Loe raamatut: «Reform oder Blockade», lehekülg 3

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Agenda 2030, mehr Geld und eine ständige UNO-Truppe

Unter den vielen Einzelmaßnahmen aus Annans Reformplan waren und sind auch weiterhin drei von zentraler Bedeutung für die künftige Handlungsfähigkeit der UNO: die Umsetzung der Agenda 21 für eine gerechte globale Entwicklung, eine ausreichende und verlässliche Finanzierung des UNO-Systems sowie die Schaffung von UNO-eigenen Polizei- oder Militäreinheiten.

Die Agenda 21 für eine gerechte globale Entwicklung war aus den Ergebnissen der acht großen UNO-Weltkonferenzen der neunziger Jahre hervorgegangen. Zu ihrer Umsetzung hatte die Generalversammlung im Herbst 2000 die »Acht Millenniumsziele zur Halbierung der weltweiten Armut bis zum Jahr 2015« beschlossen. Diese Ziele wurden zum Teil erreicht.

Nachfolger der »Millenniumsziele« ist die im September 2015 von einem UNO-Gipfel verabschiedete »Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung«. Sie versteht sich gemäß ihrer Präambel als ein globaler »Aktionsplan für die Menschen, den Planeten und den Wohlstand«, der den universellen Frieden in größerer Freiheit festigen möchte. Kernelement der Agenda 2030 sind die siebzehn Ziele für nachhaltige Entwicklung, die im Rahmen des Aktionsplans über 160 konkrete und überprüfbare Maßnahmen und Zielsetzungen für eine nachhaltigere Entwicklung vorgeben.

Die Agenda 2030 steht unter dem Titel »Transformation unserer Welt« und verdeutlicht somit den Anspruch, grundlegende Veränderungen hin zu einer nachhaltigen Welt voranzutreiben. So strebt die Agenda 2030 zwar weltweite Entwicklungen an, beispielsweise um Menschen aus Armut und Hunger zu befreien oder sie durch gute Arbeitsplätze an Wohlstand teilhaben zu lassen, möchte diese jedoch in nachhaltige Bahnen lenken. Grundvorstellung der Agenda 2030 ist, dass eine nachhaltige Entwicklung und wahres Wohlergehen jenseits von reinem materiellem und finanziellem Wohlstand nur dann möglich sind, wenn Umwelt und Klima geschützt und erhalten werden und alle Menschen gleichberechtigt sind und nicht ausgebeutet werden. Entwicklung darf und kann nicht auf Kosten des Planeten oder der Lebensumstände anderer Menschen und anderer Gesellschaften geschehen.

Dabei verfolgt die Agenda 2030 einen universellen Anspruch, der nicht nur die armen Länder des globalen Südens, sondern ausnahmslos alle Staaten der Welt zu »Entwicklungsländern« mit Nachholbedarf erklärt, ausdrücklich auch die Industriestaaten, die eine besondere Verantwortung tragen, weil ihre Wirtschaftsweise oft auf der Ausbeutung anderer Regionen aufbaut. Die Agenda 2030 benennt Maßnahmen, wie die Industriestaaten ihre Politik in den Bereichen Energie, Umwelt, Verkehr, Warenproduktion, Handel nachhaltiger gestalten könnten.

Um den Umsetzungsstand der Agenda 2030 zu beurteilen, sind alle Mitgliedstaaten aufgefordert, regelmäßig umfassende Überprüfungen der Fortschritte auf nationaler und subnationaler Ebene durchzuführen.2

Mit welchen konkreten Maßnahmen die siebzehn Ziele der Agenda bis zum Jahr 2030 umgesetzt werden könnten, ist sehr detailliert und anschaulich in der Broschüre »Gut leben global« beschrieben, die die deutsche Sektion von Terre des hommes und die Nichtregierungsorganisation Global Policy Forum veröffentlicht haben.3

