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Loe raamatut: «Tausend und Ein Gespenst», lehekülg 17

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Historia maravillosa de dou Bernado Zuniga.

Das heißt:

Wunderbare Geschichte Don Bernardos von Zuniga.

Diese Chronik war geschrieben, und dem zu Folge aller Wahrscheinlichkeit nach unbekannt.

Da sie kurz ist, und die Jagd, statt nach Verlauf einer halben Stunde anzufangen, erst nach Verlauf von fünf und vierzig Minuten angefangen hatte, so hatte ich Zeit gehabt, sie vom Anfange bis zum Ende zu lesen, als die Hunde zum ersten Male anschlugen.

Hier ist sie.

VII.
Geschichte Don Bernardos von Zuniga, – Die heilige Quelle

Es war am 25. Januar 1492. Nach einem Kampfe von acht Hundert Jahren gegen die Spanier hatten die Mauren sich in der Person des Al-Shagyr-Abou-Abdallah als besiegt erklärt, welcher am 6. des laufenden Monats, das heißt am heiligen Dreikönigstage, den Händen seiner Besieger, Ferdinand und Isabella, die Stadt Granada übergeben hatte.

Die Mauren hatten Spanien in zwei Jahren erobert, es hatte acht Jahrhunderte bedurft, um es ihnen wieder zu nehmen.

Das Gerücht von diesem Siege hatte sich verbreitet. Durch ganz Spanien läuteten die Glocken in den Kirchen, wie an dem heiligen Osterfeste, an welchem unser Heiland wieder auferstanden ist, und alle Stimmen riefen: Es lebe Ferdinand! es lebe Isabella! es lebe Leon! es lebe Castilien!

Das war noch nicht Alles; man sagte, daß in diesem Jahre des Heiles, in welchem Gott Spanien mit väterlichem Auge angeblickt hatte, ein großer Reisender sich den Königen vorgestellt und versprochen hätte, ihnen eine unbekannte Welt zu schenken, die er gewiß wäre, zu entdecken, indem er immer von Osten nach Westen segelte.

Aber das galt im Allgemeinen für ein Mährchen, und der Abenteurer, der diese Verpflichtung eingegangen war, und den man Christoph Columbus nannte, ward für einen Wahnsinnigen gehalten.

Uebrigens waren diese Nachrichten zu jener Zeit schwieriger Verbindung noch nicht auf sehr bestimmte Weise auf der ganzen Oberfläche der Halbinsel verbreitet. In dem Maße, als sich die Provinzen von den Provinzen entfernten, in denen die Mauren ihre Macht zusammengezogen hatten, und die Ferdinand und Isabella erst seit neunzehn Tagen befreit hatten, eben so wie in dem Maße, als die Gegenstände, indem sie sich von dem Mittelpunkte des Lichts entfernen, allmählig in die Dunkelheit zurückkehren, zweifelten die Völker allmählig noch an diesem großen Glücke, das der ganzen Christenheit zufiel, und indem sie sich um jeden Reisenden herumdrängten, der von dem Kriegsschauplatze kam, verlangten sie von ihm die näheren Umstände über dieses wichtige Ereigniß.

Eine der Provinzen, nicht die am meisten entfernte, aber die am meisten von Granada getrennte, denn zwei große Gebirgsketten erstrecken sich zwischen ihr und dieser Stadt. Estramadura. Estramadura, das zwischen Neucastilien und Portugal liegt, und das seinen Namen von seiner äußersten Lage an den Quellen des Duero entlehnt, kurz Estramadura hatte ein um so größeres Interesse, unterrichtet zu sein, als es, bereits seit dem Jahre 1240 durch Ferdinand III. von Castilien von den Mauren befreit, seitdem zu diesem Königreiche gehörte, von dem Isabella, welche den Namen der Katholischen sich erworben hatte, die Erbin war.

Es hatte sich daher auch an dem Tage, an welchem diese Geschichte beginnt, das heißt am 25. Januar 1492, eine große Menschenmenge in dem Hofe des Schlosses von Bajar versammelt, in welchem so eben Don Bernardo von Zuniga, der dritte Sohn Peters von Zuniga, Grafen von Bagnarès und Marquis von Ayamonte, der Herr dieses Schlosses, eingezogen war. Nun aber konnte Niemand neuere Nachrichten über die Mauren und über die Christen geben, als Don Bernardo von Zuniga, der, ein Ritter in dem Heere Isabellens, bei einem der von dem Helden der Araber, Mousay-Ebn-Aby'l-Gazan, versuchten Ausfällen gefangen genommen und in die belagerte Stadt zurückgeführt worden war, deren Thore ihm erst an dem Tage geöffnet worden waren, an welchem die Christen ihren Einzug in dieselbe gehalten hatten.

