Jesus – Mann der Schmerzen

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Jesus – Mann der Schmerzen
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Die Bibelstellen sind nach der im gleichen Verlag erschienenen „Elberfelder Übersetzung“ (Edition CSV Hückeswagen) angeführt. 1. Auflage 2012 © by Christliche Schriftenverbreitung, Hückeswagen, 2012 Umschlaggestaltung: Christliche Schriftenverbreitung Satz und Layout: Christliche Schriftenverbreitung E-Book: Verbreitung christlichen Glaubens e.V., www.vvcg.de ISBN E-Book: 978-3-89287-579-6 www.csv-verlag.de

Inhaltsverzeichnis

  Vorwort

  Einleitung

  Die Leiden Christi zur Sühnung der Sünde Christus von Gott verlassen Gottes Ratschluss Im „Staub des Todes“

  Leiden im Voraus - Gethsemane Erschüttert Betrübt bis zum Tod Der Kelch Der Fürst der Welt

  Leiden aufgrund Seiner Verwerfung Gericht Ablehnung und Verwerfung Unverständnis und Unglaube Die „Stunde“ Der Sohn lernte Gehorsam Die Beiseitesetzung des Messias Der jüdische Überrest

  Leiden angesichts der Sünde und ihrer Folgen

  Seinen Fußstapfen nachfolgen Leiden – ein Vorrecht Paulus als Vorbild Verschiedene Gesichtspunkte Ermunterung

Vorwort

Kürzlich fragte mich ein Christ: „Woher wissen wir eigentlich, dass der Herr Jesus nur in den letzten drei Stunden am Kreuz von Gott für unsere Sünden gestraft wurde?“ Diese Frage und ihre anschließende kurze Beantwortung führten zu einer erneuten intensiven Beschäftigung mit diesem wunderbaren Gegenstand.

Dabei wurde mir wieder bewusst, in wie vielfältiger Weise die Heilige Schrift von den Leiden Christi redet. Den Anfang bildet der Ausspruch Gottes über die Schlange und die Frau nach dem Sündenfall: „Und ich werde Feindschaft setzen zwischen dir und der Frau und zwischen deinem Samen und ihrem Samen; er wird dir den Kopf zermalmen, und du wirst ihm die Ferse zermalmen“ (1. Mo 3,15). Tatsächlich hat Satan, die alte Schlange, vergeblich versucht, den Herrn Jesus mit den listigsten Versuchungen zu Fall zu bringen, aber der Sohn des Menschen hat „den zunichtegemacht, der die Macht des Todes hat, das ist den Teufel, und alle die befreit, die durch Todesfurcht das ganze Leben hindurch der Knechtschaft unterworfen waren“ (Heb 2,14.15). Die letzte Prophezeiung des Alten Testaments über die Leiden Christi finden wir in Sacharja 13,7, wo es heißt: „Schwert, erwache gegen meinen Hirten und gegen den Mann, der mein Genosse ist!, spricht der Herr der Heerscharen. Schlage den Hirten, und die Herde wird sich zerstreuen.“ Zwischen diesen beiden Schriftstellen finden wir eine Fülle von Prophezeiungen über die Leiden unseres Herrn, besonders in den Psalmen. Aber es gibt auch viele Vorbilder, die uns in bildlicher Weise zeigen, wie Er gelitten hat. Dabei können wir besonders an Isaak, Joseph und David denken.

