögling Berthelots. Ein trefflicher Meister, nur das Pariren lehrt er schlecht. Sehen Sie,« fügte er hinzu, indem er eine Secunde seines jungen Gegners zurückschlug, »wenn ich jetzt gewollt hätte, so hätte ich Sie wie eine Lerche gespießt.«

Ravanne war in die höchste Wuth getrieben, denn in der That hatte er die Degenspitze seines Gegners auf der Brust gefühlt, aber so leicht nur, daß er es für die Berührung einer Blume halten konnte. Die Ueberzeugung, daß er dem Capitain sein Leben verdanke, regte seinen Zorn immer und mehr an, und seine Ausfälle wurden noch heftiger als zuvor.

»Ruhig, ruhig, junger Mann,« warnte der alte Soldat, »Sie verlieren ganz und gar den Kopf, Sie stoßen nach dem Gesicht, Sie werden mich zwingen Sie zu entwaffnen. Doch schon wieder! Nun, wenn Sie es durchaus nicht anders wollen, da, suchen Sie Ihren Degen wieder auf. Mit diesen Worten schlug der Capitain seinem jungen Gegner die Waffe aus der Hand, daß sie zwanzig Schritte weit wegflog.

Dies schien Ravanne abgekühlt zu haben. Er hob den Degen zögernd wieder auf und kehrte langsam zu dem Capitain zurück, der die Spitze einer Waffe zu Boden gesenkt hatte. Der junge Mann war bleich wie eine Leiche, auf seiner weißen Weste zeigten sich einzelne Tropfen Blut.

»Sie hatten Recht mein Herr, ich bin nur noch ein Kind,« sprach er, »mein Zusammentreffen mit Ihnen aber, wird hoffentlich dazu beitragen, mich zum Manne zu machen. Noch ein Paar Gänge, wenn es Ihnen beliebt, damit es nicht heiße: daß die ganze Ehre auf Ihrer Seite say.« – So sprechend nahm er eine Stellung wieder ein.

Der Capitain hatte Recht. Es fehlte dem jungen Chevalier nur an Ruhe, um ihn zu einem furchtbaren Gegner zu machen. Jener gewahrte bald, daß er zu seiner Vertheidigung auf einer Huth sein müsse; er besaß aber in der Fechtkunst eine allzu große Geschicklichkeit, als daß Ravanne einen Vortheil hätte über ihn gewinnen können.

Der Kampf endete also, wie zu erwarten fand. Der Capitain schlug seinem jungen Gegner die Waffe noch einmal aus der Hand, diesmal aber hob er sie selbst wieder auf und überreichte sie dem Letzteren mit einer Höflichkeit, deren man ihn kaum für fähig gehalten hätte.

»Mein Herr Chevalier,« sprach er dabei, »Sie sind ein tapferer junger Mann; glauben Sie es aber einem alten Besucher der Fechtschulen, der die Kriege in Flandern mitgemacht hat, bevor Sie das Licht der Welt erblickten; der, als Sie noch in der Wiege lagen, in Italien focht; und in Spanien kämpfte, als Sie noch Page waren, nehmen Sie einen andern Lehrer an, verabschieden sie den Berthelot, der Ihnen nur das gezeigt hat, was er selbst weiß, wenden Sie sich an Bois Robert, und der Teufel soll mich holen, wenn Sie nach sechs Monaten nicht den Degen führen, wie ich selbst.«

»Ich danke für die Lehre,a entgegnete Ravanne, indem er dem Capitain die Hand reichte, wobei einige Thränen, die er nicht zurückhalten konnte, über seine Wange hinabrollten, sie soll mir gute Dienste leisten. – Bei diesen Worten senkte er, wie der Capitain bereits gethan, seinen Degen wieder in die Scheide.

Beide richteten darauf ihre Blicke auf ihre Kampfgenossen, um zu sehen, wie bei diesen die Sachen standen. Das Duell war beendigt. Lafare saß auf dem Rasen, den Rücken gegen einen Baum gelehnt, er hatte einen Stoß empfangen, der ihm die Brust durchbort hätte, zum Glück aber an einer Rippe abglitt, so daß die Wunde gefährlicher schien, als sie es wirklich war. Dennoch aber war er in Ohnmacht gesunken. Harmental kniete vor ihm und suchte das Blut mit einem Tuche zu stillen.

Fargy und Valef waren. Beide leicht verwundet, der eine im Schenkel, der andere im Arm; sie entschuldigten sich gegen einander und gelobten sich für die Zukunft innige Freundschaft.

»Da schauen Sie hin, junger Mann, sprach der Capitain zu Ravanne, indem er auf den Kampfplatz deutete, »da fließt das Blut von drei wackern Männern, und das vermuthlich um einer leichtsinnigen Frau Willen,

»Mein Seel,« entgegnete der junge Mann. »Ich glaube. Sie haben Recht Capitain, vielleicht sind Sie von uns allen der Einzige, welcher gesunden Menschenverstand besitzt.«

In diesem Augenblick schlug Lafare die Augen auf und erkannte Harmental in demjenigen, der ihm Pflege spendete. »Chevalier,« sprach er, »wollen Sie in eine Gefälligkeit erzeigen, so lassen Sie das Stück von Wundarzt rufen, das sich im Wagen befindet und das ich für jeden Fall mitbrachte; dann eilen Sie, so schnell. Sie können nach Paris, zeigen Sie sich diesen Abend auf dem Ball im Opernhause und wenn man Sie nach mir befragt, so sprechen Sie, Sie hätten mich in acht Tagen nicht gesehen. Was mich betrifft, so können Sie vollkommen ruhig sein, Ihr Name soll nicht über meine Lippen kommen. Sollte Ihnen übrigens rücksichtlich unserer Angelegenheit etwas Unangenehmes begegnen, so geben Sie mir schnell davon Nachricht, und ich werde alsdann alles schon so einrichten, daß die Sache keine Folgen hat.«

Žanrid ja sildid

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06 detsember 2019
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