Genuss mit Freunden

Tekst
Loe katkendit
Märgi loetuks
Kuidas lugeda raamatut pärast ostmist
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Zungenkuss

Ein Abend zu zweit

Ausgebootet – Ausgeknockt

Ruth Montnacher

Die Gulaschlüge

Essen bei August

Ist Onkel August tot?

Küchenerklärung

Der Kornblumenprinz

Millis Grab

Essen zu acht mit Leerplatz

Der Einzug

Echte Freunde

Truckerlove

Stilles Drama

Freund und Leid

Lohnsteuerjahresausgleich

Henkersmahlzeit

Wassermelone, Kirschen und Sterne hautnah

Palmaomelette

Hals über Kopf

Der Weg zur Eisdiele

Kein stiller Freitag

Buchbeschreibung:

Mehr als ein Jahr nach ihrem ersten Band überzeugen die Freunde erneut mit ihrem feinen Humor und dem Gespür für besondere Situationen. Ihre Freundeserfahrungen fließen in diese Anthologie ein. Einmal mehr zeigen sich die Autor*innen von ihrer kreativen Seite. Neben alten Bekannten werden auch neue Freunde und deren Freundschaften beleuchtet. Dabei spielt das Genießen eine große Rolle. Und Genuss ist mannigfaltig. Wir freuen uns, mehr von ihnen zu lesen.

Über die Autor*innen:

Andreas Berg, Matthias Deigner, Eva Greif, Ruth Montnacher, Martina Raguse, Nadejda Stoilova, Kathrin Thiemann

Genuss mit Freunden

und andere Geschichten

Impressum

© 2021 Baltrum Verlag GbR

BV 2133 – Genuss mit Freunden

Umschlaggestaltung: Baltrum Verlag GbR

Illustration: Baltrum Verlag GbR

Lektorat, Korrektorat: Baltrum Verlag GbR

Herausgeber: Baltrum Verlag GbR

Verlag: Baltrum Verlag GbR, Weststraße 5, 67454 Haßloch

Internet: www.baltrum-verlag.de

E-Mail an info@baltrum-verlag.de

Druck: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Genuss mit Freunden

Herausgeber

Baltrum Verlag

Baltrum Verlag

Weststraße 5

67454 Haßloch

Zungenkuss

Kathrin Thiemann

Vermutlich würde mir jeder bestätigen, dass es zwei Gruppen von Menschen gibt: Den einen läuft das Wasser im Mund zusammen, den anderen stellen sich vor Ekel die Härchen auf den Unterarmen senkrecht, wenn sie nur daran denken. Die einen lieben sie, die anderen verschmähen sie. Die Rede ist von einer leckeren und wunderbar zarten Rinderzunge. Ich gehöre zur ersten Gruppe, ganz eindeutig.

Mit dieser Delikatesse bin ich groß geworden. Meine Mutter war bei diesem Rezept damals für mich eine Sterneköchin. Wenn sie dieses Längliche – ja, was war es eigentlich? – kein Braten, eine Wurst auch nicht. Soll ich es Kochfleisch nennen?

Wenn sie also die Zunge frisch zubereitet hatte, wäre ich am liebsten gleich mit einem Messerchen an die zarte Spitze gegangen und hätte sie Scheibe für Scheibe stibitzt. Aus ihrem Schnellkochtopf war sie die Zarteste, die ich je gegessen hatte. Das Fleisch zerfiel fast auf der Zunge, auf meiner eigenen natürlich. Dieses Gefühl ist für mich bis heute Heimat, zu Hause.

In meiner eigenen Familie war ich die Einzige, die Zunge mochte. Mein Mann und meine Kinder wandten sich angewidert ab, wenn ich mir ein Stückchen vom Metzger mitgebracht hatte. Wie einsam ich als Zungenliebhaberin doch sein musste.

Neulich habe ich im Freundeskreis einige Menschen kennengelernt, denen es genauso geht wie mir. Auch sie stehen mit ihrer Vorliebe alleine in ihren Familien. Wir kennen uns seit Jahren und wussten bisher nichts von unserer gemeinsamen Leidenschaft. Wer will sich schon mit der Liebe zu einer Rinderzunge outen, noch dazu in unserer heutigen Gesellschaft voller Vegetarier und Veganer.