Dies wird durch die Schreiber des Neuen Testaments an vielen Stellen bestätigt, wenn sie sich auf die Schriften des Alten Testaments beziehen. Nach seiner Auferstehung war der Herr Jesus selbst der Erste, der den beiden Jüngern auf dem Weg nach Emmaus alles erklärte: „O ihr Unverständigen und trägen Herzens, an alles zu glauben, was die Propheten geredet haben! Musste nicht der Christus dies leiden und in seine Herrlichkeit eingehen? Und von Mose und allen Propheten anfangend, erklärte er ihnen in allen Schriften das, was ihn selbst betraf“ (Lk 24,25–27). Noch am gleichen Abend tat Er das Gleiche nochmals, als Er in die Mitte der in Jerusalem versammelten Jünger trat: „Dies sind meine Worte, die ich zu euch redete, als ich noch bei euch war, dass alles erfüllt werden muss, was über mich geschrieben steht in dem Gesetz Moses und den Propheten und Psalmen. Dann öffnete er ihnen das Verständnis, die Schriften zu verstehen, und sprach zu ihnen: So steht geschrieben, dass der Christus leiden und am dritten Tag auferstehen sollte aus den Toten und in seinem Namen Buße und Vergebung der Sünden gepredigt werden sollten allen Nationen, angefangen von Jerusalem“ (Lk 24,44–47).

Die Jünger setzten später diese Art der Erklärung des Alten Testaments fort, wie Petrus in Jerusalem nach der Heilung des Gelähmten: „Gott aber hat so erfüllt, was er durch den Mund aller Propheten zuvor verkündigt hat, dass sein Christus leiden sollte. So tut nun Buße und bekehrt euch, damit eure Sünden ausgetilgt werden“ (Apg 3,18.19). Auch in Thessalonich „unterredete Paulus sich an drei Sabbaten mit ihnen aus den Schriften, indem er eröffnete und darlegte, dass der Christus leiden und aus den Toten auferstehen musste“ (Apg 17,2.3; vgl. Kap. 26,23).

Es ist jedoch nicht meine Absicht, alle Bibelstellen zu betrachten oder auch nur anzuführen, die von den Leiden Christi handeln. Es geht mir vielmehr darum, in erster Linie die Bedeutung der sühnenden Leiden unseres Erlösers vor unsere Blicke zu stellen, aber auch zu zeigen, dass Er vom Anfang bis zum Ende seines Erdenweges gelitten hat. Aber in den drei Stunden der Finsternis am Kreuz hat Er das Gericht Gottes über die Sünde und die Sünden getragen und zum Schluss den Tod als Lohn der Sünde auf sich genommen, damit wir für ewig errettet und in Ihm, dem aus den Toten Auferstandenen, gesegnet werden könnten.

Einleitung

Die Leiden unseres Erlösers und Herrn Jesus Christus sollten uns immer wieder neu beschäftigen. Wenn wir einmal in der Herrlichkeit um den Thron Gottes versammelt sein werden, werden alle Erlösten – dargestellt im Bild der vierundzwanzig Ältesten – den Sohn Gottes inmitten des Thrones stehen sehen als das „Lamm wie geschlachtet“. Wir werden anbetend ein neues Lied singen, in dem es heißt: „Du bist würdig, das Buch zu nehmen und seine Siegel zu öffnen; denn du bist geschlachtet worden und hast für Gott erkauft, durch dein Blut, aus jedem Stamm und jeder Sprache und jedem Volk und jeder Nation, und hast sie unserem Gott zu einem Königtum und zu Priestern gemacht, und sie werden über die Erde herrschen!“ Sogar die Engel werden mit lauter Stimme sprechen: „Würdig ist das Lamm, das geschlachtet worden ist, zu empfangen die Macht und Reichtum und Weisheit und Stärke und Ehre und Herrlichkeit und Segnung.“ Dreimal wird uns also in diesem Kapitel die Tatsache vorgestellt, dass das Lamm geschlachtet worden ist (Off 5,6.9.12)!

Auf dem Weg zum Kreuz, wo Er für uns und unsere Sünden sterben musste, war Er „wie ein Lamm, das zur Schlachtung geführt wird, und wie ein Schaf, das stumm ist vor seinen Scherern“ (Jes 53,7; vgl. Apg 8,32). Am Kreuz war Er „das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt wegnimmt“, und dessen kostbares Blut uns erlöst hat (Joh 1,29; 1. Pet 1,18f.). So wird Er auch in der Herrlichkeit vor unseren Blicken stehen!

