Gegen den Zeitgeist

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Gegen den Zeitgeist
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Andreas Laun

GEGEN
DEN ZEITGEIST


Die Bibelzitate wurden der revidierten Einheitsübersetzung 2017, Katholisches Bibelwerk, Stuttgart, entnommen.

GEGEN DEN ZEITGEIST

Andreas Laun

© Media Maria Verlag, Illertissen 2019

Alle Rechte vorbehalten

eISBN 978-3-9479316-9-9

www.media-maria.de

Inhalt

Ein Schmetterling

Die Gender-Ideologie

Klosterreform

Irgendwas glauben

Abtreibung – und was die Kirche tun sollte!

Eine Liebesgeschichte

Fragen zum Religionsunterricht

Die Bibel im Abfall

Verwirrungen in Kirche und Gesellschaft – auf Schritt und Tritt

Die Beichte

Die Fischerin

Amos’ Hölle

Offener Himmel – Hölle geschlossen?

Die »Pille danach«

Europa – Ungarn – Rechtsstaatlichkeit?

Homosexueller dankt Weihbischof

Fragen zum Islam

Die Krise

Abtreibung

Das Naturrecht – Gesetz Gottes für Staat und Bürger

Zum heiklen Thema »Wiederverheiratete Geschiedene« (WIGE)

Tiere und Tierliebe

Franz von Sales und die Neuevangelisierung

Ehevermittlung »kathTreff« und das Ethos der Zärtlichkeit

»Gleichgeschlechtliche Ehe« in Rumänien und anderswo?

Reformstau

UN-Migrationspakt

Verlobung

Nochmals zur Abtreibung

Ein Schmetterling

Unmittelbar vor der Predigt entdeckte ich einen Schmetterling, der offenbar hinaus ins Freie wollte – durch das hermetisch geschlossene Kirchenfenster! So flatterte er auf und ab, fand natürlich keinen Ausgang, weder ich noch irgendjemand anderer hätte ihm helfen können. Auf die Idee, zurückzufliegen und durch die offene Tür zu entkommen, kam er nicht, weil Schmetterlinge eben nicht denken können, keine Ideen haben.

Im Evangelium des Tages sprach Jesus von der so notwendigen Bereitschaft für das Kommen des Herrn zu unerwarteter Stunde. Jesus hätte auch aus dem Schmetterling ein Gleichnis machen können: Warum kehrt er nicht um und fliegt ins Freie durch jene Öffnung, durch die er hereingekommen ist?

Ich wählte das arme kleine Tier zur Einleitung für meine Predigt: Viele Menschen sind ganz ähnlich gefangen wie dieser Schmetterling. Sie haben sich verirrt, sie sehen durch die von ihren ideologischen Vorurteilen verschmutzte »Glasscheibe« ihres Unglaubens hindurch zwar einen Schimmer, aber sie erreichen das Licht nicht, weil sie nicht aufhören zu versuchen, durch die Glasscheibe durchzukommen! Auch sie suchen, aber nicht die offene Kirchentür, sondern flattern an Fenstern, die getrübtes Licht, aber keine Luft durchlassen und vor allem kein Ausgang ins Freie sind! Resistent gegen jeden vernünftigen Einwand begeistern sie sich für die Weisheit eines angeblich »Erleuchteten«, eines Gurus, eines Schamanen oder was es auch sein mag. Und was kann die Kirche tun? Sie kann den »Schmetterlingen« die Fenster öffnen, damit sie zu dem fliegen können, der die Wahrheit und das Licht ist! Nur das, denn an den Flügeln packen darf man Schmetterlinge bekanntlich nicht.

Zugegeben, das Schmetterlingsgleichnis entspricht nicht dem Gleichnis des Evangeliums, aber es würde dazu passen: Der Mensch, der an der falschen Stelle »flattert«, und der Mensch, der fest eingeschlafen ist und so das Kommen des Herrn verpasst, haben eine innere Verwandtschaft: Der eine versäumt Jesus, der andere findet ihn nicht, beide gelangen nicht zum Heil und zur Freude, die von Gott kommt.

Die Gender-Ideologie

Die große österreichische Dichterin Erika Mitterer schrieb in einem ihrer Gedichte (»Das Sichere. Religiöse Gedichte«):

Mut, Bruder Bischof!

Versuche nicht, mit den Augen zu hören

und mit den Ohren zu sehn!