Don Bernardo war zu der Zeit, in welcher er uns erscheint, das heißt in dem Augenblicke, wo er nach einer Abwesenheit von zehn Jahren auf seinem Schlachtrosse und von Bedienten, Dienern und Vasallen umgeben, in das väterliche Schloß zurückkehrte, ein Mann von fünf und dreißig bis sechs und dreißig Jahren, durch die Beschwerden und besonders durch die Wunden abgemagert, und der bleich gewesen wäre, wenn sein von der Sonne des Südens verbranntes Gesicht nicht eine braune Farbe angenommen hätte, welche aus ihm den Landsmann und den Bruder der Männer zu machen schien, gegen die er gekämpft hatte.

Diese Ähnlichkeit war um so größer, als, in den großen weißen Mantel des Ordens von Alcantara gehüllt, wie er es war, einen Schooß dieses Mantels um sein Gesicht gerollt, um sich gegen den Nordwind der Gebirge zu schützen, Nichts diesen Mantel von dem Arabischen Burnous unterschied, als etwa das grüne Kreuz, welches die Ritter dieses heiligen Ordens auf der linken Brust trugen.

Dieses Gefolge, das mit ihm auf den Hof des Schlosses kam, begleitete ihn seit seinem Erscheinen an den Thoren der Stadt; selbst bevor man ihn erkannt, hatte man errathen, daß dieser Mann mit finsterem Auge, mit heldenmüthiger Haltung, mit halb religiösem, halb kriegerischem Mantel, von dem Kriegsschauplatze käme. Man hatte sich bei ihm erkundigt, um Nachrichten zu erhalten. Nun hatte er sich genannt, hatte die guten Leute aufgefordert, ihn bis in den Schloßhof zu begleiten, und dort angelangt, war er unter Beweisen allgemeiner Zuneigung und Ehrerbietung vom Pferde gestiegen.

Nachdem er den Zügel seines Pferdes den Händen eines Knappen zugeworfen, und ihm diesen wackeren Gefährten seiner Beschwerden anempfohlen hatte, der, wie kein Herr, mehr als eine sichtbare Spur des Kampfes trug, den er bestanden hatte, erstieg Don Bernardo von Zuniga die Stufen der Freitreppe, welche nach dem Haupteingange des Schlosses führte; dann, auf der höchsten Stufe angelangt, wandte er sich um, indem er, um die allgemeine Neugierde zu befriedigen, erzählte, wie Ferdinand der Katholische, nachdem er dreißig feste Plätze und eben so viele Städte erobert, endlich Granada belagert hätte; wie nach einer langen und schrecklichen Belagerung sich Granada am 25. November 1491 ergeben hätte, und wie endlich der König und die Königin am 6. des Monats Januar, dem Tage des heiligen Dreikönigsfestes, ihren Einzug darin gehalten hätten, indem sie den Nachfolgern der Könige von Granada und der Califen von Cordova als ganzes Gebiet nur eine kleine Schenkung in der Provinz Alpujarras ließen.

Als er diese Nachrichten zur großen Freude der Zuhörer mitgetheilt, betrat Don Bernardo, nur von einigen seiner vertrautesten Diener begleitet, das Schloß.

Nicht ohne große Gemüthsbewegung sah Don Bernardo nach zehnjähriger Abwesenheit das Innere dieses Schlosses wieder, in welchem seine Jugend verflossen war, und das er leer wiederfand, da sein Vater sich in Burgos aufhielt, und von seinen beiden älteren Brüdern der eine gestorben war, und der andere sich bei dem Heere Ferdinands befand.

Don Bernardo durchwanderte schweigend und traurig alle Gemächer; man hätte sagen können, daß auf dem Grunde seines Herzens eine Frage läge, die er nicht zu thun wagte, und die unter den Fragen verschleiert blieb, welche er stellte. Endlich fragte er, indem er vor dem Porträt eines kleinen Mädchens von neun bis zehn Jahren stehen blieb, mit einem gewissen Zögern, was das für ein Porträt wäre.

Der, an den er diese Frage richtete, blickte Don Bernardo starr an, bevor er darauf antwortete.

Man hätte glauben können, daß er nicht verstände.

– Dieses Porträt? fragte er.

– Ja, dieses Porträt, wiederholte Don Bernardo in einem mehr gebietenden Tone.