Wenn der Tod unseres Erlösers und die damit verbundenen Leiden uns in Ewigkeit beschäftigen werden, sollte es dann nicht auch in der Gegenwart mehr der Fall sein? Die Jünger sahen am Auferstehungsleib ihres Meisters die Male der Wunden, die die Menschen Ihm zugefügt hatten (Lk 24,39.40; Joh 20,25–27; vgl. Sach 13,6). Aber in der Ewigkeit werden wir an dem geschlachteten Lamm auch die Spuren seines Leidens von Gottes Seite sehen und Ihn dafür anbeten!

Das Wort „Leiden“ hat in diesem Zusammenhang zwei verschiedene Bedeutungen. Es kann einmal das Ertragen zugefügter Schmerzen bedeuten (vgl. Mt 16,21; Heb 13,12), andererseits aber auch das schmerzliche Empfinden jeder Art des Bösen (vgl. Heb 2,18; 5,8). Der Herr Jesus hat beides vollkommen geschmeckt. Oft waren die beiden Aspekte seines Leidens miteinander verbunden. Es ist aber gut, sie zu unterscheiden.

Für das Leiden Christi am Kreuz gibt es verschiedene Gründe: den Hass der Menschen unter der Führung Satans und den heiligen Zorn sowie das daraus hervorgehende gerechte Gericht Gottes über die Sünde. Auch hier ist es wichtig, die Leiden, die Er vonseiten der Menschen zu erdulden hatte, von den Sühnungsleiden zu unterscheiden, die Er von Gottes Seite wegen unserer Sünde ertragen musste. Sowohl die Ursachen als auch die Ergebnisse dieser beiden Arten von Leiden sind nicht nur unterschiedlich, sondern stehen im vollkommenen Gegensatz zueinander.

 

Nur eine Form des Leidens kannte der Herr überhaupt nicht: Leiden aufgrund von Verfehlungen und Sünden, wie sie leider auch bei Christen Vorkommen können. Wenn Petrus die gläubigen Hausknechte fragen muss: „Denn was für ein Ruhm ist es, wenn ihr ausharrt, indem ihr sündigt und geschlagen werdet?“, dann liegt darin ein deutlicher Vorwurf (1. Pet 2,20). Ähnlich ist es in Kapitel 4,15: „Dass doch niemand von euch leide als Mörder oder Dieb oder Übeltäter oder als einer, der sich in fremde Sachen mischt; wenn aber als Christ, so schäme er sich nicht, sondern verherrliche Gott in diesem Namen.“ Wenn wir dem Beispiel unseres Herrn folgen, bleiben wir vor solchen Leiden bewahrt.

Die Leiden Christi gehören zu den erhabensten Themen des Wortes Gottes. Er litt nicht nur am Kreuz, sondern während seines ganzen Lebens. Als der ewige Sohn Gottes die Erde als Mensch betrat, begann für Ihn ein Weg des Leidens, der seinen Höhepunkt in den letzten drei Stunden am Kreuz und in seinem Tod erreichte.

Einige Arten von Leiden hat der Herr Jesus ganz allein erdulden müssen. In anderen ist Er unser Vorbild, und wir können Ihm, wenn auch in schwachem Maß, darin folgen. Doch über allem stehen die sühnenden Leiden unseres geliebten Herrn am Kreuz. Mit ihnen beginnen wir daher unsere Betrachtung.

Wir betreten dabei „heiliges Land“. Wie Mose und Josua aufgefordert wurden, in der Gegenwart Gottes ihre Schuhe von ihren Füßen zu ziehen, geziemt es sich auch für uns, das heilige Geschehen und die anbetungswürdige Person unseres Erlösers Jesus Christus mit Ehrfurcht zu betrachten. Unmöglich können wir die Höhen und Tiefen seiner Leiden völlig ergründen. Ebenso wenig dürfen wir dabei seine Gottheit und Menschheit auseinander dividieren. Er ist „der Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat“ (Gal 2,20), und zugleich „der Mensch Christus Jesus, der sich selbst gab als Lösegeld für alle“ (1. Tim 2,5.6). Bei allem Leiden hat Er sich jedoch nicht nur für uns als Darbringung und Schlachtopfer hingegeben, sondern auch „Gott zu einem duftenden Wohlgeruch“ (Eph 5,2). Alles ist für uns Grund zu ewiger Anbetung!

