Loe raamatut: «Revolution? Ja, bitte!»
Andreas Buhr / Florian Feltes
Revolution? Ja, bitte!
Wenn Old-School-Führung auf New-Work-Leadership trifft
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
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ISBN Buchausgabe: 978-3-86936-862-7
ISBN epub: 978-3-95623-812-3
Lektorat: Ulrike Hollmann, Hambergen
Umschlaggestaltung: Martin Zech Design, Bremen | www.martinzech.de
Titelfoto: SFIO CRACHO / Shutterstock
Autorenfoto Andreas Buhr: Dominik Pietsch
Autorenfoto Dr. Florian Feltes: privat
Satz und Layout: Das Herstellungsbüro, Hamburg | www.buch-herstellungsbuero.de
© 2018 GABAL Verlag, Offenbach
Das E-book basiert auf dem 2018 erschienenen Buchtitel "Revolution? Ja, bitte!" von Andreas Buhr und Dr. Florian Feltes, ©2018 GABAL Verlag GmbH, Offenbuch
Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags.
Inhalt
Vorwort
1. Alles ist möglich
Die Zukunft voraussagen
Erweiterte Realität
Virtuelle Welten
Drohne statt Postbote
Papierdrucker sind langweilig
Geld aus Algorithmen
TONI LANE CASSERLY: »Bitcoins verändern die Welt«
Roboter helfen alten Menschen
Moonshots
Künstliche Intelligenz
DIANNA YAU: »Facebook hat eine einzigartige Unternehmenskultur«
2. Mittelstand in der digitalen Pubertät
Ergebnisse der Studie über Mitarbeiterführung und Social-Media-Nutzung
STREITGESPRÄCH: »Ihr kneift, wenn es darauf ankommt«
DANIEL KRAUSS: »Busfahren ist wieder in«
ELISA NARANJO: »Wirtschaft neu denken – sozial, digital, profitabel«
JUBIN HONARFAR: »Hochglanz-Imagefilme will niemand mehr«
Wie führen Professionals unterschiedlicher Generation?
3. Die Digitalisierung verändert unser Verhalten
ROLF SCHRÖMGENS: »Ständige Disruption verhindert Lernprozesse«
Minimierung der Bedeutung von Raum und Zeit
Permanenter Wandel
KAI DIEKMANN: »Raus aus der Routine«
Exponentielle Geschwindigkeit
Transparenz des Wissens
PHILIPPE VON BORRIES: »Frauen(versteher) sind die besseren Führungskräfte«
Die enorme Bedeutung des Sozialen
STREITGESPRÄCH: »Spring, wenn unten ein Netz gespannt ist«
4. Die digitale Parallelwelt
AMY C. EDMONDSON: »Im hochinnovativen Umfeld brauchen wir viele Meinungen«
Alte Strukturen aufbrechen
Barrieren überwinden
Soft Skills sind nicht mehr soft
In fünf Schritten zum digitalen Unternehmen
PASCAL FINETTE: »Du musst im Voraus wissen, wo der Puck landet«
Übungen zum Wertekompass
PEPE VILLATORO: »Sprich über dein Scheitern«
Anleitung zur Revolution
Anhang
Dank
Literaturverzeichnis
Die Autoren
Vorwort
Revolution bedeutet die grundlegende Neuerung und den nachhaltigen strukturellen Wandel eines oder mehrerer Systeme. Die erste große Revolution der Menschheit fand statt, als der Mensch, bislang Jäger und Sammler, zu Ackerbau und Viehzucht überging. Der nächste große Einschnitt in der Entwicklung der Menschheit war die erste industrielle Revolution, die sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zumindest in der Vorbereitungsphase befand (ihre genaue Datierung ist umstritten). Die Einführung mechanischer Produktionsanlagen, angetrieben durch Wasser und Dampfkraft, sorgte für die Voraussetzungen des Übergangs von der Agrargesellschaft in Richtung Industriegesellschaft. Es entwickelte sich die erste arbeitsteilige Massenproduktion durch den Einsatz elektrischer Energie. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts schließlich kam es durch Elektronik und IT zu tief greifenden Automatisierungsprozessen in der Verarbeitung und Produktion. Innerhalb kürzester Zeit sind wir inzwischen an einen Punkt gelangt, an dem ein Teilbereich der Informatik, die künstliche Intelligenz, den Menschen zur nächsten, nämlich der digitalen Revolution führt.
