Loe raamatut: «Tod an der Wallmauer»

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Tod an der Wallmauer

Über die Autorin

Impressum

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Epilog

Informationen

Anna-Lena Hees

Tod an der Wallmauer

Tatort Pfalzel 1

Krimi

XOXO Verlag

Über die Autorin

Anna-Lena Hees wurde 1994 in Bernkastel-Kues geboren und studiert derzeit Germanistik und Anglistik an der Universität Trier - das Ganze mit dem Ziel, einmal als Lektorin, Redakteurin oder Texterin zu arbeiten. Die Autorin begann bereits im Alter von sieben Jahren, ihre eigenen Geschichten zu schreiben. Später verfasste sie nebenbei Gedichte, von denen einige bereits in bedeutenden Anthologien veröffentlicht wurden.

Im Jahr 2008 nahm die Autorin beim Literaturwettbewerb der Oppenheimer Festspiele teil und belegte mit dem deutsch-englischen Freiheitsgedicht »I wish I was a bird« den ersten Platz in ihrer Altersgruppe. 2012 verfasste sie ihren ersten Roman »Wer bin ich wirklich?«.

Impressum

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.d-nb.de abrufbar.

Print-ISBN: 978-3-96752-132-0

E-Book-ISBN: 978-3-96752-632-5

Copyright (2020) XOXO Verlag

Umschlaggestaltung: Grit Richter, XOXO Verlag

unter Verwendung der Bilder:

Stockfoto-Nummer: 656127976

von www.shutterstock.com

Buchsatz: Grit Richter, XOXO Verlag

Hergestellt in Bremen, Germany (EU)

XOXO Verlag ein IMPRINT der EISERMANN MEDIA GMBH

Gröpelinger Heerstr. 149, 28237 Bremen

Alle Personen und Namen innerhalb dieses Buches sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Prolog

Tom rannte. Er wagte nicht zu stoppen. Immer weiter rannte er, bis er sein Ziel – die Wallmauer - fast erreicht hatte. Erst dann verringerte er sein Tempo und atmete noch im Gehen einmal durch. Seine Gedanken drehten sich dabei um das, was in der letzten Zeit geschehen war. Allmählich wurde es ihm zu viel und wuchs ihm über den Kopf. Tom musste dem ein Ende setzen und sah nur noch einen einzigen Ausweg. Er ging immer weiter, bis er das Tor in der Klosterstraße erreicht hatte. Dann blieb er stehen und lauschte in die Dunkelheit. Nur das schwache Licht einer Straßenlaterne half ihm bei der Orientierung, sonst war es stockfinster. Rings um ihn herum herrschte Stille. Kein Auto war zu hören und keine Menschenseele unterwegs. Für Tom war es gut so. Niemand sollte erleben, was er in dieser lauen Sommernacht vorhatte.

Tom wollte nun nicht mehr zögern. Das Tor der ehemaligen Befestigungsanlage war verschlossen, aber der junge Mann wusste, was er zu tun hatte. Er hatte ein Brecheisen mitgenommen, und mit diesem hantierte er eine Weile an diesem Tor herum, bis er das Geräusch hörte, das er hören wollte. Das Tor war nun geöffnet. Er konnte die Anlage betreten und die Treppe hinaufsteigen. Es dauerte nicht mehr lange. Tom atmete noch einmal ganz tief durch, dann ging er los. Nur einen Augenblick später war er die Stufen hinaufgestiegen und sah vor sich den Pavillon. Er lächelte. Es trennten ihn nur noch ganz wenige Minuten von der Erlösung. Während er sich dem Pavillon näherte, frischte der Wind auf. Ein großer Regentropfen platschte auf seine Nase. Dass es jetzt auch noch zu regnen begann, hatte Tom ja gerade noch gefehlt. Immerhin bot ihm der große Baum gegenüber dem Pavillon Schutz vor dem, was da vom Himmel auf die Erde fiel. Tom war aber klar, dass er nicht allzu lange zögern durfte. Er wollte nicht, dass jemand sein Vorhaben verhinderte. So bestieg er schließlich wagemutig die Mauer und schaute hinunter. Das Brecheisen, mit der er das Tor aufgebrochen hatte, warf er nun hinter sich. Tom breitete die Arme aus. Der Regen peitschte ihm nun ins Gesicht, und die Mosel schlug Wellen. In der Ferne war leises Donnergrollen zu hören. Ein Gewitter kündigte sich für die zweite Nachthälfte an. Dann knackten die Äste, die auf dem Boden lagen. Toms Herz raste. Wenn ihn jetzt jemand sah, war alles umsonst. Noch einmal atmete er tief durch und warf einen letzten kurzen Blick auf den Fluss. Er hörte, wie das Wasser ans Ufer klatschte, und sprang.

