Loe raamatut: «Praxis des Bußgeldverfahrens im Kapitalmarktrecht», lehekülg 12

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2. Kapitel Materielles Sanktionsrecht in der Wertpapieraufsicht

A. Allgemeines

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In der Bußgeldpraxis der BaFin werden Geldbußen sowohl gegen natürliche Personen als auch gegen Gesellschaften verhängt.

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Erfolgt die Ahndung wegen Verstoßes gegen die Bußgeldvorschriften nach WpHG, WpÜG, WpPG und VermAnlG, liegt ein sog. Direktverstoß vor. Das ist etwa der Fall, wenn der Vorstand einer börsennotierten Kapitalgesellschaft vorwerfbar gegen ihn treffende (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG) bußgeldbewehrte Ge- oder Verbote nach § 120 WpHG verstößt.

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Gegenstand des ahndungsrechtlichen Vorwurfs können auch Aufsichtspflichtverletzungen sein. Hier wird dem Betroffenen nicht die Begehung einer Ordnungswidrigkeit nach WpHG, WpÜG, WpPG oder VermAnlG vorgeworfen, sondern ihm wird der Vorwurf gemacht, den zurechenbaren Verstoß gegen ein bußgeldbewehrtes Ge- oder Verbot in vorwerfbarer Weise nicht unterbunden zu haben. Bislang werden in der Bußgeldpraxis der BaFin Aufsichtspflichtverletzungen unter dem Aspekt der Verletzung der Aufsichtspflicht in Betrieben und Unternehmen gem. § 130 OWiG betrachtet. Richtigerweise können Aufsichtspflichtverletzungen unter engen Voraussetzungen schon als Direktverstoß etwa gem. § 120 WpHG zu bebußen sein.[1]

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Schließlich können Gesellschaften als Nebenbeteiligte des Bußgeldverfahrens Adressaten einer Verbandsgeldbuße gem. § 30 OWiG sein. Voraussetzungen für die Ahndung der Gesellschaft ist dabei u.a. die Begehung einer Ordnungswidrigkeit durch Leitungsorgane. Dieser Bezugstat kann ihrerseits ein Direktverstoß oder eine Aufsichtspflichtverletzung gem. § 130 OWiG zugrunde liegen.

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Abb. 1: Bußgeldrechtliche Sanktionierung von Verstößen gegen das Kapitalmarktrecht


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B. Ahndungspraxis der BaFin

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Die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten hat eine lange Tradition in der Wertpapieraufsicht der BaFin. Bereits seit der Gründung der BaFin im Jahr 2002 gibt es ein eigenständiges Ordnungswidrigkeitenreferat in der Wertpapieraufsicht.[2] Dieses ist zuständig für die Durchführung von Ordnungswidrigkeitenverfahren bei Verstößen gegen das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG), das Wertpapierprospektgesetz (WpPG) und das Vermögensanlagengesetz (VermAnlG) sowie dort jeweils in Bezug genommener europäischer Verordnungen wie die MAR im WpHG.

I. Empirische Entwicklung der Ahndungspraxis (2008-2020)

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Von Anfang 2008 bis Ende 2020 hat die Wertpapieraufsicht der BaFin insgesamt knapp 4.500 Verfahren bearbeitet und abgeschlossen und davon rund 1.640 Verfahren mit der Verhängung von Geldbußen beendet.[3] Die Ahndungsquote, d.h. das Verhältnis der mit Geldbuße abgeschlossenen Verfahren zu der Gesamtzahl aller beendeten Verfahren, lag damit über den Gesamtzeitraum von zwölf Jahren bei rund 36 %, wobei die Ahndungsquote zuletzt (2020) mit 59 % deutlich höher lag.

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Die nachfolgende Grafik zeigt den Verlauf der insgesamt pro Jahr abgeschlossenen Verfahren und der entsprechend mit Geldbuße beendeten Verfahren in den letzten zwölf Jahren (2008-2020) sowie die sich daraus auf das jeweilige Jahr bezogene Ahndungsquote. Zu beachten ist, dass diese Grafik ausschließlich die Verfahrensabschlüsse enthält. In einem Verfahren können mehrere Verstöße zur Ahndung gebracht und damit mit Geldbuße belegt worden sein.