Diese vierte Revolution hat schon vor Längerem begonnen und nimmt gerade richtig Schwung auf. Autonomes Fahren, virtuelle Realität, Machtverschiebung durch Transparenz und Dezentralisierung sind bereits heute Realität. Durch soziale Netzwerke, E-Commerce und Sharing-Economy hat sich unser Informations-, Kommunikations- und Nutzungsverhalten stark verändert. Der private Alltag ist für viele ohne Onlineverbindung kaum noch vorstellbar. Diese neuen Bedingungen übertragen sich verstärkt auf den beruflichen Alltag. Unternehmen müssen Anforderungen und Ansprüche, die sie bisher eher oder sogar nur von Kunden gewohnt waren, auch bei ihren Mitarbeitern erfüllen.
Von absoluter Transparenz über unmittelbares Feedback bis hin zum Wunsch nach besonderen Erlebnissen müssen Unternehmen sich etwas einfallen lassen, um gute Mitarbeiter zu finden und zu binden. Die von Buhr & Team beauftragte Studie zum Führungsverhalten der Generation Y, durchgeführt von Dr. Florian Feltes und Professor Charles Max von der Universität Luxemburg, die diesem Buch unter anderem zugrunde liegt, zeigt, dass gerade junge Führungskräfte ein anderes, digital geprägtes Verständnis mit ins Unternehmen bringen. Eine Schlüsselrolle für die schleppende Digitalisierung in Unternehmen spielen veraltete und starre Strukturen, die die Akzeptanz neuer Ansätze behindern. Die digitale Revolution verändert nicht nur das private Verhalten der Menschen, sie erfordert auch ein Umdenken im Führungsstil der Unternehmen.
Führung findet immer zwischen Menschen statt, egal ob digitale Technologien zwischengeschaltet werden oder nicht, egal wie alt oder jung eine Führungskraft oder ein Mitarbeiter ist. Die Studie der Universität Luxemburg liefert hierzu wichtige Erkenntnisse. Die Digitalisierung bietet Führungskräften neue Möglichkeiten, transparenter, effizienter, agiler und direkter mit Mitarbeitern zu kooperieren. Notwendig hierzu ist ein Aufbrechen verkrusteter Hierarchien und Strukturen. In einer komplexeren, schnelleren und globalisierten Welt wird es schwieriger, sämtliche Entscheidungsoptionen als Einzelperson zu überblicken und zu bewerten. Es gilt, das Wissen der Mitarbeiter richtig einzusetzen und zu nutzen. Die neuen Technologien machen dies möglich. Diese Veränderung muss gewollt sein und bewusst eingeleitet werden.
Denn eines ist klar: Wenn die Revolution nicht im eigenen Unternehmen stattfindet, werden die besten Leute zuerst gehen und die Revolution an anderer Stelle mit größeren Aussichten auf Erfolg umsetzen. Wie diese Revolution gemeistert und Führung zukunftsfähig gestaltet werden kann, erklärt sich nicht mit einem Standardrezept. Andreas Buhr und Dr. Florian Feltes liefern sehr pragmatische Ideen und Einblicke, wie dieser Wandel gelingen kann. Sie behandeln das Thema Führung aus der Sicht eines Babyboomers und eines Gen-Yers und beleuchten es aus verschiedenen Perspektiven. Sie lassen dabei gleichermaßen praktische Erfahrungen wie wissenschaftliche Erkenntnisse einfließen. So finden sie Lösungen, wie moderne Führung im digitalen Zeitalter aussehen und umgesetzt werden kann.
Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Hermann Simon
Founder und Honorary Chairman, Simon-Kucher & Partners
Adenin. Thymin. Guanin. Cytosin. Kurz: ATGC. Das sind die vier Basen, aus denen der menschliche Code, die biologische DNA, besteht. Die Grundbausteine der digitalen DNA sind noch simpler: Null und Eins. Etwas ist oder es ist nicht. So wie bereits Shakespeare seinen Hamlet im dritten Akt sagen lässt: »To be or not to be.« Sein oder Nichtsein.
Null und Eins. Mit diesen zwei Ziffern sind alle Codes des digitalen Lebens geschrieben. Damit lässt sich alles digital sagen. Das ist erstaunlich, zumal die Informationsflut, die digital auf uns einstürmt, unendlich zu sein scheint. Unendlichkeit, erzeugt aus zwei Ziffern. Mit der Digitalisierung scheint alles möglich zu sein, was vorher nicht ging. Beispielsweise in der Archäologie. Gerade bei dieser historischen Disziplin würden die wenigsten vermuten, dass es die Digitalisierung war, die in den letzten Jahren zu entscheidenden Wissenssprüngen verholfen hat. Nicht durch Grabungen und den fein geführten Pinsel gewissenhaft arbeitender Archäologen konnten einige der ganz großen Rätsel der Menschheitsgeschichte gelöst werden, sondern mithilfe der Null und der Eins. Troja beispielsweise, jene legendäre Stadt, die der Dichter Homer in seinem weltberühmten griechischen Epos Ilias beschreibt, hat es vermutlich tatsächlich gegeben. Aufgrund digitaler Satellitenaufnahmen wurde die Stadt, die zu den historischen Beschreibungen passt, in der Türkei geortet.1 Ohne die digitalen Fotos wären die Grabungen niemals in der Provinz Çanakkale vorgenommen worden. Nicht wenige hatten die Erzählungen über Troja schlicht für einen Mythos gehalten.
