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Diese Zunahme kann leicht von denen bezweifelt werden, welche nie unsern Weltteil verlassen oder das Studium der allgemeinen Erdkunde vernachlässigt haben. Wenn man aus unsern dicklaubigen Eichenwäldern über die Alpen- oder Pyrenäen-Kette nach Welschland oder Spanien hinabsteigt, wenn man gar seinen Blick auf einige afrikanische Küstenländer des Mittelmeeres richtet, so wird man leicht zu dem Fehlschlusse verleitet, als sei Baumlosigkeit der Charakter heißer Klimate. Aber man vergißt, daß das südliche Europa eine andere Gestalt hatte, als pelasgische oder karthagische Pflanzvölker sich zuerst darin festsetzten; man vergißt, daß frühere Bildung des Menschengeschlechts die Waldungen verdrängt und daß der umschaffende Geist der Nationen der Erde allmählich den Schmuck raubt, welcher uns in dem Norden erfreut, und welcher (mehr als alle Geschichte) die Jugend unserer sittlichen Kultur anzeigt. Die große Katastrophe, durch welche das Mittelmeer sich gebildet, indem es, ein anschwellendes Binnenwasser, die Schleusen der Dardanellen und die Säulen des Herkules durchbrochen: diese Katastrophe scheint die angrenzenden Länder eines großen Teils ihrer Dammerde beraubt zu haben. Was bei den griechischen Schriftstellern von den samothrakischen Sagen erwähnt wird, deutet die Neuheit dieser zerstörenden Naturveränderung an. Auch ist in allen Ländern, welche das Mittelmeer bespült und welche Tertiärkalk und untere Kreide (Nummuliten und Neocomien) charakterisieren, ein großer Teil der Erdoberfläche nackter Fels. Das Malerische italienischer Gegenden beruht vorzüglich auf diesem lieblichen Kontraste zwischen dem unbelebten öden Gestein und der üppigen Vegetation, welche inselförmig darin aufsproßt. Wo dieses Gestein minder zerklüftet, die Wasser auf der Oberfläche zusammenhält, wo diese mit Erde bedeckt ist (wie an den reizenden Ufern des Albaner Sees), da hat selbst Italien seine Eichenwälder, so schattig und grün, als der Bewohner des Nordens sie wünscht.

Auch die Wüsten jenseits des Atlas und die unermeßlichen Ebenen oder Steppen von Südamerika sind als bloße Lokalerscheinungen zu betrachten. Diese findet man, in der Regenzeit wenigstens, mit Gras und niedrigen, fast krautartigen Mimosen bedeckt; jene sind Sandmeere im Innern des alten Kontinents, große pflanzenleere Räume, mit ewig grünen waldigen Ufern umgeben. Nur einzeln stehende Fächerpalmen erinnern den Wanderer, daß diese Einöden Teile einer belebten Schöpfung sind. Im trügerischen Lichtspiele, das die strahlende Wärme erregt, sieht man bald den Fuß dieser Palmen frei in der Luft schweben, bald ihr umgekehrtes Bild in den wogenartig zitternden Luftschichten wiederholt. Auch westlich von der peruanischen Andeskette, an den Küsten des Stillen Meeres, haben wir Wochen gebraucht, um solche wasserleere Wüsten zu durchstreichen.

Der Ursprung derselben, diese Pflanzenlosigkeit großer Erdstrecken, in Gegenden, wo umher die kraftvollste Vegetation herrscht, ist ein wenig beachtetes geognostisches Phänomen, welches sich unstreitig auf alte Naturrevolutionen (auf Überschwemmungen, oder vulkanische Umwandlungen der Erdrinde) gründet. Hat eine Gegend einmal ihre Pflanzendecke verloren, ist der Sand beweglich und quellenleer, hindert die heiße, senkrecht aufsteigende Luft den Niederschlag der Wolken, so vergehen Jahrtausende, ehe von den grünen Ufern aus organisches Leben in das Innere der Einöde dringt.

