Abkürzungsverzeichnis
a.a.O.
am angegebenen Ort
AbgG
Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Deutschen Bundestages
Abs.
Absatz
AEUV
Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union
AGG
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
ArbPlSchG
Arbeitsplatzschutzgesetz
Art.
Artikel
ASiG
Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit
ArbZG
Arbeitszeitgesetz
AV
Arbeitsverhältnis
AZG
Arbeitszeitgesetz
BAG
Bundesarbeitsgericht
BAT
Bundesangestelltentarifvertrag
BBG
Bundesbeamtengesetz
BBhV
Bundesbeihilfeverordnung
BBiG
Berufsbildungsgesetz
BDSG
Bundesdatenschutzgesetz
BEEG
Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz
BEM
Betriebliches Eingliederungsmanagement
BetrVG
Betriebsverfassungsgesetz
BFDG
Gesetz über den Bundesfreiwilligendienst
BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
BGleiG
Bundesgleichstellungsgesetz
BGM
Betriebliches Gesundheitsmanagement
BImAG
Bundesanstalt für Immobilienaufgaben
BImSchG
Bundes-Immissionsschutzgesetz
BMAS
Bundesministerium für Arbeit und Soziales
BMEL
Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft
BMI
Bundesministerium des Innern
BMVg
Bundesministerium der Verteidigung
BPersVG
Bundespersonalvertretungsgesetz
BRRG
Beamtenrechtsrahmengesetz
bspw.
beispielsweise
BT-Drucks.
Bundestages-Drucksache
Buchst.
Buchstabe
BUKG
Bundesumzugskostengesetz
BUrlG
Bundesurlaubsgesetz
BZ
Beschäftigungszeit
bzw.
beziehungsweise
d.h.
das heißt
EFZG
Entgeltfortzahlungsgesetz
EignÜbG
Eignungsübungsgesetz
Electronic Mail
EU
Europäische Union
EuAbgG
Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland
EÜGV
Verordnung zum Eignungsübungsgesetz
EWG
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft
ff.
fortfolgende
FPflZG
Familienpflegezeitgesetz
gem.
gemäß
GewO
Gewerbeordnung
GG
Grundgesetz
ggf.
gegebenenfalls
GÖD
Gewerkschaft öffentlicher Dienst
GRCh
Charta der Grundrechte der Europäischen Union
grds.
grundsätzlich
i.d.R.
in der Regel
insb.
insbesondere
i.S.d.
im Sinne des
i.S.v.
im Sinne von
i.V.m.
in Verbindung mit
JArbSchG
Gesetz zum Schutze der arbeitenden Jugend
JFDG
Gesetz zur Förderung von Jugendfreiwilligendiensten
KatSchErwG
Gesetz über die Erweiterung des Katastrophenschutzes
KatSchG
Gesetz über den Brandschutz, die Hilfeleistung und den Katastrophenschutz
Kfz
Kraftfahrzeug
KrWG
Kreislaufwirtschaftsgesetz
KSchG
Kündigungsschutzgesetz
KfW
Kreditanstalt für Wiederaufbau
lfd.
laufenden
Lj.
Lebensjahr
MiLoG
Mindestlohngesetz
MuSchG
Mutterschutzgesetz
NachwG
Nachweisgesetz
Nr.
Nummer
PC
Personal Computer
PflegeZG
Pflegezeitgesetz
Rn.
Randnummer
Rz.
Randzeichen
RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz
Gesetz zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung
S.
Satz
s.
siehe
SaZ
Soldat auf Zeit
SGB III
Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung
SGB IV
Sozialgesetzbuch Viertes Buch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung
SGB VI
Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – gesetzliche Rentenversicherung
SGB IX
Sozialgesetzbuch Neuntes Buch – Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen
SMS
Short Message Service
sog.
sogenannte/r
SVG
Gesetz über die Versorgung für die ehemaligen Soldaten der Bundeswehr und ihrer Hinterbliebenen
TdL
Tarifgemeinschaft deutscher Länder
THW-HelfRG
Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Helfer der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk
TV ATZ
Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeitarbeit
TVG
Tarifvertragsgesetz
TV-L
Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder
TVöD
Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst
TVÜ-Bund
Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten des Bundes in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts
TVÜ-Land
Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts
TVÜ-VKA
Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD
TVUmBw
Tarifvertrag über sozialverträgliche Begleitmaßnahmen im Zusammenhang mit der Umgestaltung der Bundeswehr
TzBfG
Teilzeit- und Befristungsgesetz
u.a.
unter anderem
UBWV
Unterrichtsblätter für die Bundeswehrverwaltung
UN
United Nations
u.U.
unter Umständen
WÜ
Wehrübung
z.B.
zum Beispiel
ZDG
Gesetz über den Zivildienst der Kriegsdienstverweigerer
ZPO
Zivilprozessordnung
ZSKG
Gesetz über den Zivilschutz und die Katastrophenhilfe des Bundes
Kapitel AAllgemeine Grundlagen
1
Ein Großteil der im öffentlichen Dienst insgesamt wahrzunehmenden Aufgaben obliegt gleichermaßen Beamten wie auch Arbeitnehmern.