In der Medizin ist es nicht anders. Die Digitaltechnik hat den Operationssaal revolutioniert, wenn auch auf sanfte Art und Weise.2 Denn die digitale 3-D-Technik liefert uns dreidimensionale Bilddarstellungen, die minimalinvasive Eingriffe erst möglich machen. Bei der Methode genügen kleinste Schnitte, um etwa einen Herzkatheter oder eine Herzklappe einzufügen. Die Erholungszeit des Patienten nach solch einem Eingriff ist erheblich kürzer als bei der traditionellen Operationsmethode. Chirurgen operieren heute mit Unterstützung digitaler Roboter Tumore im Gehirn, die früher als inoperabel galten. In etwa fünf Jahren werden sie sogar mit einer Art Schlangenroboter noch flexibler im Kopf des Patienten operieren können.3
Ob wir ins Weltall schauen oder in die Tiefen des Meeres – digitale Roboter senden uns Daten, die unser Wissen über die Welt und den Kosmos revolutionieren und uns besser und mehr verstehen lassen. Oder aber unsere Vorurteile entlarven. So weiß die Meeresforschung heute, dass es kein Seemannsgarn war, als Matrosen von Seeungeheuern berichteten mit riesigen Tentakeln, die aus den Tiefen des Meeres emporstiegen, von dort, wo sich kein Mensch aufgrund des enormen Wasserdrucks aufhalten kann. Heute wissen wir: Es gibt sie wirklich.4 Wir wissen es, weil die digitalen Roboter uns Bilder ihrer Existenz liefern: Riesenoktopusse. Sie senden uns aber nicht nur Aufnahmen von 100 Kilo schweren blinden Riesentintenfischen, sondern auch Daten über Methanvorkommen, die relevant für unsere zukünftige Energieversorgung sind, Daten über Mikrobakterien, die fähig sind, unseren Müll zu zersetzen, und Informationen über die Entwicklung des Planktons,5 das voraussichtlich für die stetig weiter wachsende Bevölkerung in der Zukunft ein Grundnahrungsmittel sein wird.
Selbst der Marianengraben im Pazifischen Ozean, der tiefste Graben der Welt, der mit rund 11 000 Metern tiefer ist als der Mount Everest hoch, wird mithilfe von digitalen Robotern erkundet.6 Dabei ist das Meer, das 70 Prozent der Erdoberfläche bedeckt, weniger erforscht als die Mondoberfläche, weil der enorme Druck von rund 1000 Bar, die ewige Finsternis, die Kälte und der mangelnde Sauerstoff ein Forschen nahezu unmöglich machten. Jetzt aber ist es möglich. Dank der Null und der Eins können intelligente Roboter in die Meerestiefen vordringen und dort operieren.
Aus der Weltraumforschung ist die digitale Technik ebenfalls nicht mehr wegzudenken. Was im Weltraum los ist, was es mit unserem Sonnensystem auf sich hat, wie die schwarzen Löcher zu verstehen sind, ob wir Menschen auf dem Mars leben könnten7 – zu all diesen Fragen senden uns digitale Roboter die Daten.
Auch in der Kunst bahnt sich eine Revolution an. Die britische Sängerin Imogen Heap8 singt auf der Bühne zu einer Musik, die sie digitalen Musikhandschuhen entlockt. Töne, die unsere Ohren noch nie vernommen haben. Musikingenieure basteln an weiteren ungewöhnlichen Instrumenten, um digitale Klangteppiche zu erzeugen, die unsere Hörgewohnheiten radikal verändern werden. Geräusche, die erst in unserem Kopf zu Musik werden.