Wer demnach die Natur mit einem Blicke zu umfassen und von Lokalphänomenen zu abstrahieren weiß, der sieht, wie mit Zunahme der belebenden Wärme, von den Polen zum Äquator hin, sich auch allmählich organische Kraft und Lebensfülle vermehren. Aber bei dieser Vermehrung sind doch jedem Erdstriche besondere Schönheiten vorbehalten: den Tropen Mannigfaltigkeit und Größe der Pflanzenformen, dem Norden der Anblick der Wiesen, und das periodische Wiedererwachen der Natur beim ersten Wehen der Frühlingslüfte. Jede Zone hat außer den ihr eigenen Vorzügen auch ihren eigentümlichen Charakter. Die urtiefe Kraft der Organisation fesselt, trotz einer gewissen Freiwilligkeit im abnormen Entfalten einzelner Teile, alle tierische und vegetabilische Gestaltung an feste, ewig wiederkehrende Typen. So wie man an einzelnen organischen Wesen eine bestimmte Physiognomie erkennt, wie beschreibende Botanik und Zoologie, im engern Sinne des Worts, Zergliederung der Tier- und Pflanzenformen sind, so gibt es auch eine Naturphysiognomie, welche jedem Himmelsstriche ausschließlich zukommt.

Was der Maler mit den Ausdrücken: schweizer Natur, italienischer Himmel bezeichnet, gründet sich auf das dunkle Gefühl dieses lokalen Naturcharakters. Luftbläue, Beleuchtung, Duft, der auf der Ferne ruht, Gestalt der Tiere, Saftfülle der Kräuter, Glanz des Laubes, Umriß der Berge: alle diese Elemente bestimmen den Totaleindruck einer Gegend. Zwar bilden unter allen Zonen dieselben Gebirgsarten: Trachyt, Basalt, Porphyrschiefer und Dolomit, Felsgruppen von einerlei Physiognomie. Die Grünstein-Klippen in Südamerika und Mexiko gleichen denen des deutschen Fichtelgebirges, wie unter den Tieren die Form des Allco oder der ursprünglichen Hunderasse des Neuen Kontinents mit der europäischen Rasse übereinstimmt. Denn die unorganische Rinde der Erde ist gleichsam unabhängig von klimatischen Einflüssen: sei es, daß der Unterschied der Klimate nach Unterschied der geographischen Breite neuer als das Gestein ist, sei es, daß die erhärtende, wärmeleitende und wärmeentbindende Erdmasse sich selbst ihre Temperatur gab, statt sie von außen zu empfangen. Alle Formationen sind daher allen Weltgegenden eigen und in allen gleichgestaltet. Überall bildet der Basalt Zwillingsberge und abgestumpfte Kegel, überall erscheint der Trapp-Porphyr in grotesken Felsmassen, der Granit in sanft-rundlichen Kuppen. Auch ähnliche Pflanzenformen, Tannen und Eichen, bekränzen die Berggehänge in Schweden wie die des südlichsten Teils von Mexiko. Und bei aller dieser Übereinstimmung in den Gestalten, bei dieser Gleichheit der einzelnen Umrisse nimmt die Gruppierung derselben zu einem Ganzen doch den verschiedensten Charakter an.

So wie die oryktognostische Kenntnis der Gesteinarten sich von der Gebirgslehre unterscheidet, so ist von der individuellen Naturbeschreibung die allgemeine, oder die Physiognomik der Natur, verschieden. Georg Forster in seinen Reisen und in seinen kleinen Schriften, Goethe in den Naturschilderungen, welche so manche seiner unsterblichen Werke enthalten, Buffon, Bernardin de St. Pierre und Chateaubriand haben mit unnachahmlicher Wahrheit den Charakter einzelner Himmelsstriche geschildert. Solche Schilderungen sind aber nicht bloß dazu geeignet, dem Gemüte einen Genuß der edelsten Art zu verschaffen; nein, die Kenntnis von dem Naturcharakter verschiedener Weltgegenden ist mit der Geschichte des Menschengeschlechtes und mit der seiner Kultur aufs innigste verknüpft. Denn wenn auch der Anfang dieser Kultur nicht durch physische Einflüsse allein bestimmt wird, so hängt doch die Richtung derselben, so hangen Volkscharakter, düstere oder heitere Stimmung der Menschheit großenteils von klimatischen Verhältnissen ab. Wie mächtig hat der griechische Himmel auf seine Bewohner gewirkt! Wie sind nicht in dem schönen und glücklichen Erdstriche zwischen dem Euphrat, dem Halys und dem ägäischen Meere die sich ansiedelnden Völker früh zu sittlicher Anmut und zarteren Gefühlen erwacht! Und haben nicht, als Europa in neue Barbarei versank und religiöse Begeisterung plötzlich den heiligen Orient öffnete, unsere Voreltern aus jenen milden Tälern von neuem mildere Sitten heimgebracht? Die Dichterwerke der Griechen und die rauheren Gesänge der nordischen Urvölker verdankten größtenteils ihren eigentümlichen Charakter der Gestalt der Pflanzen und Tiere, den Gebirgstälern, die den Dichter umgaben, und der Luft, die ihn umwehte. Wer fühlt sich nicht, um selbst nur an nahe Gegenstände zu erinnern, anders gestimmt in dem dunkeln Schatten der Buchen, auf Hügeln, die mit einzeln stehenden Tannen bekränzt sind, oder auf der Grasflur, wo der Wind in dem zitternden Laube der Birke säuselt? Melancholische, ernst erhebende oder fröhliche Bilder rufen diese vaterländischen Pflanzengestalten in uns hervor. Der Einfluß der physischen Welt auf die moralische, das geheimnisvolle Ineinanderwirken des Sinnlichen und Außersinnlichen gibt dem Naturstudium, wenn man es zu höheren Gesichtspunkten erhebt, einen eigenen, noch zu wenig erkannten Reiz.

