Empirische Methoden der Kommunikationswissenschaft

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Empirische Methoden der Kommunikationswissenschaft
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Nina Springer

Friederike Koschel

Andreas Fahr

Heinz Pürer

Empirische Methoden der Kommunikationswissenschaft

UVK Verlagsgesellschft mbH · Konstanz

mit UVK/Lucius · München

Dr. Nina Springer ist und Dr. Friederike Koschel war wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der Universität München. Prof. Dr. Heinz Pürer lehrte 1986–2012 dort Kommunikationswissenschaft.

Prof. Dr. Andreas Fahr lehrt Medien- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Fribourg/Schweiz.

Online-Angebote oder elektronische Ausgaben sind erhältlich unter www.utb-shop.de.

Im Buch werden nur die männlichen Formen verwendet. Selbstverständlich sind die weiblichen Formen jeweils mit gemeint.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

© UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2015

Einband: Atelier Reichert, Stuttgart

Einbandfoto: © Kamira; Shutterstock.com

Satz: Klose Textmanagement, Berlin

Druck und Bindung: Pustet, Regensburg

UVK Verlagsgesellschaft mbH

Schützenstr. 24 . D-78462 Konstanz

Tel.: 07531-9053-0 . Fax: 07531-9053-98

www.uvk.de

UTB-Nr. 4300

ISBN 978-3-8252-4300-5 (Print)

ISBN 978-3-8463-4300-5 (EPUB)

eBook-Herstellung und Auslieferung:

Brockhaus Commission, Kornwestheim

www.brocom.de

Inhalt

Vorwort

Einführung

1 Quantitative Sozialforschung

1.1 Allgemeine Anforderungen und Gütekriterien

1.2 Der Forschungsablauf im Überblick

1.3 Auswahlverfahren

1.4 Forschungsinteresse und Methodenwahl

2 Qualitative Sozialforschung

2.1 Allgemeine Anforderungen und Gütekriterien

2.2 Der Forschungsablauf im Überblick

2.3 Auswahlverfahren

2.4 Forschungsinteresse und Methodenwahl

3 Techniken empirischer Sozialforschung

3.1 Die Befragung

3.1.1 Allgemeines zur Befragung

3.1.2 Konzeption von Befragungen

3.1.3 Befragungsformen

3.1.4 Befragungsmodi

3.2 Die Inhaltsanalyse

3.2.1 Allgemeines zur Inhaltsanalyse

3.2.2 Konzeption von Inhaltsanalysen

3.2.3 Computerunterstützte und automatisierte Inhaltsanalysen

3.3 Die Beobachtung

3.3.1 Allgemeines zur Beobachtung

3.3.2 Konzeption von Beobachtungen

3.3.3 Beobachtungsvarianten

3.3.4 Probleme der Beobachtung

3.4 Das Experiment

3.4.1 Allgemeines zum Experiment

3.4.2 Konzeption von Experimenten

3.4.3 Zur Generalisierbarkeit experimentell gewonnener Ergebnisse

3.4.4 Typen von Experimenten

3.4.5 Zur Durchführung von Experimenten

4 Zusammenfassung

Abbildungen

Zitierte Literatur

Weiterführende Literatur

Index

Vorwort

Die Publizistik- und Kommunikationswissenschaft befasst sich als Sozialwissenschaft mit allen Formen öffentlicher Kommunikation, insbesondere mit klassischer Massenkommunikation (Print, Radio, Fernsehen) sowie mit öffentlicher und teil-öffentlicher Kommunikation in und mittels Onlinemedien. Im Zentrum des Lehr- und Forschungsfeldes stehen, dem Ablauf publizistischer bzw. massenkommunikativer Prozesse folgend, die Kommunikator- bzw. Journalismusforschung, die Aussagen-, die Medien(struktur)- sowie die Rezipientenforschung. Diesen Feldern kann man sich aus unterschiedlichen Fachperspektiven nähern wie etwa aus einer politologischen, psychologischen oder soziologischen Perspektive. Die Kommunikationswissenschaft versteht sich folglich als interdisziplinäre Sozialwissenschaft, die sich zur Klärung wissenschaftlicher Fragestellungen quantitativer und qualitativer empirischer Forschungsmethoden bedient.