Das alles geschieht bereits heute. Das Tempo der Veränderungen wird weiter anziehen, denn die Digitalisierung bringt exponentielles Wachstum, und zwar in allen Bereichen, die mit der Digitalisierung in Berührung kommen. Sich dieses exponentielle Wachstum vorzustellen, fällt schwer, es sprengt unsere Denkgewohnheiten. Ein Experiment macht deutlich, worum es geht. Probanden sollten das für sie attraktivste Angebot aus zwei möglichen Varianten auswählen. Angebot A verspricht den Kandidaten jeden Tag 1000 Euro, 30 Tage lang, am Ende werden also 30 000 Euro aufs Konto gebucht. Variante B dagegen hört sich bescheiden an: Der Kandidat erhält einen Cent am ersten Tag, am zweiten zwei Cent, am dritten vier Cent und so weiter, denn wir sprechen über exponentielles Wachstum. Am Ende, also am 30. Tag, sind dies nicht etwa wenige Cent, wie die meisten Probanden vermuteten und sich daher für Variante A entschieden, sondern 536 870 912 Millionen Euro.9
Wir müssen verstehen, dass wir mit der Digitalisierung kein lineares Wachstum mehr vor uns haben, also ein Wachstum, bei dem in gleichen Abständen die konstant gleiche Menge hinzukommt, sondern ein exponentielles Wachstum, bei dem sich in den jeweils gleichen Zeitabständen die Menge jeweils verdoppelt.
Besonders deutlich zeigt sich das in der Genomforschung. Glaubte man 1990 zu Beginn des Projektes, zur Entschlüsselung des Erbgutes bis zum Jahr 2010 zu benötigen,10 war man bereits 2003 damit fertig, sieben Jahre früher. Dabei mussten immerhin drei Milliarden Basenpaare sequenziert werden. Nicht gerade wenig. Ohne die Fortschritte in der Digitaltechnik, die immer größere Datenkapazitäten bietet, hätte das nicht funktioniert. Das drückt auch die Kosten. So verursachte die Sequenzierung im Jahr 2000 noch 100 Millionen Dollar an Kosten, 15 Jahre später nur noch 1000 Dollar11 und bald soll die Entschlüsselung des Erbgutes sich auf rund 100 Dollar beziffern. Das macht die Erforschung vieler Erbkrankheiten erst in diesen Tagen möglich. Die Kombination von stetiger Steigerung der Rechenleistung einerseits und sinkenden Kosten andererseits erlaubt erst den exponentiellen Verlauf der Digitalisierung – im Fall der Gensequenzierung bedeutet dies eine exponentielle Verringerung der Analysekosten. Dieses Beispiel macht deutlich, dass erst durch die fortschreitende Digitalisierung große Datenmengen erzeugt und auch verarbeitet werden können, denn im Kern geht es bei der Digitalisierung um Daten, egal um welche Daten es sich handelt, und diese Daten werden mit immer weiter ansteigender Geschwindigkeit erhoben, verarbeitet und vernetzt. Das Ergebnis sind verbesserte oder komplett neue Möglichkeiten der Kommunikation und Interaktion.
Deswegen potenziert sich nicht nur in der Genomforschung das Wissen exponentiell. Ganz allgemein gilt: Die Sprünge in Bezug auf Wissen und Umsetzung desselben werden aufgrund der Digitalisierung immer größer, die Zeitabstände immer kürzer. Verdoppelte sich das Wissen vor zehn Jahren etwa alle fünf bis sieben Jahre, ist dies heute bereits alle zwei Jahre der Fall, und das Tempo steigt weiter rasant an.12
So rasant, dass das, was wir Zukunft nennen, nicht mehr so undurchsichtig ist wie die Vorhersagen des Orakels von Delphi; stattdessen werden die Vorhersagen dank der gesammelten Daten immer präziser. Das betrifft fast alle unsere Lebensbereiche: Gesundheit, Verkehr, Job und Freizeit, sogar Naturkatastrophen wie Erdbeben und Tsunamis. Aber auch: was wir morgen im Kühlschrank benötigen, welche Hemden und Anzüge wir kaufen, wohin wir in Urlaub fahren und was das Hotel kosten darf, damit wir es buchen. Die Cookies auf unserem iPhone wissen es. Sie haben uns zugeschaut, wenn wir Flüge buchten, Autopreise verglichen und Bücher in unseren Warenkorb legten. Die Cookies kennen uns besser als wir uns selbst und bieten uns die Produkte genau zu jenem Preis an, bei dem wir zuschlagen müssen, weil sie genau auf unsere Gewohnheiten zugeschnitten sind. Alle diese Informationen fließen zusammen zu jenem Gebilde, das Big Data genannt wird. Informationen, die in einer Fülle erhoben werden, die vor der Digitalisierung gar nicht möglich gewesen war, und nun auch noch miteinander verknüpft werden und so Predictions, jene vorausschauenden Datenanalysen, möglich und damit die Zukunft berechenbarer machen.