Nachdem wir vier uns auf einer Geburtstagsfeier als diese Art von Genussmenschen gefunden hatten, war das nächste Treffen schnell organisiert. Reihum, so verabredeten wir, wollten wir uns einladen und unsere verschiedenen Rezepte einander vorstellen. Wir beschlossen, in Zungen zu schwelgen und dabei unter uns zu sein. Die jeweiligen Verschmähenden mussten für unser Glück so lange das Haus verlassen.

Wir starteten bei Klaus, er kochte Zunge auf Linsen mit Essiggürkchen, ein schwäbisches Gericht. Es schmeckte völlig anders, als ich es kannte, aber war doch lecker. Beim nächsten Mal war ich die Gastgeberin. Ich wälzte Kochbücher und das Internet, entschied mich dann für das Rezept meiner Mutter, wenn auch ohne Schnellkochtopf, ihm traute ich wegen der Explosionsgefahr nicht. Ihr Zettel lehnte am Küchenfenster, während ich die Zunge zunächst wusch und mit klein geschnittenem Suppengemüse in einem großen Topf aufkochte. Es schäumte anfangs unangenehm, lecker sah das ganz und gar nicht aus. Diesen graubraunen Schaum musste ich immer wieder abseihen, denn er sah furchtbar eklig aus. Den Küchenwecker stellte ich anschließend auf zwei Stunden, solange brauchte die Zunge in jedem Fall.

Mittags machte sich meine Familie auf den Weg außer Haus, darauf hatte ich bestanden. Ich bemühte mich, mir von ihren Blicken und dem Rümpfen der Nasen nicht meine Laune verderben zu lassen. Endlich schloss ich die Tür hinter ihnen. Ein herrlich langer Nachmittag zum gemütlichen Kochen und der Abend mit meiner Genussgruppe lagen vor mir.

Die Zunge köchelte leise vor sich hin, und ich ließ mich auf dem Sofa nieder, legte die Füße hoch und schaltete den Fernseher an. Sturm der Rosen, auch diese Seniorenserie gehörte zu meinen Geheimnissen. Leider nickte ich dabei ein, erst das Klingeln des Küchenweckers holte mich in die Realität zurück. Die Zunge!

Zwei ganze Stunden hatte ich geschlafen. Ich sprang auf, es roch zum Glück nicht angebrannt. Den Deckel riss ich hoch und war überrascht. Sie lag noch gut bedeckt in der siedenden Brühe.

Mein Blick auf den Zettel fand diesen Satz:

»Die Zunge ist gar, wenn sich die Spitze weich ansticht.«

Erwartungsvoll stach ich mit dem Küchenmesserchen hinein, die Spitze war weich. Also stellte ich den Herd ab, hob das Fleisch mit zwei Gabeln aus dem Topf und spülte es mit kaltem Wasser ab.

Weiter las ich:

»Die Haut abziehen, so lange sie noch heiß ist.«

Beherzt schnitt ich längs durch die inzwischen weiß gekochte Haut, mitten durch die dicken Papillen. Diese Haut sah wirklich nicht sehr appetitanregend aus, das konnte ich gut nachvollziehen. Sie war die Kontaktstelle zwischen der Kuh und ihrer Nase, zwischen der Kuh und allem Möglichen, woran sie geleckt hatte. Darüber wollte ich nicht weiter nachdenken. Nein, diese Haut musste ab.

Überrascht stellte ich fest, dass es nicht so schwierig war. Es war jedoch eine ziemlich heiße Angelegenheit, ich verbrannte mir immer wieder die Finger dabei. Ich konnte die Haut links und rechts vom Schnitt anheben und sie der Zunge einfach wie eine Jacke ausziehen. Meine Mutter hatte oft lange daran herum geschnippelt. Ich hatte wohl einfach Glück.

Es lockte mich, die zarte kleine Zungenspitze zu kosten. Ich schnitt sie ab und war begeistert, wie zart dieses Fleisch geraten war. Fast wie bei Mutter. Noch eines? Jetzt musste ich aber aufhören, sonst hätte ich vielleicht kein Ende mehr gefunden. Deshalb brachte ich die Zunge in den Keller zum Abkühlen. Am Abend musste ich sie nur noch aufschneiden und in der Soße wärmen. Ganz klassisch wollte ich Salat, Salzkartoffeln und Meerrettichsoße dazu reichen.

