Loe raamatut: «Ordnungsbehördengesetz Nordrhein-Westfalen – Kommentar», lehekülg 10

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VIII. Landesordnungsbehörden (Absatz 2)

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Landesordnungsbehörden sind die Bezirksregierungen. Diese werden in erster Linie aufgrund spezieller Zuständigkeitsregelungen auf Gesetzes- oder Verordnungsebene tätig. Wenn insoweit – pflichtwidrig – keine ausdrückliche Regelung getroffen wurde, ist an die Auffangzuständigkeit nach § 8 Abs. 3 LOG zu denken; mit dieser Vorschrift stellt der Landesgesetzgeber sicher, dass es in Nordrhein-Westfalen keine zuständigkeitsfreien behördlichen Verpflichtungen gibt.

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Die Ministerien sind selbstverständlich nicht Ordnungsbehörden im Sinne des § 3. Eine solche operative Vollzugstätigkeit passte nicht zu dem staatsleitenden, steuernden und kontrollierenden Aufgabenzuschnitt der Ministerien nach Art. 55 und 77 der Landesverfassung. Die Ministerien haben aber nach § 26 die Befugnis zum Erlass ordnungsbehördlicher Verordnungen, was insbesondere im Fall der Eilbedürftigkeit bzw. des landesweiten Handelns auf dem Feld des Gesundheits- oder Umweltrechts von Bedeutung sein kann[346].

Schönenbroicher

§ 4 Örtliche Zuständigkeit

(1) Örtlich zuständig ist die Ordnungsbehörde, in deren Bezirk die zu schützenden Interessen verletzt oder gefährdet werden.

(2) Ist es zweckmäßig, ordnungsbehördliche Aufgaben in benachbarten Bezirken einheitlich zu erfüllen, so erklärt die den beteiligten Ordnungsbehörden gemeinsame Aufsichtsbehörde eine dieser Ordnungsbehörden für zuständig.

I. Allgemeines

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Abs. 1 enthält die Regelung des auf ihren Bezirk beschränkten örtlichen Zuständigkeitsbereichs der Ordnungsbehörde. Die Grenzen der entsprechenden kommunalen Gebietskörperschaften[347] und der Regierungsbezirke[348] entsprechen den Bezirksgrenzen der Ordnungsbehörden[349]. Nach der Vorschrift sind die Wirkungen der Ordnungsstörung als Anknüpfungspunkt für die örtliche Zuständigkeit maßgebend, nicht z. B. der Wohnsitz des Störers (etwa eines Hauseigentümers)[350]. Maßgeblich ist der Ort des (möglichen) Eintritts der Gefährdung oder Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung, etwa im Falle einer Mineralölverunreinigung des Bodens bzw. des Wassers oder Grundwassers. Allerdings kann es sehr wohl auf den tatsächlichen Aufenthaltsort eines Störers ankommen, etwa im Ausländerrecht[351]. In Ausnahmefällen kann es sogar auf den Behördensitz ankommen[352]. Die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit kann daher im Einzelfall erhebliche Probleme bereiten. Die Vorschrift ist als vorrangige Spezialregelung zu § 3 VwVfG anzusehen, was die nichtpolizeiliche Gefahrenabwehr angeht[353]. Wie immer gehen spezielle Regelungen der örtlichen Zuständigkeit im Bundes- oder Landesrecht vor, vgl. § 5 Abs. 2 und etwa § 61 GewO. Nach § 4 richtet sich bei Fehlen spezialgesetzlicher Zuständigkeitsvorschriften auch die Zuständigkeit anderer Gefahrenabwehrbehörden[354].

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§ 4 begründet nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts keine länderübergreifende abdrängende Zuständigkeitsregelung, da dem Landesgesetzgeber dafür die Verbandskompetenz fehlen würde[355]. Im Falle der Notwendigkeit von Amts- bzw. Vollstreckungshilfe ist § 6 VwVfG NRW zu beachten; bei landesübergreifenden Angelegenheiten ist der Dienstweg des formellen Ersuchens über die zuständige oberste Landesverwaltung einzuhalten[356].