Fünf Jahre nach Verabschiedung der Agenda 2030 hat das Global Policy Forum im Dezember 2020 zudem eine erste, sehr gemischt ausfallende Zwischenbilanz vorgelegt unter dem Titel »Agenda 2030. Wo steht die Welt? Fünf Jahre SDGs« vorgelegt.4

Zu wenig Geld für immer mehr Aufgaben

Die UNO ist – entgegen manch feindlicher Propaganda insbesondere in ihrem bislang gewichtigsten Mitgliedstaat USA – keine Weltregierung. Sie verfügt weder über eine eigene Flotte schwarzer Hubschrauber, noch hat sie eine Notenbank und kann sich eigenes Geld drucken. Die UNO darf sich noch nicht einmal Geld bei Banken leihen oder Kredite aufnehmen. Jeder Cent, der für die vielfältigen Ausgaben des weltweiten UNO-Systems ausgegeben wird, muss zunächst von den Mitgliedstaaten bereitgestellt werden.

Wäre die UNO ein kommerzielles Unternehmen, hätte sie bereits vor einem Vierteljahrhundert Bankrott anmelden müssen. Ende 1994 fehlten in der UNO-Kasse 3,2 Milliarden Dollar. Durch die umfangreichen militärischen Friedensmissionen in Exjugoslawien, Kambodscha und Somalia mit insgesamt über 150’000 Blauhelmsoldaten waren die Kosten für Peacekeeping-Operationen der UNO in den ersten vier Jahren nach Ende des Kalten Krieges fast um das Zehnfache gestiegen. Zugleich war die Zahlungsmoral der damals 184 Mitgliedstaaten auf einem historischen Tiefpunkt. Lediglich 56 Staaten hatten ihre Beiträge für 1994 voll bezahlt. Seitdem haben die globalen Herausforderungen an das UNO-System und seine von den Mitgliedstaaten beschlossenen Aufgaben und Aktivitäten noch erheblich zugenommen – und damit auch die Kosten. Mit dem bisherigen Finanzierungsmodell für die UNO lassen sich diese Kosten nicht mehr decken. Es bedarf auch hier einer grundlegenden Reform.

Humanitäre Überlebenshilfen müssen eingestellt werden

Die UNO sowie ihre Sonderorganisationen und Spezialprogramme erhalten von ihren Mitgliedstaaten viel zu wenig Geld, um den Auftrag der Charta von 1945 und die vielen Aufgaben zu erfüllen, die die Mitglieder in den letzten 75 Jahren beschlossen haben. Wobei die Herausforderungen an die Weltorganisation und die zu ihrer Bewältigung erforderlichen Finanzmittel im letzten Vierteljahrhundert seit Ende des Kalten Krieges besonders stark gestiegen sind. Bereits 2014 – einem Jahr mit vielen andauernden und neuen Gewaltkonflikten – zeigte sich die Finanznot auf bis dato nicht gekannte dramatische Weise. Sogar die humanitäre Überlebenshilfe der zuständigen UNO-Organisationen für Opfer von Kriegen und Naturkatastrophen war nicht mehr gewährleistet. Häufiger und in größerem Umfang als je zuvor mussten das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (United Nations High Commissioner for Refugees, UNHCR) und das Welternährungsprogramm (World Food Programme, WFP) die Nahrungsmittelhilfen für bedürftige Menschen kürzen oder gar ganz streichen.