In seinem 2003 erstmals publizierten sowie 2014 umfassend überarbeiteten und erweiterten Lehrbuch »Publizistik- und Kommunikationswissenschaft« hat Heinz Pürer, teils unter Mitwirkung weiterer Autoren, das Lehr- und Forschungsfeld dieser Disziplin inhaltlich strukturiert und umfassend aufbereitet. Es erscheint nun – neu konfektioniert und leicht überarbeitet – auch in Teilbänden. Der vorliegende Band enthält, wie sein Titel sagt, den Abschnitt über »Empirische Forschungstechniken der Kommunikationswissenschaft«. Eingangs enthält der Band Einführungen in die quantitative und qualitative Sozialforschung, ehe im Weiteren die Forschungsmethoden und -designs selbst dargestellt werden: Befragung, Inhaltsanalyse, Beobachtung und Experiment. An seinem Ende enthält der Band neben dem Verzeichnis der verwendeten Quellen Hinweise auf ausgewählte, einschlägige Standardwerke zu den empirischen Forschungstechniken, denen es in ausführlicherer und differenzierterer Weise als hier möglich ist, detaillierte und vertiefende Informationen zu den sozialwissenschaftlichen Forschungstechniken zu vermitteln.

Weitere Teilbände sind wichtigen Grundbegriffen der Kommunikationswissenschaft, der Kommunikator- bzw. Journalismusforschung, der Medienforschung und den Medienstrukturen in Deutschland sowie der Kommunikationswissenschaft als interdisziplinäre Sozialwissenschaft gewidmet. Die Bände erscheinen auch als E-Books. Mit diesem Publikationsprogramm sollen Interessenten angesprochen werden, die sich ein Teilgebiet der Publizistikund Kommunikationswissenschaft einführend erschließen wollen.

 

Wir danken Herrn Rüdiger Steiner, Verlagslektor von UVK, für die gute Zusammenarbeit bei der Entstehung dieses Buches


München und Fribourg,im September 2015Nina SpringerFriederike KoschelAndreas FahrHeinz Pürer

Einführung

Die Klärung wissenschaftlicher Fragestellungen verlangt stets nach dem Einsatz geeigneter Methoden und Forschungstechniken, um Antworten auf diese Fragen zu finden. Dabei bestimmt die Fragestellung die Methode (und nicht umgekehrt). In der Kommunikationswissenschaft finden, wie in der Einleitung erwähnt, je nach theoretischem Standort des Forschers und je nach konkreter wissenschaftlicher Fragestellung unterschiedliche Methoden Anwendung. Dabei wird im Allgemeinen unterschieden zwischen der erfahrungsbasierten (= empirischen) Sozialforschung im engeren Sinn, die sich qualitativer und quantitativer Methoden bedient, und weiteren Denkschulen wie z. B. der Hermeneutik, die sich mit der Auslegung von Texten und dem Verstehen beschäftigt und dabei ganzheitlicher ausgerichtet ist. Ausgehend von einem sozialwissenschaftlich orientierten Selbstverständnis des Faches werden in diesem Band jene empirischen Forschungstechniken und -strategien vorgestellt, derer sich die Kommunikationswissenschaft bedient, um ihre Lehr- und Forschungsfragen aufzuarbeiten. Was im Folgenden nicht geleistet wird, sind Reflexionen zu Paradigmen (Denkschulen) und damit zu wissenschaftstheoretischen Erwägungen über die Methoden der Sozialwissenschaften. Die Logik der Forschung, also die Frage nach den Ursprüngen sozialwissenschaftlichen Forschens und den dieser Logik angemessenen Vorgehensweisen, wird nur kurz thematisiert. Gleiches gilt für Überlegungen zur Statistik, also zu jenen mathematischen Prüfverfahren, die im Kontext der Anwendung quantitativer empirischer Methoden zur Auswertung der Daten herangezogen werden. Zu beidem wird nachfolgend, an geeigneter Stelle, auf weiterführende Literatur verwiesen.

Doch zurück zu den Methoden der empirischen Sozialforschung, die in einer sozialwissenschaftlich ausgerichteten Kommunikationswissenschaft angewendet werden. Die wichtigsten Erhebungsmethoden der empirischen Kommunikationsforschung sind:

• Befragung

• Inhaltsanalyse

• wissenschaftliche Beobachtung.

