Zwischen Hoffen und Zerbrechen - Ist mein Partner ein Narzisst?

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Autor:
Loe katkendit
Märgi loetuks
Kuidas lugeda raamatut pärast ostmist
Zwischen Hoffen und Zerbrechen - Ist mein Partner ein Narzisst?
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Anita B.

Zwischen Hoffen und Zerbrechen - Ist mein Partner ein Narzisst?

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Prolog

John kommt nach Hause

Völlig ausgelaugt und doch wahnsinnig glücklich

John muss beruflich wieder bei null anfangen

Fußmarsch um den Starnberger See

Meine Elternzeit geht zu Ende

Gemeinsame Zeit in Garmisch

Johns erste Dienstreise

Unsere erste Zeitschrift kommt raus

Mein Spontanbesuch bei Linda

Unser Heft ist im Handel – Reaktionen, Likes und Statistiken

Sponsor der Secret Fashion Show

Die Kosten steigen

Enttäuschung an Weihnachten

Arzttermine

Gefühlschaos

Berlin Fashion Week – Wir sind dabei

Auf und ab – Immer dieser ständige Wechsel

Erleichterung

Johns ganz großer Coup

Ich würde niemals etwas tun, was euch schadet

Noch mehr Reisen und Termine

Der gefeierte Star in Salzburg

Eine Auszeit? Warum?

Neuanfang

Eine Lüge jagt die Nächste

Es ist doch mein Geburtstag…

John hat mich in der Hand

Ein Wahnsinn jagt den nächsten

Die Geburt rückt unaufhaltsam näher

Gemeinsame Zeit im Krankenhaus

Zu Hause mit dem Baby

Ein urplötzlicher Wandel

Der Verkauf der Anteile steht bevor

Der Verkauf verzögert sich ins Unerträgliche

Ist mein Partner ein Narzisst?

Das lange Warten nimmt kein Ende

Sorgen um Felix

Johns zermürbende Hinhaltetaktik

Jetzt auch noch ein Gerichtstermin

Ich dachte, mich kann nichts mehr schocken

Vor Gericht

Lottas Termine

Epilog

Impressum neobooks

Prolog

Endlich geschafft! Zwei Jahre habe ich auf diesen Tag gewartet. In dieser Zeit tat ich alles dafür, John das Leben im Gefängnis so angenehm wie möglich zu machen. Verliebt wie nie zuvor, hatte ich binnen kürzester Zeit mein Leben komplett auf seinen Zeitplan abgestimmt. Dreimal im Monat besuchte ich ihn in der zweihundert Kilometer entfernten Justizvollzugsanstalt, schrieb ihm täglich Briefe und unterstützte John auch finanziell.

Zwei Jahre habe ich ihn vermisst, wie ich noch nie in meinem Leben einen Menschen vermisst habe. Zahlreiche unerwartete Rückschläge machten das Ganze nicht einfacher. Stets musste ich allein damit fertig werden. Es war eine Zeit, in der ich fortwährend unter Strom stand, um Johns Wünsche und die meiner beiden noch kleinen Jungs unter einen Hut zu bringen.

Mehrfach am Ende meiner Kräfte, hatte ich die ganze Zeit nur ein Ziel vor Augen – meine kleine glückliche Familie. John wusste mir dieses Gefühl in jedem Brief zu bestätigen und bei jedem Treffen letzte Zweifel zu beseitigen. Alles fühlte sich so richtig an.

John kommt nach Hause

Heute ist es nun so weit, der Tag an dem uns nichts und niemand mehr trennen kann. In ein paar Stunden wird er entlassen. Endlich keine Vorschriften mehr, wir werden das erste Mal gemeinsam nach Hause fahren, ohne dass John am Ende des Wochenendes wieder zurückmuss. Nie im Leben hätte ich es für möglich gehalten. Zwei Jahre warten, das bin nicht ich! Aber ich habe es geschafft und erstmals in meinem Leben bin ich richtig stolz auf mich.