– Ei, gnädiger Herr, erwiderte der Diener, es ist das Eurer Base Anna von Niebla, es ist unmöglich, daß Eure Gnaden diese junge Waise vergessen hat, die auf dem Schlosse erzogen worden ist, und die Eurem älteren Bruder bestimmt war.

– Ah! es ist wahr, sagte Don Bernardo, und was ist aus ihr geworden?

– Als Euer älterer Bruder im Jahre 1488 starb, befahl Euer Herr Vater, daß Anna von Niebla in das Kloster der unbefleckten Empfängniß des Ordens von Calatrava ginge, und daß sie in ihm ihre Gelübde ablegte, da Euer zweiter Bruder verheirathet und Eure Gnaden Ritter eines Ordens war, der das Cölibat von schreibt.

Don Bernardo stieß einen Seufzer aus.

– Das ist richtig, sagte er.

Und er stellte keine weitere Frage.

Nur, da Anna von Niebla auf dem Schlosse Bjar sehr beliebt war, so versuchte der Diener, indem er den Umstand benutzte, der das Gespräch auf die junge und reiche Erbin gerichtet hatte, es fortzusetzen.

Aber bei dem ersten Worte, das er über diesen Gegenstand sagte, legte ihm Don Bernardo auf eine Weise Schweigen auf, das ihn verstehen ließ, er habe Alles das erfahren, was er zu wissen wünschte.

Uebrigens konnte man sich über die Ursachen nicht irren, welche Don Bernardo zur Rückkehr auf das Schloß seiner Väter bestimmt hatten, denn er war noch am selben Tage besorgt, diese Ursachen Jedermann mitzutheilen. Das Schloß Bejar lag zwei bis drei Stunden weit von einer Quelle, welche man die heilige Quelle nannte, und die ohne Zweifel der Nachbarschaft des Klosters zur unbefleckten Empfängniß das Vorrecht verdankte, Wunder zu thun.

Diese Quelle zeigte besonders wunderbare Heilkräfte für Wunden, und, wie wir gesagt, war Don Bernardo noch mager, bleich und leidend an den Wunden, die er bei der Belagerung von Granada erhalten hatte.

Don Bernardo beschloß daher, auch gleich am folgenden Tage die Kur zu beginnen, welcher er in seinem frommen Glauben eine schnelle Genesung zu verdanken hoffte. Die Vorschrift war sehr einfach und leicht zu befolgen, Don Bernardo hatte zu thun, was der ärmste Landmann that, der den Beistand der heiligen Jungfrau anzuflehen kam, unter deren Anrufung sich die Quelle befand. Ueber der Quelle erhob sich ein kleiner, von einem einzigen Felsen gebildeter Hügel; auf der Höhe dieses Felsens erhob sich ein Kreuz. Man erklomm den Felsen barfuß, man kniete vor dem Kreuze nieder, man betete andächtiger Weise fünf Paternoster und fünf Avemaria, man ging immer barfuß wieder hinab, man trank ein Glas Wasser, und zog sich nach Haus zurück.

Die Wallfahrten theilten sich in neuntägige Andachten, und es war selten, daß man nach Verlauf der dritten neuntägigen Andacht, das heißt am Ende des sieben und zwanzigsten Tages, nicht geheilt war.

Am folgenden Morgen, mit Tagesanbruch. ließ sich Don Bernardo von Zuniga in der That sein Pferd vorführen, und da er in seiner Jugend Hundert Male den Weg nach der Quelle gemacht hatte, so brach er allein auf, um seine Gesundheitswallfahrt zu vollziehen.

An der Quelle angelangt, stieg er ab, band sein Pferd an einen Baum, zog seine Stiefel aus, erklomm barfuß den Felsen, betete seine fünf Paternoster und seine fünf Avemaria, ging hinab, trank ein Glas Wasser an der Quelle, zog seine Stiefel wieder an, stieg wieder zu Pferde, warf einen ohne Zweifel frommen Blick nach dem Kloster der unbefleckten Empfängniß, das eine halbe Stunde weit von dort durch die Bäume erschien, und kehrte nach dem Schlosse zurück.

Jeden Tag begann Don Bernardo wieder dieselbe Wanderung, und es war sichtlich, daß das wunderthätige Wasser auf feinen Körper wirkte, obgleich seine Laune traurig, verschlossen, fast menschenscheu blieb.

