Loe raamatut: «Praxis des Bußgeldverfahrens im Kapitalmarktrecht», lehekülg 9

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1. Verjährungsdauer

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Die Verjährungsfrist richtet sich gem. § 31 Abs. 2 OWiG nach dem in der Bußgeldvorschrift angedrohten Höchstmaß der Geldbuße. Im Kapitalmarktordnungswidrigkeitenrecht beträgt sie für Vorsatz- und Fahrlässigkeitstaten stets drei Jahre, vgl. § 31 Abs. 2 Nr. 1 OWiG. Die kürzeren Verjährungsfristen gem. § 31 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 OWiG finden keine Anwendung, da es dort keine Ordnungswidrigkeiten gibt, deren Geldbuße – wie von § 31 Abs. 2 Nr. 2-4 OWiG vorausgesetzt – im Höchstmaß mit weniger als 15.000 € bedroht sind.

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Die Verjährungsregelung des § 120 Abs. 26 WpHG, wonach die in den Absätze 17 bis 22 des § 120 WpHG genannten Ordnungswidrigkeiten nach drei Jahren verjähren, hat demgegenüber keinen eigenständigen Anwendungsbereich.[226] Besonderheiten gelten für sog. Presseinhaltsdelikte.[227]

2. Beginn der Verjährung

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Die Verjährung beginnt gem. § 31 Abs. 3 S. 1 OWiG, sobald die zu verfolgende Handlung beendet ist. Die Beendigung ist von der Vollendung der Tat zu unterscheiden.[228] Anders als die Tatvollendung, die bei Vorliegen sämtlicher Merkmale des Tatbestandes eingetreten ist, setzt die Tatbeendigung voraus, dass der Täter sein rechtverneinendes Tun insgesamt abschließt und das Tatunrecht dadurch in vollem Umfang verwirklicht wurde.[229]

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Der Zeitpunkt der Beendigung der Handlung bzw. der Tat im materiellen Sinn ist durch Auslegung für jedes Delikt gesondert zu bestimmen.[230] Die Mehrzahl der Ordnungswidrigkeiten im Kapitalmarktrecht sind echte Unterlassungsdelikte.[231] Echte Unterlassungsdelikte sind in der Regel beendet, sobald die Handlungspflicht entfällt, beispielsweise weil ihr der Täter nachgekommen ist.[232] Dem liegt die Annahme zugrunde, dass bei echten Unterlassungsdelikten im Kern nicht die rechtswidrige Verursachung eines Zustandes, sondern dessen rechtswidrige Aufrechterhaltung sanktioniert wird.[233] Folgerichtig fällt die Beendigung des Delikts (erst) auf den Zeitpunkt der Beseitigung des rechtswidrigen Zustands.

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Beispiele

Verstöße gegen die Mitteilungspflichten gem. §§ 33 ff. WpHG; Verstöße gegen die Veröffentlichungspflichten gem. § 40 S. 1 WpHG; Verstöße gegen die Ad-hoc-Publizitätspflicht gem. Art. 17 Abs. 1 MAR; Verstöße gegen die Finanzberichtspflichten gem. §§ 114 ff. WpHG.

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Im Kontext des Verstoßes gegen die Ad-hoc Veröffentlichungspflicht ist die Tat demzufolge auch ohne Nachholung der Mitteilung beendet, wenn durch Zeitablauf kein Interesse mehr an ihr besteht oder die Insiderinformation in der Zwischenzeit öffentlich bekannt geworden ist.[234] Besonderheiten sind bei der Beendigung der Aufsichtspflichtverletzung gem. § 130 OWiG zu beachten.[235]

3. Berechnung des Fristendes

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Die Berechnung der Verjährungsfrist ist gesetzlich nicht geregelt. Die aus dem bürgerlichen Recht oder Strafprozessrecht bekannten Grundsätze zur Fristbestimmung (§ 187 Abs. 1 S. 1 BGB bzw. § 43 Abs. 1 StPO) finden keine Anwendung. Nach ständiger Rechtsprechung ist vielmehr der Tag des Verjährungsbeginns einzurechnen.[236] Dies wirkt sich auf das Ende der Frist aus.