 

Der Nachmittag war noch nicht vorbei. Es war ein schönes Gefühl, Zeit genug zu haben und nicht gehetzt kochen zu müssen. Erst konnte ich einmal gemütlich unter die Dusche gehen und mich für den Abend ein bisschen schön machen.

Ich war noch nicht richtig abgetrocknet, als es an der Tür ungeduldig schellte. Mein Blick aus dem Fenster ließ mich aufseufzen. Meine Schwester Hille stand vor der Tür. Sie hatte die Gabe, stets unpassend aufzutauchen. Ich zog rasch den Bademantel über und ging zur Haustür.

»Gut, dass du zu Hause bist.«

Mit diesen Worten ging sie an mir vorbei ins Haus, hängte ihre Jacke an die Garderobe und meinte: »Hast du einen Kaffee für mich? Bist du alleine?«

Mehr will ich nicht weiter von ihr erzählen. Nur dass sie sich auf dem Sofa nieder ließ und nicht mehr aufhörte zu reden. Meine Einwände, ich hätte noch zu tun, ich bekäme Besuch und müsste mich auch noch anziehen, überhörte sie elegant. Das war schon immer so bei ihr, sie kam, sah und siegte. Egal, was ich vorhatte, meine Pläne interessierten sie nicht. Sie war die große Schwester, hatte das Sagen, und sie sagte viel. Meine Meinung wollte sie nie hören, nur mein Ohr sollte ich ihr hinhalten, damit sie ihren Wortmüll dort hinterlassen konnte.

Die Uhr tickte und die Zeit verstrich. Allmählich wurde ich unruhig. Wie sollte ich sie bloß loswerden? Wenn ich ihr von der Zunge erzählen würde, würde sie meine Vorfreude endgültig zunichtemachen. Sie machte schon als Kind ein großes Theater darum.

»Igitt, Zunge – wie widerlich. Ich esse doch nicht, was andere schon im Mund hatten!« Dieser Witz hatte schon damals einen langen Bart. Nein, dieses Thema musste ich vermeiden. Außerdem musste ich sie wirklich dringend loswerden.

Es wurde halb sieben, in einer Stunde erwartete ich meine Gäste. Es musste etwas passieren.

»Ich sollte mich endlich einmal anziehen«, sagte ich und stand auf.

»Ja, mach das. Ich würde längst frieren an deiner Stelle«, erwiderte meine Schwester.

Im Schlafzimmer überlegte ich fieberhaft, womit ich ihren Besuch beenden konnte. Leise schlich ich hinunter in den Keller und hob das Tuch, um nach dem Zustand der Zunge zu sehen. Mit meinem Finger strich ich liebevoll über die unter der weißen Haut übrig gebliebenen, ganz zarten Papillchen. Das weckte in mir eine gierige Vorfreude. In dem Moment kam die Idee.

»Hille!« rief ich nach oben, »Komm bitte mal runter!«

Ich hörte ihre Schritte auf der Treppe und legte das Tuch schnell wieder über das Fleisch.

Als sie durch die Tür trat, meinte ich mit meinem süßesten Lächeln zu ihr:

»Ich habe eine Überraschung für dich. Mach mal die Augen zu und strecke die Zunge raus.«

Hille will immer haben, haben, haben. Sie ist groß im Nehmen. Also zögerte sie nicht, schloss erwartungsvoll die Augen und streckte ihre Zunge heraus. Ich sah nur diese eine Möglichkeit und fackelte deshalb nicht lange, nahm das Fleisch in beide Hände, drehte die Papillen nach unten und strich damit über ihre Zunge.

Sie riss ihre Augen auf. In ihnen konnte ich den Ablauf ihres auf Hochtouren arbeitenden Gehirns erkennen: ratloses Nachspüren – plötzliches Verstehen – grenzenloses Entsetzen.

Ihr Schrei war beeindruckend und ihre Flucht aus dem Haus prompt.

Endlich hatte ich Zeit für meine Gäste.

Ein Abend zu zweit

Andreas Berg

Tiefrot schien das Licht durchs Glas. Brigitte drehte es langsam am Stil und der Farbton glitt durch die Schattierungen. Sie schwenkte den Wein und sog den Geruch ein. Brombeere. Und ja, der schwere Duft humusreicher Erde nach einem Sommerregen. Der Wein floss über ihre Lippen. Eindeutig Brombeere, Kirsche, kaum Säure, wie sie es mochte. Im Abgang kam etwas Johannisbeere hinzu. Schwer und erfrischend zu gleich. Ein großartiger Rotwein für einen Sommerabend. Sie stellte das Glas ab und wand ihre Aufmerksamkeit dem Teller zu.