Es ist dein Auftrag zu sagen,

was du mit Sicherheit weißt,

weil es der Christus gesagt,

weil es der Christus getan.

Anders bekehrst du nicht einen!

Bekehren willst du sie gar nicht,

sondern du lässt sie in Ruhe,

damit sie uns in Ruhe lassen?

Wobei?

Weh über dich, über uns!

Zeugen der Wahrheit zu sein

sind wir berufen. Zeugen

sagen:

Ja!, oder Nein!

Die beiden großen ideologischen Bedrohungen der Welt durch Kommunismus und Nationalsozialismus sind zwar nicht ganz verschwunden, aber ihre dämonisch große Macht ist gebrochen.

Die neue Bedrohung heißt »Gender-Mainstreaming«! Hoffnung und Sehnsucht sind, dass sich in der Kirche mehr und mehr Stimmen zu Wort melden und Nein sagen als Zeugen und Nein sagen als denkende Menschen, die die höchst gefährliche Lüge entlarven. So etwa haben sowohl Christoph Kardinal Schönborn, der Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz, als auch der frühere Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof em. Robert Zollitsch, gegen den sogenannten »Estrela«-Antrag im Europaparlament mit seiner Forderung nach noch weitergehender Freigabe der Abtreibung, nach Homo-Ehe, nach Durchsetzung der Gender-Ideologie klar und unmissverständlich Stellung bezogen. Besonders klar und deutlich tat dies in der Schweiz auch der Bischof von Chur, Vitus Huonder. Und ein besonders kostbares, weil ausführliches und prägnantes Dokument zur Bedrohung durch die Gender-Ideologie verdankt Europa den slowakischen Bischöfen. Denn auch diese Ideologie schaffe, so die Bischöfe, jene »Kultur des Todes«, vor der Papst Johannes Paul II. gewarnt hatte, ohne dass er den Begriff »Gender« schon kannte. Es ist hilfreich, die slowakischen Bischöfe im Volltext zu Wort kommen zu lassen:

»Liebe Brüder und Schwestern!

Die Adventzeit, in die wir heute eingetreten sind, ist eine Zeit der Vorbereitung auf Weihnachten. Diese Feiertage erinnern uns an das Kommen des Sohnes Gottes in unsere Welt. Wie er selbst sagt, ist er gekommen, damit wir das Leben haben und es in Fülle haben (vgl. Joh 10,10). Das Wertvollste, das Gott der Welt und dem Menschen schenkte, ist gerade das Leben. Er hat hier dafür Bedingungen geschaffen und Gesetze festgelegt. Wenn wir sie respektieren, wird das Leben erblühen. Wenn der Mensch sich gegen Gottes Gesetze stellt, erschafft er die Kultur des Todes.

Ein besonderes Augenmerk wird auf den Menschen gerichtet. Bevor Gott ihn erschaffen hatte, bereitete er ihm einen wunderbaren und fruchtbaren Boden, damit er zur Quelle seiner körperlichen Kräfte werde. Und für sein Glück schenkte er ihm neben der Natur eine Familie. Gott will, dass jeder Mensch auf dieser Welt in diese liebevoll geordnete Familiengemeinschaft kommt. Wenn es nicht so ist, ist die Ursache entweder ein Unglück oder menschliches Versagen. Während des ganzen Lebens soll der Mensch in der Familie viele Formen des menschlichen Glücks erleben. Es beginnt mit dem Glück des Kindes, das sich in den Armen des Vaters und der Mutter sehr sicher und dabei sorgenlos fühlt. Durch das Wachsen und Reifen verändert es sich in das Glück eines verliebten Ehepartners oder einer Ehepartnerin und später in das Glück des Vaters und der Mutter. Schließlich ist es das Glück der Großeltern, wenn es ihnen geschenkt ist, freudig auf die gut erzogenen Nachkommen zu schauen, wie sie verantwortungsvoll handeln. Jede Etappe des menschlichen Glücks sichert eine geordnete Familie.