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Beispiel

Die den Verstoß gegen die Ad-hoc Veröffentlichungspflicht begründende Insiderinformation wird am 1.1.2020 öffentlich bekannt. Die Tat ist folglich am selben Tag beendet. Der Tag der Tatbeendigung ist bei der Berechnung des Fristlaufes einzurechnen, sodass das Fristende bei der dreijährigen Verjährungsfrist auf den 31.12.2022, 24 Uhr, fällt. Am 1.1.2023, 0 Uhr, ist die Tat verjährt.

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Fällt der letzte Tag auf einen Sonn- oder Feiertag, verschiebt sich die Frist nicht auf den Ablauf des nächsten Werktags, da es an einer gesetzlichen Anordnung einer solchen – den Betroffenen belastenden – Regelung fehlt.

4. Unterbrechung der Verfolgungsverjährung

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Die Verfolgungsverjährung kann wegen den in § 33 Abs. 1 OWiG genannten Unterbrechungshandlungen unterbrochen werden. Rechtsfolge der Unterbrechung ist gem. § 33 Abs. 3 OWiG, dass die Verfolgungsverjährung von neuem beginnt. Die Ordnungswidrigkeit verjährt allerdings spätestens nach Ablauf des Doppelten der gesetzlichen Verjährungsfrist (sog. absolute Verjährung), im Kapitalmarktordnungswidrigkeitenrecht folglich – gleichviel ob vorsätzlicher, leichtfertiger oder fahrlässiger Verstoß – nach Ablauf von sechs Jahren nach Beendigung der Tat.

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In sachlicher Hinsicht bezieht sich die Unterbrechung stets auf die prozessuale Tat,[237] in persönlicher Hinsicht wirkt die Unterbrechung im Grundsatz gegenüber demjenigen, auf den sich die Unterbrechungshandlung bezieht (§ 33 Abs. 4 S. 1 OWiG).[238] Damit im einheitlichen Verfahren die Unterbrechung auch gegenüber der Nebenbeteiligten wirkt, muss die Unterbrechungshandlung ihr gegenüber aber nicht eigenständig vorgenommen werden; es ist nach BGH ausreichend, dass die Unterbrechungshandlung gegenüber dem Repräsentanten gem. § 30 Abs. 1 OWiG vorgenommen worden ist.[239] Für das selbstständigen Verfahren ordnet § 33 Abs. 1 S. 2 OWiG an, dass die Unterbrechungstatbestände entsprechend gelten.

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Von besonderer Bedeutung sind die nachfolgenden Unterbrechungstatbestände:

a) Unterbrechung gem. § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 OWiG

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Gemäß § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 OWiG wird die Verjährung durch


- 1. Variante: die erste Vernehmung des Betroffenen,
- 2. Variante: die Bekanntgabe, dass gegen ihn das Ermittlungsverfahren eingeleitet ist,
- 3. Variante: die Anordnung der ersten Vernehmung, oder
- 4. Variante: die Anordnung der Bekanntgabe des Ermittlungsverfahrens

unterbrochen.

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Die vier Unterbrechungsvarianten bilden eine Einheit, sodass die Verjährung bei Vorliegen einer Unterbrechungshandlung nicht durch das Eintreten einer weiteren Unterbrechungshandlung erneut unterbrochen wird.[240]

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Beispiel

Mit Verfügung vom 5.1.2020 wird dem Betroffenen die Einleitung des Bußgeldverfahrens bekannt gegeben. Zugleich wird die Versendung des Anhörungsschreibens an ihn verfügt. Am 5.6.2020 wird der Betroffene förmlich vernommen. Die Verjährung wird bereits mit der Anordnung der Bekanntgabe und Anhörung am 5.1.2020 unterbrochen. Die Vernehmung des Betroffenen am 5.6.2020 bewirkt als bloß weitere Unterbrechungsvariante des § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 OWiG nicht, dass die Verjährungsfrist erneut von neuem beginnt.

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Die 1. und 2. Unterbrechungsvariante werden in der Bußgeldpraxis der BaFin kaum je von Bedeutung sein. Denn in aller Regel wird zuvor die Anordnung der Anhörung (worin zugleich die Anordnung der Bekanntgabe des Ermittlungsverfahrens zu sehen ist) vom zuständigen Fallbearbeiter der BaFin verfügt worden sein. Diese Handlungen bewirken ihrerseits gem. § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 OWiG die Verjährungsunterbrechung.