Kapitel 1

Das Gewitter der Nacht hatte sich verzogen, und die Sonne bahnte sich ihren Weg durch die Wolkendecke. Bald war kein einziges Wölkchen mehr zu sehen, und ein weiterer schöner Sommertag lag über dem Ortskern des Trierer Stadtteils Pfalzel. Die Vögel zwitscherten in den Bäumen am Moselufer, und das kleine Dorf erwachte aus seinem nächtlichen Schlaf. In manchen Gärten sprangen die ersten Rasenmäher an. Entlang der ehrwürdigen Wallmauer waren bereits einige Jogger unterwegs. Was sich aber dort in der Nacht abgespielt hatte, wusste bis jetzt noch keiner. Es dauerte nicht sehr lange, bis ein Jogger sich eine Ruhepause gönnen wollte. Dieser Jogger hörte auf den Namen Ben Hansen, der zusammen mit seiner Frau schon seit einigen Jahren in Pfalzel lebte. Er war groß, hatte breite Schultern und schlanke, muskulöse Beine. Er hatte sehr kurzes, dickes Haar. In seinem Gesicht zeigten sich ein paar Stoppeln. Ben war bereits seit einer Stunde unterwegs. Nun war er völlig aus der Puste und lief ein Stück auf die Wallmauer zu. Unterhalb der großen Mauer fand sich eine asphaltierte Fläche, ebenfalls von dieser und einem niedrigeren Mauerstück umgeben. Über diese Fläche konnte man zu einer Gittertür kommen, die einem Zutritt zu einem dunklen Gang, einer der Kasematten unter der Anlage, gewährte. Diese Tür war allerdings die meiste Zeit verschlossen, sodass sich keine Menschenseele in die Geheimgänge der Befestigungsanlage verirren konnte.

Ben interessierte sich auch recht wenig für die Gittertür. Er wollte sich bloß auf das Mäuerchen setzen, um sich auszuruhen. Nichtsahnend kam er immer näher, und als er die Mauer erreicht hatte, fiel sein Blick auf eine Person, die auf dem Asphalt in einer Blutlache lag. Ben stockte der Atem. Er zitterte am ganzen Leib. Die leblose Person, auf die seine dunklen, tiefen Augen nun blickten, lag auf dem Bauch, sodass ihr Gesicht nicht zu sehen war. Ben stieg auf die Mauer und sprang auf den Asphalt, um die Person zu begutachten. Die Person schien weniger muskulös zu sein. Die dunkelbraunen Haare waren kurz geschnitten. Ganz vorsichtig drehte Ben die Person auf den Rücken und schlug sich die Hand vor den Mund. Er realisierte, dass es sich um einen Mann handelte, der nicht mehr lebte. Das rasierte Gesicht des toten Mannes hatte überall blutige Wunden, aus denen nun aber kein frisches Blut mehr strömte. Selbst aus den offenen, glasigen Augen schien Blut gequollen zu sein, weil davon Spuren erkennbar waren. Ben spürte, wie sein Herz heftig pochte.

»Ich muss die Polizei rufen. Schnell!«, sagte er mehr zu sich selbst und nahm sein Handy hervor. Eilig wählte er die Nummer der Polizei und schilderte detailliert den Sachverhalt. Danach sollte er so lange warten, bis die Polizei eintraf. Genauso lange musste er auch bei dem Toten ausharren. Erschöpft ließ er sich auf der Mauer nieder und hielt Ausschau. Die Polizei war zehn Minuten später vor Ort. Ben war erleichtert, als er die Polizisten auf sich zukommen sah. Hektisch winkte er ihnen zu.

»Hallo! Wie gut, dass Sie so schnell kommen konnten«, sagte er und wies mit einer Hand auf die Leiche.

»Guten Morgen, der Herr. Sie haben die Leiche gefunden?«, fragte ein großer, bärtiger Polizist und musterte den Toten.