Die Zukunft voraussagen
Menschen, die sich seit vielen Jahren professionell mit Big Data beschäftigen, sagen, dass Big Data nicht einfach nur ein Mehr an Daten ist, die wir nur vernünftig strukturieren müssen, um sie zu verstehen, sondern dass damit unser ganzes Wissenschaftssystem auf den Kopf gestellt wird. Die Verknüpfung von immer mehr Daten ist nicht nur ein quantitativer Sprung. Es ist ein qualitativer Sprung, die Transformation unseres Denkens und Handelns. Es wird unsere Denkgewohnheiten und unser Verhalten grundlegend verändern. Zuerst in der Wissenschaft. Denn Big Data macht Theorien und wissenschaftliche Modelle überflüssig.13 Das jedenfalls behaupten die Experten. Um das, was ist oder passieren wird, zu verstehen und daraus Handlungsoptionen abzuleiten, brauchen wir in Zukunft keine Denkmodelle mehr.14 Es genügen Korrelationen, gewisse Auffälligkeiten oder erkennbare Strukturen in den Wechselbeziehungen zwischen zwei oder mehr Faktoren. Bisher galten solche Korrelationen in der Wissenschaft als bloße Indizien, Kausalitäten durften daraus nicht abgeleitet werden. Doch die Big-Data-Experten sagen: Kausalitäten brauchen wir nicht mehr.
Die Frage nach dem Warum ist obsolet. In Zukunft genügt die Frage nach dem Was, um handeln zu können.15
Und dieses Was beschreiben die Korrelationen, gestützt auf eine Unmenge an Daten, immer genauer.
Ein Beispiel zeigt, was das bedeutet. Früher starben nicht wenige Frühchen an Infekten. Heute lässt sich das verhindern. Dank der Datenfülle, die inzwischen vorliegt, wissen die Ärzte, dass genau dann, wenn Atmung und Kreislauf bei den Frühchen äußerst stabil sind, nicht Entwarnung, sondern rasches Handeln dringend geboten ist. Denn immer dann, wenn die Vitalfunktionen sich besonders stabil zeigten, erfolgte in den nächsten 24 Stunden eine oft lebensbedrohliche Infektion.16 Die Ärzte handeln heute allein aufgrund dieser empirischen Daten, ohne Antworten auf das Warum zu haben. Zeigen sich die Funktionen von Lunge und Herz übermäßig stabil, sind sie alarmiert und verabreichen Medikamente, bevor eine Infektion auftreten kann. Das hat vielen Frühchen das Leben gerettet. Doch warum die Vitalfunktionen vor einer Infektion sich derart stabil zeigen, wissen wir immer noch nicht. Brauchen wir auch nicht, sagen die Big-Data-Experten. Es reicht, dass wir es wissen. Was Big Data für unsere zukünftige Gesundheitsvorsorge bedeuten wird, lässt sich an diesem Beispiel exemplarisch ablesen. Lebensrettend ist auch der Einsatz der Digitaltechnik im Hinblick auf Naturkatastrophen, etwa bei drohenden Tsunamis und bevorstehenden Erdbeben. Mithilfe der Null und der Eins können diese immer besser vorhergesagt und Hilfsmaßnahmen rechtzeitig eingeleitet werden. Verkehr und Wetter sind ebenfalls Bereiche, die von Big Data in Zukunft noch mehr profitieren werden, als sie es ohnehin schon tun. Immer mehr Bereiche werden erfasst und das führt zu grundlegenden Umwälzungen in unserem Leben. So wird auch das menschliche Verhalten mithilfe von Big Data kein Geheimnis mehr bleiben. Wie wir als Person auf bestimmte Dinge reagieren, wie wir handeln werden, wie wir wählen werden, wird bald kein Buch mit sieben Siegeln mehr sein. Aus den Tweets, die wir liken, den Webseiten, die wir besuchen, den Blogs, die wir regelmäßig lesen, lässt sich viel, sehr viel ablesen. Die Cookies auf unserem PC oder unseren mobilen Endgeräten verraten es, und irgendwo in den Tiefen des Netzes wird dies gespeichert, verarbeitet und bei Vorhersagen, die politische oder wirtschaftliche Auftraggeber nutzen, abgerufen. Doch nicht nur die Zukunft wird immer genauer entschlüsselt, auch das Hier und Jetzt verändert sich radikal aufgrund der Digitalisierung unseres Lebens. Dank der erweiterten und der virtuellen Realität.