Wenn aber auch der Charakter verschiedener Weltgegenden von allen äußeren Erscheinungen zugleich abhängt, wenn Umriß der Gebirge, Physiognomie der Pflanzen und Tiere, wenn Himmelsbläue, Wolkengestalt und Durchsichtigkeit des Luftkreises den Totaleindruck bewirken, so ist doch nicht zu leugnen, daß das Hauptbestimmende dieses Eindrucks die Pflanzendecke ist. Dem tierischen Organismus fehlt es an Masse, die Beweglichkeit der Individuen und oft ihre Kleinheit entziehen sie unsern Blicken. Die Pflanzenschöpfung dagegen wirkt durch stetige Größe auf unsere Einbildungskraft. Ihre Masse bezeichnet ihr Alter, und in den Gewächsen allein sind Alter und Ausdruck stets sich erneuernder Kraft miteinander gepaart. Der riesenförmige Drachenbaum, den ich auf den Kanarischen Inseln sah und der 16 Schuh im Durchmesser hat, trägt noch immerdar (gleichsam in ewiger Jugend) Blüte und Frucht. Als französische Abenteurer, die Béthencourts, im Anfang des funfzehnten Jahrhunderts die glücklichen Inseln eroberten, war der Drachenbaum von Orotava (heilig den Eingeborenen, wie der Ölbaum in der Burg zu Athen oder die Ulme zu Ephesus) von eben der kolossalen Stärke als jetzt. In den Tropen ist ein Wald von Hymenäen und Cäsalpinien vielleicht das Denkmal von mehr als einem Jahrtausend.

Umfaßt man mit einem Blick die verschiedenen phanerogamischen Pflanzenarten, welche bereits den Herbarien einverleibt sind und deren Zahl jetzt auf weit mehr denn 80 000 geschätzt wird, so erkennt man in dieser wundervollen Menge gewisse Hauptformen, auf welche sich viele andere zurückführen lassen. Zur Bestimmung dieser Typen, von deren individueller Schönheit, Verteilung und Gruppierung die Physiognomie der Vegetation eines Landes abhängt, muß man nicht (wie in den botanischen Systemen aus andern Beweggründen geschieht) auf die kleinsten Fortpflanzungsorgane, Blütenhüllen und Früchte, sondern nur auf das Rücksicht nehmen, was durch Masse den Totaleindruck einer Gegend individualisiert. Unter den Hauptformen der Vegetation gibt es allerdings ganze Familien der sogenannten natürlichen Systeme. Bananengewächse und Palmen, Kasuarineen und Koniferen werden auch in diesen einzeln aufgeführt. Aber der botanische Systematiker trennt eine Menge von Pflanzengruppen, welche der Physiognomiker sich gezwungen sieht miteinander zu verbinden. Wo die Gewächse sich als Massen darstellen, fließen Umrisse und Verteilung der Blätter, Gestalt der Stämme und Zweige ineinander. Der Maler (und gerade dem feinen Naturgefühle des Künstlers kommt hier der Ausspruch zu!) unterscheidet in dem Hintergrunde einer Landschaft Pinien oder Palmengebüsche von Buchen-, nicht aber diese von anderen Laubholzwäldern!