Die Familie ist eine Institution Gottes. Deshalb liegt es nicht in der Macht des Menschen, sie zu vernichten. Die Kirche betet über den Jungvermählten: Gott, du hast die Frau neben den Mann gestellt und diese Gemeinschaft schon bei der Schöpfung so gesegnet, dass sie weder durch die Erbsünde noch durch eine Sintflut zerstört werden kann. Durch dieses Gebet bekennt die Kirche auch den Glauben an die Familie als eine Institution Gottes, die die Welt überdauert. Sie muss aber nicht in Europa überleben. Auch wenn der Mensch sie nicht vernichten kann, so kann er sie verstümmeln und dies geschieht in der heutigen Welt. Durch die Zerrüttung der Familie wird das menschliche Glück, das in ihr die irdische Vollkommenheit erlangt, entwertet. Es bringt das Leben in Gefahr und fördert die Kultur des Todes.

 

Die Akteure der Todeskultur nutzen für ihre Durchsetzung ziemlich kalkulierte Methoden. Sie legen in sehr edle Begriffe einen komplett neuen und entgegengesetzten, also abwertenden Sinn. Sie sprechen von den ›Menschenrechten‹ und von den ›Kinderrechten‹, aber auch bei diesen Rechten wollen sie durchsetzen, was denen schadet, denen es nützen soll. Unter dem Mantel der Rechte, die sie durchdrücken, verlieren Vater und Mutter die Möglichkeit, ihre Kinder verantwortungsvoll zu erziehen. Dabei hat das Kind ein natürliches, von Gott gegebenes Recht auf Erziehung.

Vertreter der Todeskultur kommen mit einer neuen ›Gender-Ideologie‹. In ihrem Namen wollen sie die sogenannte ›Geschlechtergleichstellung‹ durchsetzen. Ein Mensch, der diesen Begriff zum ersten Mal hört, meint, es gehe darum, dass Mann und Frau gleiche Rechte und die gleiche Würde zuerkannt werden. Aber diese Gruppen zielen durch die sogenannte ›Geschlechtergleichstellung‹ auf etwas ganz anderes. Sie wollen uns überzeugen, dass keiner von uns von Natur aus als Mann oder als Frau existiert, sie wollen also dem Mann das Recht und die Identität des Mannes nehmen und der Frau das Recht und die Identität der Frau und der Familie das Recht und die Identität der Familie, damit sich Mann nicht mehr als Mann und Frau nicht mehr als Frau fühlen und damit die Ehe nicht mehr die einzige von Gott gesegnete Gemeinschaft von Mann und Frau ist, sondern sie wollen auf die Ebene der Ehe auch die Gemeinschaft zweier Männer oder Frauen stellen. So entsteht irgendein Sodomer Pasquill (Schmähschrift), das dem Willen Gottes widerspricht und die Strafe Gottes vorbereitet.

Durch edle Parolen wird im Leben der Gemeinschaft die Zersetzung des Familienlebens, das heilig sein sollte, erwirkt. Es ist eine lästernde Revolte des Menschen gegen Gott. Er hat uns nach seinem Abbild geschaffen. Der Mann bekam vom Schöpfer die Würde des Mannes, die Frau die Würde der Frau und die Familie die Würde der Familie. Davon wird auch die Würde eines Volkes abgeleitet. Dies wollen die Akteure der Todeskultur und Vertreter der Gender-Ideologie im Namen edler Leitsätze zerstören. Der Begriff Mann, Ehemann, Vater, Ritter, Gentleman ist für sie inakzeptabel. Das Gleiche gilt für die Begriffe Frau, Ehefrau, Mutter. Das Volk, bei dem es ihnen gelingt, dieses Volk verliert seine würdevolle Stellung vor Gott und auch vor der Welt.

Vertreter vieler Länder schmeicheln aus unerklärlichen Gründen diesen Akteuren der Todeskultur und kommen ihnen durch die Gesetzgebung, die manchmal gegen den gesunden Menschenverstand ist, entgegen. Diese haben keinen moralischen Stolz und bringen ihr Volk nicht nur um seine Würde, sondern geben es durch Gesetze dem Untergang preis. Es ist ein Verlust des wesentlichen Lebenssinnes – Verlust des Überlebenssinnes. Die ersten Gefahren werden auch bei uns schon sichtbar.

Wir wollen eine große Wertschätzung und einen Dank jenen Institutionen und Einzelpersonen aussprechen, die sich dieser nahenden Gefahr bewusst sind und zum Schutz der Familie und der Kultur des Lebens den Marsch für das Leben in Košice (Kaschau) organisiert haben. Wir wollen Wertschätzung und Dank allen Menschen aussprechen, die diesen Marsch unterstützt und so zum Ausdruck gebracht haben, dass sie darauf Wert legen, die Institution der Familie zu retten.