Das wissenschaftliche Experiment, das auch in der Kommunikationswissenschaft zum Einsatz kommt, ist keine Methode im klassischen Sinn, sondern eine Untersuchungsanordnung. Man unterscheidet also zwischen experimentellen und nichtexperimentellen Untersuchungsanordnungen. Die Methoden der Kommunikationsforschung – Befragung, Inhaltsanalyse und Beobachtung – können demnach auch im Rahmen einer experimentellen Untersuchungsanordnung eingesetzt werden. Dies wäre z. B. der Fall, wenn zwei Gruppen von Befragten einen Fragebogen ausfüllen müssten, in dem lediglich die Reihenfolge von zwei Fragen vertauscht ist. Wenn sich nach der Auswertung der Fragebögen herausstellt, dass sich beide Gruppen in der Beantwortung dieser beiden Fragen systematisch unterscheiden, kann man folgern, dass die Reihenfolge der Fragen einen Effekt auf die Beantwortung hat. Man hätte in diesem Fall eine Befragung im Rahmen eines wissenschaftlichen Experiments durchgeführt (Noelle-Neumann/ Petersen 2005, S. 469f ). Die streng kontrollierte Variation einzelner Faktoren erlaubt zudem den Nachweis kausaler Zusammenhänge. Demnach wäre die Reihenfolge der Fragen die Ursache, das daraus resultierende Antwortverhalten die Wirkung.

An diesem Beispiel erkennt man bereits, dass das Experiment sich v. a. zum Testen von Hypothesen eignet (und daher v. a. in standardisierten quantitativen Forschungsdesigns zum Zug kommt). Die drei Erhebungsmethoden (Befragung, Inhaltsanalyse, Beobachtung) werden in quantitativen und qualitativen Forschungsprojekten gleichermaßen eingesetzt. Die gängigsten Varianten werden im Anschluss an die einführenden Bemerkungen zu quantitativer und qualitativer Methodenlehre vorgestellt.

1 Quantitative Sozialforschung
1.1 Allgemeine Anforderungen und Gütekriterien

Unter einer empirischen Methode versteht man allgemein das Verfahren, wie Daten erhoben werden. Oder konkreter formuliert: Empirische Methoden bzw. Forschungstechniken sind Vorgehensweisen, durch deren systematische Anwendung im Rahmen eines festgelegten Forschungsplans wissenschaftliche Fragestellungen beantwortet werden sollen. In dem Begriff »Forschungstechnik« sind per Definition vier wesentliche Aspekte enthalten:

1) das Postulat der Wissenschaftlichkeit

2) die Forderung nach systematischer Anwendung

3) eine festgelegte, in der Wissenschaft zustimmungsfähige Vorgehensweise

4) die Beantwortung einer oder mehrerer Forschungsfragen.

1) Das Postulat der Wissenschaftlichkeit beschäftigt sich mit dem Verhältnis von Wissenschaft und Alltagsverstand. Eine sich sozialwissenschaftlich und empirisch verstehende Kommunikationswissenschaft will gültige Aussagen über Fragen zur sozialen Realität machen. Dies können z. B. Fragen nach den Ursachen für Wahlergebnisse durch Medienberichterstattung, nach Motiven des individuellen Fernsehkonsums oder nach den Themenstrukturen und -agenden von Tageszeitungen sein. All dies sind zunächst Fragen, mit denen sich Menschen auch »privat« befassen. Sie diskutieren das letzte Wahlergebnis, fragen, was die Freunde gestern im Fernsehen angeschaut oder ob sie heute schon die Zeitung gelesen haben. Worin liegt nun der Unterschied zwischen Alltagsverstand und wissenschaftlicher Betrachtung? Der sog. Alltagsverstand, die subjektive Meinung einer einzelnen Person, ist ein willkürlicher, partikularer Aspekt aus vielen ebenfalls existierenden Meinungen. Er hat zwar für die Person, vielleicht für eine Gruppe von Freunden (sog. Peergroups) Relevanz; keineswegs kann jedoch eine singuläre Meinung allgemein relevante Aussagen über »die Gesellschaft«, »den Fernsehzuschauer« oder »die Qualitätszeitungen« machen. Einzelne, spontan beobachtete Meinungen genügen dem Postulat der Wissenschaftlichkeit i. d. R. nicht (vgl. Brosius/Haas/ Koschel 2012, S. 7f). Wissenschaftliches Vorgehen erfordert einen systematischen Plan (s. Punkt 2), muss in allen Schritten transparent und dadurch intersubjektiv nachvollziehbar sein und nach Regeln erfolgen, die in der wissenschaftlichen Teildisziplin zustimmungsfähig sind (s. Punkt 3).