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Dabei ist die Regelung des § 33 Abs. 2 OWiG zu beachten. Danach wird die Verjährung in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem die schriftliche Anordnung – also die Verfügung des Fallbearbeiters – unterzeichnet wird und das Dokument alsbald nach der Unterzeichnung in den Geschäftsgang gelangt. Die „Unterzeichnung“ setzt keine eigenhändige Unterschrift des Fallbearbeiters voraus, es reicht dessen (auch unleserliches) Handzeichen oder – per Email – dessen elektronische Mitzeichnung, da jede Fixierung in Textform i.S.d. § 126b BGB ausreichend ist.[241] Muss die Anordnung der Anhörung (etwa durch ein weiteres Mitglied im Bußgeldreferat oder durch den Referatsleiter)[242] gegengezeichnet werden, so ist der Zeitpunkt der letzten Gegenzeichnung („Sichtvermerk“) maßgeblich, da erst jetzt die Anordnung vollzogen werden darf.[243]

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Ist die Verfügung nicht alsbald nach der Unterzeichnung in den Geschäftsgang gelangt, so ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Verfügung tatsächlich in den Geschäftsgang gegeben worden ist. In den Geschäftsgang gelangt ist die Verfügung, wenn sie vom Bearbeiter in den „Abtrag“ des Aktenbocks bzw. in das Postfach gelegt wird.[244] Die Beweislast für die Verzögerung trägt der Betroffene. Im Zweifel ist das Datum der Anordnung maßgeblich.[245]

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Praxishinweis

Wird die Anhörung des Betroffenen im Bußgeldverfahren angeordnet, greift die verjährungsunterbrechende Wirkung selbst dann, wenn das Anhörungsschreiben den Betroffenen bzw. die Nebenbeteiligte tatsächlich nie erreicht.[246] Denn für die Verjährungsunterbrechung ist unter den oben dargestellten Voraussetzungen bereits das Handzeichen des Fallbearbeiters und ggf. zusätzlich die notwendige Gegenzeichnung durch den Referatsleiter ausreichend. Anders ist dies beim Bußgeldbescheid, der nur dann – rückwirkend ab Unterzeichnung – verjährungsunterbrechende Wirkung entfaltet, wenn er dem Zustellungsempfänger binnen zwei Wochen zugestellt wird (§ 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG, dazu sogleich).

b) Unterbrechung gem. § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 OWiG

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Ferner ist der Unterbrechungstatbestand gem. § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 OWiG bedeutsam. Danach wird die Verfolgungsverjährung durch den Erlass des Bußgeldbescheides, sofern er binnen zwei Wochen zugestellt wird, oder ansonsten durch dessen Zustellung unterbrochen.

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Erlassen ist der wirksame[247] Bußgeldbescheid, sobald dieser unterzeichnet ist. Bei der BaFin setzt dies voraus, dass neben dem zuständigen Fallbearbeiter die notwendigen Sichtvermerke beispielsweise des Referatsleiters vorgenommen worden sind.[248]

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Beide Unterbrechungsvarianten des § 33 Abs. 1 S. Nr. 9 OWiG setzen die wirksame Zustellung des Bußgeldbescheids voraus. Zustellungsadressat kann der Betroffene bzw. dessen Verteidiger sein.[249] Gleiches gilt für den Bußgeldbescheid gegen die Nebenbeteiligte im selbstständigen Verfahren.[250]

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Wird im einheitlichen Verfahren sowohl dem Betroffenen als auch der Nebenbeteiligten der Bußgeldbescheid zugestellt, kann die Wirkung der Unterbrechung zu unterschiedlichen Zeitpunkten eintreten:


-
- Wird der Bußgeldbescheid zuerst an die Nebenbeteiligte zugestellt, tritt die Unterbrechungswirkung im Verhältnis zum Betroffenen (erst) in dem Moment ein, in dem der Bußgeldbescheid ihm zugestellt wird (Grundsatz aus § 33 Abs. 4 S. 1 OWiG). Eine „umgekehrte“ Akzessorietät des § 30 OWiG zulasten des Täters der Anknüpfungstat gibt es gerade nicht.