Der Marsch für das Leben sollte ein Appell, eine Ermutigung und moralische Unterstützung für unsere Vertreter des Staates sein, damit sie sich nicht fürchten, die Würde und Lebensfähigkeit unseres Volkes zu schützen. Wahrlich, sie haben zu diesem Appell ziemlich gleichgültig Stellung bezogen, was zeigt, dass sie die Kultur des Todes bereits verinnerlicht haben, da sie deren Akteuren nach wie vor einen großen Raum und eine beachtliche Unterstützung einräumen. Aktivisten der ›Geschlechtergleichstellung‹ geben nicht auf, sie warten auf eine passende Gelegenheit, um durch die Gesetzgebung die Erziehungs- und Bildungsprozesse zu beherrschen und diese ›Sodomer Ideologie‹ der Erziehung in der Vorschule und Schule aufzuzwingen. Es würde sich um einen Erziehungsprozess handeln, der dem Kind nicht nur seine Würde rauben, sondern es moralisch und psychisch grundlegend gefährden würde. Es würde dem Kind die Möglichkeit genommen, in jedem Bereich zu einem reifen Mann und einer reifen Frau heranzuwachsen. Für diese schreckliche Devastierung würde man den Beruf der Lehrer missbrauchen. Früher wurde der Lehrer missbraucht, um gegen den Willen der Eltern den Kindern den Atheismus aufzuzwingen, heute droht ihm noch etwas Schlimmeres. Die Akteure der Todeskultur werden auch stark von den Medien unterstützt: Lassen wir uns nicht belügen und auch nicht beeinflussen.

Die Kultur des Todes bedroht wirklich die Existenz eines Volkes. Bei so einer Bedrohung haben vorige Generationen nicht gezögert, für den Schutz des Vaterlandes zu sterben. Von uns wird ein solch großes Opfer noch nicht verlangt, aber es wird verlangt, dass wir uns in Acht nehmen. Zur Wachsamkeit rufen wir alle Machtträger auf allen Ebenen auf, Eltern, Schulverwaltungen und alle Menschen guten Willens, um die Ausdrücke der Todeskultur schon in ihrem Keim abzulehnen. Unsere Stimme bei beliebigen Wahlen kann nur jener Kandidat erhalten, der die Todeskultur ablehnt. Durch eine entgegengesetzte Haltung würden wir unsere Vorfahren verachten, die ihr Leben für das Wohl des Landes eingesetzt haben.

In dieser Advent- und Weihnachtszeit gibt Gott uns deutlich zu spüren, was in seinen Augen Familie bedeutet. Als er seinen Sohn zur Welt sandte, sorgte er nicht dafür, dass sein Sohn in einem prunkvollen Schloss geboren wurde, dass er ausgewählte Speisen bekam, sondern er sorgte dafür, dass sein Sohn auf der Welt in einer geordneten Familie aufwachsen konnte. Der Blick auf die Familie von Nazareth möge uns wachrütteln, damit wir für den Erhalt der Familie alles tun, was in unseren Kräften liegt. So wie die Familie von Nazareth durch die Flucht nach Ägypten das Kind schützte, so sind auch wir verpflichtet, um jeden Preis für die gesunde Entwicklung der Kinder zu sorgen und sie vor der gefährlichen ›Gender-Ideologie‹ zu schützen.

In fester Hoffnung, dass Sie zu diesen ernsthaften Fragen des Lebens und der Familie die richtige Stellung nehmen, erteilen wir Ihnen unseren Segen.

Die Bischöfe der Slowakei«

Diese Wahrheiten bezeugten auch die Kroaten, nicht nur ihre Bischöfe, sondern das Volk mit 750 000 Unterschriften, mit denen sie die Homo-Ehe ablehnten. Zudem entschied der Oberste Gerichtshof Kroatiens gegen die Sexualerziehung in den Schulen, durch die die Elternrechte außer Kraft gesetzt werden sollten und die Kinder im Sinne der GenderIdeologie verbildet, geradezu verdorben worden wären!