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Abb. 2: Abgeschlossene Verfahren 2008-2020[4]


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Die Anzahl an abgeschlossenen Verfahren ist seit 2010 deutlich angestiegen. Dies zeigt, dass die Wertpapieraufsicht gerade in den letzten Jahren einen Fokus auf das Ordnungswidrigkeitenverfahren als wichtiges Instrument der Aufsicht über den Kapitalmarkt gelegt hat.

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Die Ahndungsquote liegt mit einigen Ausschlägen nach oben (etwa auch 2020) und unten bei etwas mehr als einem Drittel aller abgeschlossenen Verfahren. Umgekehrt bedeutet dies, dass die Wertpapieraufsicht rund zwei Drittel aller Verfahren einstellt. Dieses Verhältnis gibt Aufschluss über die Ahndungspraxis in der Wertpapieraufsicht und zeigt den risikoorientierten Ansatz der Aufsicht. Dies gilt insbesondere bei näherer Betrachtung der eingestellten Verfahren. Exemplarisch sei auf die Jahre 2017 bis 2018 hingewiesen. In diesem Zeitraum wurden rund 15 % aller eingestellten Verfahren aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen beendet.[5] Folglich entschied sich die Wertpapieraufsicht in 85 % aller eingestellten Fälle, das Verfahren aus Opportunitätsgründen zu beenden. Dabei können zahlreiche Gründe eine Rolle spielen, zum Beispiel kann die Schwere und Bedeutung des Verstoßes weniger gravierend sein oder die individuelle Vorwerfbarkeit des Betroffenen kann gering ausfallen.[6] Dieses Vorgehen zeigt eine Fokussierung auf die relevanten und gravierenden Verstöße bezogen auf die Gesamtheit aller Verfahren, die dem Bußgeldreferat der Wertpapieraufsicht zur Kenntnis gebracht werden.

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Die Summe der festgesetzten Geldbußen ist seit 2011 nahezu in jedem Jahr gestiegen.

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Tab. 2: Summe der festgesetzten Geldbußen[7]
Jahr Summe der festgesetzten Geldbußen
2008 0,6 Mio. €
2009 0,7 Mio. €
2010 1,4 Mio. €
2011 1,3 Mio. €
2012 3,6 Mio. €
2013 3,3 Mio. €
2014 3,5 Mio. €
2015
2016 2,57 Mio. €
2017 5,64 Mio. €
2018 7,8 Mio. €
2019 9,5 Mio. €
2020 8,1 Mio. €

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Auch die deutliche Erhöhung des Bußgeldrahmens im WpHG dürfte zu einem weiteren Anstieg der pro Jahr festgesetzten Beträge in den letzten Jahren geführt haben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Verstöße, die vor der Erhöhung des Bußgeldrahmens begangen wurden, weiterhin nach den bis dahin geltenden (niedrigeren) Höchstbeträgen zu sanktionieren sind. Ausgehend von der Anzahl an offenen Verfahren (Ende 2020: 284 Verfahren) dürften noch einige Verfahren darunterfallen. Dies erklärt auch den im Verhältnis zu der sehr deutlichen Steigerung des gesetzlichen Bußgeldrahmens vermeintlich geringen Anstieg der Summe der festgesetzten Geldbußen pro Jahr. Insofern dürfte in den nächsten Jahren mit einer weiteren (wohl auch deutlicheren) Steigerung der Höhe der Geldbußen zu rechnen sein.