II. Ortsprinzip

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Das allgemeine Ortsprinzip des § 4 Abs. 1 wird durch eine Reihe von spezielleren Vorschriften bzw. Regelungen überlagert, eingeschränkt bzw. modifiziert, aber auch gestärkt.

Spezialgesetzliche Zuweisungen sind zu beachten, vgl. § 5 Abs. 2.

Zu berücksichtigen ist auch die einheitliche ordnungsbehördliche Erfüllung in benachbarten (jeweils an sich zuständigen) Bezirken aus Rechts- oder Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten nach § 4 Abs. 2. Gegebenenfalls erfolgt eine Zuständigkeitsfestlegung durch die gemeinsame Aufsichtsbehörde (§ 4 Abs. 2)[357]. Die Aufsichtsbehörde soll laut Nr. 4.22 der VV verhandeln[358], darf die Zuständigkeit aber nicht selbst übernehmen und auch nicht an eine Ordnungsbehörde übertragen, die ihrerseits selbst gar nicht zuständig ist. Es ist unzulässig, ohne Vorliegen ordnungsbehördlicher Aufgaben Zuständigkeiten für ganze Sachgebiete oder für nur allgemein bezeichnete Aufgaben zu übertragen[359]. Fälle der Rechts- bzw. Zweckmäßigkeit sind etwa:

–Beförderungsverbot für in Frankreich lagerndes BSE-verdächtiges Tiermehl nach NRW durch die Bezirke mehrerer zuständiger Ämter[360];

–allgemein: Gefahrenherd gehört zu verschiedenen Bezirken, etwa Brücke oder Straße[361]; dabei zweckmäßige Festlegung der Zuständigkeit nach dem Ort des gewichtigsten Teil des Ordnungsobjektes[362] bzw. nach der Leistungsfähigkeit der zuständigen Ordnungsbehörden;

–Naturkatastrophen wie Erdbeben oder Überschwemmung in benachbarten Gebieten;

–Sicherung eines Autorennens[363] etc.

Die Aufsichtsbehörde hat nach § 4 Abs. 2 die Möglichkeit

–der kompletten Übertragung oder

–der Einrichtung einer federführenden Zuständigkeit, als gewissermaßen milderes Mittel, wobei dies ebenso tauglich und geeignet zur Gefahrenabwehr sein muss[364]. Bei der Übertragung einer federführenden Zuständigkeit wandelt sich die Zuständigkeit der weiteren Ordnungsbehörden in eine mitarbeitende und mitzeichnende Zuständigkeit, wobei diese (nur) insoweit (auch) weiter zuständig bleiben. Die Kostentragung erfolgt durch die für zuständig erklärte Ordnungsbehörde (allein), es besteht kein Erstattungsanspruch[365].

Es gibt nur ausnahmsweise eigene operative Zuständigkeiten der Aufsichtsbehörde: bei Gefahr im Verzug etc., § 6; im Fall des Selbsteintrittsrechts nach § 10.

Zu berücksichtigen sind ferner erweiterte Zuständigkeiten (§ 7 Abs. 2 POG) und Nacheile (§ 7 Abs. 3 POG). Diese sind auf die polizeiliche Tätigkeit beschränkt, bei der ordnungsbehördlichen Tätigkeit fehlt es ja gerade (vom Grundsatz her) an dem Charakteristikum der „Eile“ (§ 1 Abs. 1 Satz 3 PolG)[366], also kommt eine analoge Anwendung nicht in Betracht[367], dies gilt auch für die Dienstkräfte der Ordnungsbehörden[368].

III. Fälle aus der Rechtspraxis

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Das Ortsprinzip bedeutet in der Rechtspraxis etwa, dass es bei unzulässiger Plakatwerbung auf den Aufstellort der Werbung ankommt, nicht auf den Sitz des Werbetreibenden[369]. Falls jemand ein Reisegewerbe ausübt, ohne im Besitz einer notwendigen Reisegewerbekarte zu sein (§ 55 GewO), kann dies durch jede Ordnungsbehörde, in deren Bezirk der Betreffende tätig wird, untersagt (§ 15 Abs. 2 GewO) werden[370] (wobei im Übrigen die besondere Zuständigkeitsvorschrift des § 61 GewO zu beachten ist). Grund: Maßgeblich ist der Ort des Eintritts der (möglichen) Verletzung oder Gefährdung der zu schützenden Interessen.

