Johann Albrecht von Reiswitz (1899–1962)

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Gleichzeitig war Reiswitz aber versöhnlich gestimmt und ließ Balugdžić wissen, dass ein „Artikel in der Politika, von dem ich noch nicht weiß, wem ich ihn zu verdanken habe“, alle misslichen Folgen des Unverzagt-Interviews beseitigt habe.



Bei diesem Text wiederum muss es sich um einen halbspaltigen Beitrag der Ausgabe vom 13.04.32 handeln, dem ein Porträtfoto Reiswitz’ vorangestellt war, mit der Überschrift: „Die Ankunft des Barons von Reiswitz und Dr. Kellers aus Berlin.“

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 Unter direktem Bezug auf den zwölf Tage vorher veröffentlichten Text mit dem Unverzagt-Interview stand hier nun Reiswitz im Vordergrund: „Herr Dr. Reiswitz ist Historiker und Freund unseres Volkes. Im Zuge seiner historischen Recherchen über Ohrid ist er zufällig auf eine Burganlage (gradište) bei dem Heiligen Erasmus gestoßen, welche ihm sofort interessant erschien. So kam es dann zu den Arbeiten des Deutschen Archäologischen Museums in Berlin und des Nationalmuseums in Belgrad an dieser Anlage.“ Der Autor des Beitrags war vermutlich Predrag Milojević. In einem posthum veröffentlichten Gespräch mit seinem Neffen, dem Journalisten Kosta Dimitrijević, aus dem Jahre 2002 beschrieb Milojević ausführlich seine Bekanntschaft mit „Baron Aleksandar fon Rajsfirc“. „Rajsfirc“ habe 1926/27, „aber vielleicht auch später“, an einer archäologischen „Expedition der Münchener Archäologischen Fakultät“ teilgenommen, die die „Spuren irgendeines Weges von Byzanz nach Raszien“ zu erkunden. Der Leiter sei ein „Professor Untercajg“ gewesen, der „Sekretär“ aber der besagte „Rajsfirc“. Dieser sei in München Dozent gewesen. Über die Ankunft von „Untercajg“ und „Rajsfirc“ in Belgrad sei kurz in der Presse berichtet worden und kurz darauf habe Milojević Reiswitz in dessen Hotel besucht, wo Reiswitz dem „Politika“-Journalisten die Details des Unterfangens unterbreitet habe. Schließlich habe Milojević einen umfangreichen Artikel darüber veröffentlicht. Reiswitz, so Milojević im Gespräch mit Dimitrijević, habe sich besonders über das von Milojević von ihm gemachte Foto gefreut, welches mitpubliziert wurde.

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 Obwohl dem bereits hochbetagten Milojević einige Details durcheinadergerieten, stimmen die Angaben im Wesentlichen.



In seinen Aufzeichnungen über seine Ohrid-Aktivitäten von 1928–1930 hatte Reiswitz die Grabungen von Gradište als „Mittel zum Zweck“ bezeichnet. Sein eigentliches Ziel war nicht die Gewinnung archäologischer Erkenntnis über Wanderungsbewegungen in welcher Richtung auch immer, sondern die „Anknüpfung von Beziehungen“, welche Jugoslawien und Deutschland einander dauerhaft näherbringen sollten. Dieses Ziel hatte er zweifelsohne erreicht.



Für Unverzagt stand hingegen ausschließlich die Wissenschaft im Vordergrund. Dies kommt auch in seinem persönlichen Schreiben an Bersu, welches er zu Beginn der zweiten Grabungswoche von Ohrid aus schickte, zum Audruck. Zunächst ging er, wie schon in Jahr zuvor, auf die widrigen Umstände ein: „Auch hier ist es noch sehr kalt mit wüsten Winden und Regenschauer. Wir werden auf unserer Burg aufs Übelste durchgepustet. Es ist viel schlimmer als auf dem Goldgebirge