II. Schwerpunkte der Ahndungspraxis

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Die Betrachtung der in den letzten sieben Jahren (2013-2020) mit Geldbuße abgeschlossenen Verfahren zeigt einen deutlichen Schwerpunkt bei bestimmten Ordnungswidrigkeiten. So wurden von insgesamt 1.229 in diesem Zeitraum mit Geldbuße abgeschlossenen Verfahren mehr als die Hälfte (632 Verfahren) wegen Verstößen gegen die Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten (§§ 33 ff. WpHG) mit Geldbuße abgeschlossen, gefolgt von 146 Verfahren wegen Verstößen gegen die Finanzberichterstattungspflichten (§§ 114 ff. WpHG), 88 Verfahren wegen Verstößen gegen die Ad-hoc-Publizitätspflicht (Art. 17 MAR), 55 Verfahren wegen Verstößen gegen die Informationspflichten gegenüber Wertpapierinhabern (§§ 48 ff. WpHG) und 48 Verfahren wegen Verstößen gegen das Verbot der Marktmanipulation (Art. 15 MAR). Dies entspricht auch der Idee der WpHG-Bußgeldleitlinien I und II, die jene Vorschriften des WpHG aufgegriffen haben, die überdurchschnittlich häufig in der Bußgeldpraxis der BaFin aufgetreten sind und auftreten.[9] Insofern ist es folgerichtig, dass sich die WpHG-Bußgeldleitlinien I und II mit den hier genannten drei häufigsten Ordnungswidrigkeiten befassen.

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Eine Aufschlüsselung der mit Geldbuße abgeschlossenen Verfahren in Direktverstoß[10] (§§ 9, 30 Abs. 1 OWiG) und Aufsichtspflichtverletzung gem. § 130 OWiG[11] zeigt die Unterschiede der Ahndung, abhängig von der Norm gegen die verstoßen wurde. Während in den Jahren 2017 und 2018 Verstöße gegen die Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten weit überwiegend als Aufsichtspflichtverletzungen gem. § 130 OWiG sanktioniert wurden[12], lagen bei Verstößen gegen die Finanzberichtserstattungspflichten, gegen die Ad-hoc-Publizität und das Verbot der Marktmanipulation ausschließlich Direktverstöße vor[13]. Dies ergibt sich aus dem Täterkreis der Norm. Bei der Erfüllung der Finanzberichterstattungspflichten, der Einhaltung der Ad-hoc-Publizität und des Verbots der Marktmanipulation handelt es sich in der Regel um Pflichten, die auf Grund ihrer kapitalmarktrechtlichen Bedeutung auf Leitungsebene angesiedelt sind. Bei Verstößen gegen das Verbot der Marktmanipulation werden die Taten zudem häufig von Privatpersonen begangen. Die Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten werden demgegenüber in der Praxis häufig auf Mitarbeiter unterhalb der Leitungsebene delegiert. Im Fall wirksamer Delegation ist die Einhaltung der Pflichten allerdings auf Leitungsebene zu überwachen.

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In den Jahren 2017 und 2018 akzeptierten die Betroffenen in der weit überwiegenden Mehrheit der Fälle (88 %) den Bußgeldbescheid der Wertpapieraufsicht.[14] Bei 12 % aller erlassenen Bußgeldbescheide legten die Betroffenen Einspruch ein. Im weiteren Fortgang des Verfahrens[15] wurde lediglich etwas mehr als ein Drittel (38 %; 10 Verfahren) der Verfahren zur weiteren Verhandlung an das Amtsgericht Frankfurt a. M. abgegeben. In den übrigen Fällen wurde entweder ein neuer Bußgeldbescheid erlassen (27 %; 7 Verfahren), der Einspruch zurückgenommen (23 %; 6 Verfahren), ein Verwerfungsbescheid erlassen (8 %; 2 Verfahren) oder das Verfahren eingestellt (4 %; 1 Verfahren). In den Verfahren, die durch das Amtsgericht Frankfurt a. M. entschieden wurden, reduzierte das Gericht in 30 % der Fälle die Geldbuße.[16] In weiteren 30 % der Fälle nahm der Betroffene seinen Einspruch zurück und in wiederum 30 % der Fälle erging – weil der Betroffene nicht erschienen ist – ein Verwerfungsurteil gem. § 74. Abs. 2 OWiG. In einem Fall wurde das Verfahren vom Gericht eingestellt.