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In den letzten Jahren sind zahlreiche Entscheidungen zu recht komplizierten Zuständigkeitsfragen auf dem Feld des Ausländerrechts ergangen: Grundsätzlich ist maßgeblich der tatsächliche Aufenthaltsort bzw. der Wohnort des Ausländers, von dem Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehen[371]. Die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich nach dem Bezirk, in dem der Ausländer, von dem Gefahren für die örtliche Sicherheit oder Ordnung ausgehen, sich in Widerspruch zu ausländerrechtlichen Vorschriften aufhält[372]. Im Rahmen einer Ausweisungsverfügung kann es (auch) auf den bisherigen Wohnort des Ausländers ankommen, nicht nur auf den Maßregelvollzugsort[373]. Für die Abschiebung eines Ausländers wird regelmäßig die Behörde des Wohn- und/oder tatsächlichen (nicht: gewöhnlichen)[374] Aufenthaltsortes zuständig sein, weil die zu schützenden Interessen jedenfalls dort verletzt oder gefährdet werden, wo der Ausländer sich aufhält, von dem infolge des Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG Gefahren für die öffentliche Sicherheit ausgehen[375]. Die Zuständigkeit für eine Abschiebungsandrohung richtet sich nach § 4[376]. Die Befristung der Sperrwirkung von Ausweisung und Abschiebung ist nach der Rechtsprechung des OVG bei der für den prospektiven Lebensmittelpunkt der beabsichtigten familiären Lebensgemeinschaft örtlich zuständigen Ausländerbehörde zu erstreiten.[377] Für die Erteilung eines Bleiberechts soll nach der Rechtsprechung des OVG die Ausländerbehörde zuständig sein, in deren Bezirk sich das Bleiberecht „verwirklichen“ soll[378].

IV. Rechtsfolgen bei Verletzung der Zuständigkeitsvorschrift

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Die Rechtsfolgen bei Verletzung des § 4 werden mitunter (gerade in der Rechtsprechung) nur unklar und verkürzt angesprochen, auch scheint ungeklärt, wie das Verhältnis von § 4 zu §§ 3 und 44 VwVfG NRW insoweit genau beschaffen ist. Da es sich in Abs. 1 um eine Zuständigkeitsregelung mit örtlichem Bezug handelt, wird mit Verweis auf die Parallelvorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG von manchen und wohl zutreffend Nichtigkeit (§ 44 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG) angenommen, wenn die Zuständigkeit nicht eingehalten wurde[379]. Bei Abs. 2 kann man die Nichtigkeitsfolge dagegen wohl nicht begründen, eine rechtswidrig wahrgenommene Zuständigkeit führt nur zur Fehlerhaftigkeit – Rechtswidrigkeit – der Maßnahme, ggf. ist Heilung möglich (§ 45 VwVfG).

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Bei Eingaben von Bürgern an eine örtlich nicht zuständige Ordnungsbehörde wird man im Interesse einer effektiven ordnungsbehördlichen Gefahrenabwehr zumindest von einer internen Dienstpflicht der zuständigen Organwalter ausgehen müssen, diese Eingabe an die zuständige Ordnungs- bzw. Sonderordnungsbehörde weiterzuleiten[380]. Dass dies eine Pflicht gegenüber dem Bürger ist, der die oftmals komplizierten landesrechtlichen Zuständigkeitsregelungen nicht kennen muss bzw. kann, versteht sich von selbst. Ebenso versteht sich von selbst, dass jeder gewählte Hauptverwaltungsbeamte ein persönliches Interesse daran haben sollte, eine entsprechend bürgerfreundlich handelnde Verwaltung vorzuhalten. Daher ist insbesondere von den Gemeinden als gewissermaßen geborenen ersten Ansprechpartnern vor Ort zu verlangen, dass sie Beschwerden, Eingaben und dergleichen sofort an die zuständige kommunale bzw., im Ausnahmefall,[381] staatliche Sonderordnungsbehörde[382] bzw. Verwaltungsbehörde weiterleiten und den Eingeber darüber in Kenntnis setzen.