Wegen ausbleibender Finanzmittel von den Mitgliedstaaten sahen sich das UNHCR und das WFP zum 1. November 2014 zunächst gezwungen, die Nahrungsmittelhilfe für 1,7 Millionen registrierte syrische Flüchtlinge in den Nachbarländern Jordanien, Libanon, Irak, Türkei und Ägypten um ein Drittel zu kürzen. Der mit dieser Maßnahme verbundene dringende Appell an die Mitgliedstaaten, mehr Geld zu überweisen, fruchtete wenig. Der damalige UNO-Hochkommissar für Flüchtlinge und heutige UNO-Generalsekretär Antonio Guterres kehrte von seinen mehrfachen Bettelreisen im Herbst 2014 nach Berlin, Paris, London und anderen Hauptstädten jeweils mit leeren Händen nach Genf zurück. Daraufhin mussten UNHCR und WFP die Ausgabe von Lebensmittelgutscheinen an die 1,7 Millionen Flüchtlinge zum 1. Dezember 2014 einstellen. Mit diesen Gutscheinen konnten die Flüchtlinge in den lokalen Läden ihrer Fluchtorte Lebensmittel einkaufen. Bis zum 1. Dezember waren über dieses Gutscheinprogramm rund 800 Millionen US-Dollar in die Wirtschaft der fünf Hauptaufnahmeländer für syrische Flüchtlinge geflossen. Nur dank einer über Twitter und Facebook lancierten Spendenkampagne – ein bisher einmaliger Vorgang in der Geschichte der Finanzierung von UNO-Maßnahmen – gelang es dem WFP, 80 Millionen US-Dollar einzusammeln. Damit war die Wiederaufnahme und Fortsetzung des Gutscheinprogramms erst einmal bis Mitte Januar 2015 möglich.

Diese dramatische Finanzkrise von UNHCR und WFP in der zweiten Jahreshälfte 2014 war der Grund, warum bereits ab Dezember 2014 die Zahl syrischer Flüchtlinge, die nach Europa kamen, signifikant anstieg, und nicht erst die »Wir schaffen das«-Rede der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel vom 31. August 2015, wie viele Kritiker und Gegner ihrer Flüchtlingspolitik wider alle Fakten bis heute behaupten. 90 Prozent der syrischen Flüchtlinge, die ab Dezember 2014 in immer größeren Zahlen nach Deutschland und in andere EU-Staaten kamen, waren nicht unmittelbar aus Syrien geflohen. Sie kamen aus den Flüchtlingslagern in Syriens Nachbarstaaten, weil dort ihre Versorgung mit überlebenswichtigen Gütern nicht mehr gewährleistet war.

Bereits zum 1. Juli 2014 hatten UNHCR und WFP die täglichen Nahrungsmittelrationen für zunächst 800’000 Flüchtlinge in der Zentralafrikanischen Republik und fünf weiteren afrikanischen Staaten um durchschnittlich ein Drittel kürzen müssen – von 2100 Kalorien auf 1400. Das war ein bisher einmaliges Vorgehen in der Geschichte der humanitären UN-Organisationen seit 1945. Ein dringender Hilfsappell von UNHCR und WFP an die 193 UNO-Staaten zur schnellen Bereitstellung von 189 Millionen US-Dollar zur Wiederaufstockung der Nahrungsmittelhilfe für die afrikanischen Flüchtlinge erreichte sein Ziel nicht.

Die Zahl der Menschen, die von Kriegen und anderen Gewaltkonflikten betroffen sind, von Hungerkrisen und Seuchen wie Ebola und aktuell seit 2020 der Corona-Pandemie oder von – zunehmend auch durch den Klimawandel ausgelösten – Naturkatastrophen, ist seit Beginn des Jahrtausends stärker angewachsen als in den vorherigen 55Jahren der UNO-Geschichte. So hat sich die Zahl der vom UNHCR weltweit registrierten Flüchtlinge seit 2000 von damals rund 27 Millionen bis Ende 2014 auf über 50 Millionen fast verdoppelt. Bis Ende 2020 war die Zahl der Flüchtlinge auf 80 Millionen angestiegen.

Seit dem extremen Krisenjahr 2014 hat sich die Schere zwischen den für die humanitäre Versorgung der betroffenen Menschen erforderlichen Finanzmitteln und den Beträgen, die die Mitgliedstaaten für diesen Zweck tatsächlich zur Verfügung stellen, noch weiter geöffnet. Noch im Herbst 2020 fehlten dem UNHCR 50 Prozent der für dieses Jahr benötigen Haushaltsmittel.