Ben nickte. »Ja, habe ich. Ach, ich habe mich noch nicht vorgestellt. Hansen mein Name. Ben Hansen. In der Aufregung vergisst man so einiges.«

»Machen Sie sich keine Sorgen, Herr Hansen. Das kann schon mal passieren.« Der Polizist – Bruno Schmidt – klopfte Ben beruhigend auf die Schulter. Seine Kollegen hatten sich inzwischen dem Toten gewidmet und schauten diesen ganz genau an, um ansatzweise sagen zu können, was da passiert sein mag.

»Das sieht ziemlich übel aus«, sagte Brunos Kollege Dietfried Schwartz nach einer Weile. »Ich nehme an, dass er von der Mauer gefallen ist. Stellt sich mir bloß die Frage nach dem Warum. Auf jeden Fall müssen wir hier die Kollegen von der Kriminalpolizei hinzuziehen.« Schon sprach er in sein Funkgerät und nickte hinterher bestätigend.

Es dauerte auch gar nicht lange, da war der Wagen des Ermittlertrios um Ottfried Braun, Hermann Zinn und Sabrina Fass zu sehen, allerdings waren nur Ottfried und Hermann zu diesem Einsatz ausgerückt. Ottfried war der leitende Kriminalhauptkommissar in dieser Truppe. Er war schon etwas älter, 62 Jahre, hatte schon in anderen Städten viele Fälle gelöst und war immer noch fit wie ein Turnschuh. Sowohl seine Haare als auch sein voller Bart präsentierten sich in gräulichem Weiß. Seine großen, dunklen Augen lagen in tiefen Höhlen, strahlten aber sehr viel Wärme und Sympathie aus. Der Kommissar war kräftiger gebaut als der Rest der versammelten Männer. Über seiner beigen Hose wölbte sich ein dicker Bierbauch, der in ein gestreiftes Hemd gepresst war.

Eilig liefen die beiden Kriminalkommissare auf die Schutzpolizisten und Ben, den Jogger, zu und machten sich ein erstes Bild von der Situation. Dann fuhr ein weiteres Auto vor und hielt an der Wallmauer. Es war der Rechtsmediziner vom Institut Homburg; Herbert Meyer war sein Name.

»Eine Leiche?«, fragte er. Polizist Bruno Schmidt nickte langsam und machte den Weg zu dem Toten frei. Der Rechtsmediziner stieg auf das Mäuerchen und sprang hinunter auf die Asphaltfläche, auf der die Leiche lag. Er kniete neben dem Toten nieder und fühlte nach dem Puls der reglosen Person. Dann nickte er. »Ja, ich kann selbst nur den Tod feststellen. Kein Puls. Man sieht es auch seinen glasigen Augen an. Die Totenstarre ist auch schon vollständig eingetreten. Habt ihr schon eine Ahnung, wie er zu Tode kommen konnte?« Fragend schaute Herbert die Polizisten an, die ebenfalls um den Toten herum standen. Die beiden Schutzpolizisten zuckten zunächst die Schultern, dann ergriff Dietfried aber das Wort. »Ich nehme ganz stark an, dass er von der Mauer dort oben gefallen ist. Dass er erschossen wurde, kann ich mir nicht vorstellen, denn an ihm ist keine Schusswunde zu sehen. Eventuell hat ihn auch jemand erdrosselt oder zu Tode geprügelt und ihn dann hierher gelegt. Ich habe noch keine genaue Ahnung. Das müssen die Ermittlungen zeigen, vor allem aber auch die Obduktion, sobald die Leiche von der Staatsanwaltschaft dazu freigegeben wurde.«

»Das ist richtig«, bestätigte Kriminalhauptkommissar Ottfried Braun. »Dem Mann kann alles Mögliche passiert sein. Meine Kollegen und ich werden es herausfinden.« Mit einem Nicken betrachtete er Hermann. Der Kollege trug eine Brille; er war kurzsichtig. Sein Körper war recht schmal, dafür hatte er ziemlich große Hände, mit denen er immer wieder tatkräftig anpackte. In dem Moment meldete sich Herbert zu Wort: »Erdrosselt wurde der Mann hier nicht. Ansonsten hätte man es am Hals gesehen. Die Verletzungen lassen auf eine Schlägerei mit Todesfolge zurückschließen. Was es auch immer es war, die Rechtsmedizin wird es herausfinden.«

Ottfried wollte gerade etwas sagen, da trafen die Spurensicherer Manuel Frey und Elias Schneider ein, die von der Kriminalpolizei bereits verständigt wurden.