2) Die Forderung nach systematischer Anwendung einer Methode bedeutet, dass z. B. bei einer standardisierten (quantitativen) wissenschaftlichen Befragung nicht irgendwelche Fragen gestellt werden, die dem Interviewer spontan in den Sinn kommen, sondern dass systematisch aus Theorie und Forschungsstand hergeleitete und konsequent aufeinander folgende Fragen allen zu Befragenden in gleicher Weise gestellt werden. Nur so können bei der Auswertung die Antworten miteinander verglichen werden. Systematische Anwendung bedeutet bei einer wissenschaftlichen Befragung ebenfalls, dass nicht »irgendwer« befragt wird, sondern Personen, die systematisch ausgewählt wurden. Die Forderung nach Systematik ist demnach eine Forderung nach

• planvoller Entwicklung eines Erhebungsinstrumentes (z. B. eines Fragebogens),

• planvoller Auswahl der Untersuchungseinheiten (z. B. die Befragung von Münchner Studierenden),

• planvoller Durchführung der Erhebung (z. B. festgelegter Ablauf, Regeln über die Rahmenbedingungen),

• planvoller Analyse der Daten und der Ergebnisdarstellung.

All dies gilt selbstverständlich auch für wissenschaftliche Inhaltsanalysen, bei denen vom Forscher festgelegt werden muss, welche Medien und welche Beiträge der zu untersuchenden Fragestellung zufolge zu analysieren sind. Ebenso ist bei einer Beobachtung vorzugehen.

3) Dabei gilt stets, dass sich alle Schritte auf das Forschungsinteresse beziehen und im Forschungsbericht transparent gemacht werden müssen. Insofern gilt als weiteres Postulat die Befolgung einer festgelegten Vorgehensweise, die intersubjektiv nachvollziehbar und dadurch fachlich zustimmungsfähig wird. Wieder am Beispiel der Befragung dargestellt heißt dies, dass etwa die Fragen eines Fragebogens nur dann sinnvoll konzipiert werden können, wenn man zuvor die Aufgabenstellung und Zielsetzung der geplanten wissenschaftlichen Studie genau definiert (vgl. Kap. 1.2).

4) Eine wesentliche Voraussetzung allen Forschens ist die gesellschaftliche Relevanz des Themas. Die Kommunikationswissenschaft entwickelt entweder eigene Fragestellungen, die der Gesellschaft relevantes Wissen bereit stellen können (z. B. indem sie etwas zu Problemlösungen beitragen), oder bearbeitet Themen, die entweder Teil der öffentlichen Diskussion sind oder die als gesellschaftlich relevante Themen von einem Auftraggeber zur wissenschaftlichen Analyse vergeben werden. Die belastbare Beantwortung solcher Fragestellungen ist der einfachste Nenner, wissenschaftliches Forschen zu beschreiben. Egal, mit welcher Methode man seine Frage beantworten möchte: Der sozialwissenschaftliche Forschungsprozess folgt letztlich immer einer (möglichst sparsamen) Struktur (vgl. Kap. 1.2).