Es ist Donnerstagmorgen, sieben Uhr. Zum letzten Mal stehe ich vor diesen Mauern. John ist noch nicht zu sehen. Ich warte im Auto, atme tief durch und lasse das vergangene Jahr Revue passieren. Ich bin ausgelaugt und fertig. Wie brutal waren all diese Wendungen, die mich jedes Mal völlig unvorbereitet trafen. Immer wieder fieberten wir auf die von John angekündigten Ziele hin, nur um dann doch kurzfristig einen Aufschub oder eine gänzliche Absage verarbeiten zu müssen. Unzählige Male hatten die Beamten der JVA aus verschiedensten Gründen urplötzlich anders entschieden. Mich hat jeder einzelne Rückschlag emotional niedergeschmettert.

Gleichzeitig habe ich John für seine positive Grundeinstellung und seinen Optimismus bewundert. Mit seiner Liebe zu mir und den Kindern konnte er mich immer wieder auffangen. Er gab mir Kraft, doch wirklich lösen musste ich alle Probleme allein.

Ich schaue auf die Uhr, es ist zehn nach sieben. In dem Moment geht die Tür auf. Mein Herz schlägt wie wild. John kommt schwer bepackt mit einer Kiste und einer großen Tasche auf mich zu. Erwartungsvoll steige ich aus dem Auto. So fühlt sich dieser Moment also an. Die härteste Zeit unseres Lebens haben wir hinter uns. Ab jetzt beginnt sie, unsere gemeinsame Zukunft.

Ich strahle vor Glück. Und dennoch, alles läuft viel nüchterner ab, als ich mir das vorgestellt hatte. John gibt mir einen Kuss, stellt sein Gepäck ins Auto und wir fahren los. Aber was erwarte ich? Wir haben uns lange genug auf diesen Tag vorbereiten können. Trotzdem, eine innige Umarmung und ein persönliches: »Danke für alles«, wären das Mindeste, was ich mir heute von John gewünscht hätte.

Völlig ausgelaugt und doch wahnsinnig glücklich

Wie schön es sich anfühlt, wir sind endlich eine richtige Familie. Die Jungs weichen John nicht von seiner Seite. Anfangs können sie es kaum glauben, dass er jetzt tatsächlich für immer bei uns bleibt. »Nein ihr Süßen«, kann ich sie beruhigen. »John muss nach dem Wochenende nicht wieder weg. Er bleibt hier und morgen fahren wir für zwei Tage zum Zelten.«

Die ersten Wochen unternehmen wir alles gemeinsam. Wir bringen die Kinder in die Kita, gehen zusammen einkaufen, kochen miteinander, zum Kinderturnen begleitet er uns und an den Wochenenden machen wir Ausflüge in die Berge oder an den See. Endlich macht das Leben wieder Spaß. Auch die Jungs sind glücklich und ausgeglichen wie nie zuvor. Sie springen John in die Arme, wenn wir sie abholen. Kochen und Abendessen läuft selbst unter Zeitdruck harmonisch ab. Abends liest John den Jungs noch eine Gute-Nacht-Geschichte vor, während ich die Küche aufräume. Kurzum, wir sind jetzt eine richtige Familie.

Außerdem vergeht kein Tag, an dem John nicht von unserem künftigen Glück zu fünft spricht, gemeinsam mit einem Nesthäkchen »Lina«. Er ist sich sicher, dass es ein Mädchen wird und nimmt beim Einkaufen bereits die ersten rosa Babysachen in die Hand. »Ich bin doch noch nicht einmal schwanger!«, stoppe ich ihn und lege die Strampler zurück ins Regal. »Mit achtunddreißig bekommt man nicht mehr so leicht ein Baby.« Da grinst er mich an und sagt: »Schau mal, wen du an deiner Seite hast!« Ich lache es weg und denke laut: »Was für ein Macho!«

 

Aber ich liebe diesen Macho. Und dieses tägliche Begehren fühlt sich gut an, verdammt gut sogar. John weiß, wie sehr ich all die Jahre unter den Aggressionen und der gleichzeitigen Gefühlskälte meines Ex gelitten hatte. All das ist jetzt vorbei. Ich bin rundum glücklich.