Verschärfend kommt hinzu, dass manche Mitgliedstaaten die von ihnen zunächst zugesagten Mittel überhaupt nicht, nicht vollständig oder nur mit großer Verspätung an das UNHCR überweisen. Diese Diskrepanz zwischen Zusagen der Mitgliedstaaten und tatsächlich gezahlten Geldern erleben auch andere humanitäre Organisationen wie das UNO-Kinderhilfswerk (United Nations Childrens Fund, UNICEF) und das UNO-Entwicklungsprogramm (United Nations Development Programme, UNDP), auch das Genfer Büro der UNO zur Koordinierung humanitärer Maßnahmen (Office for the Coordination of Humanitarian Affairs, OCHA) häufig. Ein besonders dramatisches Beispiel geschah 2015. Das UN-Hilfswerk für die Palästinenser (UNRWA) musste Ende Januar den Wiederaufbau der im Gazakrieg vom Sommer 2014 durch israelische Luftangriffe zerstörten Wohnungen von über 100’000 Menschen und anderer lebenswichtiger Infrastruktur abbrechen. Auf einer vom OCHA organisierten Geberkonferenz im Oktober 2014 hatten die Teilnehmerstaaten zwar 4,3 Milliarden US-Dollar zur Finanzierung der Wiederaufbaumaßnahmen im Gazastreifen zugesagt. Doch bis Ende Januar 2015 wurde nur ein Bruchteil der versprochenen Gelder an die Kasse von OCHA überwiesen.

Seit die USA im September 2019 ihre Beitragszahlungen an die UN-WRA völlig eingestellt haben, hat sich die Finanzkrise weiter verschärft.

Fast 250 Dollar pro Erdbewohner für Rüstung und Militär, aber nur sieben Dollar für die UNO

Die wachsende Deckungslücke bei den Haushalten der humanitären Organisationen der UNO mit all ihren unmittelbaren negativen Auswirkungen für viele Millionen hilfs- und versorgungsbedürftige Menschen unterstreicht zwei grundsätzliche Probleme der Finanzierung des UNO-Systems, die sich seit Ende des Kalten Krieges erheblich zugespitzt haben. Die allermeisten Mitgliedstaaten sind nicht bereit, der Arbeit des UNO-Systems grundsätzlich größere Priorität einzuräumen und entsprechend mehr Finanzmittel bereitzustellen. Das zweite Problem ist die bisherige Finanzierungsstruktur des UNO-Systems. Nur ein sehr geringer Teil seiner jährlichen Haushaltsmittel wird durch völkerrechtlich verbindliche Pflichtbeiträge der Mitgliedstaaten aufgebracht. Der weitaus größte Teil der Haushaltsmittel kommt aus freiwilligen Beiträgen der Staaten. Diese Finanzstruktur beeinträchtigt die Planungssicherheit für die Arbeit der UNO und erlaubt es einzelnen Staaten, durch die Gewährung beziehungsweise die Verweigerung freiwilliger Beiträge, in oftmals problematischer Weise die Arbeit der UNO entsprechend ihrer jeweiligen nationalen Interessen zu steuern.

Im Jahr 2019 gaben die 193 UNO-Mitgliedstaaten laut dem Stockholmer Institut für Friedensforschung (SIPRI) knapp 1,92 Billionen US-Dollar (1920 Milliarden) für Rüstung und militärisches Personal aus. Das war inflationsbereinigt die höchste Summe seit Ende des Kalten Krieges. Allein zwischen 2018 und 2019 stiegen die weltweiten Militärausgaben um 3,8 Prozent, der größte Zuwachs seit 2010. 1,92 Billionen US-Dollar waren 2,3 Prozent des weltweiten Bruttoinlandproduktes (BIP) von 87,55 Billionen US-Dollar oder 248 US-Dollar pro Kopf der 7,71 Milliarden Menschen, die Ende 2019 auf der Erde lebten. Für das gesamte UNO-System hatten die 193 Mitgliedstaaten 2019 jedoch lediglich rund 53 Milliarden US-Dollar übrig, 0,065 Prozent des weltweiten BIP, weniger als sieben US-Dollar pro Erdbewohner.