5. Sachverhaltsunsicherheiten

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Lässt sich in tatsächlicher Hinsicht nicht aufklären, ob Verjährung eingetreten ist, so ist das Verfahren gem. § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 170 Abs. 2 StPO einzustellen. Der als Entscheidungsregel für Tat- und Schuldfragen im Strafrecht entwickelte Zweifelgrundsatz findet auch auf das Verfolgungshindernis der Verjährung Anwendung.[252]

G. Abgabe an die Staatsanwaltschaft

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Sollten sich im Verlauf der Ermittlungen im Bußgeldverfahren Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat ergeben, ist das Verfahren gem. § 41 Abs. 1 OWiG an die Staatsanwaltschaft abzugeben. Die BaFin ist nicht zuständig für die Verfolgung von Straftaten. Erlangt sie Kenntnis von Tatsachen, die den Verdacht einer Straftat begründen, muss sie dies unverzüglich der zuständigen Staatsanwaltschaft anzeigen (§ 11 S. 3 WpHG). Steht die zu verfolgende Ordnungswidrigkeit in Tateinheit mit einer Straftat oder steht sie mit einer solchen in Zusammenhang, muss die BaFin die Sache an die Staatsanwaltschaft abgeben (§ 41 OWiG) oder die Staatsanwaltschaft übernimmt die Verfolgung der Ordnungswidrigkeit (§ 42 Abs. 1 OWiG).

Umgekehrt gibt die Staatsanwaltschaft das Verfahren an die BaFin gem. § 43 OWiG ab, wenn deren Ermittlungen ergeben haben, dass nur eine Ordnungswidrigkeit in Betracht kommt. Gleiches gilt, wenn die Staatsanwaltschaft die Verfolgung der Tat aus Opportunitätsgründen gem. §§ 153, 154 StPO einstellt. Stellt sie das Verfahren demgegenüber gem. § 153a StPO gegen Auflagen (zumeist einer Geldauflage) ein und werden diese erfüllt, tritt gem. § 153a Abs. 1 S. 5 StPO (teilweise) Strafklageverbrauch ein. Die Verfolgung der (prozessualen) Tat als Ordnungswidrigkeit scheidet aus. Es ist in der Praxis keineswegs ausgeschlossen, dass die Höhe der Geldauflage für den Beschuldigten weit niedriger ist als die Geldbuße, die im Fall der Verfolgung der Tat als Ordnungswidrigkeit durch die Verwaltungsbehörde gegen ihn verhängt worden wäre.

H. Ahndungskompetenz der BaFin: der Bußgeldbescheid

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Die BaFin ist gem. § 35 Abs. 2 OWiG auch für die Ahndung der Ordnungswidrigkeit zuständig. Die Ordnungswidrigkeit wird gem. § 65 OWiG durch Bußgeldbescheid geahndet.

I. Erlass des Bußgeldbescheids

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Der Bußgeldbescheid darf erlassen werden, wenn der Fallbearbeiter der BaFin zu der Überzeugung gelangt ist, dass die Tat erwiesen, verfolgbar und ahndungswürdig ist.[253] Der Verdachtsgrad der überwiegenden Verurteilungswahrscheinlichkeit (hinreichender Tatverdacht), der Voraussetzung im Strafverfahren für die Erhebung der öffentlichen Klage gem. § 170 Abs. 1 i.V.m. § 203 StPO ist, soll nicht genügen.[254]

II. Inhalt des Bußgeldbescheids

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Der wesentliche Inhalt des Bußgeldbescheides wird in § 66 OWiG geregelt. Die gesetzlichen Anforderungen sind denen an die Anklageschrift (§ 200 Abs. 1 S. 1 StPO) und an den Strafbefehl (§§ 407 ff. StPO) im Strafverfahren nachgebildet.[255]