Schönenbroicher

§ 5 Sachliche Zuständigkeit

(1) Für die Aufgaben der Gefahrenabwehr sind die örtlichen Ordnungsbehörden zuständig. Werden den Ordnungsbehörden der Großen und Mittleren kreisangehörigen Städte Aufgaben durch besondere gesetzliche Vorschrift zugewiesen, nehmen sie diese als örtliche Ordnungsbehörden wahr.

(2) Die Zuständigkeit der Landes- und Kreisordnungsbehörden bestimmt sich nach den hierüber erlassenen gesetzlichen Vorschriften.

(3) Für den Erlaß von ordnungsbehördlichen Verordnungen gelten die §§ 26 und 27.

I. Allgemeines

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§ 5 behandelt die sachliche bzw. instanzielle Zuständigkeit[383]. Die komplizierte Gesetzgebungsmechanik des Ordnungsbehördenrechts kommt auch in § 5 zum Ausdruck. Schon § 1 enthält (verkappte) Zuständigkeitsregelungen (indem der Gesetzgeber die sachlichen Zuständigkeiten einer von ihm so benannten „Ordnungsbehörde“ anspricht), ebenso § 12 hinsichtlich der Sonderordnungsbehörden; in § 4 geht es um die örtliche Zuständigkeit. Zu Recht weist Rietdorf darauf hin, dass sich die sachliche Zuständigkeit in Bezug auf die Frage, ob es um eine nichtpolizeiliche Gefahrenabwehrmaßnahme gemäß OBG oder um eine nicht dem OBG unterfallende Angelegenheit der Leistungsverwaltung geht, in § 1 Abs. 1 finde[384]. § 48 enthält besondere Regelungen zur Zuständigkeit, insbesondere zur Verkehrsüberwachung.

II. Sachlich-instanzielle Zuständigkeit der örtlichen Ordnungsbehörde (Ortsprinzip)

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§ 5 ist die Grundnorm zur sachlich-instanziellen Aufgabenzuweisung, was die allgemeinen Ordnungsbehörden bzw., über § 12 Abs. 2, die Sonderordnungsbehörden angeht. Abs. 1 bestimmt, dass die örtlichen Ordnungsbehörden grundsätzlich sachlich zuständig sind, dies sind nach § 3 Abs. 1 die Gemeinden[385]. Zu den Gemeinden gehören auch die Großen und Mittleren kreisangehörigen Städte (§ 4 Abs. 1 GO), sodass selbstverständlich ist, dass, wenn deren Ordnungsbehörden durch besondere gesetzliche Vorschrift Aufgaben zugewiesen sind, sie diese als örtliche Ordnungsbehörden wahrnehmen (Abs. 1 Satz 2)[386]. Städte dieser Größe sind etwa als Untere Bauaufsichtsbehörden nach § 60 Abs. 1 Nr. 3 a) BauO vorgesehen. Die kreisfreien Städte sind als Gemeinden örtliche Ordnungsbehörden nach § 3 Abs. 1 1. Alt., zusätzlich nehmen sie Aufgaben wahr, welche ihnen durch oder aufgrund eines Gesetzes zugewiesen sind, weil sie für ihr Stadtgebiet nach § 3 Abs. 1 2. Alt. zugleich die Aufgaben als Kreisordnungsbehörde wahrnehmen (die Aufsicht liegt bei der Bezirksregierung). § 48 enthält spezielle Vorschriften auch zur sachlich-instanziellen Zuständigkeit.

III. Ausnahme vom allgemeinen Ortsprinzip (Absatz 2)

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Abs. 2 enthält keine eigene Regelung, sondern stellt nur deklaratorisch – weil ohnehin aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen folgend – fest, dass, wenn spezialgesetzlich (erstinstanzliche) Zuständigkeiten der Landes- bzw. Kreisordnungsbehörden (statt der Gemeinden) verfügt sind, es damit auch aus Sicht des Gesetzgebers des OBG sein Bewenden hat. Abs. 2 ist also bei Lichte betrachtet überflüssig.