»Wir sind nun auch da. Mal schauen, was wir finden können.« Manuel und Elias nickten der Besatzung zu und machten sich ohne ein weiteres Wort an die Arbeit. Allein der Anblick der Leiche verriet, dass der Sturz von der hohen Mauer nicht auszuschließen war. So gingen die Spurensicherer in die Klosterstraße, in der sich einer der Eingänge der Befestigungsanlage befand. Den beiden Männern der Spurensicherung war schnell klar, dass die nun tote Person über die Klosterstraße auf das Gelände der Anlage gelangt war, denn das Tor stand noch immer sperrangelweit offen.

»Denkst du, was ich denke?« Manuel schaute seinen Kollegen vielsagend an. Dieser nickte.

»Ja, die Person muss auf jeden Fall von der Mauer gestürzt sein. Sonst wäre das Tor hier nicht aufgebrochen. Lass uns mal schauen gehen, was wir auf dem Gelände finden.«

»Ja, aber Moment noch.« Manuel griff nach seiner Lupe, die er nach jeder Arbeit desinfizierte, und betrachtete das Tor ganz genau. Noch konnte er keine Spuren erkennen, aber er war sicher, dass es sie geben musste, da die Person das Tor aufgebrochen haben musste. Das ging seiner Meinung nach nicht, ohne Fingerabdrücke zu hinterlassen.

»Kannst du was sehen? Die Nacht hat es geregnet. Nicht, dass der Regen irgendwelche brauchbaren Spuren vernichtet hat.« Elias blickte ein wenig skeptisch drein.

»Ja, das kann sein. Aber noch haben wir Hoffnung, doch was zu finden. Warte nur ab!« Manuel widmete sich wieder der Gittertür. Dann verkündete er lauthals das Ergebnis: »Da, am Türgriff. Hier hat die Person das Tor angefasst, um es irgendwie aufzudrücken. Ich konnte Fingerabdrücke erkennen!«

Kollege Elias zuckte wegen des lauten Rufes zusammen, fasste sich aber schnell wieder und bat seinen Kollegen, ihm die Lupe zu geben. »Zeig mal! Ich sehe mir das mal selbst an!« Mit den Worten nahm er die Lupe entgegen und prüfte das Tor ebenfalls auf die Fingerabdrücke. Tatsächlich konnte er sich davon überzeugen. »Du hast Recht! Da sind in der Tat Abdrücke zu erkennen. Ich will wissen, ob sie auch wirklich von dem Toten stammen. Komm mit!« Elias ging eilig voraus und stapfte einen schmalen Pfad entlang. Sein Blick fiel auf den Pavillon, dann auf die Mauer, von welcher der tote Mann auf den Asphalt gestürzt war. Neben der Mauer lag das Brecheisen. Elias’ Blick fiel darauf. »Manuel, komm schnell her! Ich habe was gefunden!« Sofort lief Elias zur Mauer, gefolgt von seinem Kollegen. Die Männer schauten sich das Brecheisen genau an. Da sie Schutzanzüge und Handschuhe trugen, konnten sie das Eisen guten Gewissens aufheben. Elias rief nach der Polizistentruppe und dem Rechtsmediziner, um ihnen das Brecheisen zu zeigen. »Der Tote muss von der Mauer gestürzt sein. Die Gittertür wurde aufgebrochen. Außerdem lag hier oben neben der Mauer dieses Brecheisen, von dem ich annehme, dass es für das Aufbrechen des Tores verwendet wurde.« Beinahe siegessicher stand Elias dort an der Mauer und blickte auf die Herrschaften unter ihm herab.

»Nehmen Sie die Zange bitte mit. Und sichern Sie weitere Spuren, die uns von der Kripo bei den Ermittlungen behilflich sein könnten«, rief ihm Ottfried zu. Elias nickte und reichte das Brecheisen seinem Kollegen. Auch dieses wurde gründlich auf Fingerabdrücke geprüft. Mit Erfolg. Es waren die gleichen Abdrücke wie auf der Gittertür. Die Spurensicherer waren sich einig. Kurz entschlossen machten sie sich auf den Rückweg und schauten beide zu Boden. Sie hatten den Eingang schon fast erreicht, da blieb Manuel neben einer Bank abrupt stehen. »Warte mal! Schau dir das dann! Hier, auf dem kleinen Stück Erde, das auf diesen Pflastersteinen zu sehen ist. Da sind Fußspuren!«