Der SIPRI-Bericht für das Jahr 2020 lag bei Redaktionsschluss dieses Buches noch nicht vor, doch nach einer Übersicht über die nationalen Haushalte der 193 UNO-Staaten dürften die globalen Militärausgaben auch 2020 weiter angestiegen sein. Und die bis Ende Dezember 2020 bereits verabschiedeten Militärbudgets der USA, Russlands, Chinas, Deutschlands und anderer Länder für 2021, die alle zum Teil deutliche Steigerungen aufweisen, lassen eine Fortsetzung dieses Negativtrends erwarten. Zugleich wird die UNO 2021 und wahrscheinlich auch in den Folgejahren mehr Geld als je zuvor benötigen, vor allem wegen der dramatischen humanitären Auswirkungen der Corona-Pandemie. Bereits bis Ende 2020 stieg die Zahl der weltweit Hungernden auf über 800 Millionen. Das Genfer Koordinationsbüro für humanitäre Angelegenheit der UNO (OCHA) erwartet, dass 2021 mehr Menschen auf humanitäre Überlebenshilfe und Unterstützung angewiesen sein werden als je zuvor.

Die Finanzierungsstruktur des UNO-Systems beruht auf den folgenden vier Säulen.

Regulärer Haushalt der UNO

Der »reguläre« oder auch »ordentliche Haushalt« der UNO wird von der Generalversammlung in New York für jeweils zwei Jahre beschlossen und durch verbindlich festgelegte prozentuale Pflichtbeiträge der Mitgliedstaaten finanziert. Aus diesem Haushalt werden die Betriebs-, Personal- und Programmkosten der Organe der fünf Kerninstitutionen der UNO bestritten. Das sind das Generalsekretariat, die Generalversammlung, der Sicherheitsrat, der Internationale Gerichtshof und der Wirtschafts- und Sozialrat (Economic and Social Council, ECOSOC) nebst den von ihm koordinierten Spezialprogrammen und Regionalbüros.

Laut Artikel 17 der UNO-Charta muss der reguläre Haushalt von sämtlichen Mitgliedstaaten nach einem von der Generalversammlung festzulegenden Verteilungsschlüssel finanziert werden. Ein Mitglied verliert sein Stimmrecht in der Generalversammlung, wenn es mit der Zahlung seiner finanziellen Beiträge für zwei Jahre im Rückstand ist (Artikel 19 der UNO-Charta).

Die prozentualen Pflichtbeiträge der Mitgliedstaaten zum regulären Haushalt werden alle drei Jahre neu festgelegt. Der Beitragsschlüssel orientiert sich an der relativen Zahlungsfähigkeit der Mitgliedstaaten. Als wichtigster Maßstab hierfür gilt das Bruttonationaleinkommen eines Landes, wobei die Werte der letzten sechs Jahre in die Berechnung einfließen. Für Länder mit hoher Außenverschuldung und/oder niedrigem Pro-Kopf-Einkommen errechnen sich zum Teil hohe Abschläge auf den Beitragssatz, die bei den Industrieländern zu entsprechenden Zuschlägen auf den Beitragssatz führen. Der minimale Beitragssatz für die ärmsten oder kleinsten Länder liegt bei 0,001 Prozent.

Am oberen Ende der Beitragsskala lagen seit UNO-Gründung immer die USA mit einem damals festgesetzten Anteil von 25 Prozent am regulären Haushalt und weitem Abstand zu den nächstgroßen Beitragszahlern. Bereits bei der Gründungsversammlung der UNO 1945 in San Francisco hatte sich Schweden vergeblich dafür eingesetzt, den Pflichtanteil eines Mitgliedslandes am regulären UNO-Haushalt durch eine entsprechende Charta-Bestimmung grundsätzlich auf maximal 10 Prozent zu begrenzen, um die finanzielle Erpressbarkeit der Weltorganisation und ihre daraus folgende politische Abhängigkeit von einigen wenigen wirtschaftlich starken Ländern zu verhindern.