Er vollendete auf diese Weise die drei neuntägigen Andachten. Während der letzten Tage der dritten war ihm die Gesundheit gänzlich zurückgekehrt, und er hatte bereits seine bevorstehende Abreise nach dem Heere gemeldet, als er am sieben und zwanzigsten Tage, als er am Fuße des Kreuzes kniete und sein letztes Avemaria betete, einen Zug herankommen sah, der nicht ohne Interesse für einen Mann war, der so oft, wenn er Abschied von der Quelle nahm, die Augen auf das Kloster zur unbefleckten Empfängniß geworfen hatte.

Es war ein Zug, der aus Nonnen bestand, die eine offene, von Landleuten getragene Sänfte begleiteten. Auf dieser Sänfte lag eine Nonne, die man im Triumphe nach der Quelle zu tragen schien; die Nonnen, welche die Sanfte begleiteten, und die, welche darauf lag, waren sorgfältig verschleiert.

Statt wie gewöhnlich hinab zu gehen, um an der Quelle zu trinken, wartete Don Bernardo, ohne Zweifel neugierig, das zu sehen, was sich zutragen würde.

Seine Neugierde war so groß, daß er sein letztes Avemaria zu beten vergaß.

Der Zug hielt vor der Quelle, die auf der Sänfte liegende Nonne stieg herab, zog ihre Fußbekleidung aus, und begann mit anfangs wankendem Schritte, der aber allmählig fester wurde, hinaufzugehen; an dem Fuße des Kreuzes angelangt, das Don Bernardo freigelassen hatte, indem er zurückwich, kniete die Nonne nieder, verrichtete ihr Gebet, stand wieder auf und ging wieder zu ihren Begleiterinnen hinab.

Es war eine Täuschung, aber es schien Don Bernardo, als ob die Nonne in dem Augenblicke, wo sie niederkniete und wo sie wieder aufstand, ihre Augen durch ihren Schleier einen Augenblick lang auf ihm hätte verweilen lassen.

Bei dem Herannahen des heiligen Mädchens hatte Don Bernardo gleichfalls eine seltsame Gemüthsbewegung, etwas wie eine vor seinen Augen vorüberziehende Verblendung empfunden, und er hatte sich an einen Baum gelehnt, wie als ob der auf seinem Grunde schlecht befestigte Felsen unter ihm gewankt hätte.

Aber in dem Maße, als die Nonne sich von Don Bernardo entfernt hatte, war ihm die Kraft zuückgekehrt; nun hatte er sich, um ihr länger mit den Augen zu folgen, über den Rand des Felsens geneigt, der sich senkrecht über der Quelle befand. Die Nonne war hinab gegangen, hatte sich der Quelle genähert, und indem sie sich für das heilige Wasser allein sichtbar machte, hatte sie ihren Schleier zurückgeschlagen und dem Gebrauche gemäß gleichfalls aus der Quelle getrunken.

Aber nun hatte sich Etwas zugetragen, an das Niemand gedacht, und das dem zu Folge Niemand hatte voraussehen können. Der klare Krystall der Quelle verwandelte sich in einen Spiegel, und Don Bernardo von Zuniga sah von dem Orte aus, wo er sich befand, das Bild der Nonne eben so deutlich, als ob es von einem Spiegel zurückgeworfen worden wäre.

Sie war trotz ihrer Blässe ein solches Wunder von Schönheit, daß Don Bernardo von Zuniga einen Ausruf der Überraschung und der Bewunderung ausstieß, der laut genug erschallte, um die heilige Kranke erbeben zu lassen, welche, nachdem sie kaum ihre Lippen in das Wasser getaucht, ihren Schleier zurückschlug und wieder in die Sänfte stieg, nicht ohne ein letztes Mal ihren Kopf nach der Seite des unvorsichtigen Ritters umzuwenden.

Don Bernardo von Zuniga ging rasch die Stufen des Felsens hinab, und indem er sich an einen der Zuschauer dieses Auftrittes wandte, fragte er ihn:

– Weißt Du, wer diese Frau ist, die an der Quelle getrunken hat, und die man nach dem Kloster der unbefleckten Empfängniß trägt?

– Ja, antwortete der befragte Mann; es ist eine Nonne, die eine Krankheit überstanden hat, die Jedermann für tödtlich hielt, da sie, wie es scheint, wirklich länger als eine Stunde todt gewesen ist, die aber durch die Kraft des heiligen Wassers geheilt worden ist; so daß sie heute ihren ersten Ausgang gemacht hat, um ihr Gelübde zu erfüllen, selbst aus der Quelle das Wasser zu trinken, das man noch gestern für sie aus ihr schöpfte.

– Und, fragte Don Bernardo mit einer Gemüthsbewegung, welche die Wichtigkeit andeutete, die er auf die Frage legte, weißt Du den Namen dieser Nonne?