In der Mitte, mit geschmorten Zwiebeln und Apfelscheiben bedeckt, gebratene Leber. Im Dreieck darum, wie Rosenblätter dekoriert, Kartoffelstampf. In den Lücken dazwischen gedämpftes Gemüse. Sie schob die Zwiebeln beiseite und schnitt ein Stück der Leber ab. In der Mitte hatte helles Braun das Rosa gerade so verdrängt, außen dunkelbraun mit holzkohle- schwarzen Streifen. Die Kruste fühlte sich auf der Zunge hart an, gleichzeitig war das Stück zart und weich. Der erste Bissen vertrieb das leichte Raucharoma.

»Mmmh«, entfuhr es ihr, »ist die gut!«

Sie schnitt direkt ein zweites Stück ab, diesmal mit etwas Apfel, der ebenfalls gegrillt worden war - gerade so lange, dass die Scheibe nicht zerfiel. Im Mund schien sie sich direkt aufzulösen und ihr süßlich-säuerlicher Geschmack verband sich perfekt mit dem herb-trockenen der Leber. Sie schloss die Augen und schmeckte Kindheit. Fast konnte sie ihre Mutter riechen, diese spezielle Mischung aus Gebratenem, frisch gewaschener Wäsche und Cointreau. Die Leber ihrer Jugend hatte den Zähnen mehr Widerstand geboten. Kurz fühlte sie sich wie Gummi an, bevor sie zerfloss. Kein Vergleich zu diesem Genuss hier. Sie öffnete die Augen und atmete ein. Die verschiedenen Gerüche strömten ihr entgegen. Sie entschied sich für ein Stück Blumenkohl. Bissfest und weich zugleich. Blanchiert, nicht gedünstet, wie sie zuerst gedacht hatte. Ja, so kann Blumenkohl schmecken, wenn er nicht in einer Mehlpampe ertränkt oder unter einer Hollandaiseschlotze begraben wurde. Der Broccoli war genauso gut. Ein ganz milder Kohlgeschmack, mit einer Note Spargel. Einfach perfekt.

Sie wand sich wieder dem Hauptdarsteller zu, diesmal mit Apfel und ein wenig Schmorrzwiebeln. Die restlichen Zwiebeln sparte sie auf, um sie unter das Püree zu mischen, wie sie es schon als Kind geliebt hatte. Wobei das hier natürlich kein Püree war. Die Kartoffeln waren von Hand gestampft, leicht und locker, mit einem Stich Butter, etwas Muskat und einem Schuss Milch. Hier zeigte es sich wieder: Wer kochen kann, braucht keine Sahne.

Das letzte Stück Leber bestrich sie mit Kartoffeln, darauf dann Zwiebeln und Apfel. Herrlich! Sie schielte auf Martins Teller hinüber, der unberührt da stand. Eigentlich eine Schande, aber zwei Portionen schaffte sie unmöglich. Zumal es Nachtisch geben sollte, Erdbeercrumble mit Vanilleeis. Der Crumble stand im Ofen, wie sie gesehen hatte.Der Teller am anderen Tischende reizte sie schon. War Martin selbst schuld, dieses Gequassel wie ein Wasserfall. Bei so einem fantastischen Diner. Sie hatte es nicht länger als die Vorspeise ausgehalten. Genuss war die Zwillingsschwester der Ruhe. Das Schöne am gemeinsamen Essen war der geteilte Gaumenkitzel. Reden konnte man beim Kaffee oder am Telefon. So sehr sie Martin mochte, dies dürfte das Ende ihrer Freundschaft sein. Brigitte seufzte und griff nach seinem Teller; nur noch ein bisschen Kartoffelstampf mit Zwiebeln. Sie durfte nachher, bevor sie ging, nicht vergessen, im Bad vorbeizuschauen, um die Fesseln und den Knebel zu lösen.