»Stimmt!« Elias nickte. Auch er sah jetzt die Fußspuren, die den beiden Männern zuvor nicht aufgefallen waren. »Und es sind nur diese. Keine weiteren! Das kann bedeuten, es war nur eine Person in der Nacht hier, falls nicht noch jemand anderes gekommen und um den Fleck Erde herum gegangen war. Unsere Spuren können es nicht sein, denn sie passen nicht zu unserem Schuhwerk.«

»Ja, stimmt. Noch können wir beide Varianten in Betracht ziehen.« Manuel nahm einen Teststreifen hervor und klebte die Fingerabdrücke auf dem Brecheisen damit ab. Er musste die Abdrücke sichern, um sie später der Kriminalpolizei vorlegen zu können. Daneben mussten auch noch einige Bilder von den Fußabdrücken gemacht werden, damit der Kripo bei den Ermittlungen ein Vergleich vorlag. Noch war nicht klar, von welchem Schuhwerk die Abdrücke auf dem Boden unter dem zweiten Torbogen stammten. Mit den Bildern und der genauen Betrachtung der Schuhe des Opfers konnte das aber schnell nachgewiesen werden.

Nach der erfolgten Arbeit kehrten die Spurensicherer zurück zum Tatort, an dem die Leiche lag. Inzwischen hatte der Rechtsmediziner ein weißes Tuch über sie gelegt. Zuvor hatten die Polizisten mit einem Stück Kreide einen Umriss um den toten Mann gezogen. Nun konnte er bald mitgenommen und in die Rechtsmedizin gebracht werden.

Die beiden Spurensicherer Elias und Manuel traten zu den Beamten der Kriminalpolizei und berichteten über den Fund auf dem Gelände der Befestigungsanlage. Dabei betonten sie, dass es sich bei den Fingerabdrücken und den Fußspuren allen Anscheins nach um die des toten Mannes handelte. Die Beamten der Kripo nickten daraufhin. Ihnen war bewusst, was das hieß. Während sich die zwei Spurensicherer mit den Kriminalpolizisten unterhielten, wurde der Tote in einen plastikartigen Sarg gelegt. Dieser wurde dann in den Wagen geschoben. Damit war die Leiche bereit zum Transport in das rechtsmedizinische Institut in Homburg.

Die Polizisten begannen unmittelbar nach der Abfahrt des Leichenwagens mit den Ermittlungen, ahnten aber nicht, dass der Tod des Mannes sie vor ein großes Rätsel stellte, dem noch weitere folgen sollten.

Kapitel 2

Die Kriminaldirektion in Kürenz: Kommissar Ottfried und seine Kollegen brüteten über dem Fall, der sie seit dem frühen Morgen des Tages beschäftigte. Das Ermittlertrio war vor einigen Wochen frisch zusammengestellt worden; Ottfried hatte schon jetzt einige Erfolge als leitender Kommissar zu verzeichnen. Sabrina, eine junge Frau mit langen, braunen, lockigen Haaren, war neu bei der Kriminalpolizei Trier und hatte erst kürzlich ihr Polizeistudium abgeschlossen. Hermann arbeitete zwar auch schon länger in Trier, hatte aber auch erst vor ein paar Wochen das Abteil gewechselt und saß nun mit Ottfried Braun und Sabrina Fass zusammen im Büro. Gerade waren sie dabei, die Spuren auszuwerten, die von den beiden Spurensicherern gefunden worden waren: Fingerabdrücke an Gittertor und Brecheisen, dann die Fußspuren am Boden. Wirklich zuordnen konnten sie die Spuren allerdings nicht. Den Beamten war ohnehin klar, dass sie den Leichnam des Mannes selbst noch einmal untersuchen mussten, um sicher gehen zu können, dass die Spuren von ihm stammten. Andernfalls hätte auch eine andere Person in Betracht kommen können, der die gefundenen Spuren zuzuordnen waren. Die Polizisten waren sich in einem Punkt alle einig: der Fall warf Fragen auf, von denen nicht sicher war, ob sie je beantwortet werden konnten.

»Ich schlage vor, mit der Staatsanwaltschaft zu kommunizieren. Dann rufe ich in der Gerichtsmedizin an«, sagte Ottfried und blickte seine Kollegen an. Die nickten flüchtig.

»Das ist in Ordnung. Vor allem muss man bedenken: Wenn die Spuren, die auf dem Gelände der Befestigungsanlage in Pfalzel gefunden wurden, wirklich von dem Toten stammen, dann stellt sich doch die Frage, wie er überhaupt von der Mauer fallen konnte«, erwiderte Hermann.

