Loe raamatut: «Praxis des Bußgeldverfahrens im Kapitalmarktrecht», lehekülg 11

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1. Rechtliche Grundlagen

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Das Settlement in einem behördlichen Verfahren und die Voraussetzungen dafür sind einfachgesetzlich nicht geregelt. Die Vorschriften der StPO zur Verständigung (insb. § 257c StPO) sind für das Verfahren unter Beteiligung eines Strafgerichts ausgelegt.[312] Gleichwohl finden die Regelungen im Grundsatz auch im behördlichen Bußgeldverfahren Beachtung.[313]

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Die Voraussetzungen und Regeln für eine einvernehmliche Verfahrensbeendigung folgen vor allem rechtstaatlichen Grundsätzen[314], den Prozessmaximen des Bußgeldverfahrens und dem allgemeinen (Straf-)Zumessungsrecht[315]. Eine Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen darf daher nicht unterbleiben.[316] Die Pflicht zur „behördlichen“ Erforschung der materiellen Wahrheit und das Finden einer gerechten und angemessen Sanktion bleibt auch im Rahmen eines Settlements bestehen[317]: Liegen Verfahrenshindernisse wie die Verjährung vor oder kann der objektive oder subjektive Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nicht nachgewiesen werden, ist das Verfahren zwingend nach § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 170 Abs. 2 StPO einzustellen. Eine Settlementvereinbarung wäre unzulässig.[318]

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Anders als im Strafverfahren, wo Gegenstand der Vereinbarung lediglich eine Ober- und Untergrenze der Strafe sein darf (§ 257c Abs. 3 S. 2 StPO), dürfen sich die Verfahrensbeteiligten im Bußgeldverfahren auf eine „Punktsanktion“ (also eine der Höhe nach genau bestimmte Geldbuße) verständigen.[319] Das entspricht auch der Ahndungspraxis der BaFin. Dem Betroffenen wird in der Regel eine konkrete Geldbuße in Aussicht gestellt, die die BaFin beabsichtigt, im Falle eines Settlements festzusetzen. Die Settlementvereinbarung enthält also grundsätzlich keine Unter- und Obergrenze („von bis zu“) der in Betracht kommenden Geldbuße, wie es in § 257c Abs. 3 S. 2 StPO vorgesehen ist.

2. Ablauf und Voraussetzungen des Settlementverfahrens

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Dem „behördlichen“ Settlementverfahren vorgeschaltet ist die Einleitung des Bußgeldverfahrens durch die BaFin. Ferner setzt der Abschluss eines Settlements die Bereitschaft der Verfahrensbeteiligten zur Verständigung voraus.

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Das Verständigungsverfahren, das flexibel und nicht übermäßig formalisiert gehalten ist, läuft in der Praxis der BaFin überwiegend wie folgt ab:[320]


- Das Bußgeldreferat der BaFin hat die den Tatvorwurf begründenden Tatsachen pflichtgemäß ermittelt und in rechtlicher Hinsicht überprüft. Die Ordnungswidrigkeit wurde tatsächlich begangen, ist individuell vorwerfbar und nachweisbar. Ein Ahndungsbedürfnis besteht.
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- In der Regel kommt es bereits jetzt – ggf. auch erst nach einer schriftlichen Einlassung – zu mündlichen Gesprächen zwischen den Verfahrensbeteiligten auf Grundlage des aktuellen Verfahrensgegenstandes. Verständigungsgespräche können jederzeit aufgenommen werden, auch noch nach Erlass des (streitigen) Bußgeldbescheids, solange die Ahndung in der Zuständigkeit der BaFin liegt. Die BaFin erläutert dabei den Sachverhalt, die zumessungsrelevanten Umstände und die Rechtsfolgen: Die Sach- und Rechtslage wird erörtert. Die Settlementgespräche können frühestens beginnen, sobald die BaFin einen Überblick über die Zuwiderhandlungen hat.
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Zulässig sind auch sog. Gesamtlösungen („package deals“), wenn zum Beispiel zu Lasten des Betroffenen mehrere Bußgeldverfahren bei der BaFin anhängig sind und „zugunsten“ des schwerwiegenderen Verstoßes ein weiteres Bußgeldverfahren aus Opportunität nach § 47 Abs. 1 OWiG eingestellt wird.[323]


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Legt der Betroffene trotz Settlementvereinbarung Einspruch gegen den Kurzbescheid ein, wird der Bußgeldbescheid im Rahmen des Zwischenverfahrens aufgehoben und das Verfahren wird streitig zu Ende geführt, indem ein (neuer) vollständig begründeter Bußgeldbescheid erlassen wird, vgl. § 69 Abs. 2 OWiG. Festgesetzt wird die Geldbuße ohne den gewährten „Settlementrabatt“. Das ist in der Regel der sog. angepasste Grundbetrag nach den WpHG-Bußgeldleitlinien II.