Schon öfter ist geäußert worden, dass das rechte Verständnis der Leiden Christi nicht nur eine Frage der Schriftauslegung ist, sondern auch unseres Herzenszustandes und unserer geistlichen Einsicht. Dem kann man nur von ganzem Herzen zustimmen. Möchten wir uns in ehrfurchtsvoller Haltung mit diesem erhabenen Gegenstand beschäftigen!

Die Leiden Christi zur Sühnung der Sünde

Als der Herr Jesus nach Golgatha hinausging und dort von rohen Soldaten gekreuzigt wurde, sah es aus, als hätten die Menschen unter Satans Führung ihr Ziel erreicht. In einem Schnellverfahren ohnegleichen war Er, der keine Sünde kannte und den Menschen nur Gutes getan hatte, trotz vielfacher Unschuldszeugnisse[1] ohne jeden wahren Grund zum Tod am Kreuz verurteilt worden. Die Offenbarung der Bosheit der Menschen hatte ihren Höhepunkt erreicht. Es schien, als ob das Böse triumphierte und das Gute unterlag.

In unergründlicher Weisheit hatte Gott es so weit kommen lassen, damit der unverbesserliche Zustand des Menschen ein für alle Mal und endgültig offenbar wurde. Niemand hatte eine Entschuldigung, niemand konnte sich herausreden. Sie verleugneten „den Heiligen und Gerechten“ und schenkten stattdessen einem Mörder die Freiheit (Apg 3,14).

Jetzt, am Tiefpunkt menschlicher Verderbtheit offenbarte Gott die ganze Größe seiner Gnade und Liebe, aber auch seiner Heiligkeit und Gerechtigkeit. Für seine Feinde, für Gottlose und Sünder gab Er seinen eigenen Sohn als Opferlamm. Das war der Beweis seiner Liebe und Gnade. An Ihm, dem Sünd- und Schuldlosen, vollzog Er das Gericht über die Sünde. Darin sehen wir die Heiligkeit und Gerechtigkeit Gottes. Am Kreuz sind sich daher Gottes Güte und Wahrheit begegnet, haben sich Gerechtigkeit und Frieden geküsst (Ps 85,11). Doch was für einen Preis musste Er dafür bezahlen! Ihm sei ewig Dank dafür!

Christus von Gott verlassen

„Aber von der sechsten Stunde an kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde. Um die neunte Stunde aber schrie Jesus auf mit lauter Stimme und sagte: Eli, Eli, lama sabachthani?, das heißt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Mt 27,45.46; Mk 15,33). Er, der Gott vollkommen offenbart und Ihn in seinem ganzen Leben durch alles, was Er tat, vollkommen verherrlicht hatte, wurde von seinem Gott verlassen!

Zu aller Zeit hatte Er als Sohn eine vollkommene, ungetrübte Gemeinschaft mit seinem Vater genossen. Deshalb sprach Er während seines ganzen Lebens und Dienstes von Gott immer als von seinem Vater und redete Ihn auch so an.

Dieses innige Verhältnis bezeugen viele Stellen in den Evangelien. Als Zwölfjähriger fragte Er seine Eltern im Tempel: „Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meines Vaters ist?“ (Lk 2,49). Zu Beginn seines öffentlichen Dienstes ertönte die Stimme des Vaters aus dem Himmel: „Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe“ (Mt 3,17). Nach der Verwerfung des Messias vonseiten der Juden erging nochmals das gleiche Zeugnis über Ihn (Mt 17,5). In seinen letzten Stunden vor seinem Gang zum Kreuz sagte Er zu seinen Jüngern: „Siehe, die Stunde kommt und ist gekommen, dass ihr zerstreut werdet, jeder in das seine, und mich allein lasst; und ich bin nicht allein, denn der Vater ist bei mir“ (Joh 16,32). Auch in der schweren Stunde in Gethsemane, als das ganze Gewicht des vor Ihm liegenden Sühnungswerks seine Empfindungen bedrückte, hören wir Ihn sagen: „Abba, Vater, alles ist dir möglich; nimm diesen Kelch von mir weg! Doch nicht, was ich will, sondern was du willst!“ (Mk 14,36), und anschließend: „Den Kelch, den mir der Vater gegeben hat, soll ich den nicht trinken?“ (Joh 18,11). Sogar in den ersten drei Stunden seines Kreuzesleidens war seine Gemeinschaft mit seinem himmlischen Vater vollkommen ungetrübt, wie seine Bitte für seine Peiniger bezeugt: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“ (Lk 23,34). Ebenso ist es bei seiner letzten Äußerung am Kreuz: „Vater, in deine Hände übergebe ich meinen Geist!“ (Lk 23,46).