III. Aktuelle Entwicklungen der Ahndungspraxis

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Eine der wesentlichen und für den Kapitalmarkt bedeutsamen Entwicklungen der letzten Jahre, bezogen auf die Sanktionierung kapitalmarktrechtlicher Verstöße, ist die Einführung des sog. Bekanntmachungsregimes.[17] Die öffentlichen Bekanntmachungen erfolgen in der Regel unverzüglich und nicht-anonymisiert auf der Webseite der BaFin. Von 2017[18] bis heute (Stand: 16.8.2021) veröffentlichte die Wertpapieraufsicht 116 Geldbußen.[19] Diese Zahl wird in den nächsten Jahren deutlich steigen, da die Anzahl an Verstößen, die vor dem Inkrafttreten des Bekanntmachungsregimes begangen wurden und ohne Geltung des Bekanntmachungsregimes sanktioniert werden, immer weiter abnehmen wird.

280

Das Vorgehen des Bußgeldreferats bei der Entgegennahme von Verfahren aus den Fachbereichen legt eine weitere Änderung der Ahndungspraxis nahe. Die Zahl der eröffneten Verfahren pro Jahr ist in den letzten Jahren ganz überwiegend[20] konstant gesunken, mit einem deutlichen Einschnitt von 2015 auf 2016.[21] Darüber hinaus kommunizierte die Wertpapieraufsicht in 2019 nunmehr öffentlich die Anzahl der angenommenen Verfahren[22] im Gegensatz zu der Anzahl der Abgaben[23]. Dies spricht dafür, dass das Bußgeldreferat ein verstärktes Augenmerk auf die Abgaben der Fachreferate gerichtet hat und den Verfahrenszufluss stärker reguliert.

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Die in den letzten Jahren festgesetzten höchsten Geldbußen beliefen sich in 2016 auf 195.000 € [24], in 2017 auf 668.000 € [25], in 2018 auf 1,34 Mio. € [26], in 2019 auf 1,30 Mio. €[27] und in 2020 auf 1,28 Mio. €[28]. In den nächsten Jahren dürfte die Höhe der festgesetzten Geldbußen auf Grund der höheren Bußgeldrahmen, insbesondere der umsatzbezogenen Geldbuße, deutlich ansteigen.[29]

C. Direktverstöße gegen kapitalmarktrechtliche Bußgeldvorschriften

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Wird dem Betroffenen ein Direktverstoß vorgeworfen, erfolgt die Ahndung gemäß der Bußgeldvorschriften des WpHG, WpÜG, WpPG oder VermAnlG. Diese sind – wie im Ordnungswidrigkeitenrecht typisch – als Blankettgesetze ausgestaltet.[30] Statt die an anderer Stelle geregelten Verbote und Gebote in der Bußgeldvorschrift zu wiederholen, verweist der Gesetzgeber dort auf sie. Allein in § 120 WpHG werden auf diese Weise mehr als 400 unterschiedliche Verstöße gegen kapitalmarktrechtliche Handlungsgebote und -verbote mit Geldbuße bedroht.[31]

I. Begehungs- und Unterlassungsdelikte

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Dem Täter wird je nach Ordnungswidrigkeit ein Tun oder Unterlassen vorgeworfen. Die meisten Ordnungswidrigkeiten des § 120 WpHG, die in der Bußgeldpraxis der BaFin verfolgt und geahndet werden, sind echte Unterlassungsdelikte. Unter Bußgeldandrohung steht bei diesen Delikten die (bloße) Nichtvornahme kapitalmarktrechtlicher Handlungspflichten. Ein zusätzlicher tatbestandlicher Erfolg muss nicht eingetreten sein.[32] Die Einordnung eines Delikts als echtes Unterlassungsdelikt hat insbesondere Bedeutung für die Verjährung, für den Vorsatzgegenstand sowie für die Konkurrenzen.