Beide Statusgruppen arbeiten in der Regel eng und vielfach unter gleichen Bedingungen zusammen. Häufig erledigen sie einzeln für sich oder in Teamwork gleiche Aufgabengebiete, so dass aus rein natürlichem Blickfeld die jeweils anders gearteten Rechtsgrundlagen unterliegenden verschiedenen Beschäftigungsverhältnisse als solche, ohne hiermit Art. 33 Abs. 4 GG einschränken zu wollen, zunächst nicht zu unterscheiden sind.
Die anfallenden Arbeiten sind nach Art und Inhalt vielfältig. Sie erstrecken sich von einfachen Tätigkeiten ohne Ausbildungserfordernis bis hin zu einer Vielzahl von Berufen, deren Ausübung im Regelfall einen erfolgreichen Hochschulabschluss, zumindest aber gleichwertige Kenntnisse erforderlich machen. Angefangen von den verschiedensten Tätigkeiten im „reinen“ Verwaltungsdienst über die große Vielzahl technischer bis u.a. zu den medizinischen Berufen, sind im öffentlichen Dienst nahezu alle Berufsbilder in mannigfaltigen Erscheinungsformen unter teilweise unterschiedlichsten praktischen Arbeitsbedingungen vertreten.
Das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers unterscheidet sich jedoch schon vom Zustandekommen her wesentlich vom Dienstverhältnis des Beamten.
Während der Beamte durch Ernennung – Verwaltungsakt auf Unterwerfung – in ein öffentlich-rechtliches Dienst- und Treueverhältnis berufen wird, kommt das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers durch Abschluss eines privatrechtlichen Vertrages – Arbeitsvertrag – zustande.
Trotz der enormen praktischen Bedeutung definieren die arbeitsrechtlichen Gesetze den Begriff des Arbeitnehmers nicht, sondern unterteilen ihn allenfalls in weitere Kategorien (Arbeiter, Angestellte, leitende Angestellte, Auszubildende), um den Anwendungsbereich des jeweiligen Gesetzes festzulegen. Die Rechtsprechung[1] und ganz herrschende Lehre[2] greifen auf die von Hueck[3] entwickelte, heute allgemein übliche Begriffsbestimmung zurück.
2
Danach ist Arbeitnehmer, „wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags zur Leistung von Diensten für einen anderen in persönlicher Abhängigkeit (Unselbstständigkeit) verpflichtet ist“. Beim Arbeitsvertrag handelt es sich um einen Sonderfall des Dienstvertrags nach § 611 BGB. Abs. 1 der Vorschrift regelt die Verpflichtungen der Vertragsparteien eines Dienstvertrags. Diese bestehen für den Dienstverpflichteten in der Leistung der versprochenen Dienste, für den Dienstberechtigten in der Gewährung der vereinbarten Vergütung. Kennzeichnend für den Dienstvertrag ist also die Leistung von Diensten gegen Entgelt. § 611 Abs. 2 BGB bestimmt, dass Gegenstand des Dienstvertrags jede Art von Diensten sein kann. Das Arbeitsverhältnis unterscheidet sich vom unabhängigen Dienstvertrag durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, also der Fremdbestimmtheit der Dienstleistung. Der Arbeitsvertrag zeichnet sich durch die persönliche Abhängigkeit des Dienstverpflichteten gegenüber seinem Vertragspartner aus. Als weiteres Merkmal der persönlichen Abhängigkeit (Fremdbestimmtheit) ist die Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation heranzuziehen.[4] Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass ein Beschäftigter hinsichtlich Zeit, Dauer und Ort der Ausführung der versprochenen Dienste einem umfassenden Weisungsrecht (§ 106 S. 2 GewO) des Arbeitgebers unterliegt.[5]
Die 2016 in § 611a BGB eingefügte gesetzliche Definition des Arbeitnehmers schreibt lediglich die höchstrichterliche Rechtsprechung des BAG fest und greift die bisherigen Abgrenzungskriterien auf. Ob damit die missbräuchliche Gestaltung des Fremdpersonaleinsatzes durch Beschäftigung in vermeintlich selbstständigen Dienst- und Werkverträgen verhindert werden kann, muss die praktische Anwendung dieser Vorschrift zeigen.