Ausgebootet – Ausgeknockt

Ruth Montnacher

Es würde ein Gartenfest werden, das keiner mehr vergas. Dafür hatte ich gesorgt. In den Bäumen baumelten Schiffslaternen. Über den Sträuchern waren Fischernetze gespannt, in denen Fische und Krabben lagen. Nur wenn man genau hinsah, sah man noch ein Zucken. Mit dicken Schiffstauen hatte ich eine Reling von der Terrassentür zum Tisch gebaut. Es sah hübsch aus.

Auf dem mit Muscheln und kleinen Ankern verzierten Tisch hatte ich acht große Teller verteilt. Auf den Tellern standen zu Segeln geformte, weiß-blaue Servietten. Marinelook.

Es klingelte. Sie war natürlich die Erste. Pamela hatte sich mal wieder in eine viel zu enge Hose gezwängt, aus der die Fettpolster um den Bauch hervorquollen. Der Ausschnitt ihres dünnen Blüschens - viel zu tief - machte den Blick frei auf die verrunzelte Haut einer 60-jährigen Raucherin. Peinlich, wie immer. Neugierig fiel ihr Blick in den Garten. Ja nichts verpassen.

Tobi und Elvira kamen ums Haus herum in den Garten geschlendert. Ohne zu klingeln. Warum auch. Wir waren doch ziemlich beste Freunde. Die beiden Ossis, Jörg und Susi, kamen direkt im Schlepptau hinterher, wie zwei Dackel. Es dauerte ewig, bis es dann nochmal an der Tür klingelte, und Peter und Maren erschienen. Immer etwas Besonderes. Und als Letzte hatten sie den besten Auftritt mit Publikum.

Skipper Tom hatte ich nicht eingeladen. Ich wusste, warum.

Da hatte ich sie zusammen, die feine Gesellschaft.

Während sich alle freudig begrüßten (diese Scheinheiligen), holte ich den Sekt aus der Küche, roten Sekt, den ich vor dem Raustragen nochmal kräftig schüttelte. Tobi winkte sofort und ich drückte ihm die Flasche in die Hand. Alles lief nach Plan. Seine Elvira neben ihm war mal wieder rausgeputzt wie ein Pfau, im weißen Kleid. So ein Pech. Die Flecken gehen ja so schlecht raus.

Nachdem Elvira ein Tränchen verdrückt und Tobi als Schuldigen beschimpft hatte, stießen alle miteinander an. Auf die schönen Segeltörns. Es war vor Jahren meine Idee, mit zwei Freunden zu segeln. Danach kamen immer mehr aus Tobis Kreis dazu. Alle passabel. Aber dann … Am lautesten labberte Pamela vom Segelrevier, von den Manövern und den Tavernen. Hätte ich damals doch nur darauf bestanden, selber jemanden für den freien Platz an Bord vorzuschlagen. Ich konnte nicht ahnen, was auf mich zukommen würde. Bei der Planung des nächsten Törns hatten sie mich dann tatsächlich ausgebootet. Und diese intrigante Kuh wieder mitgenommen.

Mit einem aufgesetzten, breiten Lächeln betonte ich, wie sehr ich mich freute, die Crew wieder zu sehen, und bat alle am Tisch unter dem alten Apfelbaum Platz zu nehmen.

Die Augen der Sieben glänzten vor Vorfreude. Ich war als gute Gastgeberin mit raffinierten Ideen bekannt. Na, dann los. Mit Schwung platzierte ich vor jedem Gast ein kleines Tellerchen mit runden Vertiefungen. In jeder Mulde kringelte sich eine Schnecke. Es duftete herrlich nach Knoblauch. Pamela schob den Teller angewidert von sich. »Wie? Du magst nicht? Naja, ist halt was für Leute mit Geschmack.« Die Dekoration aus großen Blättern in der Tischmitte begann sich zu bewegen. Perfektes Timing. Die Weinbergschnecken waren gerade warm geworden (ich hatte sie die Nacht über im kalten Keller ruhig gestellt). Den schrillen Schrei stieß Maren aus, diese Memme.

»Ich sehe was, was du nicht siehst.« Langsam seilten sich kleine und große Spinnen vom Baum ab Richtung Tisch. Das war der schwierigste Teil der Vorbereitung für dieses Fest. Ich hatte tagelang gesammelt und die gut gefüllte Dose kurz vor dem Eintreffen der Gäste in der Astgabel direkt über dem Tisch platziert. Läuft. Ich war überaus zufrieden mit meinem Arrangement.

