Von Bessarabien nach Belzig

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Von Bessarabien nach Belzig
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Von Bessarabien nach Belzig

Artur Weiß

Von Bessarabien nach Belzig

Meine Memoiren

Engelsdorfer Verlag

Leipzig

2012

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.dnb.de abrufbar.

Copyright (2012) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte beim Autor

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

www.engelsdorfer-verlag.de

Inhalt

Vorwort

Das Land Bessarabien

Klöstitz entsteht

Familie Messinger

Gründung der Familie Weiß

Abendliches Treffen der Familien und Freunde

Abschluss der Ernte

Meine Einschulung in Klöstitz

Wochenendbesuch bei meinem Großvater

Kuh- und Schafhirten

Beginn des Hausbaues und mein 8. Geburtstag

Beginn der Umsiedlung nach Deutschland

Die Umsiedlung nach Deutschland

Donauschifffahrt über Semlin nach Deutschland

Ansiedlung in Polen (Warthegau)

Allgemeine Ereignisse auf unserem Bauernhof

Verbesserung der Lebensverhältnisse in der Familie

Das NS-Reich und die Kirche

Vater wird zur Wehrmacht einberufen

Mein HJ-Dienst

Erntefest und Sonstiges

Der letzte Urlaub unseres Vaters

Die letzten Wochen vor der Flucht

Die Flucht nach Deutschland

Neuanfang der Bessarabien Deutschen im Nachkriegsdeutschland

Berufliche Entwicklung und Familiengründung

Mein Familienleben sowie Berufliches

Mein beruflicher Aufstieg

Der Beginn meines beruflichen Untergangs

Das Ende meiner beruflichen Laufbahn

Meine Verhaftung und Erlebnisse in der U-Haft

Gerichtsverfahren und Urteilsspruch

Einzug in den DDR-Strafvollzug

Wieder zu Hause im Kreis meiner Familie

Schlusswort zum Bessarabien Film und Buch

Vorwort

Erst als ich meine Memoiren zu Papier gebracht hatte, reifte der Gedanke, ein Buch daraus zu machen. Der Grund war, dass ich die schrecklichsten Geschehnisse detailliert aufschrieb, um verständlich zu machen, was täglich vor meinen Augen, während der Flucht und später im Gefängnis geschehen war. Alles, was ich in meinem Buch niedergeschrieben habe, sind Ereignisse, hervorgerufen durch Diktaturen, die aufgrund ihrer politischen Interessen, den Menschen unermessliches Leid zufügten. Ich denke, dass es mir gelungen ist, mit Worten zu sagen, welch schmerzliches und seelisches Leid mir und meiner Familie zugefügt wurde. Den traumatisierten Eltern und ihren Kindern wurde keine psychiatrische Hilfe zuteil, die noch Lebenden leiden heute noch unter den damaligen Ereignissen. Durch die schriftlich tiefgründige Aufarbeitung der von mir als Kind, Jugendlicher und Erwachsener erlebten Gewalt, konnte ich mir alles von der Seele schreiben.

Der Inhalt des Buches behandelt den Zeitraum von 1813 bis 2013.

Der Aufruf des Zaren am 22. November 1813 ermunterte viele, aus dem Land Baden Württemberg als Kolonisten in das Steppenland Bessarabien zu ziehen.

Aus dieser KolonistenGruppe stammen meine Vorfahren, die in Freudenstadt um 1796 geboren wurden.

Sie ließen sich im Schagatal nieder und schufen sich bei harter Arbeit eine Heimat, die wir als ihre Nachkommen 1940 verlassen mussten.

Das Land Bessarabien

Die dünn besiedelte Steppenlandschaft Bessarabiens, begrenzt durch die Flüsse Dnejstr und Bruth sowie dem Schwarzen Meer, diente den Nomaden, unter anderem den Tartaren, als Weideland für ihre Viehherden.


Schafherde der Nomaden

Zeitgleich herrschte im deutschen Reich und europaweit eine witterungsbedingte Missernte, die flächendeckend Hungersnot zur Folge hatte. Auch litten die Menschen unter der Verbreitung gefährlicher Krankheiten und Seuchen. Das veranlasste den Zaren Alexander I. zu dem wirtschaftlichen Plan, der umsiedlungswilligen Bevölkerung Europas mit dem fruchtbaren bassarabischen Steppenland eine neue Heimat zu bieten.