Erika Mitterer hätte sich gefreut über diesen Widerstand, diesen Mut von Bischöfen und Laien. Denn wir brauchen nicht nur Bischöfe, die Verantwortung übernehmen und laut Nein sagen. Als Zeugen Nein sagen können und sollen auch alle Menschen auf je ihre Weise. Zeugen sind gefragt, wir brauchen sie, und jeder hat diese Berufung. Wichtig ist jetzt nur: dass die Christen lernen, den Begriff Gender und das Gemeinte als neu gefärbten Pelz des Teufels, des Vaters der Lüge, zu erkennen, dass sie sich vor ihm hüten und sich als standhafte Zeugen der Wahrheit erweisen! Man könnte auch sagen: Eigentlich versucht der Teufel nicht nur uns zu verführen, er beleidigt uns auch, indem er uns zutraut, auf eine so dumme Lüge hereinzufallen. Denn, da haben die slowakischen Bischöfe wirklich recht: Eigentlich genügt der gesunde Menschenverstand, um diese Lüge zu entlarven!

Klosterreform

Die Erfahrung haben schon viele gemacht: Ein schönes altes Kloster, man fühlt sich wohl, die Mönche sind sehr gastfreundlich, brüderlich, zuvorkommend! Aber spätestens beim Frühstück kommt der Schock: Da sitzt nur noch eine Handvoll alter Männer am Tisch und das sind so ziemlich alle, die das fast leere Kloster noch bewohnen, es aber schon lange nicht mehr »füllen« können! Zu dem großen Haus, das der Glaube seinerzeit mit Leben erfüllte und erbauen konnte, gehören zwar noch andere Mitbrüder, die Aufgaben außerhalb des Hauses wahrnehmen, aber auch sie sind in die Jahre gekommen, sie kommen nur noch ab und zu zu Besuch, wahrscheinlich werden sie nie mehr ganz ins Kloster zurückkehren!

Man fragt sich beklommen: Welcher von diesen liebenswerten, verdienstvollen, aber doch alten Männern, die sich in ihrer Jugend einem hohen Ideal verpflichtet hatten und im Laufe ihres Lebens viele Opfer gebracht haben, wird der letzte sein, der dann nur noch »das Licht ausmacht«? Und was wird dann aus dem herrlichen, aber dann wirklich ganz leeren Haus werden? Darf man hoffen, dass es ein Haus im Dienst Gottes bleiben oder entsprechend neu besiedelt wird von einer neuen, jungen Gemeinschaft?

Eine ähnlich bedrückende Erfahrung gibt es genauso bei »modernen« Kongregationen, die zum Beispiel vor rund 100 Jahren mit viel Begeisterung und Anziehungskraft gegründet worden sind. Damals blickten die Novizen voll Zuversicht in die Zukunft, und die Geschichte zeigt: Sie haben tatsächlich viel, sehr viel geleistet für die Kirche, für die Menschen auf verschiedenen Kontinenten und durch verschiedene Dienste. Aber heute sind sie in die Jahre gekommen, und auch ihre Gemeinschaft kämpft mit Überalterung und fehlendem Nachwuchs. Wenn es diesen überhaupt gibt, »tröpfelt« er nur noch. Den meisten Priesterseminaren in Europa geht es nicht besser.

Man versteht gut: Ein junger Mensch, der den Ruf des Herrn zur engeren Nachfolge vernommen hat, will in eine solche Gemeinschaft nicht eintreten, sich nicht in ein religiöses Altenheim hineinbinden, in dem er weitgehend ohne Gleichaltrige lebt, buchstäblich »auf weiter Flur allein« in endlosen, hallenden Gängen oder auch in lieblosen und geschmacklosen Bauten der 70er-Jahre.

Das ist tatsächlich in vielen Häusern so. Und das alles, obwohl die Ursprungsidee dieser Gemeinschaften großartig, anziehend, biblisch war und ist. Ihre Regel würde auch heute noch die Nachfolge Christi strukturieren und helfen, sie in unserer Zeit zu leben. Das heißt, die Verfassung der Gemeinschaft bietet immer noch, was der junge Mensch ersehnt, wenn er den Ruf vernommen hat. Aber ihn annehmen kann und will er nicht unter diesen heutigen Umständen, weil er fürchtet, ein solches Leben nicht auszuhalten, fürchtet, sein Herz könnte einfrieren und seine Gottessehnsucht nicht nur nicht erfüllt werden, sondern verloren gehen.