Im Jahr 2002 beschloss die Generalversammlung auf Druck aus Washington für den Beitragssatz der USA eine Kappungsgrenze von 22 Prozent. Damit liegen die USA allerdings inzwischen seit achtzehn Jahren unter dem Beitragssatz, den sie auf Grund ihres Bruttonationalprodukts und der übrigen für die Bemessung gültigen Kriterien bezahlen müssten.

Die derzeit geltende Beitragsskala für die Jahre 2019 bis 2021 wurde im Dezember 2018 von der UNO-Generalversammlung verabschiedet. Danach tragen die vier größten Beitragszahler USA (22 Prozent), China (12 Prozent), Japan (8,6 Prozent) und Deutschland (6,1 Prozent) zusammen 49 Prozent des regulären Haushalts der UNO. Die auf den Rängen sechs bis zehn nachfolgenden Länder Großbritannien, Frankreich, Italien, Brasilien, Kanada und Russland kommen für weitere 20 Prozent auf. Die Schweiz steht mit einem Anteil von 1,05 Prozent auf Platz siebzehn der Beitragsskala.

Budget für die UNO-Friedensoperationen

Zusätzlich zum regulären Haushalt der Vereinten Nationen leisten die Mitgliedstaaten Pflichtbeiträge zur Finanzierung der Friedensoperationen mit bewaffneten Blauhelmsoldaten oder unbewaffneten Militärbeobachtern (Blaumützen). Für diese Friedensoperationen gilt ein modifizierter Verteilungsschlüssel, der die Mitgliedstaaten in zehn verschiedene Ländergruppen einteilt und Entwicklungsländern mit niedrigem Pro-Kopf-Einkommen zusätzliche Abschläge einräumt. Deren Kosten werden von den fünf ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrats als Zuschlag auf deren Basisbeitragssätze getragen. Darin kommt auch die besondere politische Verantwortung der ständigen Mitglieder des UNO-Sicherheitsrats für die Erhaltung von Frieden und Sicherheit zum Ausdruck.

Für die USA galt auch hier ursprünglich ein fester Beitragsanteil in Höhe von 30 Prozent. In den neunziger Jahren setzte Washington zunächst eine Absenkung auf 25 Prozent durch, die unter der Obama-Administration zeitweise auf über 27,8 Prozent erhöht wurde. Die Trump-Adminsitration senkte den Beitrag wieder auf 25 Prozent. Auch die andern vier ständigen Ratsmitglieder Frankreich, Großbritannien, China und Russland entrichten prozentual höhere Pflichtbeiträge an dieses Budget als an den regulären UNO-Haushalt. Da Anzahl und Dauer der Friedensoperationen schwanken und derartige Einsätze nicht langfristig planbar sind, variieren das Budget und die von den Mitgliedstaaten zu entrichtenden Beiträge stärker als der reguläre UNO-Haushalt und dessen prozentuale Pflichtanteile. Aus diesem Grund wird das Budget für die Friedensmissionen auch immer nur für ein Jahr beschlossen.

Budgets der Strafgerichtshöfe für Ex-Jugoslawien und Ruanda

Über je eigene reguläre Haushalte verfügten die vom Sicherheitsrat 1993/94 etablierten Internationalen Strafgerichtshöfe für Ruanda und für das ehemalige Jugoslawien, die ihre Arbeit 2014 beziehungsweise Ende 2017 beendeten. Die Beitragszahlungen wurden je zur Hälfte nach der Skala für den regulären UNO-Haushalt und derjenigen für Friedensoperationen erhoben.