Aber jetzt, während der dreistündigen Finsternis, ruft Er in größter Einsamkeit und Verlassenheit diese erschütternden Worte aus! Jetzt sagt Er nicht: „Mein Vater“, sondern: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Der Mittler zwischen Gott und Menschen, der Mensch Christus Jesus, wird von seinem Gott verlassen! Unmöglich können diese Worte eine Erfahrung des Psalmdichters David wiedergeben (s. Ps 22,2). Niemals war David von Gott verlassen! Und niemals in seinem Glaubensleben hat er die Tatsache aus den Augen verloren, dass Gott „ein Erhalter aller Menschen ist, besonders der Gläubigen“ (1. Tim 4,10). Sonst hätte er nicht im folgenden Psalm schreiben können: „Auch wenn ich wanderte im Tal des Todesschattens, fürchte ich nichts Übles, denn du bist bei mir; dein Stecken und dein Stab, sie trösten mich“ (Ps 23,4).

Aber der Herr Jesus, und nur Er allein, wurde um unsertwillen von Gott verlassen, damit wir diesen furchtbaren Zustand nie zu erfahren brauchen! Und warum? Konnte es in Ihm selbst irgendeinen Grund dazu geben? Nein, es war wegen unserer Sünde und wegen des unerbittlichen Gerichtes des heiligen Gottes. Petrus schreibt darüber: „... der selbst unsere Sünden an seinem Leib auf dem Holz getragen hat, damit wir, den Sünden abgestorben, der Gerechtigkeit leben, durch dessen Striemen ihr heil geworden seid“ (1. Pet 2,24). Paulus sagt in Römer 8,3, dass Gott, „seinen eigenen Sohn in Gleichgestalt des Fleisches der Sünde und für die Sünde sendend, die Sünde im Fleisch verurteilte“, und in 2. Korinther 5,21: „Den, der Sünde nicht kannte, hat er für uns zur Sünde gemacht, damit wir Gottes Gerechtigkeit würden in ihm“.

Der Herr Jesus nahm die unzähligen Sünden derer, die an Ihn glauben würden, auf sich, als wären es seine eigenen. Er trug an seinem heiligen Leib alle unsere bösen Gedanken, Worte und Taten, durch die wir vor Gott schuldig geworden sind. Das allein war schon etwas Furchtbares für den einzigen Makellosen, in dem keine Sünde ist (s. 1. Joh 3,5). Wie muss Er darunter gelitten haben, den Schmutz unserer Sünden tragen zu müssen!

Als freiwillig mit fremder Schuld Beladener nahm Er zudem die gerechte göttliche Strafe für unsere Sünden auf sich. „Die Strafe zu unserem Frieden lag auf ihm“ (Jes 53,5). „Was ich nicht geraubt habe, muss ich dann erstatten“, klagt David prophetisch in Psalm 69,5. Petrus schreibt darüber: „Denn es hat ja Christus einmal für Sünden gelitten, der Gerechte für die Ungerechten, damit er uns zu Gott führe, getötet nach dem Fleisch, aber lebendig gemacht nach dem Geist“ (1. Pet 3,18).