Tatsache ist: Zu einer religiösen Gemeinschaft gehören nicht nur das ursprüngliche Charisma, ihre Spiritualität und die entsprechenden Satzungen, es gehören zu ihr das gelebte Charisma, die gelebte Spiritualität und Regeln, bei denen man merkt, dass die Mönche sich bemühen, sie im Geist der Freiheit einzuhalten, aber eben doch »wirklich«! Es braucht, einfach gesagt, die Gleichgesinnten, bei deren Anblick ein junger Mensch denkt: »Ich möchte einer von ihnen werden, mit ihnen meinen Weg zu Gott gehen!«

Aber ebendiese »Gleichgesinnten« können viele Gemeinschaften nicht mehr bieten. Ein Grund für diesen Mangel sind die spirituellen Vergiftungen, die viele Mitglieder in den 68er-Jahren erlitten haben, teilweise ohne es zu merken. Aber sie leiden immer noch an ihnen. Was war geschehen? Auf der einen Seite gab es damals das Konzil, das der Kirche so viel geschenkt hat und bis heute gute Früchte bringt. Aber auf der anderen Seite gab es das große Missverstehen ebendieses Konzils. Man war begeistert, aber in dieser Stimmungslage hielten nicht wenige die eigenen Ideen für das, was das Konzil »eigentlich« sagen wollte, auch wenn es »so wörtlich« in den Texten nicht zu finden war! Und so machte man sich an Reformen und öffnete sich »modernen Gedanken«, deren Bezeichnung als »kritisch« man für ein Qualitätssiegel hielt. »Kritisch« und »modern« wollten viele sein, überhaupt junge Menschen, und wer verstünde dies nicht.

Kein Wunder, dass das Verständnis für bestimmte Elemente der Ordensregel »ein Stück weit« verloren ging, ebenso manche Lehren der Kirche, bei denen, so hieß es, man »weiter« denken müsse! Verunstaltungen der Liturgie rechtfertigte man im Namen von »pastoraler Verständlichkeit« und »Kreativität«, ohne zu bemerken, dass man selbst die Zeichensprache der Liturgie eben nie gelernt hatte! Inzwischen kennt man das Resultat: Viele Katholiken, auch Kleriker, wissen nicht mehr genau, was sie eigentlich glauben und ob es jemanden gibt, dem man wirklich gehorchen sollte sowohl im Tun als auch im Glauben, den man oft abschätzig als unreifes »Für-wahr-Halten« abtut! Gehorsam wird verwechselt mit Unmündigkeit, als Tugend gilt die Toleranz, aufgrund derer man meint, jede »Meinung« zulassen zu sollen, sogar in theologischen Werken, im Religionsunterricht, in der Predigt und in den Kirchenzeitungen. Glaube und Überzeugungen, für die man leben und sogar sterben könnte, wie jene, um derentwillen man ins Kloster oder Priesterseminar gegangen war, gelten in einflussreichen Kreisen als altmodisch und »extrem konservativ«. Wahrheit der Lehre oder gar Dogma ist bei vielen ein Unwort geworden, während man gleichzeitig heutige Häresien leidenschaftlich, wirklich »dogmatisch« verteidigt und deren Kritiker ausgrenzt! Das gilt mittlerweise auch für kirchliche Lehren, die man bis vor Kurzem noch für absolut unumstößlich gehalten hatte wie das absolute Nein gegen Abtreibung und das ebenso nicht diskutierbare Leitbild der Ehe gemäß der Schöpfungsordnung.

 

Verbunden mit diesen Entwicklungen ist eine eigenartige Blindheit: Man behauptet, Heilige zu verehren, die für jene Überzeugungen, die heute als »extrem« gelten, lebten und sogar starben. Eigenartig ist auch der innere Widerspruch: Man zitiert die Lehre der Kirche von der überragenden Bedeutung der hl. Messe und will damit nebenbei auch ein Argument gefunden haben, warum die Kirche den Zölibat abschaffen müsse, handelt aber gleichzeitig ganz anders: »Lieber keine Messe als eine mit ausländischem Akzent oder gar in Latein!«

All die angesprochenen Elemente der Vergiftung haben zum Erkalten der »ersten Liebe« geführt und damit zum Verlust jener »anziehenden Glut« der jeweiligen Gemeinschaft, die sie fruchtbar machte.