Es ist neun Uhr morgens, ich bin noch im Schlafanzug. John bringt die Jungs in die Kita und kommt mit Weißwürstchen nach Hause. Ich freue mich so sehr, endlich habe ich diesen liebevollen Mann für immer bei mir. Wir frühstücken ganz in Ruhe, mit Kerzenlicht und einer Rose auf dem Tisch. Das Leben kann so schön sein.

Nachdem die letzten beiden Jahre nicht nur emotional sondern auch finanziell sehr aufreibend waren, bin ich bei unserem heutigen Familieneinkauf umso dankbarer. John hat das erste Mal eigenes Geld in der Hand. Er bezahlt an der Kasse von seinem sogenannten Überbrückungsgeld. Diese Situation ist für mich noch völlig neu.

Zwei Jahre musste ich alles für ihn übernehmen, die monatlichen Einzahlungen im Knast, das Porto von uns beiden für die beinah täglichen Briefe, alle Autofahrten und Zugtickets, die Umzüge, die Miete sowieso und schließlich noch die Kosten für Johns Anwalt.

Heute ist es nur ein Einkauf, und dennoch, es fühlt sich gut an und ich bedanke mich. Stolz zeigt John mir seinen Besitz. »Schau mal, ich habe bei meiner Entlassung tausendsechshundert Euro bekommen, da kann ich doch wenigstens unser Essen bezahlen. Schlimm genug, dass du so lange alles für mich vorschießen musstest.« »Na, diese Zeiten sind ja jetzt zum Glück vorbei«, lache ich und gebe ihm einen dicken Kuss.

John muss beruflich wieder bei null anfangen

Im Knast schrieb er in beinahe jedem Brief, dass er es kaum erwarten kann, mich endlich zu unterstützen und mir alle für ihn geleisteten Ausgaben doppelt und dreifach zurückzuzahlen.

Doch jetzt heißt es erst einmal Ärmel hochkrempeln und neu starten. Ich bewundere John für seine unzähligen Ideen, wie er schnellstmöglich Geld verdienen möchte. Er regelt momentan alles von zu Hause aus und hat obendrein sehr viel Zeit für mich und die Jungs. Ein echter Traummann eben!

Den Grundstein für seinen beruflichen Neubeginn hat er bereits vor Monaten gelegt. Noch während seiner Zeit in Kaisheim habe ich ihm seine Wunsch-Domäne www.druckbar.de gesichert. Eigentlich wollte er diese Webseite schon im letzten Jahr aufbauen, nur leider waren die Wochenenden stets zu kurz. Außerdem stellte sich heraus, dass er bis zu seiner Entlassung offiziell nicht arbeiten dürfe.

Aber jetzt ist er draußen, hat sein Gewerbe angemeldet und kann ab sofort loslegen. Als erstes sucht er sich einen hochwertigen iMac mit extragroßem Bildschirm aus und zeigt ihn mir online: »Den müsstest du mir bitte vorerst noch auslegen, da ich ja leider noch kein Geld auf meinem Konto habe. Ich kann bei Apple aber nur mit Vorkasse oder Kreditkarte bestellen.« Überrascht darüber, wie teuer der im Vergleich zu einem normalen PC ist, murre ich: »Mhm. Erst gestern habe ich die Rechnung für dein neues iPhone übernommen. Auch das brauchtest du dringend für die Arbeit.« » Süße, es tut mir leid, dass mein Arbeitslosengeld noch nicht auf dem Konto ist. Du bekommst alles zurück. Mit Zinsen!« »Ja, aber muss es denn unbedingt so ein riesiger Bildschirm sein?« »Lara, du weißt doch, dass ich zum Entwerfen unserer Zeitschrift ein Grafikprogramm brauche. Und der große Bildschirm ist zum Arbeiten Pflicht. Bringt doch auch nichts, wenn wir jetzt erst etwas Günstiges holen, nur um in ein paar Wochen schon wieder Geld ausgeben zu müssen. Wir schreiben ihn am besten gleich auf die Firma, dann können wir uns ein Drittel über die Steuer zurückholen.« Ich willige ein.