J. Zum Einspruch gegen den Bußgeldbescheid

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Gegen den Bußgeldbescheid kann der Betroffene gem. § 67 Abs. 1 OWiG Einspruch einlegen. Der Einspruch ist Rechtsbehelf sui generis. Das Verbot der Verschlechterung (reformatio in peius) gilt – wie beim Strafbefehl[329] – nicht.

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In formeller Hinsicht sind die nachfolgenden Voraussetzungen zu beachten:


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Ist der Einspruch nicht form- oder fristgerecht eingelegt worden, verwirft ihn die BaFin durch Bescheid gem. § 69 Abs. 1 OWiG als unzulässig. Der Bescheid ist zu begründen (§§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 34 StPO) und zuzustellen (§ 51 OWiG).[345] Innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Verwerfungsbescheids kann der Berechtigte Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. § 69 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 62 OWiG bei der BaFin stellen. Die BaFin kann sodann den Verwerfungsbescheid aufheben, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewähren und erkannten Rechtsfehlern abhelfen.[346]

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Der Einspruch muss nicht begründet werden. Er kann auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt werden, § 67 Abs. 2 OWiG. So ist es möglich, den Einspruch auf die Höhe der Geldbuße zu beschränken.

K. Vollstreckung des Bußgeldbescheids

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Ist der Bußgeldbescheid rechtskräftig geworden, ist die BaFin gem. § 92 OWiG als Vollstreckungsbehörde für die Vollstreckung des Bußgeldbescheids zuständig.

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Zahlungserleichterungen durch Gewährung einer Zahlungsfrist oder der Gestattung von Zahlung von Teilbeiträgen sind unter den Voraussetzungen des § 18 OWiG möglich, also dann, wenn es dem Betroffenen wirtschaftlich unzumutbar ist, die Geldbuße sofort zu zahlen. Anträge auf Zahlungserleichterung sind an die BaFin als Vollstreckungsbehörde zu richten, § 93 Abs. 1 OWiG.

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Die Vollstreckbarkeit von Geldbußen von mehr 1.000 € ist auf fünf Jahre begrenzt (§ 34 Abs. 2 Nr. 1 OWiG). Die Vollstreckungsverjährung beginnt mit dem Tag der Rechtskraft des Bußgeldbescheids, § 34 Abs. 3 OWiG. Wie bei der Verfolgungsverjährung zählt der erste Tag der Rechtskraft bei der Berechnung der Frist vollständig mit.[347] Zu beachten ist jedoch, dass die Vollstreckungsverjährung gem. § 34 Abs. 4 Nr. 3 OWiG ruht, solange eine Zahlungserleichterung bewilligt wurde. Folge des Ruhens ist, dass der Zeitraum zwischen dem Beginn des Ruhens und seinem Ende nicht auf die Vollstreckungsverjährungsfrist angerechnet wird.

L. Eintragung ins Gewerbezentralregister

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Ist der Bußgeldbescheid rechtskräftig geworden, ist die BaFin gem. § 153a Abs. 1 GewO (i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 4 GZRVwV) verpflichtet, die mitteilungspflichtige Ordnungswidrigkeit an das Bundesamt für Justiz (BfJ) zu melden. Dort wird das Gewerbezentralregister (GZR) geführt. Die Mitteilung soll binnen eines Monats nach Rechtskraft des Bußgeldbescheids erfolgen, § 3 GZRVwV.