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“. Aber nicht nur das Wetter stellte eine Belastung dar: „Seit rund acht Tagen ist die Grabung im Gange. Bis es soweit war, konnte man graue Haare kriegen. Sie können es sich nicht vorstellen, was es heißt in einer so primitiven Gegend auf einem einsamen Berg eine größere Grabung auf die Beine zu stellen. Und dazu die völlig ungeübte Mannschaft.“ Dennoch aber machte man das Beste draus: „Doch nun kann das Unternehmen sogar nach deutschen Begriffen passabel gelten. Wir werden mit dem Geld und der Zeit auskommen.“ Allerdings waren die Resultate offenbar nicht so, wie es gegenüber der Presse offenbart wurde: „Das Ergebnis entspricht allerdings nicht ganz meinen Erwartungen. Die Anlage an sich ist auf alle Fälle ein großartiges Stück früher Befestigungsbaukunst. Es lohnte sich wohl den Grundriss zu ermitteln. Aber in den beiden bisher angelegten Schnitten zeigt sich, dass die alte Oberfläche und damit auch die datierenden Funde verschwunden sind. Die paar Scherben, die wir antrafen, reichen nicht aus. Sie können hellenistisch sein. Nun, vielleicht kommen in dem dritten Schnitt noch Funde.“ Tatsächlich sollte sich ja dann zwei Tage später die Bilanz dramatisch ändern durch die Funde der

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. Unverzagt schloss dann seinen Brief mit dem Hinweis darauf, dass in der kommenden Woche mit „viel Besuch“ zu rechnen sei: „Die höchsten Würdenträger haben sich angemeldet. Unter Umständen kommt auch der deutsche Gesandte.“

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 Belegt sind an Besuchern der Grabung nach dem 26.04.32 allerdings nur die des „Vreme“-Journalisten am 28.04. und der Amerikaner um Fewkes am 12.05., die wohl nicht als „Würdenträger“ gelten können. Über einen Besuch des deutschen Gesandten in Ohrid ist nichts bekannt.



Reiswitz’ Bemühungen der Jahre 1928 bis 1932, eine deutsch-jugoslawische Annäherung zum beiderseitigen Nutzen herbeizuführen, hatten durchaus ihr Pendant auf südslawischer Seite. Ein Beispiel dafür ist der Beitrag des Kunsthistorikers Božidar Nikolajević

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 (1877–1947) auf der Titelseite von „Pravda“ am 20.08.1929. In Form eines Briefes unter der Überschrift „Deutsche Bemühungen Jugoslawien kennenzulernen“ legte Nikolajević dar, dass Deutschland nun bereit sei, die habsburgische Brille abzunehmen, die bislang den deutschen Blick auf Südslawien verdunkelt habe. In gewisser Hinsicht kehre man in Berlin zur Bismarckschen Politik zurück, welcher bereits 1854 davor gewarnt hatte, die preußische „schmucke und seefeste Fregatte an das wurmstichige alte Oorlogschiff von Österreich“ zu koppeln. Bismarck fuhr in diesem Brief aus seiner Zeit als preußischer Vertreter beim Deutschen Bund in Frankfurt an den Ministerpräsidenten Manteuffel fort: „Wir sind die besseren Schwimmer von beiden und jedem ein willkommener Bundesgenosse.“

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 Nichts anderes als eine deutschjugoslawische Bundesgenossenschaft schwebte wohl auch Nikolajević vor, der darauf hinwies, dass von einem bislang immer unterstellten deutschen „Drang nach Osten“ nunmehr nicht mehr die Rede sein könne. Er ging dann dazu über, zahlreiche Beispiele aus der deutschen Wirtschafts-, Tages- und Fachpresse zu zitieren, die das wachsende Interesse Deutschlands an partnerschaftlichen Verbindugen zu Jugoslawien belegen sollten. So erwähnte er auch den „berühmten Orientalisten“ Franz Babinger, der 1928 mehrere Arbeiten zu Bosnien veröffentlicht habe, den Slawisten Gerhard Gesemann und Hermann Wendel, dessen „Spezialgebiet“ Jugoslawien sei.