284

Ordnungswidrigkeiten wie Insiderhandel oder Marktmanipulation sind Begehungsdelikte in Form von Tätigkeitsdelikten.[33] Die schlichte Vornahme einer sanktionierten Handlung genügt für die Verwirklichung des objektiven Tatbestands. Der Eintritt eines Erfolgs ist zur tatbestandlichen Verwirklichung nicht vorausgesetzt, so etwa im Fall der Marktmanipulation als Ordnungswidrigkeit.[34]

1. Abgrenzung Tun und Unterlassen

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Kommt als Anknüpfungspunkt des ahndungsrechtlichen Vorwurfs sowohl ein Tun als auch ein Unterlassen in Betracht, ist die notwendige Abgrenzung anhand der Frage vorzunehmen, bei welcher Verhaltensweise der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit liegt.[35] Dies ist in wertender Betrachtung zu entscheiden.[36] Bei Verstößen etwa gegen die Veröffentlichungen von Hinweisbekanntmachungen § 120 Abs. 2 Nr. 4 lit. e und f WpHG ist die Einordnung der jeweiligen Ordnungswidrigkeit als (einheitliches) echtes Unterlassungsdelikt nicht unproblematisch.[37] Objektiv-tatbestandlich ist dort u.a. das „nicht richtige“, „nicht vollständige“ oder „nicht in der vorgeschriebenen Weise“ Vornehmen der Veröffentlichung unter Geldbuße gestellt. Diese Tathandlungen bedingen faktisch ein Tun, nämlich die Abgabe einer „fehlerhaften“ Mitteilung. Der Schwerpunkt des bußgeldbewehrten Vorwurfs liegt bei wertender Betrachtung allerdings (auch) in diesen Tatvarianten auf dem Unterlassen. Denn dem Täter wird im Kern nicht der Verstoß gegen das Verbot vorgeworfen, eine fehlerhafte Mitteilung eingereicht zu haben. Der Schwerpunkt des Vorwurfs ist vielmehr, dass der Täter – etwa im Kontext des § 120 Abs. 15 Nr. 5 WpHG – dem Handlungsgebot nicht nachgekommen ist, einen richtigen, vollständigen, in der vorgeschriebenen Weise und rechtzeitigen Finanzbericht bekannt gemacht zu machen. Gleiches gilt für die Bußgeldtatbestände des § 60 Abs. 1 WpÜG, wo die Tathandlungen des „nicht richtigen“, „nicht vollständigen“ oder „nicht in der vorgeschriebenen Weise“ Veröffentlichens die Tatvarianten eines einheitlichen Unterlassungsvorwurfs sind.[38]

2. Tatort echter Unterlassungsdelikte

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Der Tatort echter Unterlassungsdelikte ist gem. § 7 Abs. 1 OWiG an dem Ort, wo die geforderte Handlung zu erfüllen gewesen wäre. Dies wird bei den von der BaFin zu verfolgenden echten Unterlassungsdelikten stets Deutschland sein müssen. Denn die räumliche Geltung des OWiG (§ 5 OWiG) ist auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkt; Auslandstaten können nicht verfolgt werden.[39] Die räumliche Geltung des OWiG steht in der Bußgeldpraxis der BaFin jedoch regelmäßig nicht infrage, da Tatort der verfolgten Ordnungswidrigkeit im Inland sein wird. Sind beispielsweise Mitteilungspflichten gegenüber der BaFin zu erfüllen (z.B. Stimmrechtsmitteilungspflicht gem. § 33 WpHG), ist Ort der geforderten Handlung am Sitz der BaFin in Frankfurt am Main (vgl. § 1 Abs. 3 S. 2 FinDAG). Gleiches gilt im Ergebnis für bußgeldbewehrte Veröffentlichungspflichten, die zum Schutz des deutschen Kapitalmarktes im Inland zu erfüllen sind, sodass Verstöße gegen sie ihren Tatort im Geltungsbereich des OWiG haben werden.