»Es könnte sich um Selbstmord handeln. Aber warum? Wer ist der Tote überhaupt?«, gab da die Kollegin zurück. Als Neue war Sabrina sich in manchen Fällen nicht sicher, wie sie reagieren sollte. Bald würde sie aber soweit eingearbeitet sein, dass sich alles andere von selbst regelte.

»Nun, das werden wir erst dann sicher wissen, wenn die Leiche von einem Angehörigen identifiziert wurde. Es ist schwierig, da aber jemanden zu finden, weil der Mann keine Ausweispapiere bei sich hatte«, klärte Ottfried seine junge Kollegin auf. »Wir können aber mal im Register nachsehen, ob es bereits eine Vermisstenmeldung gibt.«

»So früh doch nicht!« Hermann schüttelte den Kopf. Just in dem Moment klingelte das Telefon. Sabrina nahm den Hörer ab.

»Kriminaldirektion Trier, Sabrina Fass, was kann ich für Sie tun?«, sagte sie in den Hörer. Dann hörte sie dem Anrufer zu und riss erstaunt die braunen Augen weit auf. Es war die Dienststelle am Stadtbad. »Ehrlich? Genau der, der am Morgen tot aufgefunden wurde? An der Wallmauer? ... Okay, ich verstehe ... Ja, gut, dann vielen Dank für die Information. Ich werde sie den Kollegen weitergeben. Wiederhören!« Sabrina legte auf und atmete tief durch.

»Was ist?«, fragte Hermann.

»Ein Kollege aus der Dienststelle am Stadtbad hat gerade angerufen. Ihr glaubt es nicht. Da soll eben eine Vermisstenmeldung reingegangen sein. Vermisst wird ein Tom Krausmann. Etwa 30 Jahre, ist 1,80 m groß und wurde zuletzt am Morgen des gestrigen Tages gesehen. Dann ist er spurlos verschwunden. Jetzt hat sich seine Freundin bei der Polizei gemeldet, weil sie ihn überhaupt nicht erreichen kann. Zu Herrn Krausmann soll das nicht passen, dass er verschwindet und niemanden etwas wissen lässt. Der Kollege schickt uns gleich ein Foto des Vermissten. Ich bin gespannt!«

»Soll es sich dabei um den Toten handeln?«, hakte Ottfried nach.

»Wahrscheinlich.« Sabrina nickte, dann zuckte sie aber die Schultern. »Wir werden sehen, was uns das Bild zeigt. Ihr werdet den Toten am ehesten identifizieren können, immerhin habt ihr ihn gesehen. Ich nicht!«

Gerade hatte die Polizistin zu Ende gesprochen, da meldete der Computer die eingegangene E-Mail. Hermann setzte sich daran und öffnete das Postfach. »Ach, schaut an! Der Kollege schreibt!«, sagte er und klickte die Nachricht an. Schnell überflog er die Zeilen, die der Kollege geschrieben hatte, dann öffnete er das Bild im Anhang. Er nickte bestätigend, als er das Bild sah. Es zeigte das Gesicht eines jungen Mannes mit kurzen, dunklen Haaren und blauen Augen. .»Herr Kommissar? Sabrina? Schaut, hier ist das Bild!«

Ottfried und Sabrina kamen hinzu. Der Kommissar nickte. »Ja, das ist der Tote. Nun haben wir wenigstens schon einen Namen.«

»Tom Krausmann also ...« Sabrina schien nachdenklich. »Dann müssen wir jetzt Freunde und Angehörige ausfindig machen. Vor allem auch mehr über die Hintergründe der Tat erfahren. Warum bringt sich einer selbst um?«