Aussagen der quantitativ ausgerichteten empirischen Sozialforschung sind letztendlich immer probabilistischer Natur: Man kann nicht von Gesetzmäßigkeiten sprechen (z. B. dass Fernsehgewalt auf alle Menschen gleich wirkt), sondern nur von bestimmten Wahrscheinlichkeiten, unter denen Ursache-Wirkungs-Beziehungen gelten: »Wenn Rezipienten relativ viel gewalthaltige Medieninhalte nutzen, ist die Chance, dass sie danach selbst aggressiver sind, […] größer als bei solchen Rezipienten, die wenig Gewalt sehen« (Brosius et al. 2012, S. 9f). So individuell wie die Menschen sind, die untersucht werden, so variantenreich werden auch die Datensätze, die in der Sozialwissenschaft erhoben werden. Probabilistische Forschung produziert daher immer Aussagen mit Varianz: Unter bestimmten Bedingungen reagieren bestimmte Personen auf Gewaltdarstellungen in den Medien stärker als andere. »Es mag Menschen geben, die von Gewaltdarstellungen im Fernsehen überhaupt nicht beeinflusst werden, und es mag jene geben, die im Sinne einer Nachahmung aggressiv reagieren«. Diese Varianz »geht letztlich auf den Untersuchungsgegenstand, mit dem man sich vorwiegend beschäftigt, zurück: den Menschen. Menschen sind komplex organisiert […]« (ebd., S. 10). Ideal und »Ziel bleibt natürlich die Annäherung an nomothetische [gesetzmäßige] Aussagen, also starke Zusammenhänge zu finden, die mit großer Wahrscheinlichkeit zutreffen« (ebd.).

Woran kann man erkennen, ob die Ergebnisse einer Untersuchung belastbar sind? In der quantitativen Forschung wird die Güte der Untersuchungsergebnisse an der Reliabilität sowie Validität einer Messung bewertet:

Die Reliabilität bezeichnet die Zuverlässigkeit der Messung bzw. des Messinstruments: Wiederholt man den Messvorgang am gleichen Messobjekt, ohne dass sich dieses in der Zwischenzeit verändert hat, sollte man dasselbe Ergebnis erhalten – und zwar unabhängig vom Messenden; außerdem sollte das Messinstrument möglichst robust gegen unbewusste und bewusste Einflüsse des Untersuchten sein. Ein gutes Beispiel für ein reliables Messinstrument ist ein Metermaß: Die Messung eines ausgewachsenen Menschen mittels Metermaß an zwei aufeinanderfolgenden Tagen sollte – jeweils zum selben Zeitpunkt des Tages korrekt ausgeführt – identische Ergebnisse erzielen.

Eine Messung muss außerdem gültig (»valide«) sein. Das ist sie, wenn sie genau das misst, was gemessen werden soll. Um beim Beispiel zu bleiben: Ein Meterstab ermöglicht eine valide Messung der physischen Größe eines Menschen, wenn darauf die Längenabstände korrekt abgebildet sind. Validität bezieht sich also auf die inhaltliche Richtigkeit sowie sachlogische Gültigkeit. Die Methodenliteratur (vgl. z. B. Brosius et al. 2012, S. 54f; Schnell/Hill/Esser 2011, S. 146ff) unterscheidet drei Arten von Validität: 1) Inhaltsvalidität (Stehen die erhobenen Merkmale tatsächlich für das in Frage stehende Konstrukt? Besteht Intelligenz also tatsächlich aus emotionaler, mathematischer und sprachlicher Fähigkeit? Und misst mein Verfahren genau diese Fähigkeiten?); 2) Kriteriumsvalidität (Sind die erhobenen Daten im Vergleich zu einem anderen Messkriterium gültig? Man könnte das Resultat des Intelligenztests eines Schülers z. B. mit dem Urteil seines Lehrers (= Kriterium) abgleichen); 3) Konstruktvalidität (Sind alle relevanten Aspekte des zu messenden Gegenstands vollständig erfasst? Erfasst also ein Intelligenztest, der emotionale, mathematische und sprachliche Fähigkeiten erhebt, tatsächlich alle Aspekte des Konstrukts »Intelligenz« oder gibt es Aspekte, die fehlen [z. B. räumlich-visuelle Fähigkeit]?).

 

Die beschriebenen Postulate und Gütekriterien leiten den gesamten Forschungsprozess an. Sie sind die unabdingbaren Grundlagen und Rahmenbedingungen für alle Entscheidungen, die der Forscher während eines Forschungsprojekts treffen muss. Im Folgenden soll der Prozess für Forschungsprojekte, die dem quantitativen Paradigma folgen, detaillierter beschrieben werden.