3
Die Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten ist in der geschichtlichen Entwicklung begründet und reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück.
Die kleine Gruppe der Angestellten leistete überwiegend geistige, die Arbeiter überwiegend körperliche Arbeit. Wer schreiben können musste, wurde bereits den Angestellten zugeordnet.
Aufgrund der zunehmenden technisch anspruchsvollen Arbeitswelt und dem Übergang von der Industrieproduktion zur Dienstleistungsgesellschaft verlor die Unterscheidung zunehmend an Bedeutung. So hat denn auch der Gesetzgeber beginnend mit dem Jahr 1993 die Unterschiede beseitigt, indem er etwa einheitliche Kündigungsfristen eingeführt hat. Soweit heute – etwa in § 5 ArbGG – noch eine Differenzierung nach Arbeitern und Angestellten erfolgt, handelt es sich lediglich um eine Beschreibung, die an keine differenzierenden Rechtsfolgen mehr geknüpft ist.
4
Dieser Entwicklung hat auch der am 1.10.2005 in Kraft getretene Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst – TVöD – Rechnung getragen, indem die bis dahin tarifrechtliche Unterscheidung zwischen Angestellten und Arbeitern aufgehoben und eine einzige Statusgruppe, nunmehr als Beschäftigte bezeichnet, geschaffen wurde. Die bis dahin maßgebenden unterschiedlichen Tarifverträge für Angestellte – BAT/BAT-O – bzw. für Arbeiter – MTArb/MTArb-O – sowie der Arbeiter im Bereich der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände – VKA – BMTG/BMTG-O – traten mit Ablauf des 30.9.2005 außer Kraft. Ergänzend sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass im Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder – TdL – mit Wirkung zum 12.10.2006 der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) vereinbart worden ist, der überwiegend mit dem TVöD identisch ist.
Soweit im Folgenden rein tarifrechtliche Grundlagen betroffen sind, findet der durch den TVöD/TVL neu geprägte Statusbegriff „Beschäftigte(r)“ Verwendung.
Wie auch immer die zweifelsohne unglücklich gewählte redaktionelle begriffliche Darstellung ausfällt, gemeint sind in jedem Falle Arbeitnehmer. Es ist ohnehin weder ersichtlich noch erklärbar, warum die Tarifvertragsparteien diesbezüglich wortschöpferisch tätig geworden sind. Insbesondere deswegen nicht, weil das allgemeine Arbeitsrecht mit der Bezeichnung Arbeitnehmer eine verständliche und umfassende Bezeichnung für den Personenkreis der aufgrund eines Arbeitsvertrages Beschäftigten entwickelt hat.
5
Das Arbeitsrecht ist ein weitgefächertes in sich selbstständiges Rechtsgebiet mit eigener Gerichtsbarkeit. Zwar hat es noch keine lange geschichtliche Entwicklung hinter sich. Der weitaus größte Teil der diesem Gebiet zuzuordnenden Normen ist erst in den zurückliegenden 60 Jahren entwickelt worden. Dennoch hat die in der Gesamtbetrachtung rasche Entwicklung zu einer nahezu unüberschaubaren Rechtszersplitterung dieser Materie geführt. Bereits in den 70er Jahren wie auch in neuerer Zeit bestand und besteht die Absicht, das individuelle Arbeitsrecht in Form eines „Deutschen Arbeitsgesetzbuches“ zusammenzufassen und zu vereinheitlichen. Dieses Vorhaben hat sich jedoch bislang aufgrund fehlender politischer Entscheidungsfindung nicht weiter durchsetzen können.
6
Unsere Rechtsordnung unterscheidet zwischen Normen des öffentlichen und des privaten Rechts. Nach der (herrschenden) modifizierten Subjektstheorie gehören dem öffentlichen Recht diejenigen Rechtssätze an, die nur den Staat oder einen sonstigen Träger hoheitlicher Gewalt zum Zuordnungssubjekt haben, die sich folglich ausschließlich an den Staat oder einen sonstigen Träger hoheitlicher Gewalt wenden.
Dem Privatrecht sind demgegenüber die für jedermann geltenden Rechtssätze zuzurechnen. Das öffentliche Recht ist somit das Sonderrecht des Staates, das Privatrecht das Jedermannsrecht, wobei zu dem „jedermann“ auch der Staat gehören kann.