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Der Bußgeldbescheid soll den Betroffenen darüber informieren, was ihm aufgrund welcher Beweismittel konkret vorgeworfen wird (Informationsfunktion).[256] Ihm wird dadurch die Entscheidung ermöglicht, ob und in welcher Form er sich gegen den Bußgeldbescheid verteidigen kann (Anspruch des Betroffenen auf Gewährung rechtlichen Gehörs).[257] Zudem soll durch den Bußgeldbescheid der Lebenssachverhalt dargestellt werden, der Gegenstand des konkreten Bußgeldverfahrens ist.[258] Der Bußgeldbescheid muss die Tat im prozessualen Sinne in persönlicher, sachlicher und rechtlicher Hinsicht von anderen vergleichbaren Sachverhalten abgrenzen (Umgrenzungsfunktion).[259] Durch die Umgrenzung des Lebenssachverhalts wird die gerichtliche Kognitionspflicht sowie der Umfang der Rechtskraft bestimmt.[260] Im Übrigen bildet der rechtkräftige Bußgeldbescheid die Grundlage der Vollstreckung der dort – hinreichend konkret – angeordneten Rechtsfolge (Vollstreckungsfunktion).[261]

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Um diesen Funktionen zu genügen, hat der Gesetzgeber Pflichtangaben im Bußgeldbescheid vorgeschrieben, § 66 Abs. 1 OWiG:

1. Angaben zur Person des Betroffenen und etwaiger Nebenbeteiligter, § 66 Abs. 1 Nr. 1 OWiG

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Bei einer natürlichen Person:


Bußgeldbescheid
Gegen
Herrn Max Mustermann, geboren 13.10.1970 in Neustadt, Straße, PLZ Ortschaft
Betroffener
Verteidigerin: RA‘in , Kanzleiadresse

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Bei juristischen Personen bzw. Personenvereinigungen als Nebenbeteiligte ist zusätzlich die Angabe eines vertretungsberechtigten Organs notwendig.[262] Zur eindeutigen Identifizierung der Nebenbeteiligten bietet es sich zusätzlich an, die aktive Rechtsträgerkennung im Bußgeldbescheid zu benennen. Bei allen gem. Art. 26 MiFIR meldepflichtigen Geschäften ist seit dem 3.1.2018 eine aktive Rechtsträgerkennung (Legal Entity Identifier, LEI) zur Identifizierung des meldepflichtigen Wertpapierdienstleistungsunternehmens sowie dessen Kunden erforderlich (Art. 26 Abs. 6 MiFIR). Kann das meldepflichtige Institut bzw. die Bank keine LEI des Kunden benennen, kann es das Geschäft nicht ausführen. Weitere Pflichten zur Führung einer LEI finden sich in Art. 27 MiFIR, Art. 9 EMIR sowie Art. 4 SFTR. Da im Ergebnis kaum die Beteiligung einer rechtsfähigen Körperschaft ohne LEI denkbar ist, eignet sich diese weltweit gültige Kennungsnummer zur eindeutigen Identifizierung von juristischen Personen, Anstalten, Stiftungen und sonstigen Körperschaften deutschen und ausländischen Rechts. Die mit LEI geführten weltweiten Unternehmen können auf der Website der Global LEI Foundation (GLEIF.org) eingesehen werden.

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Als Nebenfolge dieser Ordnungswidrigkeit wird zudem gegen die
XYZ AG Straße, PLZ Ortschaft
Rechtsträgerkennung (LEI): …
– Nebenbeteiligte
vertreten durch den Vorstand Herrn … und Frau … Verteidiger: Rechtsanwalt …, Kanzleiadresse
gem. § 30 Abs. 1 OWiG eine Geldbuße in Höhe von […] festgesetzt.

2. Name und Anschrift des Verteidigers, § 66 Abs. 1 Nr. 2 OWiG

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Sollte der Betroffene bzw. die Nebenbeteiligte – wie häufig – einen Verteidiger haben, ist dieser als möglicher Zustellungsadressat des Bußgeldbescheids mit in den Bußgeldbescheid aufzunehmen. Soll statt an den Betroffenen bzw. die Nebenbeteiligte an den Verteidiger zugestellt werden, muss die Zustellung an ihn und nicht an dessen Rechtsanwaltskanzlei oder Anwaltssozietät erfolgen, da Verteidiger gem. § 137 StPO nur natürliche Personen sein können.[263] Hat der Betroffene mehr als einen von höchstens drei Verteidigern, genügt die Zustellung an einen der Verteidiger unter Benachrichtigung des Betroffenen bzw. der Nebenbeteiligten.[264]