»Wenn es überhaupt Suizid war. Bisher ist ja noch alles offen. Kann ja auch jemand Drittes im Bunde gewesen sein. Schauen wir doch mal«, erwiderte der Kommissar und griff nach dem Telefon. Er wollte nun mit der Staatsanwaltschaft Kontakt aufnehmen, die von dem Fall längst in Kenntnis gesetzt wurde bzw. das Ermittlertrio überhaupt mit den Ermittlungen beauftragt hatte. Eine Weile tutete es, dann endlich tat sich etwas am Ende der Leitung. Ottfried erklärte dem Kollegen, worum es ging. Er berichtete, dass der Tote als vermisst gemeldet wurde und sich von Seiten seiner Kollegen der Kripo der Verdacht eines Suizides immer weiter zuspitzte. Die Staatsanwaltschaft hatte für den nächsten Tag eine Obduktion angeordnet, so berichtete dann der Kollege dem Kommissar. Ottfried nickte während des Telefonates immer wieder, obwohl er wusste, dass sein Gesprächspartner das nicht sehen konnte. Bevor er das Gespräch beendete, sprach er an, dass er den Leichnam des Mannes genauer unter die Lupe nehmen wollte, um dessen Fingerabdrücke mit denen auf dem Brecheisen zu vergleichen. Erst dann, so betonte er, konnten er und seine Kollegen ganz konkret von einem Selbstmord sprechen. Aus diesem Grund wollte er nun Kontakt zur Gerichtsmedizin aufnehmen. Sein Kollege aus der Staatsanwaltschaft stimmte dem zu und legte Ottfried ans Herz, sich so schnell wie möglich mit der Gerichtsmedizin in Verbindung zu setzen. Der Kommissar nickte auch dabei immer wieder. »Ja, ich werde sofort dort anrufen. Dann wissen wir bald mehr und können die Akte zum Fall ordentlich füllen. Hoffentlich. Bis demnächst! Wiederhören!« Endlich konnte Ottfried auflegen und seine Kollegen von der Kripo siegessicher ansehen. »Das hat sich ausgezahlt. Ich kann nun mit den Gerichtsmedizinern Kontakt aufnehmen und uns dann hoffentlich für einen Besuch anmelden. Ihr wisst ja auch, wie wichtig dieser Schritt für unsere Ermittlungen ist. Nicht wahr?«

Hermann und Sabrina nickten flüchtig. Sie wussten es sicher. Sabrina spürte allerdings eine Gänsehaut, von der sie sich aber nichts anmerken lassen wollte. Sie wusste, sie musste jetzt tapfer sein. Der Gang zur Gerichtsmedizin bedeutete, dass auch sie nun den Toten zu Gesicht bekam. Da sie ja auch noch nicht sehr lange bei der Kriminalpolizei arbeitete, hatte sie bisher auch noch keine Leiche ansehen müssen. In diesem Fall war es der erste Tote, den sie sehen sollte. »Wann machen Sie den Termin denn aus, Ottfried?«, fragte sie den Kommissar ein wenig zaghaft.

»Jetzt sofort! Sie haben doch hoffentlich keine Angst, oder, Sabrina?« Ottfried zwinkerte ihr zu, während er den Telefonhörer erneut in die Hand nahm. Nun wählte er die Nummer des rechtsmedizinischen Institutes in Homburg und wartete dann das Signal ab. Auch seine beiden Kollegen Hermann und Sabrina waren sehr auf das Ergebnis gespannt.

»Hallo, Kriminalhauptkommissar Ottfried Braun, Kriminaldirektion Trier, guten Tag Herr Mayer. Schön, dass ich jemanden erreiche«, sprach der Kommissar in den Hörer und fuhr dann fort: »Wir ermitteln im Fall des toten Tom Krausmann, der ja zwischenzeitlich in Ihr Institut zur Obduktion gebracht wurde. Es geht um Spuren, die dringend gesichert werden sollten. Auf dem Gelände der ehemaligen Befestigungsanlage Pfalzel wurden sowohl an der Gittertür als auch an einem Brecheisen, das wir hier vorliegen haben, Fingerabdrücke entdeckt, von denen aber noch nicht sicher ist, von wem sie stammen. Naheliegend ist aber, dass sie von dem Toten sind und deswegen würde ich mit meinen Kollegen vorbeikommen, um die Fingerabdrücke der Leiche zu nehmen, falls Sie nicht vorhaben das zu tun. Geht das in Ordnung?« Nun lauschte Ottfried eine Weile gespannt dem, was Gerichtsmediziner Mayer ihm dazu zu sagen hatte. Seine Miene hellte sich sofort auf, und er sagte: »Gut, vielen Dank, Herr Mayer. Dann bis die Tage! Wiederhören!«

»Und, was nun?«, wollte Hermann wissen, noch bevor der Kommissar dazu kam, den Hörer wieder aufzulegen. Erst dann reagierte dieser auf die Nachfrage. »Morgen, nachdem der Leichnam schon obduziert wurde, können wir vorbeikommen und Herrn Krausmanns Fingerabdrücke nehmen. Für 14 Uhr sind wir bestellt. Ich freue mich, einen Schritt weiter zu kommen!«

»Und ich mich erst«, murmelte Sabrina leise. Dass der Termin bereits für den folgenden Tag festgelegt war, machte ihr ein wenig zu schaffen. So hatte sie nicht viele Gelegenheiten, um sich auf die Begegnung mit der Leiche vorzubereiten. Sie hoffte, dass sie es auch so irgendwie schaffte.