So erging am 22. November 1813 ein Aufruf des Zaren an die deutschen Bauern, das Steppenland Bessarabiens mit tüchtigem Volk zu besiedeln, denn auch Russland hat durch die einstige Besiedlung des Schwarzmeergebietes und der Wolgarepublik gute Erfahrungen mit den deutschen Bauern gemacht. Dem Aufruf folgten tausende europäische Bauern, indem sie sich mit Ochsenkarren, Handwagen und auch zu Fuß auf den langen beschwerlichen Weg ins neue Siedlungsgebiet begaben.

Die Kolonisten schlugen mehrere verschiedene Wege ein, um hierher zu gelangen. Einerseits trug die Donau schiffsähnliche Gebilde, die sogenannten „Ulmer Schachteln“, mit denen sich cirka 2.500 Menschen auf den Weg machten. Während der fast einjährigen Reise durch Winter und Sommer wurden sie oftmals von den zu Hause herrschenden Krankheiten eingeholt, sodass von ihnen nur etwa 800 Menschen die neue Heimat erreichten.

Andererseits dienten verschiedene Landwege der Völkerbewegung. Der eine Wanderweg führte von Radzivil über Tiraspol, der andere begann schon bei Württemberg und führte über Lemberg nach Radzivil, knüpfte hier an und führte über Tiraspol in die Häfen von Galatz oder Ismail/Rumänien. Aus einer hier angereisten Kolonistengruppe kamen meine Vorfahren, die Familie Dieterle, deren Vater 1796 in Freudenstadt/ Baden Württemberg geboren wurde.


Mit den Ochsengespannen erreichten sie das Siedlungsgebiet*

In den langen Monaten der Entbehrung, bangend und hoffend auf das, was der Zar den Siedlern versprochen hat auch eingehalten wurde, sind nach und nach Hunderte in den rumänischen Häfen Galatz und Ismail angekommen. Erleichtert und zufrieden haben sie das Siedlungsgebiet erreicht, wo sie von den zaristischen Siedlungsbeamten empfangen wurden. Im Schagatal schlugen sie ihre Lager auf, in welchen sie längere Zeit leben sollten und gewillt waren, sich hier nicht nur eine Bleibe, sondern eine Heimat zu schaffen.

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* Foto aus der Sammlung von Akira Takiguchi

Klöstitz entsteht

Dann knieten sich die streng gläubigen Kolonisten auf den Steppenboden im Tschagatal nieder, wo ein Prediger Gott und dem Zaren für die neue Heimat dankte. Auch gedachten sie den vielen Toten, die auf dem langen schwierigen Weg in die neue Heimat ihr Leben ließen. Wie bei ihnen üblich, sangen sie die bekannten Kirchenlieder, unter anderem das Lied „Jesu geh’ voran auf der Lebensbahn“. Abschließend beteten sie gemeinsam das Vaterunser. Müde von der Wanderung versorgten sie sich und ihr Vieh, konzentrierten sich dann auf das, was auf sie zukommen würde. Die Kolonisten wurden von dem russischen Ansiedlungskomitee über ihre Privilegien informiert, die ihnen weitgehende Freiheiten einräumten, so durften sie die deutsche Sprache behalten und lehren. Neben vielen Vergünstigungen und Zahlungen war es ihnen freigestellt, ihrer Religion gemäß Kirchen zu bauen, Geistliche zu halten und ihre Religionsgebräuche nach ihrer Weise auszuüben. Auch waren sie für die kommenden zehn Jahre von allen Steuern und Abgaben befreit, danach musste die Schuld in Raten an das russische Reich zurückgezahlt werden. Desweiteren ging das Komitee daran, die Kolonisten zu erfassen und zu registrieren, um sie mit den notwendigen Ausweispapieren auszustatten, weil sie von nun an russische Staatsbürger deutscher Abstammung waren.

 

Nun war es an der Zeit, Unterkünfte für Mensch und Tier zu bauen, um den nahenden strengen bessarabischen Winter zu überstehen. Es blieb den Siedlern nicht viel Zeit, sodass sie improvisieren mussten, das bedeutete Lehmbuden oder Erdhäuser zu bauen.

Die Lehmbuden wurden aus Batzen gebaut, welche aus einem LehmStrohGemisch mittels einer Form hergestellte Lehmsteine waren, die in der Sonne getrocknet wurden. Der benötigte Mörtel zum vermauern wurde ebenfalls aus Lehm hergestellt. Einfacher war es, ein Erdhaus zu bauen, indem eine Grube ausgehoben wurde, die man mit Baumstämmen abdeckte, sie mit Steppengras und Erdreich beschichtete. Somit war die Gemeinde Klöstitz am Tschagatal am Fluss Tschag 1815 gegründet, dies wurde im neu gebauten Gebetshaus gebührend gefeiert und protokolliert.