3. Bezeichnung der Tat einschl. Zeit und Ort ihrer Begehung, § 66 Abs. 1 Nr. 3 OWiG

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Im Bußgeldbescheid muss die Tat, die Tatzeit (§ 6 OWiG) und der Tatort (§ 7 OWiG) angegeben werden. Die BaFin ist gehalten den Lebenssachverhalt – im Indikativ – darzustellen, den sie für erwiesen hält.[265] Sämtliche Merkmale des gesetzlichen Tatbestands der Ordnungswidrigkeit müssen vollständig mit Tatsachen „unterfüttert“ bzw. konkretisiert werden. Dieses sog. Konkretum ist das „tatsachenbasierte Spiegelbild“ der gesetzlichen Merkmale der Ordnungswidrigkeit, die üblicherweise im Anschluss im Bußgeldbescheid dargestellt werden.[266] Auch die Vorwerfbarkeitsformen etwa des Vorsatzes oder der Leichtfertigkeit werden konkretisiert.

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Formulierungsbeispiel (Vorsatz)[267]: Der Betroffene in seiner Funktion als Alleinvorstand der N-AG veröffentlichte wissentlich den Halbjahresfinanzbericht der N-AG nicht spätestens bis zum 30.9.2020, obgleich er hierzu verpflichtet war. Stattdessen veranlasste er die Veröffentlichung erst zum 25.10.2020.

Die Nebenbeteiligte N-AG ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in München, deren Aktien im Nennwert von 50 € am regulierten Markt der Frankfurter Wertpapierbörse zum Handel zugelassen sind. Deren Geschäftsjahr entspricht dem Kalenderjahr.

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Formulierungsbeispiel (Leichtfertigkeit):[268] Der für die Veröffentlichung von Stimmrechtsmitteilungen zuständige Finanzvorstand Müller der N-AG übersah die am 6.6.2021 per Fax eingegangene Stimmrechtsmitteilung der Investment-GmbH, obwohl er für die Überwachung von Faxeingängen zuständig war und es sich ihm hätte aufdrängen können und müssen, dass jederzeit Stimmrechtsmitteilungen per Fax eingehen könnten. In der Folge wurde die Stimmrechtsmitteilung nicht spätestens innerhalb von drei Handelstagen nach dem 6.6.2021 veröffentlicht. Stattdessen nahm er die Stimmrechtsmitteilung erst am 20.6.2021 zur Kenntnis und veranlasste die Veröffentlichung zum 21.6.2021. […]

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Wegen der Informationsfunktion des Bußgeldbescheids sollte die Bezeichnung der Tat keine unnötigen Informationen enthalten. Es ist nicht Aufgabe des Betroffenen (oder der Nebenbeteiligten), sich aus der Fülle von Sachinformationen jene Tatsachen heraussuchen zu müssen, die den an ihn gerichteten Vorwurf erst begründen. Es sollten daher nur die Tatsachen – keine Rechtsbegriffe wie z.B. „Insiderinformation“ – bezeichnet werden, welche die gesetzlichen Merkmale der Ordnungswidrigkeit ausfüllen. Diese Darstellungsweise ist auch deshalb von Bedeutung, weil der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft nach Einspruch gegen den Bußgeldbescheid in der Hauptverhandlung grundsätzlich[269] nur den „Anklagesatz“ des Bußgeldbescheids verlesen darf (§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 243 Abs. 3 S. 1 StPO). Der Anklagesatz umfasst jedoch lediglich die Bezeichnung der Tat, Zeit und Ort ihrer Begehung, die gesetzlichen Merkmale der Ordnungswidrigkeit sowie die anzuwendenden Vorschriften.[270] Die Beweiswürdigung bzw. die Begründung des Bußgeldbescheids sind demgegenüber nicht Gegenstand der Verlesung.[271] Dieser Grundsatz würde umgangen werden, wenn das Konkretum aus Elementen „versteckter Beweiswürdigungen“ bestünde.