Im weiteren Verlauf setzten sich die Beamten daran, die Angehörigen des Toten ausfindig zu machen. Noch erwies sich diese Aufgabe als weniger einfach; im Nachhinein genügten aber doch nur ein paar Anrufe, um mehr zu wissen.

Währenddessen wartete im Stadtteil Pfalzel Julia Berg auf Neuigkeiten von der Polizei. Julia war 26 Jahre alt, hatte ein hübsches, ovales Gesicht und blonde Haare, die dicht über ihre schmalen Schultern fielen. Sie war nicht sehr groß, aber auch nicht klein. Ihr Körper war von normaler Statur; die junge Frau war also weder dick noch dünn. Die kurzen Fingernägel waren rot lackiert. Rot hatte eine immense Bedeutung für Julia, für sie war es die Farbe der Liebe. Die Liebe. Ihre große Liebe, die plötzlich verschwunden war. Sie dachte zurück an ihren Gang zur Polizei. Der Polizist, bei dem sie ihren Partner als vermisst gemeldet hatte, hatte ihr versprochen, sofort eine Fahndung einzuleiten, da Tom seit mehr als 24 Stunden fort war. Stattdessen hatte der Polizist dann aber bei der Kriminalpolizei angerufen, weil er den Verdacht nicht los wurde, dass es sich bei dem Vermissten um den tot aufgefundenen Mann handelte, der in der Früh unterhalb der Wallmauer lag. Julia ahnte von alldem nichts, denn der Polizist hatte ihr in keiner Weise von seinem Verdacht erzählt. So saß sie nun im Wohnzimmer und starrte immerzu zum Telefon, in der Erwartung, dass es demnächst klingelte. Sie wagte nicht einmal, etwas anderes zu machen. Lesen oder sich um den Haushalt kümmern wollte sie auch nicht. Sie saß da und machte nichts. »Was ist nur los? Wo ist Tom? Warum geht er nicht ans Handy? Hoffentlich ist nichts passiert«, murmelte sie leise vor sich hin. Sie weinte, machte sich die allergrößten Sorgen um ihren Freund. Es passte nicht zu ihm. Er war weg und sie wusste nicht, wo er war. In ihrer Verzweiflung warf sie sich in die Kissen, die auf dem Sofa lagen, und war kurz davor, einzuschlafen, da klingelte es. Es war aber nicht das Telefon.

»Tom?« Julia stand auf und ging zur Haustür. Draußen standen zwei Gestalten, so viel konnte sie erkennen. Ihre Hoffnung löste sich auf. Zögerlich öffnete sie den Personen und als sie nach einem Blick auf die Ausweise erkannte, dass sie von der Polizei waren, klopfte ihr Herz. »Sind Sie wegen meines Freundes hier? Haben Sie ihn gefunden?«, wollte sie wissen.

»Sie sind Frau Berg, richtig? Ich bin Kommissar Ottfried Braun, von der Kriminaldirektion in Trier. Dürfen wir reinkommen?«, grüßte der Kommissar die verzweifelte Frau. Seine Kollegin Sabrina stellte sich ebenfalls vor.

»Ja, kommen Sie nur. Möchten Sie ein Glas Wasser?« Julia gab den Weg in die Wohnung frei. Ottfried und Sabrina gingen ins Wohnzimmer. Sie beide lehnten das Wasser zunächst ab. Nachdem alle Platz genommen hatten, war es die Aufgabe des Kommissars, die junge Frau aufzuklären. »Frau Berg, Sie haben Ihren Partner Tom Krausmann heute als vermisst gemeldet, wie wir von der Dienststelle am Stadtbad gehört haben«, begann er. Julia nickte. Der Kommissar fuhr fort: »Wir sind hier, um Ihnen zu sagen, dass ... Es tut uns sehr leid, aber Tom Krausmann ist tot.« Nun war es raus. Julia starrte den Kommissar ungläubig an. »Nein, Sie machen Scherze. Das ist doch nicht Tom!«