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Die Mitteilungspflicht von Bußgeldentscheidungen richtet sich u.a. nach § 149 Abs. 2 Nr. 3 GewO. Danach sind rechtskräftige Geldbußen ab 200 € in das GZR einzutragen, wenn sie etwa bei der Tätigkeit in einem Gewerbe oder einer sonstigen wirtschaftlichen Unternehmung von einem Vertreter oder Beauftragten i.S.d. § 9 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) oder von einer Person, die in einer Rechtsvorschrift ausdrücklich als Verantwortlicher bezeichnet ist, begangen worden ist. Einzutragen sind sowohl Bußgelder gegen natürliche Personen als auch Verbandsgeldbußen gegen Unternehmen gem. § 30 OWiG.

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Die Eintragung im GZR wird bei einer Geldbuße, die mehr als 300 € beträgt, nach fünf Jahren aus dem GZR zu tilgen sein, § 153 Abs. 1 Nr. 2 GewO.

M. Die Rolle der BaFin im gerichtlichen Verfahren

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Hat der Betroffene bzw. die Nebenbeteiligte in zulässiger Weise Einspruch gegen den Bußgeldbescheid eingelegt, und hat die BaFin den Bußgeldbescheid gem. § 69 Abs. 2 OWiG aufrechterhalten und nicht zurückgenommen, sind die Akten über die Staatsanwaltschaft an das Amtsgericht zu senden, § 69 Abs. 3 OWiG. Zuständig ist das Amtsgericht Frankfurt a. M. Nur bei Verfahren wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 60 WpÜG wird die erstinstanzliche Zuständigkeit dem OLG Frankfurt a. M. zugewiesen (§ 62 Abs. 1 S. 1 WpÜG).[348]

Mit dem Eingang der Akten bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt a.M. gehen die Aufgaben der Verfolgungsbehörde gem. § 69 Abs. 4 OWiG auf sie über. Die Staatsanwaltschaft wird die Akten dem Richter beim Amtsgericht vorlegen, wenn sie weder das Verfahren einstellt noch weitere Ermittlungen durchführt, § 69 Abs. 4 S. 2 OWiG.

I. Allgemein: Mitwirkungsrechte und Stellung der BaFin

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Die BaFin hat als zuständige Verwaltungsbehörde Mitwirkungsrechte im gerichtlichen Verfahren; Mitwirkungspflichten hat sie grundsätzlich nicht.[349] So kann sie etwa auf ihr Anhörungsrecht jederzeit verzichten.[350] Formell ist die BaFin keine Verfahrensbeteiligte im gerichtlichen Verfahren, sondern objektives Hilfsorgan des Gerichts.[351] Durch ihre besondere Sachkunde und Erfahrung im Kapitalmarktordnungswidrigkeitenrecht soll die BaFin dabei helfen, dass das Gericht eine gerechte Entscheidung treffen kann.[352]

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Wegen dieser Aufgabenzuschreibung hat die BaFin im gerichtlichen Verfahren im Grundsatz nur ein Anhörungsrecht, § 76 Abs. 1 OWiG. Auch werden ihr die Termine der Hauptverhandlung mitgeteilt, § 76 Abs. 1 S. 3 OWiG. Die Staatsanwaltschaft wird gem. Nr. 288 Abs. 2 RiStBV darauf hinwirken müssen, dass ein Vertreter der BaFin in der Hauptverhandlung anwesend ist.

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Da die BaFin lediglich Hilfsorgan des Gerichts ist, stehen ihr die Rechte eines Verfahrensbeteiligten nicht zu. Zwar erhält der Vertreter der BaFin gem. § 76 Abs. 1 S. 4 OWiG in der anberaumten Hauptverhandlung auf Verlangen das Wort. Ein eigenständiges Frage- oder Antragsrecht hat die BaFin jedoch nicht.[353] Auch hat die BaFin keine Rechtsmittelbefugnis; sie kann folglich keine Rechtsbeschwerde einlegen.[354] Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass die fehlerhaft unterbliebene Anhörung der BaFin die Rechtsbeschwerde des Betroffenen begründen kann, wenn darin ein Verstoß gegen die Aufklärungspflicht des Gerichts gem. § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 244 Abs. 2 StPO zu sehen ist.[355]

II. Zur Mitwirkung der BaFin im Zwischenverfahren

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Will die Staatsanwaltschaft nach Abgabe der Akten das Verfahren einstellen, wozu sie gem. § 69 Abs. 4 OWiG berechtigt ist, muss sie die BaFin hierzu nicht anhören, sondern von der Entscheidung lediglich unterrichten (Nr. 282 Abs. 3 i.V.m. Nr. 275 Abs. 1 RiStBV).[356] Denn für die Ordnungswidrigkeiten nach dem Kapitalmarktrecht ist eine vorherige Anhörungspflicht durch die Staatsanwaltschaft (anders als z.B. bei Ordnungswidrigkeiten nach den Steuergesetzen, Nr. 282 Abs. 3 i.V.m. Nr. 275 Abs. 2 RiStBV) nicht vorgesehen.