Insgesamt waren es 494 Familien mit 2.578 Seelen, die sich 7.997 Desjatinen Steppenland teilten. Die Wirtschaft jeder Familie war somit 60 Desjatinen – etwa 65,55 Hektar groß und wurde mit Pferden und Ochsengespannen urbar gemacht. Dabei wurde den Klöstitzer Bauern alles abverlangt. In der Regel begann ihre Arbeit am frühen Morgen und endete spät in der Nacht.

Nun sollten viele Jahre mit harter Arbeit und Entbehrungen vergehen, bis Klöstitz eine eigenständige Gemeinde mit einer frei gewählten Gemeindevertretung wurde. Diese beschloss, Schulen, Gemeindehäuser und nicht zuletzt eine Kirche und ein Pfarrhaus zu bauen, die den Klöstitzern Klein und Groß zur Verfügung gestellt wurden.

Für die Aufrechterhaltung von Zucht und Ordnung war der Dorfschulze verantwortlich, dieser konnte auch Kurzhaftstrafen verhängen. In den Schulen und Ämtern dominierte Hochdeutsch, in den Familien und untereinander würde schwäbisch gesprochen. Die aus Deutschland mitgebrachten Sitten und Bräuche und auch die Sprache wurden in den Familien an die Nachkommen weitergegeben. Bei der Gestaltung des öffentlichen Lebens war es notwendig geworden, das kulturelle Treiben in Gang zu bringen. So wurden die verschiedensten Vereine gegründet, es begann mit Sport-, Gesang-, Musik-, Tanz- und Jagdvereinen, die alle eigenständig ihre Tätigkeiten – hauptsächlich in den Wintermonaten – ausübten.

Die Klöstitzer Behörden schafften es, das Dorf durch ihre Arbeit zu einer der größten Mutterkolonien Bessarabiens zu machen, woran die Kirche maßgeblich beteiligt war. In den Jahren um 1900 schafften es die Nachkommen der ehemaligen Kolonisten ihre Gemeinde zu einem Vorbild für andere Kolonien zu machen. Durch Fleiß und äußerste Sparsamkeit brachten es die Klöstitzer zu bescheidenem Wohlstand, aus welchen verschiedene Persönlichkeiten hervorgingen. Aus einigen Kleinbauern wurden über Generationen Gutsbesitzer, die in der Lage waren, Vorratswirtschaft zu betreiben, um bei Missernten die Ernährung der Gemeinde abzusichern. Die bekanntesten von ihnen waren Gottlieb Bodamar, Hoffmann und Gerstenberger, die ihre Ländereien schon um 1900 mit motorisierter Technik bestellen konnten. Ein fester Bestandteil der Klöstitzer war mittlerweile die Versorgung mit Dienstleistungen jeglicher Art. Die Landwirtschaft war in allen Dörfern der wichtigste Erwerbszweig, mussten die Bauern doch nicht nur sich selbst versorgen, sondern auch die Märkte, um auch finanziell abgesichert zu sein.

Die Bauernhöfe wurden meist von Großfamilien bewirtschaftet, auf dem oft bis zu zwölf Kinder heranwuchsen und deren Eltern und Großeltern lebten. Die Kinder wurden damals schon mit zehn bis zwölf Jahren zur Feldarbeit herangezogen.

Familie Messinger

So war es auch auf dem Hof des Großbauern Gottlieb Messinger, wo meine Mutter als viertes Kind von zwölf Geschwistern das Licht der Welt erblickte. Die Kinder wurden von den Eltern zur gegenseitigen Hilfe angeleitet, sodass die Älteren den Jüngeren bei der Toilette oder beim Anziehen halfen. Auch war es selbstverständlich, dass die Jüngeren die Sachen der Älteren auftrugen.