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In ähnlichem Sinne äußerte sich am 27.02.1931 Jovan T. Marković, der Anfang der 1920er Jahre die jugoslawische Gesandtschaft in Berlin leitete. Er begann seinen ebenfalls auf der Titelseite – in diesem Falle allerdings von „Vreme“ – platzierten Autorentext „Deutsch-jugoslawische Freundschaft“ mit der Feststellung, dass sich in der letzten Zeit in der jugoslawischen Öffentlichkeit eine starke Bewegung hin zu einer Annäherung an Deutschland bemerkbar mache. Grund dafür sei nicht nur die momentane wirtschaftliche Opportunität, obwohl seiner Ansicht nach landreformerische Bestrebungen in Jugoslawien durchaus von deutscher Erfahrung und Expertise profitieren könnten. Nein, wiederentdeckt würden aktuell die weit in die Vergangenheit zurückreichenden kulturellen Berührungspunkte beider Völker. Bereits in den 1830er Jahren hätte starkes deutsches Interesse an Serbien bestanden, welches er am Publikumserfolg Leopold von Rankes Buch über den ersten serbischen Aufstand festmachte.



Reiswitz hatte das Buch bereits 1924 gelesen und seit Ende der 1930er Jahre war er offenbar an einer Neuausgabe des Werkes beteiligt. So erwähnte er Ende März 1941 in einem Brief an Böckschen, dass ein Teil seines „Feldzugplans“ in Berlin derweilen sei, die „Rankeeinleitung“ fertigzustellen.

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 Am 01.04.41 lässt er seine Frau wissen, dass die Einleitung zu Rankes „Serbischer Revolution“

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 und die Auswahl von Illustrationen zu der Neuauflage im Moment angesichts der angespannten politischen Lage nicht besprochen werden könne, „weil natürlich die südslawische Gesandtschaft anderes zu tun hat.“

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 Ferner schrieb Reiswitz in einem Brief an seinen unmittelbaren Kunstschutz-Vorgesetzten am 30.05.41, die Ergebnisse einer Besprechung der beiden am 26.05.41 in Bonn zusammenfassend, dass er sich ausbedungen habe, auch während seiner Tätigkeit in Belgrad weiter an der Neuherausgabe von Ranke arbeiten zu können.

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 Diese Ausgabe wurde allerdings dann nie begeben.



Im folgenden Teil seines Artikels thematisierte Marković die serbische Politikausrichtung unter dem Fürsten Mihailo. Im Zusammenhang mit dem deutsch-österreichischen Krieg 1866 habe wohl die Möglichkeit eines serbisch-preußischen Bündnisses bestanden, welches, wenn es zustande gekommen wäre, vielleicht die südserbische Einigung hätte beschleunigen können. Mit dieser Thematik setzte sich 1931 zur Zeit der Abfassung von Markovićs Artikel Reiswitz bereits durch Archivstudien auseinander, die dann im Ergebnis in sein 1936 publiziertes Buch „Berlin-Belgrad-Berlin“ einfließen sollten. Die verpasste Gelegenheit einer preußisch-serbischen Allianz mit antiösterreichischer Prägung hatte bereits Wendel 1927 monographisch behandelt.

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Als Beleg für das deutsch-südslawische Beziehungsgeflecht aus neuester Zeit erwähnte Marković dann lobend die Gründung des „Deutsch-Jugoslawischen Clubs in Belgrad“. Gemeint ist wohl die „Jugoslawisch-Deutsche Gesellschaft“ (Jugoslovensko-Nemačko Društvo), die ursprünglich auf eine Idee Adolf Kösters zurückging und dann von seinem Nachfolger als deutscher Gesandter in Belgrad, Ulrich von Hassell (1881–1944), ins Leben gerufen wurde. Vorsitzender bis 1937 war Stanoje Stanojević, den Reiswitz drei Jahre zuvor persönlich kennengelernt hatte. Die Mitglieder der Gesellschaft waren zumeist Intellektuelle, wie Geca Kon, der jüdische Verleger Wendels, und nur wenige Vertreter der Wirtschaft, der Politik oder des Militärs.