II. Beteiligung an Ordnungswidrigkeiten

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Im Ordnungswidrigkeitenrecht gilt das Einheitstäterprinzip. Die aus dem Strafrecht bekannte Unterscheidung von Täterschaft und Teilnahme hat für die Ahndungsbegründung einer Ordnungswidrigkeit keine Bedeutung. Täter ist folglich jeder, der sich vorsätzlich an der Ordnungswidrigkeit eines anderen vorsätzlich beteiligt (§ 14 OWiG).[40] Dies gilt ohne Einschränkungen für Delikte, die nach WpHG von jedermann begangen werden können (Allgemeindelikte). Dazu gehören die Ordnungswidrigkeiten des Verstoßes gegen Mitteilungspflichten (z.B. § 33 WpHG), der Marktmanipulation (Art. 15 MAR) und des Insiderhandels (Art. 14 MAR).[41]

288

Bei sehr praxisrelevanten Ordnungswidrigkeiten richten sich die jeweils mit Geldbuße sanktionierten Verhaltensnormen indes nur an bestimmte Normadressaten (Sonderdelikte). Bei dieser Deliktskategorie kann im Grundsatz nur Täter sein, wer die ahndungsbegründende besondere Tätereigenschaft (besonderes persönliches Merkmal, z.B. die Emittenteneigenschaft) – ggf. nach Überwälzung nach § 9 OWiG – aufweist (sog. Intraneus). Allerdings erweitert der Gesetzgeber in § 14 Abs. 1 S. 2 OWiG die Sanktionsmöglichkeit auch auf solche Personen, die das besondere persönliche Merkmal nicht aufweisen (sog. Extraneus). Nach dieser Regelung gehören folglich auch Personen zum Täterkreis (z.B. der weisungsgebundene Mitarbeiter in der Rechtsabteilung), die sich an einer vorsätzlichen Ordnungswidrigkeit eines Intraneus (z.B. Vorstand) vorsätzlich beteiligt haben. Soweit ersichtlich macht die BaFin von dieser Möglichkeit im Rahmen ihres Verfolgungsermessens keinen Gebrauch und beschränkt die Verfolgung von kapitalmarktrechtlichen Ordnungswidrigkeiten auf den in § 9 OWiG genannten Personenkreis bzw. ahndet Personen gem. § 130 OWiG.

1. Sonderdelikte im Kapitalmarktordnungswidrigkeitenrecht

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Es können zwei praxisrelevante Gruppen von Sonderdelikten im Kapitalmarktordnungswidrigkeitenrecht nach dem Adressaten der Handlungspflicht unterschieden werden:

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Tab. 3: Ausgewählte Adressaten von bußgeldbewehrten Handlungspflichten
(Inlands-)Emittenten Wertpapierfirmen/WpDUs
- Ad-hoc-Publizitätspflicht gem. Art. 17 MAR - Pflicht zum Führen von Insiderlisten gem. Art. 18 MAR - Pflicht zur Veröffentlichung von Eigengeschäften gem. Art. 19 Abs. 3 MAR - Veröffentlichungspflichten gem. §§ 40 f. WpHG - Informationspflichten gem. §§ 48 ff. WpHG - Finanzberichterstattungspflichten gem. §§ 114 ff. WpHG - Meldepflicht gem. Art. 26 MiFIR - Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten der §§ 63 ff. WpHG

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Die benannten kapitalmarktrechtlichen Handlungsgebote richten sich an Emittenten oder Wertpapierdienstleistungsunternehmen. Diese Normadressaten sind im Kapitalmarktrecht in aller Regel als juristische Personen oder Personenvereinigungen (Verbände/Gesellschaften) organisiert. Gesellschaften können nicht nach § 120 WpHG sanktioniert werden; ihnen fehlt die erforderliche Handlungs- und Ahndungsfähigkeit.[42] Gegen sie kann im Ordnungswidrigkeitenrecht unter den Voraussetzungen des § 30 OWiG eine Verbandsgeldbuße verhängt werden.