Dieses Bild zeigt vier Generationen Urgroßvater, Vater, Enkel und Urenkel

Die Schulbildung war zu dieser Zeit allen zugänglich, sodass aus Klöstitzer Studierenden gut ausgebildete Beamte hervorgingen, unteranderen ein General, der in der zaristischen Armee seinen Dienst ausübte. Nicht alle Kinder hatten das Glück die Schule bis zur 8. Klasse zu besuchen, sie wurden von ihren Eltern mit zehn oder zwölf Jahren aus der Schule genommen, weil sie im Haushalt und bei der Feldarbeit helfen mussten. So erging es auch meiner Mutter und den meisten ihrer Geschwister, sodass sie gerade soviel gelernt hatten, dass sie etwas lesen, rechnen und ihren Namen schreiben konnten. Dass die Kinder bei der Haus-, Hof-, und Feldarbeit helfen mussten, war eigentlich normal, weil kein Hehl daraus gemacht wurde, dass sie damit ihr tägliches Brot verdienten. Mit dieser Normalität lernten Kinder frühzeitig, dass nur durch Hände Arbeit das Leben finanziert werden kann. Unter diesen vorgegebenen Bedingungen wuchs die Generation meiner Eltern heran, die auch durch das Evangelium geformt und erzogen wurde. Die ihnen verbliebene Freizeit verbrachten sie in verschiedenen Vereinen, wie: Volkloregruppen, Stick-, Spinn- und Schneiderlehrgängen, wo die jungen Frauen an ihrer Aussteuer arbeiteten. Dies motivierte die Frauen, in ihrem späteren Leben selbst die Kleidung für ihre Familie herzustellen, was ohnehin Gang und Gebe war.


Spinn- u Stickgruppe

Das Jahr 1928 brachte der Familie Messinger einschneidende Veränderungen. Unerwartet verstarb die Mutter meiner Mutter, sodass sie ihre Stelle einnehmen musste, um die Großfamilie zu versorgen. Hier bewährte sich die von klein auf anerzogene Bereitschaft zu helfen und füreinander da zu sein. Von ihren Geschwistern unterstützt, nun schon als junge Frau, den Haushalt der Familie Messinger zu leiten, diese Tätigkeit verlangte ihr alles ab.

So verging die Zeit, bis der Vater meiner Mutter bemerkte, dass seine Tochter Anna hoffnungslos überfordert war. Das suchte er schleunigst abzustellen. Da bekanntlich die Zeit alle Wunden heilt, hat der Vater meiner Mutter seinen Schicksalsschlag in den letzten Jahren überstanden, sodass er sich wieder nach einer Partnerin sehnte. Wenn er tagsüber seine Kinder um sich hatte und seiner Arbeit nachging, so war er abends, wenn sich alle zurückgezogen hatten, allein. Das belastete ihn zunehmend. Im Frühjahr 1930 bei dem traditionellen Pferdemarkt im Nachbarort Tarutino, lernte er die Witwe Juliana Weiß kennen, die sich für ihn interessierte, was auf Gegenseitigkeit beruhte. Es sollte nicht viel Zeit vergehen, bis Juliana Weiß zu Familie Messinger nach Klöstitz zog, wohin sie ihren jüngsten Sohn, den 23-jährigen Alfred mitbrachte.

Zu dieser Zeit waren ihre anderen acht Kinder schon aus dem Haus. Dass wieder eine erfahrene Hausfrau auf den Bauernhof zog, war für alle eine Bereicherung, zumal sie einen stattlichen jungen Mann mitbrachte, der ordentlich zupacken konnte. Nun trat wieder eine Art Normalität im Haushalt ein und Anna wurde spürbar entlastet. Nun konnte sie doch wieder am öffentlichen Leben teilhaben. Es kam nicht selten vor, dass der Stiefbruder Alfred die Anna zu ihrem Jungfrauentreffen begleitete und sie sich dadurch näherkamen, was zunächst Aufsehen erregte, weil fälschlicherweise behauptet wurde, dass sie Geschwister seien. Doch dies entbehrte jeder Grundlage. Vielmehr kam es dazu, dass Verlobung gefeiert wurde, wo Alfred um die Hand von Anna anhielt, welche freudig einwilligte. Es ist nicht immer so, dass sich junge Leute kennen und lieben lernten, wie Alfred und Anna, die meine Eltern wurden. Hier hat wohl das Schicksal die Hand im Spiel gehabt.