Ich servierte Cuy Chactado. Knusprig. Die Ossis machten sich direkt über die Fleischplatte her. Als Susi gerade ein großes Stück abbiss, verkündete ich, dass das ein typisches Gericht aus Ecuador sei – gegrilltes Meerschweinchen. Susi erbrach sich über den ganzen Tisch und lief würgend ins Haus.

Jörg blieb grinsend sitzen und krallte sich ein weiteres Tier. »Dat schmeckt doch jut, wa? Ick wes jarnich, wat die Alte hat.« Den anderen war der Appetit vergangen. Sicher nur wegen des Geruchs nach Erbrochenem, der jetzt über dem Tisch lag, oder? Dieser Gang war ein voller Erfolg.

Ich lies ihnen keine Zeit zum Verschnaufen und schon gar nicht zum Nachdenken. Sonst hätte sich der ein oder andere vielleicht schon verdrückt vor dem großen Finale.

Ich balancierte eine große Platte mit Trauben und runden, weiß-milchigen Käsen über den Rasen. Peters Augen leuchteten. Gierig schnappte er sich einen ganzen Käse und biss hinein. Es konnte ja nichts mehr Schlimmes kommen, dachte er. Ich beobachtete aus den Augenwinkeln, wie er kaute und plötzlich stutzte. Er stülpte die Lippen um und eine dicke, fette Made fiel im aus dem Mund. Starr vor Schreck kippte Peter mit dem Stuhl nach hinten. »Voilà«, rief ich voller Begeisterung. »Hier haben wir einen Original Casu Marzu – überreifer, sardinischer Schafsmilchkäse mit einem besonderen Pfiff.«

Die Gesellschaft verlangte dringend nach Hochprozentigem, um meine wunderbaren Ekeligkeiten herunter zu spülen.

Ich hatte extra kleine Tonbecher gekauft und servierte aus einer Flasche, die ich liebevoll dekoriert hatte, so dass deren Inhalt nicht zu sehen war. Maren stürzte den ersten Becher direkt herunter und griff nach der Flasche. Tobi hatte seinen Becher auch sofort geleert, wie zu besten Segelzeiten. Damals, als ich noch dazu gehörte. Bevor Pamela auf der Bildfläche, sprich auf dem Schiff, erschienen war. Tobi wollte sich auch gerade nachschenken, als er zu würgen begann. Er griff sich in den Mund und zog einen langen, gelblichen Wurm hervor. Elvira war die Nächste, die sich übergab. Was für ein schleimiges Schauspiel auf dem Tisch. Die Schnecken freuten sich. Ich auch.

 

»Kinder«, rief ich voller Begeisterung, »ich habe extra für euch Mezcal besorgt. Mögt ihr keinen Tequila?«

Jetzt war es so weit: Zeit für das Dessert. Ich wusste, dass sich die verfressene Mannschaft den nicht entgehen lassen würde. Ich hatte schöne Glasschalen angerichtet mit einer leckeren, hellbraunen Haselnussmousse, die ihre Zutaten nicht verriet. Die Nocken waren mit in Rum eingelegten Kirschen verziert. War ich nicht liebevoll?

Es gab ein großes Raunen, als sich die ersten Löffelchen in den weichen Nocken versenkten.

Irgendwo krachte es. Dann ein Aufschrei. Maren hielt sich ihre Wange, dann spuckte sie aus. Erst einen Kirschkern – und dann ihre Plombe. Auch die Anderen begannen in ihren Mündern zu wühlen und Kerne auszuspucken. »Sollte ich tatsächlich vergessen haben, die Kirschen zu entkernen?« grinste ich in mich hinein.

»Bitte schön lächeln«, rief ich und zückte mein Handy, um diesen Moment für immer festzuhalten.

Pamela griff sich an den Hals. Ihr Gesicht war puterrot. Sie keuchte. Dann verlor sie jede Farbe im Gesicht und kippte bewusstlos ins Gras. Tätäää. Da war sie - die Rache – und so süß. Die Dosierung hatte genau gestimmt. Schließlich war ich Profi und kannte mich mit Nussallergien aus. Vor allem mit der von Pamela.

Olete lõpetanud tasuta lõigu lugemise. Kas soovite edasi lugeda?

Teised selle autori raamatud