 

Sechzehn Pflanzenformen bestimmen hauptsächlich die Physiognomie der Natur. Ich zähle nur diejenigen auf, welche ich auf meinen Reisen durch beide Kontinente und bei einer vieljährigen Aufmerksamkeit auf die Vegetation der verschiedenen Himmelsstriche zwischen dem 60. Grade nördlicher und dem 12. Grade südlicher Breite beobachtet habe. Gewiß wird die Zahl dieser Formen ansehnlich vermehrt werden, wenn man einst in das Innere der Kontinente tiefer eindringt und neue Pflanzengattungen entdeckt. Im südöstlichen Asien, im Innern von Afrika und Neu-Holland, in Südamerika vom Amazonenstrome bis zu der Provinz Chiquitos hin ist die Vegetation uns noch völlig unbekannt. Wie, wenn man einmal ein Land entdeckte, in dem holzige Schwämme, Cenomyce rangiferina, oder Moose hohe Bäume bildeten? Neckera dendroïdes, ein deutsches Laubmoos, ist in der Tat baumartig; und die Bambusazeen (baumartige Gräser) wie die tropischen Farnkräuter, oft höher als unsere Linden und Erlen, sind für den Europäer noch jetzt ein ebenso überraschender Anblick, als dem ersten Entdecker ein Wald hoher Laubmoose sein würde! Die absolute Größe und der Grad der Entwickelung, welche die Organismen (Pflanzen- und Tierarten) erreichen, die zu einer Familie gehören, werden durch noch unerkannte Gesetze bedingt. In jeder der großen Abteilungen des Tierreiches: den Insekten, Krustazeen, Reptilien, Vögeln, Fischen oder Säugetieren, oszilliert die Dimension des Körperbaues zwischen gewissen äußersten Grenzen. Das durch die bisherigen Beobachtungen festgesetzte Maß der Größenschwankung kann durch neue Entdeckungen, durch Auffindung bisher unbekannter Tierarten berichtigt werden.

Bei den Landtieren scheinen vorzüglich Temperaturverhältnisse, von den Breitengraden abhängig, die organische Entwickelung genetisch begünstigt zu haben. Die kleine und schlanke Form unserer Eidechse dehnt sich im Süden zu dem kolossalen, schwerfälligen, gepanzerten Körper furchtbarer Krokodile aus. In den ungeheuren Katzen von Afrika und Amerika, im Tiger, im Löwen und Jaguar, ist die Gestalt eines unserer kleinsten Haustiere nach einem größeren Maßstabe wiederholt. Dringen wir gar in das Innere der Erde, durchwühlen wir die Grabstätte der Pflanzen und Tiere, so verkündigen uns die Versteinerungen nicht bloß eine Verteilung der Formen, die mit den jetzigen Klimaten in Widerspruch steht, sie zeigen uns auch kolossale Gestalten, welche mit denen, die uns gegenwärtig umgeben, nicht minder kontrastieren als die erhabenen, einfachen Heldennaturen der Hellenen mit dem, was unsere Zeit mit dem Worte Charaktergröße bezeichnet. Hat die Temperatur des Erdkörpers beträchtliche, vielleicht periodisch wiederkehrende Veränderungen erlitten, ist das Verhältnis zwischen Meer und Land, ja selbst die Höhe des Luftozeans und sein Druck nicht immer derselbe gewesen, so muß die Physiognomie der Natur, so müssen Größe und Gestalt des Organismus ebenfalls schon vielfachem Wechsel unterworfen gewesen sein. Mächtige Pachydermen (Dickhäuter), elephantenartige Mastodonten, Owens Mylodon robustus, und die Colossochelys, eine Landschildkröte von sechs Fuß Höhe, bevölkerten vormals die Waldung, welche aus riesenartigen Lepidodendren, kaktusähnlichen Stigmarien und zahlreichen Geschlechtern der Zykadeen bestand. Unfähig diese Physiognomie des alternden Planeten nach ihren gegenwärtigen Zügen vollständig zu schildern, wage ich nur diejenigen Charaktere auszuheben, welche jeder Pflanzengruppe vorzüglich zukommen. Bei allem Reichtum und aller Biegsamkeit unserer vaterländischen Sprache, ist es doch ein schwieriges Unternehmen, mit Worten zu bezeichnen, was eigentlich nur der nachahmenden Kunst des Malers darzustellen geziemt. Auch ist das Ermüdende des Eindrucks zu vermeiden, das jede Aufzählung einzelner Formen unausbleiblich erregen muß.