Doch Er musste noch mehr erdulden. Er wurde auch zur Sünde gemacht. In diesem Zusammenhang betrifft das Wort „Sünde“ (im Singular) nicht unsere soeben erwähnten Bosheiten, für die wir vor Gott verantwortlich und durch die wir vor Ihm schuldig geworden sind. Sünde bezeichnet auch den Charakter des alten Menschen, des Fleisches und der alten Natur bei uns als gefallenen Geschöpfen. Die Sünde, mit der alle Menschen geboren werden, ist die Quelle unserer Tatsünden. Sünden können vergeben werden, nicht aber die „in mir wohnende Sünde“ (Röm 7,17). Für Letztere kann es nur Gericht und Tod geben. Daher wurde der Herr Jesus auch das vollkommene Sündopfer, das in der hebräischen Sprache des Alten Testaments dasselbe Wort (chattat) wie Sünde ist. Aber die Ausdrücke „die Sünde im Fleisch verurteilt“ und „zur Sünde gemacht“ gehen noch weiter: Sie zeigen, dass Gott in seinem gerechten Gericht über die Sünde den Herrn Jesus so behandelte, als ob Er selbst Sünde sei, damit Er mit ihr als solcher in göttlicher Heiligkeit und Gerechtigkeit abrechnen konnte. Der Herr Jesus trug das Gericht über die Sünde und auch die Folge der Sünde, und das bedeutete den Tod. „Der Lohn der Sünde ist der Tod“ (Röm 6,23; vgl. 1. Mo 2,17; Röm 5,12). Wer könnte die Bedeutung dieser Tatsachen und die Tiefe des damit verbundenen Leidens erfassen?

In diesen drei Stunden des furchtbarsten Gerichts war unser Herr allein. Kein Mensch, kein Engel konnte Ihm beistehen. Aber auch Gott, der zu rein von Augen ist, um Böses zu sehen, wandte sich von Ihm ab (s. Hab 1,13). In diesen Augenblicken konnte es keine Gemeinschaft zwischen dem heiligen Gott und Demjenigen geben, der, obwohl selbst ebenso heilig, nun die Sünden derer trug, die an Ihn glauben würden, und zur Sünde gemacht wurde. Verworfen von der Masse der Menschen, im Stich gelassen von den Seinen und verlassen von seinem Gott hing Er um unsertwillen in tiefer Finsternis am Kreuz. Es war das „Leiden des Todes“, durch das Er in diesen Stunden gehen musste (Heb 2,9). In Ihm, dem Gerechten und Heiligen, gab es keine Ursache dafür. Er litt und starb aus Liebe zu den Verlorenen unter dem Gericht Gottes über die Sünde. Er wurde für uns zum Fluch, denn es steht geschrieben: „Verflucht ist jeder, der am Holz hängt“ (Gal 3,13).

Was der Herr dabei empfunden hat, können menschliche Worte, durch die wir nur unsere eigenen Gefühle ausdrücken können, wohl nie völlig beschreiben. Dennoch reden manche Psalmen prophetisch in zu Herzen gehenden Worten von diesen Stunden. Als Er unsere Sünden in all ihrer Abscheulichkeit „an seinem Leib auf dem Holz trug“, war dies für den Reinen und Heiligen wie eine „Grube des Verderbens“ und wie „kotiger Schlamm“ (Ps 40,3). „Ich bin versunken in tiefen Schlamm, und kein Grund ist da ... Zieh mich heraus aus dem Schlamm, dass ich nicht versinke!“ (Ps 69,3.15). So schrecklich, ja ekelhaft, empfand Er das Tragen unserer Sünden, die wir manchmal noch als Schwachheiten entschuldigen möchten!

Das unerbittliche göttliche Gericht über unsere Sünden und die Sünde brach über den leidenden Erlöser wie gewaltige Wasserfluten herein, denen Er vollkommen schutzlos ausgeliefert war: „Tiefe ruft der Tiefe beim Brausen deiner Wassergüsse; alle deine Wogen und deine Wellen sind über mich hingegangen“ (Ps 42,8). Die dreistündige Finsternis war auch der sichtbare Ausdruck dessen, was in dieser Zeit geschah: „Du hast mich in die tiefste Grube gelegt, in Finsternisse, in Tiefen. Auf mir liegt schwer dein Grimm, und mit allen deinen Wellen hast du mich niedergedrückt“ (Ps 88,7.8).