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Die Übertragung erstinstanzlicher Aufgaben auf höhere Behörden bezeichnet in der Sache stets eine bedeutsame Ausnahme vom Ortsprinzip. Der Grund dafür ist verwaltungsorganisatorischer Natur und liegt auf der Hand: Nach dem verfassungsrechtlich relevanten Grundsatz einer sachgerechten Verwaltungsorganisation muss der Zuständigkeitsbereich einer Behörde ihrer Leistungsfähigkeit entsprechen[387]. Deshalb liegt z. B. die Zuständigkeit für den technischen Umweltschutz als Gefahrenabwehrmaterie nach den rechtsförmlich detaillierten und insoweit klaren Zuständigkeitsregelungen in der Zuständigkeitsverordnung Umweltschutz (ZustVU) weitgehend bei den Kreisen, kreisfreien Städten und Bezirksregierungen, ferner bei dem Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz, einer Landesoberbehörde im Geschäftsbereich des Umweltministeriums[388]. Die Ordnungsbehörden der Kreise und kreisfreien Städte sind grundsätzlich Ausländerbehörden im Sinne des Aufenthaltsgesetzes und des Asylverfahrensgesetzes des Bundes (§ 1 ZustAVO), etc. Mit der Verwaltungsreform 2005-2008 wurden die letzten bedeutenden erstinstanzlichen staatlichen Sonderbehörden in der Fläche inkorporiert, kommunalisiert bzw. aufgelöst[389]. In Abs. 2 sind daher rechtspraktisch vor allem die erstinstanzlichen Zuständigkeiten der Kreise und Bezirksregierungen angesprochen. Den Bezirksregierungen hat der Gesetzgeber ferner sinnvollerweise eine Auffangzuständigkeit nach § 8 Abs. 2 LOG zugewiesen[390], sodass es in Nordrhein-Westfalen keine zuständigkeitsfreien Angelegenheiten geben kann, ebenso wenig unlösbare negative Kompetenzkonflikte[391]. Es kann weiterhin z. B. eine Zuständigkeit des Landesbetriebs Wald und Holz nach dem Landesforstgesetz in Betracht kommen[392].

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Die Entscheidung der Frage, ob eine fachgesetzliche spezielle Zuweisung der Verwaltungszuständigkeit an den Kreis bzw. die Bezirksregierung vorliegt, kann im Einzelfall erhebliche Auslegungs- und Anwendungsprobleme aufwerfen[393]; die Gerichte achten in der Regel auf präzise formulierte Zuständigkeitsnormen und gehen bei durchgreifenden Zweifeln nicht selten von der Zuständigkeit der örtlichen Ordnungsbehörde bzw. der Bezirksregierung nach § 8 Abs. 2 LOG aus.

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Die Zuständigkeitsfestlegungen werden, nach der Föderalismusreform I von 2006, auch bei der Ausführung von Bundesgesetzen grundsätzlich durch das Land vorgenommen, aufgrund der durchdachten Grundsatzgesetzgebung in § 5 LOG in der Regel auf der Ebene der Rechtsverordnung[394].

IV. Grundsatz der einheitlichen Zuständigkeit

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Es gilt der ungeschriebene ordnungsbehördenrechtliche Grundsatz der einheitlichen Zuständigkeit. Sind die Zuständigkeitsbereiche mehrerer Behörden betroffen, ist entscheidend, welcher Gesichtspunkt, je nach Lage des Falls, als überwiegend anzusehen ist (Schwerpunkt der Zuständigkeit)[395]. Die zuständige Ordnungsbehörde ist unter allen Gesichtspunkten der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr zuständig. Die Gewerbeüberwachung ist z. B. auch unter dem Gesichtspunkt der Gesundheitsaufsicht zuständig zum Erlass gefahrenabwehrender Verfügungen[396]. Der Grundsatz der einheitlichen Zuständigkeit gilt auch dann, wenn Zuständigkeiten von Behörden unterschiedlicher Verwaltungsträger betroffen sind, etwa Zuständigkeiten der Ordnungsbehörde der Gemeinde und der Bau- oder Immissionsschutzaufsicht des Kreises; auch dabei kommt es darauf an, welcher Gesichtspunkt als überwiegend (Schwerpunkt) anzusehen ist[397]. Der Grundsatz der einheitlichen Zuständigkeit erscheint allgemein als gefährdet durch gewisse Tendenzen zur Abschottung von Verwaltungseinheiten, zur Atomisierung der Zuständigkeiten und zur Verfolgung ausschließlich „facheigener“ Interessen bzw. Gesichtspunkte. Im Bereich der baulichen Genehmigungsverwaltung wären insoweit Bestrebungen zu nennen, Prüfungsumfang und Genehmigungsausspruch bei der Baugenehmigung allein auf bauliche Gesichtspunkte im engeren Sinne zu beschränken[398].