– Ja, ohne Zweifel, gnädiger Herr, sie nennt sich Anna von Niebla und ist die Nichte Peters von Zuniga, Grafen von Bagnarès, Marquis von Ayamonte, dessen Sohn, der vor ohngefähr einem Monate von dem Heere zurückkehrte, die freudige Nachricht von der Einnahme von Granada überbracht hat.

– Anna von Niebla, murmelte Don Bernardo. Ah! ich hatte sie wohl erkannt, aber ich hätte niemals geglaubt, daß sie so schön werden würde.

VIII.
Der Rosenkranz Annas von Niebla

Don Bernardo hatte also dieses junge Mädchen wiedergesehen, das er als Kind auf dem Schlosse Bejar verlassen, und deren Andenken ihm aller Wahrscheinlichkeit nach während seiner zehnjährigen Abwesenheit gefolgt war.

Während dieser zehn Jahre einsamen Träumens, während derer die Gedanken Don Bernardos dem Uebergange Annas von Niebla in den ersten Frühling des Lebens folgten, war das junge Mädchen eine Frau geworden; sie hatte das Alter von zwanzig Jahren erreicht, während Don Bernardo das Alter von fünf und dreißig erreichte; sie hatte das Nonnengewand angelegt, während er sich in den Mantel des Ritters von Alcantara gehüllt hatte.

Sie war die Verlobte des Herrn, er war Christusritter.

Den beiden jungen, in demselben Hause erzogenen Leuten, war seit dem Austritte aus diesem Hause jede Verbindung durch das Wort untersagt, jeder Austausch des Blickes war verboten.

Deshalb hatte ohne Zweifel der Anblick seiner Base in dem seltsamen Spiegel, in dem er ihre Züge verfolgt hatte, in dem Herzen Don Bernardos von Zuniga eine so heftige Gemüthsbewegung erweckt.

Er kehrte auf das Schloß zurück, aber noch weit tiefsinniger, weit finsterer, weit schweigsamer als gewöhnlich, und schloß sich fast sogleich in das Zimmer ein, in welchem er das Porträt Annas von Niebla als Kind gesehen hatte. Ohne Zweifel suchte er auf der Leinwand die beweglichen Züge wiederzufinden, die er so eben in der Quelle hatte zittern sehen, ihrer jugendlichen Entwickelung während der zehn Jahre zu folgen, welche verflossen warm, sie bei dem Hauche des Lebens aufblühen zu sehen, wie eine Blume in der Sonne aufblüht.

Er, der seit fünfzehn Jahren auf den Schlachtfeldern, bei den Ueberrumpelungen der Lager, bei den Stürmen der Städte gegen die Todtfeinde seines Vaterlandes und seiner Religion kämpfte, er versuchte nicht einmal einen Augenblick lang diesem weit schrecklicheren Feinde Widerstand zu leisten, der ihn angegriffen hatte und ihn bei dem ersten Angriffe unter sich beugte.

Don Bernardo von Zuniga, der Ritter von Alcantara, liebte Anna von Niebla. die Nonne der unbefleckten Empfängniß.

Er mußte fliehen, fliehen, ohne einen Augenblick zu verlieren, in diese wirklichen Schlachten zurückkehren, zu diesen physischen Wunden, die nur den Leib tödten. Don Bernardo hatte nicht den Muth dazu.

Obgleich seine neuntägige Andacht mit Ausnahme eines Avemaria beendigt war, so kehrte er doch gleich am folgenden Tage nach der Quelle zurück, indem er nicht mehr betete, die Liebe hatte sich seines Herzens bemächtigt, und dem Gebete keinen Raum mehr gelassen. Nur erwartete er, auf der Höhe des Felsens sitzend und das Auge nach dem Kloster gewandt, einen neuen Zug gleich dem, den er bereits gesehen hatte, und der nicht kam.

So wartete er drei Tage lang ohne Ruhe, ohne Schlaf, indem er um das Kloster herumstreifte, dessen Pforten unbarmherziger Weise verschlossen blieben. Am vierten Tage, der ein Sonntag war, wußte er, daß die Thüren der Kirche offen wären, und daß Jedermann diese Kirche betreten könnte.

Nur sangen die Nonnen, in das Chor eingeschlossen, hinter großen Vorhängen, man hörte sie, ohne sie zu sehen.

Und dieser so sehr ersehnte Tag kam endlich herbei. Unglücklicher Weise erwartete ihn Don Bernardo zu einem ganz unheiligen Zwecke; der Gedanke, daß dieser Tag der wäre, an welchem er sich dem Herrn nähern könnte, fiel ihm nicht einmal ein, er dachte nur daran, sich Anna von Niebla zu nähern.