Das Logo für die druckbar hat John bereits in Kaisheim entworfen. Heute bestellt er fünfhundert Visitenkarten. Auf mein erstauntes Nachfragen, warum es gleich so viele sein müssen, bekomme ich zur Antwort: »Du Dummerchen, weil das viel günstiger ist, als mehrfach im Jahr zu bestellen.« Leicht genervt drehe ich mich weg und bin froh, dass er diese Rechnung selbst übernimmt. Bereits zwei Tage später sind die Visitenkarten da.

Nachdem wir die druckbar bereits seit fünf Monaten haben, möchte John heute endlich mit der Webseite beginnen. Gemeinsam überlegen wir, welche Produkte wir anbieten und wie wir die Webseite aufbauen. Irgendwann, als unsere Liste vorerst komplett ist, sprechen wir über die Preise. Da klingt John das erste Mal ganz anders als bisher: »Lara, wir müssen unsere Produkte extrem günstig anbieten, nur dann können wir uns von der riesigen Konkurrenz im Netz abheben.« Das leuchtet mir ein, ich nicke bestätigend. Da fährt John zögernd fort: »Ja, ich weiß, du hast schon recht, das ganz dicke Geld werden wir mit der druckbar nicht erzielen können.« Ich verstehe nicht richtig, worauf er hinaus will. Wir waren uns doch seit Monaten einig, die druckbar sollte unser zweites Standbein werden. Wir brauchen diesen regelmäßigen sicheren Geldeingang. John hatte schon so viele Ideen, wie er, gerade bei uns in der Gegend, stetig neue Aufträge bekommen kann.

Heute sieht er das anders. Jetzt möchte John seine Zeit und Energie lieber sinnvoll nutzen und sofort mit unserer eigenen Zeitschrift beginnen. »Dort ist das große Geld zu verdienen, nicht mit irgendwelchen Grafiken, die wahnsinnig zeitaufwendig sind und am Ende sehr wenig Gewinn erzielen. Werbekunden im Heft zahlen pro Seite fünftausend Euro. Und das sind die untersten Sätze, die für Werbung gezahlt werden.« Am Ende einigen wir uns darauf, beides gleichzeitig zu beginnen.

Der Name MEN’S MAGAZINE steht ebenfalls seit Monaten fest. Auch diese Domäne sollte ich John bereits während seiner Haftzeit reservieren. Jetzt setzt er sich an seinen neuen Rechner und fängt mit der Webseite an.

Die nächsten Tage und Nächte verbringt John vor dem Bildschirm. Trotzdem lässt er es sich nicht nehmen, die Kinder in der Früh in die Kita zu bringen. Ab und zu bekomme ich von unterwegs Fotos von unseren Jungs. Ich freue mich und bin John so dankbar.

Wieder daheim trinkt er gemütlich seinen Kaffee. Danach möchte er mich, wie jeden Morgen, wenn die Jungs im Kindergarten sind, zurück ins Bett lotsen. Genervt schicke ich ihn ins Büro: »John, unsere Kosten der letzten Wochen steigen und steigen. Da waren meine Ausgaben für dich in Kaisheim noch Peanuts dagegen.« »Süße, es ist doch ganz normal, wenn man selbstständig ist, dass da nicht vom ersten Tag an Geld reinkommt. Frag doch mal Linda, wie das bei denen läuft.« »Ja, aber genau dafür sollte ja die druckbar dienen, damit wir eben überhaupt erst mal Einnahmen haben.« »Sag mal Lara, was soll das denn jetzt? Ich dachte, wir beide hatten uns gegen die paar Euro entschieden, die die druckbar einbringt. Aber keine Sorge, ich werde dich tagsüber nicht mehr belästigen. Ich gehe jetzt arbeiten, um deinen Sparstrumpf wieder aufzufüllen!« Verärgert zieht er los.

Sofort tut John mir leid. Ich mache mir Vorwürfe, er wollte mir doch nur zeigen, wie dankbar er ist und wie sehr er mich liebt. Den Rest des Tages plagt mich ein schlechtes Gewissen. Ich fahre einkaufen und koche am Abend Johns Lieblingsessen.