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Im Bereich der Gefahrenabwehr ist indes auch auf die vorrangige Spezialzuständigkeit gesetzlich bestimmter Behörden zu achten, etwa in dem Fall, dass eine Bauaufsichtsbehörde gegen Einrichtungen zur Lagerung von Autowracks vorgehen will[399]. Gleichwohl ist die Einschreitensbefugnis der Ordnungsbehörde aufgrund einer Gefahr nach wie vor die Regel und die ausschließende Spezialität die Ausnahme. Die Rechtsprechung hat dazu die folgende, möglicherweise etwas gewunden-umständliche Formel zur Fortgeltung des Grundsatzes der einheitlichen Zuständigkeit gefunden:

„Bei der Gefahrenabwehr gilt allgemein, dass ein einheitlicher Sachverhalt in mehrfacher Hinsicht und damit aus dem Blickwinkel unterschiedlicher Materien des Ordnungsrechts, eine Gefahr bilden und Anlass zum behördlichen Einschreiten bieten kann. Verstößt ein Sachverhalt gegen Vorschriften aus unterschiedlichen Bereichen des Ordnungsrechts, bestehen die jeweiligen behördlichen Aufgaben und Befugnisse in Anknüpfung an das jeweilige Ordnungsrecht, mithin an die jeweilige Gefahr, vorbehaltlich einer die Anwendbarkeit etwa unter dem Gesichtspunkt der Spezialität ausschließenden Gestaltung des Konkurrenzverhältnisses nebeneinander.“[400]

Zu Recht hat das OVG anhand dieses Maßstab beispielsweise entschieden, dass im Falle der Grundwassergefährdung durch Heizöl das Einschreiten auf wasserrechtlicher Grundlage nicht durch Vorschriften des Bodenschutzrechts ausgeschlossen wird[401].

V. Absatz 3

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Die Erwähnung der Zuständigkeit für Verordnungen in Abs. 3 ist überflüssig, weil §§ 26 und 27 abweichend konzipierte Zuständigkeitsregelungen enthalten; nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen gehen sie § 5 als spezieller voran. Die Verbandskompetenz der Ordnungsbehörde muss gegeben sein. In den Verordnungen dürfen selbstverständlich nur Zuständigkeitsregelungen getroffen sein, welche mit §§ 3 ff. vereinbar sind: über gesetzlich geregelte Behördenzuständigkeiten kann der Verordnungsgeber sich nicht hinwegsetzen[402]. Dies ergibt sich freilich aus §§ 26 ff. und allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Verfassungs- und Verwaltungsrechts, nicht aus § 5 Abs. 3[403].

VI. Rechtsfolgen bei Verstößen gegen die sachliche Zuständigkeit

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Regelmäßige Rechtsfolge ist die Rechtswidrigkeit. Nichtigkeit wird zu Recht nur bei (evidenter) absoluter Unzuständigkeit angenommen (Ordnungsverfügung durch Finanzamt)[404]. Dies kann besonders bei Überschreiten der Verbandskompetenz[405] anzunehmen sein: Nichtigkeit hat das OVG etwa im Fall der Erteilung einer Spielbankkonzession durch eine Gemeinde angenommen[406]. Die Tätigkeit der instanziell nicht zuständigen Behörde führt nur zur Rechtswidrigkeit[407].

Schönenbroicher