Zu der Stunde, an welcher sich die Thore des Klosters öffneten, war er da, indem er wartete.

Um zwei Uhr Morgens war er selbst in den Stall gegangen, hatte sein Pferd gesattelt und war ausgeritten, ohne Jemand davon zu benachrichtigen. Von zwei Uhr bis acht Uhr war er in der Umgegend der Quelle herumgeirrt, nicht mehr die Stirn in seinen weiten Mantel gehüllt, um sich vor dem Nordwinde der Berge zu schützen, sondern die Stirn entblößt, indem er alle Winde der Nacht aufforderte, die Gluth zu erlöschen, welche ihm das Gehirn zu verzehren schien.

Sobald er die Kirche betreten hatte, kniete Don Bernardo so nahe vor dem Chore der Kirche nieder, als es ihm möglich war, und er blieb dort wartend, die Kniet auf den Steinplatten, die Stirn auf den Marmor gebeugt.

Der Gottesdienst begann. Don Bernardo hatte nicht einen Gedanken für den Erlöser der Menschen, dessen heiliges Opfer vollzogen wurde; seine ganze Seele stand offen wie eine Vase, um die Gesänge aufzunehmen, die man ihm versprochen hatte, und unter denen der Gesang Annas von Niebla gen Himmel steigen mußte.

Jedes Mal, daß sich in diesem lieblichen Concerte eine klangvollere, reinere, bebendere Stimme als die andern hören ließ, erbebte Don Bernardo auf der Stelle, und erhob unwillkürlich seine beiden Hände gen Himmel. Man hätte sagen können, daß er sich an diesen Accord zu fesseln und mit ihm gen Himmel zu steigen versuchte.

Dann, als der Ton von den andern Stimmen bedeckt oder in seiner eigenen Begeisterung erschöpft, erloschen war, sank er wieder mit einem Seufzer zurück, wie als ob er nur von tiefem lieblichen Klange gelebt, und er ohne ihn nicht hätte leben können.

Die Messe beendigte sich unter ihm bis dahin unbekannten Gemüthsbewegungen. Die Gesänge hörten auf, die letzten Töne der Orgel erstarben, die Anwesenden verließen die Kirche, die Priester kehrten in das Kloster zurück. Das Gebäude war nur noch eine stumme und regungslose Leiche; das Gebet, welches die Seele desselben war, war gen Himmel zurückgestiegen.

Don Bernardo blieb allein, nun konnte er um sich blicken. Ueber seinem Haupte war ein Gemälde angebracht, das den englischen Gruß vorstellte; in einer Ecke des Gemäldes lag die Schenkerin mit gefalteten Händen auf den Knieen

Der Ritter von Alcantara stieß einen Ausruf der Ueberraschung aus. Die Schenkerin, diese auf den Knieen und mit gefalteten Händen in einer Ecke des Gemäldes vorgestellte Frau, war Anna von Niebla.

Er rief den Messner, der die Kerzen auslöschte, und befragte ihn.

Dieses Gemälde war das Werk Annas von Niebla selbst; sie hatte sich dem Gebrauche der Zeit gemäß, welcher fast immer für die Schenkerin einen bescheidenen Platz auf der geweihten Leinwand verlangte, auf den Knieen und im Gebete vorgestellt.

Die Stunde war gekommen, sich zu entfernen; auf die Aufforderung, welche der Messner an ihn stellte, verneigte sich Don Bernardo und verließ die Kirche.

Ein Gedanke war in ihm aufgestiegen, nämlich dieses Gemälde sich zu erwerben, um welchen Preis es auch sein, mögte.

Aber alle Anträge, welche er dem Kapitel des Klosters stellte oder stellen ließ, wurden zurückgewiesen, man antwortete ihm, daß das, was geschenkt worden wäre, nicht verkauft werden könnte.

Don Bernardo schwur, daß er dieses Gemälde besitzen würde. Er raffte alles Geld zusammen, das er sich verschaffen konnte, ungefähr zwanzig Tausend Realen, bei weitem mehr, als der wirkliche Werth des Bildes, und er beschloß am nächsten Sonntage mit Jedermann die Kirche zu betreten, wie er es bereits gethan hatte, sich in irgend einem Winkel zu verstecken, und in der Nacht die Lein, wand abzunehmen und aufzurollen, indem er die zwanzig. Tausend Realen auf dem Altäre ließ, dem er das Bild geraubt hätte.