Drei Tage später zeigt er mir einen ersten Entwurf unserer Webseite. Ich bin beeindruckt: »Wow, sieht echt klasse aus und voll professionell!« John nickt zufrieden und arbeitet den Rest des Tages an unserem Auftritt bei Facebook. Am nächsten Morgen sehe ich dort den ersten Post:

Das MEN’S MAGAZINE, ein Lifestyle Magazin für den sportlichen, modernen und anspruchsvollen Mann. Durch unsere abwechslungsreiche Themenvielfalt ist für jeden Leser etwas dabei.

Schon nach wenigen Stunden gibt es dafür über achtzig Likes. Achtzig Likes, erstaunlich! Wie hat John das denn geschafft? Es kennt uns doch noch niemand. Offenbar war er früher sehr beliebt. Denn obwohl John seit Wochen irgendwelche falschen Freunde von seinem Profil löscht, hat er trotzdem noch mehr als viertausend Kontakte. Die hat er jetzt eingeladen, das MEN’S MAGAZINE auf Facebook zu abonnieren. Ich tue es ihm gleich und schicke den Link an alle, die ich kenne.

Wenige Tage später knackt unsere Fan-Seite die Fünfhundert-Follower-Marke. John ist entzückt und meint, dass wir bald alle Sorgen los sind. Auch ich verfolge wie die Zahlen stetig nach oben schnellen. Ich bin stolz auf John, es waren keine leeren Worte in seinen Briefen. Er hält tatsächlich, was er immer versprochen hat.

Nach genau zwei Wochen haben wir eintausend Fans, Wahnsinn! Am Nachmittag räume ich John freie Zeit ein und gehe mit den Kindern zu Linda. Sie selbst hat ebenfalls erst vor einigen Jahren ihr eigenes Label gegründet und ist total überrascht, wie schnell wir die Eintausend-Fans-Marke erreicht haben. Sie freut sich für mich und beglückwünscht uns.

Fröhlich komme ich nach Hause: »Und Schatzi, hast du schon Kunden für das erste Heft an Land gezogen?« Zufrieden zeigt er mir seinen nächsten Post. Er hat aus allen Profilbildern seiner Follower ein gemeinsames Foto erstellt und dazu eine Dankesrede veröffentlicht. »Mhm«, stammle ich unbeeindruckt. »Und daran hast du den ganzen Nachmittag gesessen?« »Lara, das ist Marketing. Schau mal, für dieses eine Bild haben wir in nur einer Stunde bereits sechsunddreißig Likes bekommen. Ist das nicht toll?« »Ja, schon, aber ob wir deswegen auch das Interesse der Kunden wecken, wage ich zu bezweifeln.« John reagiert sichtlich genervt: »Verstehst du das nicht? Die Kunden schauen doch zuerst im Netz wie bekannt wir schon sind. Und dafür ist jeder Follower und jedes Like entscheidend. Keiner möchte die Katze im Sack kaufen.« Gespannt checke ich bis zum Abend noch mehrfach, wie die Gefällt-Mir-Angaben weiter nach oben gehen.

Auch die nächsten Tage und Wochen halte ich John so oft ich kann den Rücken frei. Er arbeitet von zu Hause aus und ich möchte nicht, dass die Kinder ihn stören. Jeden Nachmittag bin ich oft stundenlang mit den Jungs unterwegs. Zwischendurch bekomme ich immer wieder Textnachrichten von John, dass er alles dafür tut, damit es uns ganz bald richtig gut geht. Da kann ich ihn beruhigen, uns geht es doch ohnehin schon supergut, einzig und allein, weil er endlich bei uns ist.

Trotzdem spüre ich eine innere Unruhe, ganz besonders an Tagen, an denen die nächste Miete ansteht oder unsere Strom- und Handyrechnungen von meinem Konto abgebucht werden. John arbeitet momentan so hart für uns, ich möchte ihn damit nicht nerven und behalte meine Sorgen für mich.

Während er mit unserem Internetauftritt beschäftigt ist, lesen meine Mom und ich Korrektur. Für unsere Verbesserungen und Änderungsvorschläge ist John stets dankbar.