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Als nächstes widmete sich Marković der 1928 erschienenen Schrift „Großdeutschland – Großsüdslawien“ des slowenischen Arztes Camillo Morocutti (1893–?), welcher sich für den nationalen Minderheitenschutz europaweit stark machte und sich insbesondere für die deutsche Minderheit in Jugoslawien engagierte. Für Marković war Morocutti wegweisend, da dieser sowohl einen deutsch-österreichischen als auch einen jugoslawisch-bulgarischen staatlichen Zusammenschluss prognostizierte. Laut Morocutti müsse Jugoslawien allein schon deshalb an freundschaftlichen Beziehungen mit dem antizipierten neuen Nachbarn interessiert sein.



Dann leitet Marković über zu dem Reiswitz-Freund Max Fischer, den Marković Gelegenheit hatte persönlich kennenzulernen, und der in seiner publizistischen Tätigkeit in Deutschland und Südslawien stets seiner Zufriedenheit mit der Lage der deutschen Minderheit in Jugoslawien Ausdruck verleihe.



Neben Fischer lobte dann Marković besonders das Wirken Wendels in höchsten Tönen, der herausgestellt habe, in welch parallelen Bahnen sich die deutsche und südslawische Einigung vollzogen habe.



Marković beendete seine Ausführungen dann mit dem Hinweis, dass die deutsche Öffentlichkeit heute, nach anfänglicher Skepsis, dem jugoslawischen Staatswesen wohlgesonnen und auch bereit dazu sei, industrielle und technische Aufbauhilfe zu leisten. Deutschlands Lehrer wirkten bereits überall im Lande.

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 Dazu wären dann sicherlich auch die beiden archäologischen Aufbauhelfer Reiswitz und Unverzagt zu rechnen.



Ein weiterer „Lehrer“ aus Deutschland war der Nachwuchsarchäologe Werner Buttler (1907–1940). Reiswitz selbst bezeichnete ihn als „einen ganz besonders begabten jüngeren Vor-Geschichtler, der als erster seines Faches endlich einmal mit Grabungen auf dem Balkan wirklich ernst gemacht hat“.

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 Buttler hatte 1930 bei Gero von Merhart (1886–1959) promoviert, ebenso wie vier Jahre später Friedrich Holste. Auch Buttler kam in den Genuss des Reisestipendiums des Deutschen Archäologischen Instituts, welches ihm 1932 unter anderem auch einen Jugoslawienaufenthalt ermöglichte. Nachdem Reiswitz und Unverzagt – den Buttler nach Abschluss der Ohridgrabung im dalmatinischen Knin persönlich traf – in Mazedonien Reiswitz’ Gradište erforscht hatten, kartierte Buttler in Norddalmatien ebenfalls Höhenburgen, die hier „gradine“ hießen. Diese schrieb er den Illyrern zu: „Da die meisten unserer Burgen der Latenezeit und der vorausgehenden Hallstattperiode angehören, dürfen wir sie mit einiger Sicherheit für illyrische Stämme in Anspruch nehmen.“

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 Auch er stellte, wie Kossinna und Schuchhardt, eine Verbindung her zur Lausitzer Kultur: So sei „die Lösung der Frage nach der völkischen Zugehörigkeit der Träger der Lausitzer Kultur im weitesten Sinne, an der gerade jetzt von den verschiedensten Seiten gearbeitet wird, nur durch Ausgrabungen im alten Heimatland der Illyrier, auf dem Balkan, zu erbringen. Es handelt sich dabei darum, dort den Ablauf der illyrischen Kulturen schärfer, als wir es bisher können, festzulegen und von der Grundlage dieser neuen Erkenntnisse aus die Verbindung nach Mitteleuropa zu suchen.“

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 Auch im Belgrader Nationalmuseum verbrachte er im Dezember 1932 zwei Tage. Zudem inspizierte er die an der Universität Belgrad aufbewahrte Vinča-Sammlung. Vinča war für Buttler „mit seinen klar greifbaren Beziehungen zur Ägäis vielleicht der wichtigste neolithische Fundplatz des Balkans“.