Das Arbeitsrecht besteht sowohl aus Normen des öffentlichen als auch privaten Rechts. Überwiegend sind diese jedoch privater Natur. Während der Betriebs-, Gefahren- und Arbeitsschutz öffentlich-rechtlich ausgestaltet ist, sind die Arbeitnehmerschutzrechte – insbesondere der Kündigungsschutz – rein privatrechtlicher Natur.
7
In sich ist das Arbeitsrecht nach Rechtsgebieten gegliedert, denen im Einzelnen wiederum die Vielzahl der wesentlichsten Rechtsquellen zugeordnet werden. Im Verhältnis zueinander lassen sie sich übersichtsmäßig wie folgt abgrenzen:
8
Unter Individualarbeitsrecht versteht man das Recht, Arbeitsverträge abzuschließen, deren Inhalt zu gestalten und bestehende Arbeitsverhältnisse zu beenden. Diesen Teilbereich des Arbeitsrechts bezeichnet man auch als Arbeitsvertrags- und Arbeitsverhältnisrecht. Seine Normen sind teils öffentlich-rechtlicher, im Wesentlichen allerdings privatrechtlicher Natur.
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Das Arbeitnehmerschutzrecht umfasst alle öffentlich-rechtlichen Bestimmungen, die den Arbeitnehmer vor Schäden, Benachteiligungen und Gefahren aller Art im Arbeitsleben bewahren bzw. schützen sollen. Hierbei handelt es sich insbesondere um Arbeitgeberpflichten zum Staat, die der Arbeitgeber jedoch konkret unmittelbar dem Arbeitnehmer gegenüber zu erfüllen hat. Die öffentlich-rechtliche Natur dieser Materie verdeutlicht darüber hinaus die Beziehung zwischen Staat und Bürger in einer nach Art. 20 (1) GG sozial verpflichteten Demokratie. Im Übrigen dient es der Verwirklichung des durch Art. 3 GG bestimmten Gleichbehandlungsgebotes.
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Das kollektive Arbeitsrecht ist das Recht der Gewerkschaften und Arbeitgebern/Arbeitgeberverbände, Tarifverträge frei und gleichberechtigt auszuhandeln und abzuschließen. Auch die zwischen den Dienststellen und den zuständigen Personalvertretungen im Rahmen des Personalvertretungsrechts bzw. Betriebsverfassungsrechts abgeschlossenen Dienstvereinbarungen/Betriebsvereinbarungen gehören zu diesem Gebiet. Gleiches gilt für die Vereinbarungen zwischen den Gewerkschaften und Arbeitgebern/Arbeitgeberverbänden über den Ablauf von Arbeitskämpfen. Im Einzelnen gehören zu diesem Rechtsgebiet das:
Koalitionsrecht
Tarifvertragsrecht
Arbeitskampfrecht
Schlichtungsrecht
Personalvertretungsrecht
Betriebsverfassungsrecht
11
Das Arbeitsverfahrensrecht gestaltet die allgemeinen und besonderen Verfahrensregelungen bei Arbeitsrechtsstreitigkeiten vor den Gerichten für Arbeitssachen (Arbeits-, Landesarbeitsgerichte, Bundesarbeitsgericht). Grundsätzlich gelten für diese Verfahren die Regelungen der Zivilprozessordnung. Im Interesse des im Verhältnis zum Arbeitgeber schwächeren Arbeitnehmers hat der Gesetzgeber durch das Arbeitsgerichtsgesetz einige Ausnahmen hiervon zugelassen. Durch sie sollen im Wesentlichen folgende Ziele hinsichtlich des arbeitsgerichtlichen Verfahrens erreicht werden:
Folgende Besonderheiten sollen dem Arbeitnehmerschutzgedanken Rechnung tragen: Die Kammern des Arbeitsgerichts und Landesarbeitsgerichts sowie die Senate des Bundesarbeitsgerichts sind auch mit ehrenamtlichen Richtern besetzt (aus Kreisen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber). Die Parteien können sich vor dem ArbG und LAG nicht nur von Rechtsanwälten, sondern auch von Vertretern der Gewerkschaften oder Arbeitgeberverbände als Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Die Kosten im Urteilsverfahren der ersten Instanz für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten trägt jede Partei selbst – unabhängig davon, ob sie obsiegt oder unterliegt. Das arbeitsgerichtliche Verfahren zielt darüber hinaus stärker auf die gütliche Einigung der Parteien ab.