Nach etwa einem Monat sieht unsere Webseite mit all ihren Unterseiten echt beeindruckend aus. Jetzt müssen wir sie nur noch online schalten, danach können wir uns voll auf unser erstes Heft konzentrieren. Was wir nun dringend brauchen, sind Werbekunden. Doch die letzten Wochen haben gezeigt, wie lange es noch dauern wird, bis wir mit dem Vorhaben »eigene Zeitschrift« tatsächlich Geld verdienen.

Linda macht mir Mut. Laut ihren Worten ist es völlig normal, dass man in eine eigene Firma zunächst investieren muss. Ich soll froh sein, dass John alles ohne fremde Hilfe selbst gestaltet und auf so viele Kontakte von früher zurückgreifen kann. Da hat sie recht. Dennoch, ich fühle mich leer und ausgelaugt. Linda nimmt mich in den Arm und flüstert mir leise zu: »Mach bitte nicht denselben Fehler wie Richard, der setzt mich finanziell so stark unter Druck, dass ich nachts kaum noch schlafen kann.«

Meine Mom versucht mich auf ähnliche Art und Weise aufzubauen: »Es ist in diesem Geschäft ganz normal, dass nicht alle Kunden von heute auf morgen Schlange stehen. Das Heft muss doch erst einmal bekannt werden. Aber ich stehe hinter euch und werde euch auch weiterhin tatkräftig unterstützen. Jetzt musst du einfach noch ein wenig Geduld haben, John macht einen fabelhaften Job und für mich ist er ein Macher.« Ihre bestätigenden Worte tun mir gut. Ich nicke. Dennoch, mehr als ein kurzes »Ja, verstehe«, bringe ich nicht hervor.

Fußmarsch um den Starnberger See

Das kommende Wochenende sind die Jungs bei ihrem Vater, Freitagnachmittag werden sie abgeholt. John und ich gehen schwimmen. Danach sitzen wir engumschlungen am Ufer und blicken auf unser Paradies. Es ist kein Wölkchen am Himmel. Die untergehende Sonne spiegelt sich im Wasser und dahinter sehen wir die Berge. »Morgen laufen wir um den See«, lache ich und zwinkere John dabei zu. Er nimmt mich beim Wort. »Super Idee, das machen wir!« Sofort googled er die Entfernung bis Starnberg. »Wow, sechsundzwanzig Kilometer! Du weißt schon, was das heißt, oder?« »Ja logisch, Starnberg liegt uns quasi gegenüber, somit das Ganze halt mal zwei.«

 

Wir haben Glück, das Wetter spielt mit. In der Früh misst das Thermometer bereits angenehme einundzwanzig Grad. Bepackt mit drei Flaschen Wasser, geschmierten Broten und unseren Badesachen brechen wir um kurz nach sieben auf. Hand in Hand schlendern wir durch den Ort in Richtung Ambach. Alles ist ruhig, selbst an der Anlegestelle für Ausflugsdampfer ist noch kein Tourist zu sehen. Romantisch legt John seinen Arm um mich. Ich warte auf die nächste Liebesbekundung, bin jedoch auch ohne diese glücklich. Ich liebe diesen Mann so sehr.

Gegen neun nutzen wir die erste Möglichkeit für eine kleine Pause. John trinkt einen Kaffee, ich springe ins Wasser, schwimme ein Weilchen und dann geht’s weiter Richtung Münsing.

Nach knapp zwanzig Minuten stelle ich entsetzt fest, dass meine Uhr fehlt.« John fragt gelassen: »Hattest du denn überhaupt eine dabei? Von welcher Uhr redest du eigentlich?« »Von meiner guten goldenen, das ist eine Seiko. Ich brauche sie unbedingt wieder! Die habe ich aus Amerika, sie hat damals siebenhundert Dollar gekostet.« Sofort drehe ich um und renne den ganzen Weg zurück bis zur Badestelle.