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 Von Jugoslawien an sich war er recht angetan: „Die Jugoslawen scheinen ihren Staat jetzt ganz gut in Schuß zu haben.“ Er verstand sich durchaus aber nicht nur als Archäologe, sondern vertrat auch politische Absichten. In Slowenien, so schrieb er seinen Eltern am 12.05.32, „verzapfte“ er den Einwohnern von Gottschee (Kočevje) die „Mitteleuropaidee und versuchte ihnen klarzumachen, welch wichtige Rolle sie in einem deutsch beeinflussten Donauraum zu spielen hätten, machte dabei natürlich gegen Frankreich Stimmung.“

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 Am dritten Tag des Frankreichfeldzuges sollte Buttler in Luxemburg fallen, nachdem er ab 1936 als Referent für Bodendenkmalpflege im Reichserziehungsministerium am Entwurf eines reichsweiten „Gesetzes zum Schutz der Kulturdenkmale“ gearbeitet hatte.

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 Nach Jugoslawien kehrte er nur noch einmal, Ende 1933 zurück, ohne allerdings weiter die illyrischen „gradine“ zu studieren.

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Auch die Ohrid-Grabung von Reiswitz und Unverzagt sollte keine weitere Fortsetzung erfahren.

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 Zunächst herrschte noch Optimismus vor, am 11.10.32 teilte Reiswitz seiner Frau mit, dass er einen Rundfunkvortrag über Ohrid halten werde, Unverzagt habe bereits zugestimmt.

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 Am 16.10. dann ließ er sie wissen, dass er nunmehr plane, im Frühjahr 1933 wieder nach Ohrid zu gehen.

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 Doch daraus wurde nichts, wohl auch wegen der neuen politischen Verhältnisse in Deutschland nach der Bildung der Regierung Hitler. Am 22.03., unmittelbar nach dem sogenannten „Tag von Potsdam“, welcher zur Beruhigung der alten Eliten dienen sollte, besuchte Unverzagt Reiswitz in Berlin. Reiswitz war desillusioniert: „Er hat Angst nach Ohrid zu gehen, weil hier dauernd Umsturz in den Ministerien ist und weil so viel gegen ihn intrigiert wird.“ Eine erneute Ohridexkursion wurde also immer unwahrscheinlicher. Am 09.04. erhielt er dann einen Anruf von Unverzagt: Ohrid sollte nun im Herbst des Jahres starten.

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 Reiswitz wurde zunehmend ungeduldig. Seinem Tagebuch vertraute er an: „Ich stehe seit etwa drei Wochen unter einem inneren Zwang, der dauernd und fortgesetzt an Ohrid denkt, der mich treibt meine Vorarbeiten für Ohrid zu beschleunigen und in mir eine unbestimmbare Gewissheit erzeugt, in Ohrid sei etwas los, man komme mir dort in die Quere. Wissenschaftlich sind diese 19 Tage eine einzige rasche Vorbereitung der Abwehr und der Abwehr durch Offensive auf dem illyrischen Kriegsschauplatz.“

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 In jenen Tagen wollte er von Grbić wissen: „Was macht Vulić? War er in diesem Jahre schon in Ohrid?“

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 Den „illyrischen Kriegsschauplatz“ würde er selbst aber in jenem Jahr nicht mehr betreten. Unverzagt gab dem DAI als Grund dafür an, dass seine Grabung in Zantoch vordringlicher gewesen sei.

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 Grbić versuchte Reiswitz etwas zu beruhigen: „Sie können ganz überzeugt sein, dass unsere gemeinsame Arbeit in Ohrid wird gut geprissen “.



Reiswitz aber wurde weiter tief von Ohrid bewegt. Hinzu kam, dass er entgegen seiner Erwartungen nicht an der 5. Studienfahrt deutscher und donauländischer Bodenforscher teilnehmen konnte, die von der Römisch-Germanischen Kommission organisiert wurde, und vom 21.09. bis 01.10.1933 unter anderem nach Vučedol, Belgrad, Vinča, Pančevo, Starčevo, Werschetz und Viminacium führte. Reiswitz fehlte für die Teilnahme – laut Tagebuch – der „finanzielle Mut“

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, wobei er Grbić gegenüber angab, dass er in Berlin eingebunden sei.