Wir beginnen mit den Palmen, der höchsten und edelsten aller Pflanzengestalten, denn ihr haben stets die Völker (und die früheste Menschenbildung war in der asiatischen Palmenwelt wie in dem Erdstriche, welcher zunächst an die Palmenwelt grenzt) den Preis der Schönheit zuerkannt. Hohe, schlanke, geringelte, bisweilen stachlige Schäfte endigen mit anstrebendem, glänzendem, bald gefächertem, bald gefiedertem Laube. Die Blätter sind oft grasartig gekräuselt. Der glatte Stamm erreicht, von mir mit Sorgfalt gemessen, 180 Fuß Höhe. Die Palmenform nimmt an Pracht und Größe ab vom Äquator gegen die gemäßigte Zone hin. Europa hat unter seinen einheimischen Gewächsen nur einen Repräsentanten dieser Form: die zwergartige Küstenpalme, den Chamärops, der in Spanien und Italien sich nördlich bis zum 44. Breitengrade erstreckt. Das eigentliche Palmenklima der Erde hat zwischen 20½° und 22° Réaum. mittlerer jährlicher Wärme. Aber die aus Afrika zu uns gebrachte Dattelpalme, welche weit minder schön als andere Arten dieser Gruppe ist, vegetiert noch im südlichen Europa in Gegenden, deren mittlere Temperatur 12° bis 13½° beträgt. Palmenstämme und Elephantengerippe liegen im nördlichen Europa im Innern der Erde vergraben; ihre Lage macht es wahrscheinlich, daß sie nicht von den Tropen her gegen Norden geschwemmt wurden, sondern daß in den großen Revolutionen unseres Planeten die Klimate, wie die durch sie bestimmte Physiognomie der Natur, vielfach verändert worden sind.

Zu den Palmen gesellt sich in allen Weltteilen die Pisang- oder Bananenform: die Scitamineen und Musazeen der Botaniker, Heliconia, Amomum, Strelitzia; ein niedriger, aber saftreicher, fast krautartiger Stamm, an dessen Spitze sich dünn und locker gewebte, zartgestreifte, seidenartig glänzende Blätter erheben. Pisanggebüsche sind der Schmuck feuchter Gegenden. Auf ihrer Frucht beruht die Nahrung fast aller Bewohner des heißen Erdgürtels. Wie die mehlreichen Zerealien oder Getreidearten des Nordens, so begleiten Pisangstämme den Menschen seit der frühesten Kindheit seiner Kultur. Semitische Sagen setzen die ursprüngliche Heimat dieser nährenden Pflanze an den Euphrat, andere mit mehr Wahrscheinlichkeit an den Fuß des Himalaja-Gebirges in Indien. Nach griechischen Sagen waren die Gefilde von Enna das glückliche Vaterland der Zerealien. Wenn die sikulischen Früchte der Ceres, durch die Kultur über die nördliche Erde verbreitet, einförmige, weitgedehnte Grasfluren bildend, wenig den Anblick der Natur verschönern, so vervielfacht dagegen der sich ansiedelnde Tropenbewohner durch Pisangpflanzungen eine der herrlichsten und edelsten Gestalten.

Die Form der Malvazeen und Bombazeen ist dargestellt durch Ceiba, Cavanillesia und den mexikanischen Händebaum, Cheirostemon: kolossalisch dicke Stämme mit zartwolligen, großen, herzförmigen oder eingeschnittenen Blättern und prachtvollen, oft purpurroten Blüten. Zu dieser Pflanzengruppe gehört der Affenbrotbaum, Adansonia digitata, welcher bei mäßiger Höhe bisweilen 30 Fuß Durchmesser hat und wahrscheinlich das größte und älteste organische Denkmal auf unserm Planeten ist. In Italien fängt die Malvenform bereits an, der Vegetation einen eigentümlichen südlichen Charakter zu geben.

Dagegen entbehrt unsre gemäßigte Zone im alten Kontinent leider ganz die zartgefiederten Blätter, die Form der Mimosen; sie herrscht durch Acacia, Desmanthus, Gleditschia, Porleria, Tamarindus. Den Vereinigten Staaten von Nordamerika, in denen unter gleicher Breite die Vegetation mannigfaltiger und üppiger als in Europa ist, fehlt diese schöne Form nicht. Bei den Mimosen ist eine schirmartige Verbreitung der Zweige, fast wie bei den italienischen Pinien, gewöhnlich. Die tiefe Himmelsbläue des Tropenklimas, durch die zartgefiederten Blätter schimmernd, ist von überaus malerischem Effekte.