Um wieder aus der Kirche zu kommen, so hatte er bemerkt, daß die Fenster höchstens zwölf Fuß hoch angebracht wären, und daß sie auf den Kirchhof führten; er würde Stühle auf einander stellen, und die Kirche leicht durch ein Fenster verlassen. Dann würde er das Schloß mit seinem Schatze wieder erreichen, es in einen prachtvollen Rahmen fassen lassen, es dem Porträt Annas von Niebla gegenüber aufhängen und sein Leben in diesem Zimmer zubringen, das sein Leben enthielt. Die Tage und die Nächte verflossen in der Erwartung des Sonntags, der endlich herbeikam.

Don Bernardo von Zuniga trat als einer der Ersten ein, wie er es am Sonntage vorher gemacht hatte. Er hatte die zwanzig Tausend Realen in Gold bei sich.

Was aber seine Augen gleich anfangs überraschte, war die Trauer, welche die Kirche angelegt hatte; durch die Gitter des Chores sah man die Enden der Kerzen glänzen, welche die Gipfel eines Katafalks beleuchteten.

Don Bernardo erkundigte sich.

Am selben Morgen war eine Nonne gestorben, und die Messe, der er beizuwohnen im Begriffe stand, war eine Todtenmesse.

Aber, wie wir gesagt, kam Don Bernardo nicht für die Messe, er kam, um die Ausführung seines Planes vorzubereiten.

Das Gemälde des englischen Grußes war an seinem Platze über dem Altare der Kapelle der Jungfrau.

Das niedrigste Fenster war zehn bis zwölf Fuß hoch, und mittelst über einander gestellter Bänke oder Stühle war Nichts leichter, als aus der Kirche zu kommen.

Diese Gedanken beschäftigten Don Bernardo während der ganzen Dauer des Gottesdienstes. Er fühlte wohl, daß er eine schlechte That zu begehen im Begriffe stände; aber er hoffte, daß der Herr ihm zu Gunsten seines ganzen, im Kampfe gegen die Ungläubigen zugebrachten Lebens, zu Gunsten dieser ungeheuren Summe, die er an der Stelle des Gemäldes zurückließ, verzeihen würde.

Dann hörte er von Zeit zu Zeit die Trauergesänge, und suchte vergebens unter allen diesen frischen, reinen und klangvollen Stimmen die Schwingung dieser Stimme, deren himmlischer Ton acht Tage zuvor alle Fibern seiner Seele erweckt, und sie wie eine himmlische Harfe unter den Fingern eines Seraphims hatte ertönen lassen.

Die klangvolle Saite war abwesend, und man hätte sagen können, daß eine Taste auf dem religiösen Claviere fehlte.

Die Messe endigte. Jedermann entfernte sich. Indem er vor einem Beichtstuhle vorüberging, machte ihn Don Bernardo von Zuniga auf, trat in denselben ein und verschloß ihn wieder hinter sich.

Niemand sah ihn.

Die Thüren der Kirche knarrten auf ihren Angeln. Bernardo hörte die Schlösser kreischen. Die Schritte des Messners streiften den Beichtstuhl, in welchem er versteckt war, und entfernten sich. Alles kehrte wieder in das Schweigen zurück.

Nun hörte man von Zeit zu Zeit in dem immer noch verschlossenen Beichtstuhle das Rauschen eines Schrittes auf den Steinplatten, dann das Gemurmel eines mit leiser Stimme verrichteten Gebetes.

Das war irgend eine Nonne, welche die Litaneien der Jungfrau bei der Leiche ihrer gestorbenen Gefährtin zu beten kam.

Der Abend kam herbei, die Dunkelheit verbreitete sich in der Kirche, das in eine Trauerkapelle umgestaltete Chor blieb allein erleuchtet.

Dann ging der Mond auf, einer seiner Strahlen fiel durch ein Fenster, und warf sein bleiches Licht in die Kirche.

Alles Geräusch des Lebens erlosch allmählig außerhalb und innerhalb; gegen eilf Uhr hörten die letzten Gebete um die Todte herum auf, und Alles wich vor diesem frommen, den Kirchen, den Klöstern und den Friedhöfen eigenthümlichen Schweigen.

Der monotone und regelmäßige Schrei einer aller Wahrscheinlichkeit nach auf einem der Kirche benachbarten Baume sitzenden Nachteule, fuhr allein fort, in seinen traurigen Zwischenräumen zu erschallen.