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 Hier zeigte sich, dass es für ihn als Nichtarchäologen schwierig war, Anschluss zu finden, da er offensichtlich die finanziellen Mittel für die Reise nicht aufbringen konnte. Somit entging ihm der „große Nutzen … schwer erreichbare Fundstellen unter sachkundiger Führung zu besichtigen und die Probleme der Forschung an Ort und Stelle in regem Gedankenaustausch unter Mitwirkung von Fachgenossen der verschiedensten Disziplinen zu erörtern“.

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 Was ihm blieb vom wissenschaftlichen Diskurs, war eine von Unverzagt, Stanoje Stanojević, Grbić und Abramić geschickte Postkarte: „Belgrad mit allen seinen Genüssen ist jetzt herrlich.“

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 Diese von Unverzagt hingekrakelte Nachricht wird auf Reiswitz wohl kaum stimmungsaufhellend gewirkt haben. Doch sollte das neue Jahr ihm vielleicht endlich die Gelegenheit bieten, Ohrid wiederzusehen?



Am 10.11.33 wandte sich Grbić aufmunternd an Reiswitz und brachte seine Zuversicht zum Ausdruck, dass 1934 Reiswitz in Ohrid mit von der Partie sein würde. Man könne sogar mit einer „Weltsensation“ rechnen: „Die Vorgeschichte Südserbiens ist völlig unbekannt, aber besonders wichtig wegen Südserbiens besonderer Lage zwischen Süd- und Mitteleuropa.“

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 Auch ohne die Illyrer zu erwähnen, mussten diese Zeilen anregend auf Reiswitz wirken.



Am 10.02.34 berichtete Reiswitz hoffnungsfroh über ein Treffen mit Unverzagt. Dieser beabsichtigte nun, im August „unbedingt“ nach Ochrid zu reisen.

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 Zwei Monate später bestätigte sich dieser Plan in einem Brief Unverzagts an Reiswitz. Ohrid sei „auf den Herbst vertagt“, so Unverzagt, und Reiswitz möge über seinen Kontakt zum Bürgermeister von Ohrid dafür sorgen, dass ein Raum des dortigen Gymnasiums für die zu erwartenden „Scherben“ bereitgestellt werde. Doch erneut wurde nichts aus dem Plan.



Wenn Reiswitz schon nicht nach Serbien kommen konnte, so kam zumindest Grbić zu ihm nach Berlin. Vom 24.–26.03.35 weilte dieser in der Reichshauptstadt und traf sich mit Reiswitz und Unverzagt. Reiswitz nutzte die Gelegenheit, auch andere Bekanntschaften wiederaufleben zu lassen: „Endlich haben die letzten drei Tage … wieder das alte solide Band mit den Südslawen straffer gespannt und gefestigt. Das war lange schon nötig und unsere Einladung an Milojević und unser Besuch bei Balugdžić waren die ersten Ansätze. Jetzt aber durch einen Besuch bei Balugdžić am Samstag und durch Grbić ist alles wieder wie früher.“ Auch die Ohridpläne wurden erörtert und Reiswitz ging davon aus, dass im Herbst „bestimmt“ gegraben werden würde.

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 Nach Grbićs Abreise schrieb Reiswitz seiner Frau, dass die Zusammenkünfte mit Unverzagt und Grbić „urgemütlich“ gewesen seien, alles sei „wieder beim alten … als wären wir nicht vor drei!! Jahren sondern erst gestern von Belgrad abgefahren.“ Etwas bitter fügte Reiswitz hinzu, dass die Verköstigung Grbićs ihn 25 Reichsmark gekostet habe.

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Seine gute Laune hielt allerdings nicht an. Am 17.08.35 klagte Reiswitz in einem Brief an Unverzagt über sein „Fernweh nach Ohrid“

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, welches aber auch in diesem Jahr nicht erfüllt werden sollte, wie ihm Unverzagt am 21.08. mitteilte.