Eine meist afrikanische Pflanzengruppe sind die Heidekräuter; dahin gehören, dem physiognomischen Charakter oder allgemeinen Anblick nach, auch die Epakrideen und Diosmeen, viele Proteazeen und die australischen Akazien mit bloßen Blattstielblättern (Phyllodien): eine Gruppe, welche mit der der Nadelhölzer einige Ähnlichkeit hat und eben deshalb oft mit dieser durch die Fülle glockenförmiger Blüten desto reizender kontrastiert. Die baumartigen Heidekräuter wie einige andere afrikanische Gewächse erreichen das nördliche Ufer des Mittelmeers. Sie schmücken Welschland und die Cistusgebüsche des südlichen Spaniens. Am üppigsten wachsend habe ich sie auf Teneriffa am Abhange des Pics von Teyde gesehen. In den baltischen Ländern und weiter nach Norden hin ist diese Pflanzenform gefürchtet, Dürre und Unfruchtbarkeit verkündigend. Unsere Heidekräuter, Erica (Calluna) vulgaris, E. tetralix, E. carnea und E. cinerea sind gesellschaftlich lebende Gewächse, gegen deren fortschreitenden Zug die ackerbauenden Völker seit Jahrhunderten mit wenigem Glücke ankämpfen. Sonderbar, daß der Hauptrepräsentant der Familie bloß einer Seite unseres Planeten eigen ist! Von den 300 jetzt bekannten Arten von Erica findet sich nur eine einzige im Neuen Kontinent von Pennsylvanien und Labrador bis gegen Nutka und Alaska hin.

Dagegen ist bloß dem Neuen Kontinent eigentümlich die Kaktusform: bald kugelförmig, bald gegliedert, bald in hohen, viereckigen Säulen, wie Orgelpfeifen, aufrecht stehend. Diese Gruppe bildet den auffallendsten Kontrast mit der Gestalt der Liliengewächse und der Bananen. Sie gehört zu den Pflanzen, welche Bernardin de St. Pierre sehr glücklich vegetabilische Quellen der Wüste nennt. In den wasserleeren Ebenen von Südamerika suchen die von Durst geängstigten Tiere den Melonenkaktus: eine kugelförmige, halb im dürren Sande verborgene Pflanze, deren saftreiches Inneres unter furchtbaren Stacheln versteckt ist. Die säulenförmigen Kaktusstämme erreichen bis 30 Fuß Höhe, und kandelaberartig geteilt, oft mit Lichenen bedeckt, erinnern sie, durch Ähnlichkeit der Physiognomie, an einige afrikanische Euphorbien.

Wie diese grüne Oasen in den pflanzenleeren Wüsten bilden, so beleben die Orchideen den vom Licht verkohlten Stamm der Tropenbäume und die ödesten Felsenritzen. Die Vanillenform zeichnet sich aus durch hellgrüne, saftvolle Blätter wie durch vielfarbige Blüten von wunderbarem Baue. Die Orchideenblüten gleichen bald geflügelten Insekten, bald den Vögeln, welche der Duft der Honiggefäße anlockt. Das Leben eines Malers wäre nicht hinlänglich, um, auch nur einen beschränkten Raum durchmusternd, die prachtvollen Orchideen abzubilden, welche die tief ausgefurchten Gebirgstäler der peruanischen Andeskette zieren.

Blattlos, wie fast alle Kaktusarten, ist die Form der Kasuarinen: einer Pflanzengestalt, bloß der Südsee und Ostindien eigen; Bäume mit schachtelhalmähnlichen Zweigen. Doch finden sich auch in andern Erdstrichen Spuren dieses mehr sonderbaren als schönen Typus. Plumiers Equisetum altissimum, Forskals Ephedra aphylla aus Nordafrika, die peruanischen Colletien und das sibirische Calligonum Pallasia sind der Kasuarinenform nahe verwandt.

So wie in den Pisanggewächsen die höchste Ausdehnung, so ist in den Kasuarinen und in den Nadelhölzern die höchste Zusammenziehung der Blattgefäße. Tannen, Thuja und Zypressen bilden eine nordische Form, welche in den Tropen seltener ist und in einigen Koniferen (Dammara Salisburia) ein breitblättriges Nadellaub zeigt. Ihr ewig frisches Grün erheitert die öde Winterlandschaft. Es verkündet gleichsam den Polarvölkern, daß, wenn Schnee und Eis den Boden bedecken, das innere Leben der Pflanzen, wie das Prometheische Feuer, nie auf unsrem Planeten erlischt.