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Das Arbeitsrecht wird von einer Vielzahl verschiedener Rechtsquellen beherrscht. Auf der obersten Ebene dieser Rechtsquellen steht das unmittelbar geltende Recht der Europäischen Union als supranationales Recht, gefolgt vom nationalen Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland. Dieses wiederum entfaltet Bindungswirkung für den Gesetzgeber beim Erlass des (einfachen) Gesetzes. Bedauerlicherweise hat der Gesetzgeber im Arbeitsrecht jedoch keine einheitliche und große Kodifikation umzusetzen vermocht; vielmehr hat er eine unübersichtliche und zugleich hinreichende Systematik entbehrende Fülle von Einzelgesetzen erlassen.
Um die Konkurrenz zwischen mehreren Gestaltungsfaktoren lösen zu können, haben sich folgende Rangregeln herausgebildet:
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Sofern Rechtsquellen gleiche Sachverhalte zueinander widersprüchlich regeln, geht die im Stufenaufbau jeweils höher angesiedelte der in diesem Sinne niederen Regelung vor. Folglich müssen nachrangige Regelungen, um Rechtswirksamkeit zu erlangen, mit denen zu ihnen jeweils höherrangigen Normen harmonieren, sogenanntes Rangprinzip bzw. Hierarchieprinzip. Danach würde eine Regelung zur Länge des Erholungsurlaubes im Gesetz oder im Tarifvertrag einer hiervon abweichenden Regelung im Arbeitsvertrag vorgehen, gleichgültig, welchen Inhalt die verschiedenen Regelungen haben. Im Verhältnis der Rechtsquellen des Arbeitsrechts – bei Konkurrenz auf verschiedenen Rangstufen – gilt jedoch nicht das Rangprinzip, sondern das Günstigkeitsprinzip.[6]
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Die im Aufbau dieser Rangfolge im Verhältnis zu einer höherrangigen jeweils niedere Norm hat jedoch grundsätzlich in den Fällen Vorrang, in denen sie für den Arbeitnehmer konkret günstiger ist (Günstigkeitsprinzip oder Günstigkeitsvergleich).
Dem Günstigkeitsprinzip zufolge findet auf das Arbeitsverhältnis im Falle kollidierender Rechtsquellen nicht die ranghöhere, sondern die für den Arbeitnehmer günstigere Regelung Anwendung. Für das Verhältnis zwischen tarif- und arbeitsvertraglichen Regelungen ist das Günstigkeitsprinzip in § 4 Abs. 3 TVG normiert. Das Günstigkeitsprinzip findet aber etwa auch im Verhältnis zwischen individualvertraglichen Regelungen und Inhaltsnormen einer Betriebsvereinbarung Anwendung. Eine Regelung in einer Betriebsvereinbarung tritt deshalb hinter eine günstigere einzelvertragliche Regelung zurück (§ 77 Abs. 3 BetrVG).[7] Wenn also im Arbeitsvertrag eine Regelung enthalten ist, die dem Arbeitnehmer einen längeren Urlaubsanspruch gewährt als der für ihn geltende Tarifvertrag, so ist die Regelung im Arbeitsvertrag anzuwenden.
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Zur Durchführung des Günstigkeitsvergleichs: Im Rahmen des Günstigkeitsvergleichs sind die in einem inneren sachlichen Zusammenhang stehenden Teilkomplexe der unterschiedlichen Regelungen zu vergleichen (sog. Sachgruppenvergleich). Dabei sind die abstrakten Regelungen und nicht das Ergebnis ihrer Anwendung im Einzelfall maßgebend. Führt ein Günstigkeitsvergleich nicht zweifelsfrei zu dem Ergebnis, dass die vom normativ geltenden Tarifvertrag abweichende arbeitsvertragliche Regelung für den Arbeitnehmer günstiger ist, bleibt es bei der zwingenden, normativen Geltung des Tarifvertrags. Mit Urteil vom 10.12.2014 bestätigt das BAG die abstrakte Betrachtungsweise zur Durchführung des Günstigkeitsvergleichs.[8] Praktisch relevant ist die abstrakte Betrachtungsweise bei einem Günstigkeitsvergleich z.B. auch bei der Kollision von gesetzlichen/tarifvertraglichen mit abweichenden arbeitsvertraglich vereinbarten Kündigungsfristen. Wichtig ist für die Praxis, nicht vorschnell die „individuell günstige Lösung“ zu sehen, sondern einen abstrakten Sachgruppenvergleich durchzuführen. Verbleiben Zweifel, liegt keine Günstigkeit i.S.d. § 4 Abs. 3 TVG vor.