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Doch am selben Tag witterte Reiswitz noch eine weitere Möglichkeit, Ohrid zumindest etwas näher zu kommen. Er fragte bei Grbić an, ob es nicht möglich sei, an der „Studienreise Donauländischer Forscher“ vom 03.–14.09.35 nach Slowenien teilzunehmen, da er nun schon drei Jahre nicht in seinem „lieben Jugoslavien“ gewesen sei, und er als „Historiker die Verbindung mit der Frühgeschichte unseres Spezialraumes unbedingt aufrecht erhalten“ müsse.

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 Grbić nannte ihm daraufhin Balduin Saria (1893–1974) als Ansprechpartner, welcher als außerordentlicher Professor für Altertumskunde an der Universität in Laibach wirkte.

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 Reiswitz setzte sich sofort mit Saria in Verbindung und fragte an, ob eine kurzfristige Teilnahme noch möglich sei. Er sei zwar „nur Historiker, doch … seit Jahren an der Vor- und Frühgeschichtsforschung innerhalb meines speziellen Studiengebietes, des Donau Raumes und der Balkan-Halbinsel“ interessiert. Erläuternd fügte Reiswitz hinzu: „Vielleicht ist Ihnen mein Name schon von den Grabungen auf ‚Gradište’ … am Ohrida-See bekannt.“

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 Saria scheint ihm eine positive Antwort gesendet zu haben, doch musste Reiswitz am 02.09. einen Rückzieher machen, da er die für die Auslandsreise nötigen Devisen nicht beschaffen konnte.

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 Einen Tag später schon wandte Reiswitz sich an Grbić mit einem Plan B. Er teilte ihm mit, dass er beabsichtige, nun im Herbst des Jahres nach Jugoslawien zu reisen, um „nicht alle Verbindungen mit der lebendigen Wissenschaft“ zu verlieren. Namentlich hob er Slobodan Jovanović, Vladimir Ćorović und Petković hervor, mit denen er „ausführlich“ sprechen wolle. Wäre es möglich, so Reiswitz, dass er sich zur Devisenabdeckung seines Jugoslawienbesuches von Grbić in Belgrad 6.000 Dinar leihen könnte? Im Gegenzug würde Reiswitz ihm diesen Betrag in Reichsmark zurückgeben, wann auch immer Grbić das nächste Mal in Berlin sein würde.

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 Grbić lehnte dies dann allerdings ab, da er bei seinem nächsten Berlinaufenthalt ein deutsches Stipendium erhalten sollte, sodass er den Reichsmark-Gegenwert der 6.000 Dinar nicht benötigen würde.

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Nach diesen Enttäuschungen erhielt Reiswitz im Dezember 1935 von Unverzagt zumindest die Zusicherung, dass „er bestimmt nicht ohne mich jemals nach Ohrid“ fahren würde. Unverzagt teilte ihm ebenfalls mit, dass der DAI-Präsident auf dem Tandem Reiswitz-Unverzagt bestehe und dass der nächste Grabungsgang im April 1936 stattfinden werde.

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Doch erst im Dezember 1936 stellte Unverzagt beim DAI den Antrag, die Ohridgrabung im Frühjahr 1937 fortzusetzen, bislang sei er durch aufgrund „dringender Untersuchungen auf deutschem Boden verhindert gewesen“. Er unterstrich sein Begehren am Ende mit dem Hinweis, dass es den „schlechtesten Eindrück“ machen würde, „und die in so glücklicherweise begonnene Zusammenarbeit zwischen der deutschen und jugoslawischen Vorgeschichtswissenschaft gefährden“ würde, „wenn wir die Burg in halbausgegrabenem Zustande liegen lassen würden.“

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 Der Brief lässt darauf schließen, dass Unverzagt tatsächlich bis zu diesem Zeitpunkt untätig geblieben war und Reiswitz lediglich hingehalten hatte. In seinem Antrag erwähnte er Reiswitz mit keinem Wort, was sein Versprechen, nicht ohne Reiswitz nach Ohrid zu fahren, wenig glaubwürdig erscheinen lässt.