Seine Empfindungen in diesen Leiden kommen in den folgenden Zitaten zum Ausdruck, denen noch manche anderen hinzugefügt werden könnten. „Wie Wasser bin ich hingeschüttet, und alle meine Gebeine haben sich zertrennt; wie Wachs ist geworden mein Herz, es ist zerschmolzen inmitten meiner Eingeweide. Meine Kraft ist vertrocknet wie eine Tonscherbe, und meine Zunge klebt an meinem Gaumen; und in den Staub des Todes legst du mich“ (Ps 22,15.16). „Denn satt ist meine Seele von Leiden, und mein Leben ist nahe am Scheol... Warum, Herr, verwirfst du meine Seele, verbirgst dein Angesicht vor mir? Ich bin elend und verscheide von Jugend an; ich trage deine Schrecknisse, bin verwirrt. Deine Zorngluten sind über mich hingegangen, deine Schrecknisse haben mich vernichtet. Sie haben mich wie Wasser umringt den ganzen Tag, sie haben mich allesamt umgeben“ (Ps 88,4.15–18).

 

Die Finsternis, die in diesen drei Stunden herrschte, war übernatürlich. Eine totale Sonnenfinsternis dauert gewöhnlich weniger als zehn Minuten. Außerdem entsteht sie immer bei Neumond, das heißt an dem Tag, an dem die jüdischen Monate beginnen. Das Passah findet jedoch immer am vierzehnten Tag des Monats Abib oder Nisan statt, also bei Vollmond. Finsternis ist in der Heiligen Schrift oft eine Begleiterscheinung des Gerichts (Jes 13,9.10; Joel 3,4; Am 8,9.10). Als den Hirten auf dem Feld von Bethlehem in der Nacht die Geburt des Herrn verkündet wurde, heißt es: „Und die Herrlichkeit des Herrn umleuchtete sie“ (Lk 2,9). Aber hier, wo Er das Gericht Gottes über die Sünden und die Sünde erdulden musste, herrschte am hellen Mittag Finsternis über der Erde.

Hieraus zu folgern, der Herr sei in den drei Stunden der Finsternis in der Hölle gewesen, wie manchmal tatsächlich behauptet wird, ist jedoch natürlich völlig verfehlt. Weder am Kreuz noch nach seinem Tod befand der Herr Jesus sich am Ort der ewigen Qual. Zwar nennt Er den Ort der ewigen Verdammnis „die äußerste Finsternis: Dort wird das Weinen und das Zähneknirschen sein“ (Mt 25,30). Auch das Verlassensein von Gott gehört zum zukünftigen Teil der Ungläubigen: „ewiges Verderben vom [eigentlich: weg vom] Angesicht des Herrn und von der Herrlichkeit seiner Stärke“ (2. Thes 1,9). Finsternis und Verlassensein von Gott sind also Kennzeichen der ewigen Verdammnis. Nun hat der Herr Jesus in den drei finsteren Stunden des Verlassenseins zwar das Gericht, die Strafe, ertragen, das uns ewig hätte treffen müssen, aber Er war dabei dem Leib nach nicht in der Hölle, sondern am Kreuz. Auch die oft angeführte Stelle aus 1. Petrus 3,19 und 20 spricht durchaus nicht von einer „Höllenfahrt Christi“. Sie besagt, dass Christus in der Kraft des Heiligen Geistes[2] in den Tagen vor der Flut den ungläubigen Zeitgenossen Noahs, die sich jetzt im Hades befinden, Buße gepredigt hat, was diese Menschen jedoch nicht ernst nahmen. So gingen sie alle verloren, und nur Noah, der „Prediger der Gerechtigkeit“ (2. Pet 2,5), und seine sieben Angehörigen wurden vor der Sintflut gerettet.

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