Don Bernardo dachte, daß der Moment gekommen wäre, sein Vorhaben auszuführen. Er machte die Thüre des Beichtstuhles auf, in welchem er versteckt war, und streckte den Fuß aus seiner Zufluchtsstätte.

In dem Augenblicke, wo sein Fuß sich auf die Steinplatte der Kirche stellte, begann es Mitternacht zu schlagen.

Er wartete regungslos ab. bis die zwölf Schlage langsam erklungen waren, und sich in gefühllosen Schaudern allmählig verloren hatten, um den Beichtstuhl gänzlich zu verlassen, und auf das Chor zuzuschreiten; er wollte sich überzeugen, daß Niemand mehr bei der Todten wache, und daß Niemand ihn bei der Ausführung seiner Absicht stören würde.

Aber bei dem ersten Schritte, den er auf das Chor zu that, öffnete sich das Gitter des Chores langsam, und eine Nonne erschien.

Don Bernardo stieß einen Schrei aus. Diese Nonne war Anna von Niebla.

Ihr aufgeschlagener Schleier ließ ihr Gesicht offen sehen. Ein Kranz weißer Rosen befestigte ihren Schleier auf ihrer Stirn. Sie hielt einen Rosenkranz von Elfenbein in der Hand, der gelb gegen die Hand schien, die ihn hielt.

– Anna! rief der junge Mann aus.

– Don Bernardo! flüsterte die Nonne.

Don Bernardo eilte herbei. . .

– Du hast mich genannt, rief Don Bernardo aus, Du hast mich also erkannt?

– Ja, antwortete die Nonne.

– An der heiligen Quelle?

– An der heiligen Quelle.

Und Don Bernardo umschlang die Nonne mit seinen Armen.

Anna that Nichts, um sich von der liebenden Umschlingung loszumachen.

– Aber, fragte Bernardo, Verzeihung, denn ich werde närrisch vor Freude, närrisch vor Glück, was kömmst Du zu thun?

– Ich wußte, daß Du da wärest!

– Und Du suchtest mich?

– Ja.

– Du weißt also, daß ich Dich liebe?. . .

– Ich weiß es. . .

– Und Du, liebst Du mich?

Die Lippen der Nonne blieben stumm.

– O! Niebla! Niebla. ein Wort, ein einziges. Bei unserer Jugend, bei meiner Liebe, bei Christus, liebst Du mich?

– Ich habe Gelübde abgelegt, flüsterte die Nonne.

– O! was kümmern mich Deine Gelübde, rief Don Bernardo aus, habe ich deren nicht auch abgelegt, und habe ich sie nicht gebrochen!

– Ich bin todt für die Welt, sagte die bleiche Verlobte.

– Wärest Du todt für das Leben, Niebla, ich würde Dich wieder auferwecken.

– Du würdest mich nicht wieder aufleben lassen, sagte Anna, indem sie den Kopf schüttelte. Und ich, Bernardo, ich würde Dich sterben lassen. . .

– Es ist besser, in demselben Grabe zu schlafen, als getrennt zu sterben!

– Was beschließt Du dann, Bernardo?

– Dich zu entführen, Dich mit mir bis an das Ende der Welt zu nehmen, wenn es nothwendig ist, über die Oceane, wenn es sein muß.

– Wann das?

– Auf der Stelle.

– Die Thüren sind verschlossen.

– Du hast Recht, bist Du morgen frei?

– Ich bin immer frei.

– Erwarte mich morgen hier um dieselbe Stunde, ich werde einen Schlüssel zur Kirche haben.

– Ich werde Dich erwarten, aber wirst Du kommen?

– Ah! bei meinem Leben, ich schwöre es Dir. Aber Du, welches ist Dein Schwur, welches ist Dein Pfand?

– Nimm, sagte sie, hier ist mein Rosenkranz.

Und sie knüpfte ihm den Rosenkranz von Elfenbein um den Hals.

Zu gleicher Zeit umarmte Bernardo Anna von Niebla, und drückte sie mit beiden Händen an seine Brust; ihre Lippen begegneten sich und wechselten einen Kuß aus.

Aber, statt glühend wie ein erster Kuß der Liebe zu sein, war die Berührung der Lippen der Nonne eisig, und die Kälte, welche durch die Adern Don Bernardos rollte, erfüllte sein Herz.

– Es ist gut, sagte Anna, und jetzt wird keine menschliche Macht uns mehr trennen können. Auf Wiedersehen, Zuniga.

Žanrid ja sildid
Vanusepiirang:
0+
Ilmumiskuupäev Litres'is:
06 detsember 2019
Objętość:
952 lk 4 illustratsiooni
Õiguste omanik:
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