Es ist höchste Zeit, ein Missverständnis abzuwehren: Es ist nicht die Absicht dieser Überlegungen zu behaupten, alles und jedes, was in diesen Jahren seit 1968 getan, reformiert, gedacht und geschrieben wurde, sei schlecht gewesen. Wahr ist vielmehr: So manches bedurfte der Korrektur und Reform. Einer primitiven, unvernünftigen Buchstabentreue gegenüber alten »Regeln«, nur weil sie alt sind, rede ich nicht das Wort. Natürlich geht es nicht um das Bewahren der Asche, sondern immer nur um das Hüten der Glut und darum, sie wieder zum Feuer werden zu lassen! Nur so kann es mit der Gnade Gottes und mithilfe gelebter Neuevangelisierung zur wirklichen Erneuerung kommen. Es gibt eine unverzichtbare Notwendigkeit für die Kirche, »mit der Zeit zu gehen« und in der heutigen Zeit das Evangelium zu verkünden. Wenn hier von den »Wunden der Kirche« gesprochen wird, so nur um die Therapie zu finden, die zur Heilung führen könnte.

Was kann, was soll man tun, um die Lage zu ändern? Mit einigen frommen Gedanken wird sich die Situation nicht ändern. Aber zu überlegen wäre, ob man nicht von den »Kindern dieser Welt« lernen könnte: Wenn der Absatz eines – sagen wir – Autoherstellers stockt, werden die Manager zum Konkurrenten schauen: Was macht der andere anders, wie sehen seine Autos aus, könnten wir nicht auch …? Und dann wird man den Betrieb vermutlich »umbauen«, nicht um die eigene »Marke« aufzugeben, sondern um sie mit einem neuen Marketing neu aufzustellen! So könnte es auch in der Kirche sein: Es gibt heute viele »Aufbrüche« und es gibt auch Klöster, die blühen, nur einige Kilometer entfernt von solchen, die in Gefahr sind zu sterben. Daher die Frage: Warum schaut man nicht auch in der Kirche auf den jeweils anderen, der zudem nicht Konkurrent, sondern Bruder oder Schwester ist? Eine Geschichte kann das Gemeinte verdeutlichen:

Vor einigen Jahren wurde der damalige Abt des Stiftes Heiligenkreuz gefragt, warum das Stift Nachwuchs hat und lebt, während andere in Gefahr sind auszusterben. Seine Antwort war denkbar knapp: »Weil wir unser Stundengebet beten, weil wir dem Papst gehorchen und weil wir unser Ordensgewand tragen!« Als ich diese kleine Geschichte einem P. Provinzial einer jüngeren Gemeinschaft, auch sie gefährdet im genannten Sinne, erzählte, wehrte dieser ab: »So einfach ist das nicht!« Ich antwortete: »Vielleicht ist es so einfach, man könnte es doch wenigstens versuchen.« Vertreter anderer Gemeinschaften könnten kommen und sehen, welche »Angebote« in Heiligenkreuz gemacht werden, von Einkehrtagen bis zu Sportwochen – jugendgerecht, aber immer eindeutig als Gemeinschaft, die »Gottes-Programme« anbietet, nicht Seminare für Kirchenkritik, nicht für Leute, die alles besser wissen wollen, nicht Wellness- oder Abenteuerevents, fromm überzuckert!

Natürlich hatte mein Gesprächspartner, der zitierte Provinzial, auch recht: »So einfach ist es nicht!« Nein, tatsächlich, es ist nicht so einfach, überhaupt nicht einfach, weil dieses skizzierte Programm nicht machbar ist ohne eine Kehrtwende der Betroffenen. Das weiß aus der Erfahrung mit sich selbst ohnehin jeder Mensch, der sich auf den Weg zu Gott begeben hat. Natürlich, wenn man eine Neubelebung der Klöster und Gemeinschaften wirklich will, muss man umdenken! Das ist nicht sehr modern: eigene Ideenwelten dem »Gehorsam des Glaubens« unterzuordnen, zumal diese ohnehin sehr oft nur ein ideologisches Gemisch aus dem gerade modischen Zeitgeist sind und keine wirklich »eigenen« Ideen. Wie immer man es dreht und wendet, »wohlerworbene Rechte« wird man infrage stellen und vielleicht auch aufgeben müssen, wenn sie mit dem »Willen Gottes« nicht wirklich vereinbar sind. Denn junge, anspruchsvolle, sich nach Gott sehnende Menschen werden sich nicht einer Gemeinschaft anschließen wollen, die ihnen als »Haufen religiöser Individualisten« gegenübertritt, in der jeder »seine eigene Meinung« vertritt, »sein Leben selbst gestaltet« und bei jeder Gelegenheit betont, der Papst sei ja »auch nur ein Mensch«. Was mit solchen Sprüchen zur Verteidigung der eigenen Unveränderlichkeit gemeint ist, zeigt das kleine ironische Lächeln, das solche Sprechblasen zu begleiten pflegt. Beginnen könnte man auch damit, über den Gehorsam gegenüber der Kirche nachzudenken, gegenüber ihrer Lehre, gegenüber den liturgischen Vorgaben bis hin zur Überlegung, ob das Ordensgewand oder die priesterliche Kleidung nicht doch der Sache Gottes dient. »Vorkonziliare Enge«? Abgesehen von der Frage: Wo und wann hätte das Konzil diese »Dinge« relativiert? Gilt nicht auch für die Kirche der Satz: Bevor man eine Mauer abreißt, sollte man nachdenken, warum man sie gebaut hat.