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Im einheitlichen bzw. selbstständigen Verfahren müssen neben der Ordnungswidrigkeit zusätzlich die tatsächlichen Umstände benannt werden, die die Rechtsfolge des § 30 OWiG ggf. i.V.m. § 130 OWiG auslösen. Bezogen auf die Aufsichtspflichtverletzung des § 130 OWiG ist es zur Konkretisierung ausreichend, wenn die in dem Unternehmen begangenen Zuwiderhandlungen, auf die sich der Vorwurf der Aufsichtspflichtverletzung bezieht, näher festgelegt werden. Die weiteren Angaben, welche Maßnahmen der Betroffene zur Erfüllung der Aufsichtspflicht hätte ergreifen müssen und unterlassen hat, sind für die Konkretisierung des Tatgeschehens nach der Rechtsprechung des OLG Frankfurt nicht erforderlich.[272]

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Formulierungsbeispiel (§§ 30, 130 OWiG)

Die Nebenbeteiligte ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Düsseldorf, deren Aktien im Jahr 2019 mit einem Nennwert von 50 EUR an der Frankfurter Wertpapierbörse zum Handel am regulierten Markt zugelassen waren.

Der in der Investor Relations Abteilung der Nebenbeteiligten beschäftigte Zeuge Müller nahm am Abend des 12. März 2019 ein an die Nebenbeteiligte gerichtetes Telefax der Investor AG entgegen, in dem dieser unter Verwendung des Stimmrechtsmitteilungsformulars entsprechend der Anlage zur WpAV bekanntgab, durch den Erwerb von Aktien der Nebenbeteiligten zum 14. März 2019 12,4 Prozent der Stimmrechte an der Nebenbeteiligten erworben und damit die maßgebliche Stimmrechtsschwelle von 10 Prozent überschritten zu haben. Obwohl der Zeuge Müller den Inhalt des Fax zur Kenntnis nahm, veranlasste er die Veröffentlichung der Mitteilung und deren Übermittlung an das Unternehmensregister erst am Montag, 18. März 2019, und nicht – wozu die Nebenbeteiligte verpflichtet gewesen wäre – am Freitag, den 15. März 2019.

Obwohl es die Mitglieder des Vorstands der Nebenbeteiligten, die Betroffenen Walter und Meier, hätten erkennen können und müssen, veranlassten sie zuvor nicht die notwendigen Maßnahmen, um die Beachtung der kapitalmarktrechtlichen Veröffentlichungspflichten im Unternehmen dauerhaft sicherzustellen und welche die Begehung des Verstoßes zumindest erschwert hätten.

200

Im selbstständigen Bußgeldbescheid gegen eine juristische Person oder Personenvereinigung gem. § 30 Abs. 4 OWiG ist zur Konkretisierung als unerlässliche Wirksamkeitsvoraussetzung die Angabe erforderlich, wegen welcher vorwerfbaren Tat ihres Organs die Geldbuße festgesetzt wird.[273] Allerdings soll dabei der Informationsfunktion Genüge getan sein, wenn die Ordnungswidrigkeit des Organs lediglich benannt wird, ohne sie ihrerseits genauer zu konkretisieren.[274]

201

Keinen Platz haben Elemente der verdeckten Beweiswürdigung (Negativbeispiele: „Entsprechend der Auskunft des Verteidigers…“; „ausweislich der übersandten Unterschriftseite…“) bei der Bezeichnung der Tat. Denn wie der Tatvorwurf zu beweisen sein wird, beschreibt nicht die vorgeworfene Tat. Die Beweisführung ist vielmehr Gegenstand der Beweiswürdigung, die – soweit erforderlich – im Rahmen der Begründung des Bußgeldbescheids dargestellt wird.

202

Ausführungen zu Umständen, die die Bußgeldzumessung betreffen (z.B. Nachtatverhalten, späteres Delisting der Gesellschaft etc.), werden ebenfalls in der Begründung des Bußgeldbescheids dargestellt. Erfolgt die Bebußung der Gesellschaft anhand des umsatzbezogenen Höchstbetrages, sind zudem tatsächliche Informationen zur Bestimmung des relevanten Umsatzes in die Begründung aufzunehmen.