Haushalte der Sonderorganisationen und der Spezialprogramme des UNO-Systems

Die achtzehn Sonderorganisationen des UNO-Systems sind rechtlich, organisatorisch und finanziell selbständige internationale Organisationen, die gemäß Artikel 63 der UNO-Charta durch völkerrechtliche Verträge mit der UNO verbunden sind. Die Zusammenarbeit dieser Organisationen mit den Vereinten Nationen und auch untereinander wird durch den Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC) koordiniert. Daher finanzieren sich diese Sonderorganisationen auch autonom von der UNO durch Pflichtbeiträge und freiwillige Zahlungen ihrer jeweiligen Mitgliedstaaten, die auch den jährlichen oder zweijährlichen Haushalt der Organisationen beschließen.

Die achtzehn Sonderorganisationen des UNO-Systems

a) Technische Organisationen

–Weltpostverein (WPV, engl. UPU) in Bern (Schweiz)

–Weltorganisation für Meteorologie (WMO) in Genf (Schweiz)

–Internationale Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) in Montréal (Kanada)

–Internationale Seeschifffahrts-Organisation (IMO) in London (Großbritannien)

–Internationale Fernmeldeunion (ITU) in Genf (Schweiz)

b) Sozialer, kultureller und humanitärer Bereich

–Internationale Arbeitsorganisation (IAO, engl. ILO) in Genf (Schweiz)

–Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf (Schweiz)

–Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) in Paris (Frankreich)

–Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung (UNIDO) in Wien (Österreich)

–Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) in Rom (Italien)

–Weltorganisation für Tourismus (UNWTO) in Madrid (Spanien)

–Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) in Genf (Schweiz)

c) Finanzorganisationen

–Internationaler Währungsfonds (IWF) in Washington D.C. (USA)

–Weltbank-Gruppe in Washington D.C. (USA)

–Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (IBRD)

–Internationale Entwicklungsorganisation (IDA)

–Internationale Finanz-Corporation (IFC)

–Internationaler Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung (IFAD) in Rom (Italien)

Bei allen achtzehn Sonderorganisationen machen die freiwilligen Zahlungen der Mitgliedstaaten einen weit größeren Anteil der Finanzierung aus als die Pflichtbeiträge.

Dasselbe gilt für die dreizehn Spezialprogramme und Fonds der Vereinten Nationen wie das Umweltprogramm (UNEP), das Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR), das Kinderhilfswerk (UNICEF) und das Welternährungsprogramm (WFP) und das Entwicklungsprogramm (UNDP). Diese Spezialprogramme und Fonds sind im Unterschied zu den achtzehn Sonderorganisationen zwar nicht rechtlich unabhängig von der UNO, doch ihre Arbeit wird nur zu einem sehr geringen Teil aus dem regulären UNO-Haushalt finanziert und ist zu über 90 Prozent abhängig von freiwilligen Beiträgen der 193 UNO-Mitgliedsländer.

Von den insgesamt rund 53 Milliarden US-Dollar, die für die Finanzierung aller Aktivitäten des weltweiten UNO-Systems 2019 budgetiert wurden, sollten lediglich knapp 40 Prozent durch völkerrechtlich verbindliche Pflichtbeiträge erbracht werden. Der größere Anteil von 60 Prozent war abhängig von freiwilligen Beiträgen der Mitgliedstaaten. Dieses Verhältnis hat sich in den dreißig Jahren seit Ende des Kalten Krieges, in denen sich die Gesamtkosten des UNO-Systems wegen der ständig gestiegenen Anforderungen von 10 auf 53 Milliarden Dollar erhöhten, immer stärker zuungunsten der Pflichtbeiträge verschoben. Das ist eine sehr unsolide Finanzierungsstruktur. Denn sie führt zu immer größerer Abhängigkeit des UNO-Systems von kurzfristigen Interessen und Entscheidungen der Mitgliedsländer und macht eine verlässliche längerfristige Planung immer weniger möglich.

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