III. Zur Mitwirkung der BaFin im schriftlichen Verfahren

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Gemäß § 72 Abs. 1 S. 1 OWiG kann das Gericht über den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid im schriftlichen Verfahren durch Beschluss entscheiden. Voraussetzung ist, dass der Betroffene und die Staatsanwaltschaft dem nicht widersprechen. Die BaFin hat kein Widerspruchsrecht.

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Gleichwohl ist die BaFin zuvor anzuhören.[357] Im Zuge ihres Anhörungsrechts kann sie die Durchführung einer Hauptverhandlung anregen.[358] Dabei ist erforderlich, dass der BaFin neue Einwendungen des Betroffenen oder neue Umstände seitens des Gerichts mitgeteilt werden. Nur so kann sie eine sachgemäße Stellungnahme abgeben.[359] Sofern die BaFin bei der Übersendung der Akten an die Staatsanwaltschaft bereits Stellung genommen hat und keine neuen Gesichtspunkte zu Tage getreten sind, ist eine Anhörung vor dem Beschluss entbehrlich.[360]

IV. Zur Mitwirkung der BaFin in der Hauptverhandlung

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Die BaFin hat nach § 76 Abs. 1 OWiG in der Hauptverhandlung ein Anwesenheitsrecht, um ihre oben beschriebene Aufgabe zu erfüllen.[361] Sollte dies erforderlich sein, kann der Vertreter der BaFin zusätzlich als Zeuge oder Sachverständiger vernommen werden.[362]

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Hauptaufgabe der BaFin wird es sein, ein möglichst vollständiges und zutreffendes Bild des Sachverhalts sowie der Bedeutung und Bewertung der Ordnungswidrigkeit zu vermitteln.[363] Die BaFin als Verwaltungsbehörde ist dabei zur Objektivität verpflichtet. Sie muss sowohl auf belastende als auch entlastende Umstände hinweisen. Des Weiteren steht es ihr offen, unter anderem zur Zumessung der Geldbuße und zur Frage der Verfahrenseinstellung aus Opportunitätsgründen Ausführungen zu machen.[364] Das Gericht ist jedoch nicht an die Stellungnahme und insbesondere die Rechtsauffassung der BaFin gebunden.[365]

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Wie dargelegt, hat die BaFin in der Hauptverhandlung kein eigenes Frage- oder Antragsrecht.[366] Das Gericht kann dem Vertreter der BaFin allerdings gestatten, Fragen an den Betroffenen, Zeugen oder Sachverständigen zu richten.[367] Ferner kann die BaFin gegenüber dem Gericht Anregungen vorbringen, bestimmte Fragen zu stellen oder Beweiserhebungen vorzunehmen.[368] Das Gericht kann die Anregung aufgreifen und die Prozesshandlung vornehmen. Kommt das Gericht der Anregung nicht nach, muss es die Zurückweisung – mangels Antragsqualität der Anregung – indes nicht formell durch Beschluss bescheiden.

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Die der BaFin als zuständige Verwaltungsbehörde zugeschrieben Aufgabe im gerichtlichen Verfahren bedingt es, dass sie zwar anzuhören ist. Der weitere Fortgang des Verfahrens oder etwa die Umsetzung einer Entscheidung ist aber nicht von ihrer Zustimmung abhängig. Im Einzelnen:


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- Rücknahme des Einspruchs durch den Betroffenen: Im Fall der Rücknahme des Einspruchs durch den Betroffenen bzw. der Nebenbeteiligten in der Hauptverhandlung bedarf es zu dessen Zulässigkeit nur der Zustimmung der Staatsanwaltschaft. Denn nicht die BaFin, sondern die Staatsanwaltschaft ist „Gegner“ i.S.d. § 303 StPO und muss der Rücknahme des Einspruchs zustimmen.
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