Parasitisch, wie bei uns Moose und Flechten, überziehen in der Tropenwelt außer den Orchideen auch die Pothosgewächse den alternden Stamm der Waldbäume; saftige, krautartige Stengel erheben große, bald pfeilförmige, bald gefingerte, bald längliche, aber stets dickadrige Blätter. Die Blüten der Aroideen, ihre Lebenswärme erhöhend, sind in Scheiden eingehüllt; stammlos treiben sie Luftwurzeln. Verwandte Formen sind: Pothos, Dracontium, Caladium, Arum, das letzte bis zu den Küsten des Mittelmeeres fortschreitend, in Spanien und Italien mit saftvollem Huflattich, mit hohen Distelstauden und Akanthus die Üppigkeit des südlichen Pflanzenwuchses bezeichnend.

 

Zu dieser Arumform gesellt sich die Form der tropischen Lianen, in den heißen Erdstrichen von Südamerika in vorzüglichster Kraft der Vegetation; Paullinia, Banisteria, Bignonien und Passifloren. Unser rankender Hopfen und unsere Weinreben erinnern an diese Pflanzengestalt der Tropenwelt. Am Orinoco haben die blattlosen Zweige der Bauhinien oft 40 Fuß Länge. Sie fallen teils senkrecht aus dem Gipfel hoher Swietenien herab, teils sind sie schräg wie Masttaue ausgespannt, und die Tigerkatze hat eine bewundernswürdige Geschicklichkeit, daran auf- und abzuklettern.

Mit den biegsamen, sich rankenden Lianen, mit ihrem frischen und leichten Grün kontrastiert die selbständige Form der bläulichen Aloëgewächse: Stämme, wenn sie vorhanden sind, fast ungeteilt, eng geringelt und schlangenartig gewunden. An dem Gipfel sind saftreiche, fleischige, langzugespitzte Blätter strahlenartig zusammengehäuft. Die hochstämmigen Aloëgewächse bilden nicht Gebüsche, wie andere gesellschaftlich lebende Pflanzen; sie stehen einzeln in dürren Ebenen und geben dadurch der Tropengegend oft einen eigenen melancholischen (man möchte sagen afrikanischen) Charakter. Zu dieser Aloëform gehören wegen physiognomischer Ähnlichkeit im Eindruck der Landschaft: aus den Bromeliazeen die Pitcairnien, welche in der Andeskette aus Felsritzen aufsteigen, die große Pournetia pyramidata (Atschupalla der Hochebenen von Neu-Granada), die amerikanische Aloë (Agave), Bromelia Ananas und B. Karatas; aus den Euphorbiazeen die seltenen Arten mit dicken, kurzen, kandelaberartig geteilten Stämmen; aus der Familie der Asphodeleen die afrikanische Aloë und der Drachenbaum, Dracaena Draco; endlich unter den Liliazeen die hochblühende Yukka.

Wie die Aloëform sich durch ernste Ruhe und Festigkeit, so charakterisiert sich die Grasform, besonders die Physiognomie der baumartigen Gräser, durch den Ausdruck fröhlicher Leichtigkeit und beweglicher Schlankheit. Bambusgebüsche bilden schattige Bogengänge in beiden Indien. Der glatte, oft geneigt hinschwebende Stamm der Tropengräser übertrifft die Höhe unserer Erlen und Eichen. Schon in Italien fängt im Arundo Donax diese Form an, sich vom Boden zu erheben und durch Höhe und Masse den Naturcharakter des Landes zu bestimmen.

Mit der Gestalt der Gräser ist auch die der Farren in den heißen Erdstrichen veredelt. Baumartige, bis 40 Fuß hohe Farren haben ein palmenartiges Ansehen; aber ihr Stamm ist minder schlank, kürzer, schuppig-rauher als der der Palmen. Das Laub ist zarter, locker gewebt, durchscheinend und an den Rändern sauber ausgezackt. Diese kolossalen Farnkräuter sind fast ausschließlich den Tropen eigen; aber in diesen ziehen sie ein gemäßigtes Klima dem ganz heißen vor. Da nun die Milderung der Hitze bloß eine Folge der Höhe ist, so darf man Gebirge, welche zwei- bis dreitausend Fuß über dem Meere erhaben sind, als den Hauptsitz dieser Form nennen. Hochstämmige Farnkräuter begleiten in Südamerika den wohltätigen Baum, der die heilende Fieberrinde darbietet. Beide bezeichnen die glückliche Region der Erde, in welcher ewige Milde des Frühlings herrscht.