Mit diesen Gedanken lege ich kein fertiges Konzept vor. Sie möchten nur dazu anregen nachzudenken! Vor Kurzem erzählte mir eine Frau von einem österreichischen Kloster, das mit solchen Reformen bescheiden angefangen hat – und jetzt wieder mehrere Novizen hat. Ich bleibe dabei: Wenn man will, dass das eigene Kloster, die eigene Gemeinschaft, das diözesane Priesterseminar wieder aufblühen sollen, müsste man in diese Richtung denken und dann die entsprechenden Maßnahmen ergreifen.

Noch einmal: Ja, der genannte Provinzial hat recht, ein solches Programm ist keineswegs »einfach«. Nein, im Gegenteil, dieser Weg führt durch eine »enge Pforte«. Aber was im Evangelium ist schon »einfach«, »locker«, zeitgemäß« und »politisch korrekt«? Ja, tatsächlich, es wäre ein anspruchsvolles Vorhaben, wenn sich eine Klostergemeinschaft, die an der beschriebenen Krankheit, die zum Tod durch Aussterben führen könnte, leidet, aufmachen würde und die dazu notwendigen Schritte setzte. Der Einwand wird sicher kommen: Führen die Vorschläge nicht »hinter das Konzil« zurück? Was heißt in solchem Zusammenhang die Richtungsbezeichnung »zurück«? Abgesehen von der »Hermeneutik der Kontinuität« (Papst Benedikt XVI.) und auch abgesehen davon, dass es keine »Kirche des Konzils« gibt, sondern nur eine einzige Kirche, die schon seit rund 2000 Jahren durch die Geschichte wandert, sich wandelnd und doch immer als dasselbe Volk Gottes von Heiligen und Sündern: »Wenn man am Rand eines Abgrunds steht, ist der Schritt zurück ein Fortschritt« (Erzbischof Johannes Dyba). War nicht auch die von Johannes dem Täufer und mit noch größerer Vollmacht von Jesus gepredigte »Umkehr« ein Aufruf, endlich bestimmte »Schritte zurück« zu machen? Es ist schon so: Mancher Fortschritt beginnt mit einem »Rückschritt«, der in eine neue Zukunft, »nach vorn«, führt! Auch das »Zurück-zur-ersten-Liebe« ist kein negativ zu wertendes »Zurück«, sondern ein wunderbarer Fortschritt – in der Ehe, aber auch im religiösen Leben. Man könnte auch bedenken: Techniker machen sogar Fortschritte, indem sie uralte Strukturen und Verhaltensweisen von Tieren erforschen, die sich über Jahrtausende bewährt haben. Und: Ordnungen und Strukturen, die manche Gemeinschaften durch Jahrhunderte getragen haben, Heilige »hervorbrachten« und sogar Zeiten wie die des Nazi- oder Stalin-Terrors überleben ließen, können doch nicht so schlecht gewesen sein, dass man sie pauschal als »veraltet« diskriminieren dürfte, statt sie zu bedenken und von ihnen zu lernen. Eine »Reform der Reform« hat z. B. der Gemeinschaft der von Sr. Angelica, Gründerin des größten katholischen Fernsehsenders der Welt, nicht nur nicht geschadet, sondern die Gemeinschaft neu aufblühen lassen.