Gott sei Dank! Da liegt sie, auf der Brücke, von wo aus ich ins Wasser gesprungen bin. Überglücklich falle ich John um den Hals. Auch er scheint sichtbar erleichtert: »Die Uhr steht dir aber auch wirklich gut und sieht immer noch aus wie neu. Da hattest du gerade mehr Glück als Verstand, meine Liebe.« Ich nicke bestätigend und freue mich sehr, dass John meine Uhr gefällt. Er grinst mich liebevoll an und meint: »Ansonsten hätte ich dir halt eine Neue gekauft.« »Ja genau«, lache ich, »dafür haben wir nun wirklich kein Geld!«

Bei der nächsten Pause machen wir Brotzeit. Minutenlang sitzen wir schweigend nebeneinander und schauen auf den See. Dann zeigt John auf die Villen hinter uns. Anschaulich erzählt er mir von seiner Luxuswohnung am Ammersee, die er einige Zeit vor seiner Inhaftierung bewohnt hat. Den Umzug von dieser großen komfortablen Dachterrassenwohnung in ein kleines Münchner Appartement empfand er extrem hart. Das hat er jetzt schon mehrfach erwähnt. Er wollte zu diesem Zeitpunkt unbedingt seine Firma retten und konnte die immens hohe Miete in Herrsching allein nicht mehr stemmen. Seine Mitbewohnerin zahlte scheinbar keine Miete, aber John hatte Mitleid mit ihr und wollte sie nicht vor die Tür setzen. »Ach komm, hak es ab! Jetzt wohnst du wieder am See und musstest dafür nichts weiter tun, als entlassen zu werden«, boxe ich ihm liebevoll in die Seite. »Das stimmt, Süße, ich bin wirklich ein Glückspilz«, küsst mich und wir spulen die nächsten Kilometer problemlos herunter.

Am frühen Nachmittag kommen wir ziemlich erschöpft in Starnberg an. Wir stärken uns mit Pizza in einem italienischen Restaurant direkt am See. John erzählt den beiden gutaussehenden Damen bei uns am Nebentisch, dass wir den gleichen Blick wie hier von unserer Terrasse daheim ebenfalls genießen. »Ja genau«, verschlucke ich mich fast beim Trinken. »Aber nur im Winter, wenn wir unsere Köpfe im Schlafzimmer ganz weit aus dem Fenster strecken.« John überspielt meinen Einwurf und tönt fröhlich weiter. Ich rolle kurz mit den Augen und lasse ihm schließlich seinen Spaß.

Hinterher lachen wir gemeinsam, wie leicht manche Frauen zu beeindrucken sind. Ich fand diese Art von Unterhaltung trotzdem total überflüssig.

Von Starnberg sind es noch vierundzwanzig Kilometer. John schlägt vor, mit der Bahn oder mit dem Dampfer heimzufahren. Beides lehne ich entschieden ab, aufgeben kommt für mich nicht in Frage! Gestern Abend waren wir uns doch einig mit der Seeumrundung. Wenn wir ab jetzt das Baden weglassen, sollten wir noch vor der Dämmerung daheim sein. John rafft sich auf und trottet mir gequält hinterher.

Irgendwann erreichen wir die idyllische Roseninsel. Mitten in ihrer großen Parkanlage liegt ein wunderschönes Schlösschen. »Und hier werden wir heiraten, meine Süße.« »Wow, klingt fast wie ein Antrag«, schießt es mir durch den Kopf, doch schon gehen wir weiter.

Der folgende Abschnitt von Feldafing bis Tutzing zieht sich ewig. So langsam beginne auch ich meine Beine zu spüren. Gegen siebzehn Uhr erreichen wir Tutzing. Ab hier sind es noch zwölf Kilometer. Inzwischen kämpfen wir nicht mehr nur gegen unsere schmerzenden Füße, sondern auch gegen ein anstehendes Gewitter. Blitz und Donner im Nacken liefern uns zwar schöne Fotos, treiben uns aber gleichzeitig zur Eile an.

Endlich können wir aufatmen. Den Bernrieder Park haben wir geschafft, das Gewitter ist vorbeigezogen und ab jetzt trennt uns nur noch unsere tägliche Joggingstrecke von zu Hause.

Gegen halb acht sind wir nach genau fünfundfünfzig Kilometern wieder zurück in Seeshaupt. Von Schüttelfrost geplagt, liegen wir gemütlich in die Decke gekuschelt auf der Couch und John postet erste Bilder von unserer Heldentat.