Am 17.01.1937 leitete der nach dem Tode Wiegands am 19.12.1936 frischgebackene Präsident des DAI, Martin Schede (1883–1947), den Antrag Unverzagts befürwortend an das Auswärtige Amt weiter.

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 Einen Monat später äußerte sich der deutsche Gesandte in Belgrad, Viktor von Heeren, ebenso in positivem Sinne und pflichtete dem DAI bei, dass „die Beendigung der einmal begonnenen Ausgrabungen und Untersuchungen im Interesse des Ansehens der deutschen Wissenschaft und zur Förderung enger Zusammenarbeit mit der jugoslavischen Wissenschaft dringend erwünscht erscheint.“ Er habe zudem festgestellt, dass die Grabungsfortsetzung „auch von den jugoslawischen Stellen begrüßt werde“.

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 Hier allerdings irrte der deutsche Diplomat. Am 20.07.37 schrieb der neue Direktor des Nationalmuseums, Milan Kašanin, an Unverzagt, dankte für die deutsche Bereitschaft, den Jugoslawen behilflich zu sein, bat hingegen um Verständnis dafür, dass 1937 keine Ohrid-Grabung stattfinden werde, da das Museum mit „einer Menge von inneren Arbeiten“ überhäuft sei, und keinen der Kustoden entbehren könne.

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Dies konnten die deutschen Stellen natürlich nicht ahnen, und so zog sich der Antragsvorgang in Berlin über mehrere Stellen und Monate hin, bis am 24.07., als die Absage aus Belgrad vielleicht noch auf dem Postweg war, die Reichsstelle für Devisenbewirtschaftung nun auch deutscherseits einen Schlusstrich setzte. Der „Kontostand im deutsch-jugoslawischen Verrechnungsverkehr“ sei zur Zeit „außerordentlich ungünstig“ und von daher müssten die „Ausgrabungen im Gebiete des Ochrida-Sees“, für die Unverzagt bereits seine Urlaubsgenehmigung bei voller Weiterzahlung seiner Dienstbezüge für den September und Oktober des Jahres bekommen hatte,

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 um mindestens sechs Monate verschoben werden.

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Am 07.02.1938 startete Unverzagt einen weiteren Versuch und fragte Kašanin, ob Grbić im April und Mai freigestellt werden könnte für Ohrid.

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 In seiner Antwort verneinte Kašanin dies mit Blick auf eine „grosse Ausstellung ital. Porträts“

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, für welche Grbić in dieser Zeit benötigt werde, woraufhin am 12.03.38 Unverzagt nun darum bat, Grbić im September und Oktober abzustellen.

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 Erst im Juli erhielt Unverzagt dann eine Antwort. Über Grbić könne nicht verfügt werden, aber Unverzagt könne gerne einen der „zwei Herren aus Beograd Novaković und Stojković“

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 haben, die sich im Moment in Berlin „auf archäologischen Studien“ befänden und über Ausgrabungserfahrung unter Anleitung von Grbić verfügten.

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Während 1937 beide Seiten nicht in der Lage waren, die Grabungen fortzuführen, so lag es 1938 an der deutschen Vertragspartei. Am 18.07. musste Unverzagt Kašanin mitteilen, dass die herbstliche Zusammenarbeit nun doch nicht zustande kömmen könne, da einerseits eigene Grabungen an der mittleren Oder und andererseits die für September anvisierte Sitzung des „Permanenten Ausschuss des Intenationalen Kongresses für Vor- und Frühgeschichte“ im Wege stünden.

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 Im neuen Jahr sei man aber gerne bereit, auf die Herren Novaković und Stojković zurückzugreifen, falls Grbić erneut unabkömmlich sei. Beide hätten bis dahin die Gelegenheit, bei Grabungen in Deutschland – vor allem in der von Unverzagt betreuten in Lebus – die „deu

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