Noch nenne ich die Form der Liliengewächse (Amaryllis, Ixia, Gladiolus, Pancratium), mit schilfartigen Blättern und prachtvollen Blüten: eine Form, deren Hauptvaterland das südliche Afrika ist; ferner die Weidenform, in allen Weltteilen einheimisch und in den Hochebenen von Quito, nicht durch die Gestalt der Blätter, sondern durch die der Verzweigung, in Schinus Molle wiederholt; Myrtengewächse (Metrosideros, Eucalyptus, Escallonia myrtilloides), Melastomen- und Lorbeerform.

Es wäre ein Unternehmen, eines großen Künstlers wert, den Charakter aller dieser Pflanzengruppen, nicht in Treibhäusern oder in den Beschreibungen der Botaniker, sondern in der großen Tropennatur selbst, zu studieren. Wie interessant und lehrreich für den Landschaftsmaler wäre ein Werk, welches dem Auge die aufgezählten sechzehn Hauptformen, erst einzeln und dann in ihrem Kontraste gegeneinander, darstellte! Was ist malerischer als baumartige Farren, die ihre zartgewebten Blätter über die mexikanischen Lorbeereichen ausbreiten? was reizender als Pisanggebüsche, von hohen Guadua- und Bambusgräsern umschattet? Dem Künstler ist es gegeben, die Gruppen zu zergliedern; und unter seiner Hand löst sich (wenn ich den Ausdruck wagen darf) das große Zauberbild der Natur, gleich den geschriebenen Werken der Menschen, in wenige einfache Züge auf.

Am glühenden Sonnenstrahl des tropischen Himmels gedeihen die herrlichsten Gestalten der Pflanzen. Wie im kalten Norden die Baumrinde mit dürren Flechten und Laubmoosen bedeckt ist, so beleben dort Cymbidium und duftende Vanille den Stamm der Anacardien und der riesenmäßigen Feigenbäume. Das frische Grün der Pothosblätter und der Dracontien kontrastiert mit den vielfarbigen Blüten der Orchideen. Rankende Bauhinien, Passifloren und gelbblühende Banisterien umschlingen den Stamm der Waldbäume. Zarte Blumen entfalten sich aus den Wurzeln der Theobroma wie aus der dichten und rauhen Rinde der Crescentien und der Gustavia. Bei dieser Fülle von Blüten und Blättern, bei diesem üppigen Wuchse und der Verwirrung rankender Gewächse wird es oft dem Naturforscher schwer, zu erkennen, welchem Stamme Blüten und Blätter zugehören. Ein einziger Baum, mit Paullinien, Bignonien und Dendrobium geschmückt, bildet eine Gruppe von Pflanzen, welche, voneinander getrennt, einen beträchtlichen Erdraum bedecken würden.

In den Tropen sind die Gewächse saftstrotzender, von frischerem Grün, mit größeren und glänzendsten Blättern geziert als in den nördlichem Erdstrichen. Gesellschaftlich lebende Pflanzen, welche die europäische Vegetation so einförmig machen, fehlen am Äquator beinahe gänzlich. Bäume, fast zweimal so hoch als unsere Eichen, prangen dort mit Blüten, welche groß und prachtvoll wie unsere Lilien sind. An den schattigen Ufern des Magdalenenflusses in Südamerika wächst eine rankende Aristolochia, deren Blume, von vier Fuß Umfang, sich die indischen Knaben in ihren Spielen über den Scheitel ziehen. Im südindischen Archipel hat die Blüte der Rafflesia fast drei Fuß Durchmesser und wiegt über vierzehn Pfund.

Die außerordentliche Höhe, zu welcher sich unter den Wendekreisen nicht bloß einzelne Berge, sondern ganze Länder erheben, und die Kälte, welche Folge dieser Höhe ist, gewähren dem Tropenbewohner einen seltsamen Anblick. Außer den Palmen und Pisanggebüschen umgeben ihn auch die Pflanzenformen, welche nur den nordischen Ländern anzugehören scheinen. Zypressen, Tannen und Eichen, Berberissträucher und Erlen (nahe mit den unsrigen verwandt) bedecken die Gebirgsebenen im südlichen Mexiko wie die Andeskette unter dem Äquator. So hat die Natur dem Menschen in der heißen Zone verliehen, ohne seine Heimat zu verlassen, alle Pflanzengestalten der Erde zu sehen, wie das Himmelsgewölbe von Pol zu Pol ihm keine seiner leuchtenden Welten verbirgt.