Alfred Weiß, 20 Jahre


Verlobtes Paar, Anna und Alfred

Gründung der Familie Weiß

Im Frühjahr 1931 überraschte Alfred seine Mutter sowie seinen Schwiegervater Gottlieb Messinger dahingehend, dass er Anna im Spätherbst ehelichen wolle. Das bedeutete für das junge Paar, Arbeiten für den Bau einer Lehmbude, so nannte man die Übergangshütte, um eine Unterkunft zu haben, bis zur Fertigstellung eines Massivhauses. Den ganzen Sommer über wurden einige Tausend Batzen aus dem Lehmstrohgemisch mittels einer Form hergestellt, die in der Sonne getrocknet wurden, dies wurde alles per Handarbeit erledigt. Die Baustelle, auf der sich das junge Paar ein Heim schaffen wollte, war ein Teil des Erbes von Anna. Diese befand sich in der Klöstitzer Bergstraße. Um den Bau finanzieren zu können, arbeitete Alfred bei einem Bauunternehmen, da war er in seinem Element, weil er gelernter Maurer war. Bei der Verwirklichung seines Bauvorhabens halfen ihm seine Freunde aus Tarutino sowie die Geschwister von Anna, denn gegenseitige und unentgeltliche Hilfe unter den jungen Leuten war Ehrensache. Die Freude war groß, als die dreiräumige Lehmbude am 1. September 1931 bezugsfertig war. Danach wurde mit Hochdruck die Hochzeit vorbereitet. Gottlieb Messinger, der Vater von Anna, ließ es sich nicht nehmen die Hochzeit zu finanzieren, wobei ein Teil des Erbes von Alfred für die Einrichtung verwendet wurde. Am 24. September 1931 war am Vormittag die standesamtliche, am Nachmittag desselben Tages, in der Kirche zu Klöstitz, die kirchliche Trauung vollzogen. Gefeiert wurde auf dem Bauernhof von Gottlieb Messinger, der es an nichts fehlen ließ, wo auch seine edlen Weine verkostet wurden. Dies ging bis zum Morgengrauen, bis dann die letzten den Hof verließen. Worauf sich Alfred ganz besonders freute, war, dass er mit Anna in sein eigenes selbstgebautes Heim einziehen würde, was am 1. Oktober 1931 geschah.

Nun sind sie das geworden, was der Welt Lauf ist: auf eigenen Beinen stehen, eine Familie haben sowie das umsetzen, was ihnen ihre Eltern anerzogen und gelehrt haben. Sicherlich wird es einige Zeit dauern, bis sie ihren festen Weg gefunden haben, der für sie eigentlich schon vorprogrammiert ist. Wie es bei Selbstversorgern ist, muss zunächst für Vorräte gesorgt werden, um den langen und harten Winter in Bessarabien zu überstehen. Die Zeit verging wie im Fluge, Alfred und Anna hatten sich in ihrem Heim gut eingerichtet und fühlten sich wohl, wobei noch viel Arbeit verrichtet werden musste, dass sie ihr Ziel zu erreichten. Der Dezember 1931 war sicherlich für die jungen Leute zu einem besonderen Monat geworden, hatten sie doch allen Grund zur Freude. In den Morgenstunden des 11. Dezember schenkte Anna ihrem Alfred einen Sohn. Das war Grund genug, dass sich eine allgemeine Freude in ihrem Hause breit machte, waren sie doch nun eine Familie geworden. Nun gab es mich, was ich meinen Eltern zu verdanken habe, sie gaben mir den Namen Artur. Dies wurde in der Kirche zu Klöstitz durch eine Taufe von Pastor Emanuel Baumann, am 21. Dezember besiegelt.


So hielt Großvater Gottlieb Messinger seinen 14. Enkel Artur auf dem Arm

Gottlieb Messinger, der mehrmalige Großvater, der nun auch der meine war, kam zu der kleinen Feier, um seinen vierzehnten Enkel auf den Arm zu nehmen, wobei er seiner Tochter Anna und Schwiegersohn Alfred gratulierte. Zu dieser Zeit lag Klöstitz tiefverschneit, sodass alle Gäste mit ihren Pferdeschlitten auf den Hof fuhren, um meine Taufe zu feiern. Die Taufe war in Bessarabien eine wichtige kirchliche Maßnahme, um dem Evangelium gerecht zu werden, denn das war zugleich die Aufnahme des Neugeborenen in die kirchliche Gemeinde.

 

Nun erlebte ich als Baby den ersten Winter mit meinen Eltern auf ihrem Hof, der einer der härtesten und schneereichste seit langem wurde. Der Schnee deckte draußen alle Arbeiten zu, sodass man im Haus das bevorstehende Weihnachtsfest vorbereiten konnte. Meine Mutter hatte es jetzt leichter, musste sie doch nicht mehr eine Großfamilie versorgen. Für die Bessarabier, somit auch für die Klöstitzer, war Weihnachten das Fest des Jahres, nicht des Schenkens willens, sondern um die Geburt Jesu Christi zu feiern, ist ihnen das Wichtigste. Unter dem geschmückten Weihnachtsbaum sangen sie wie eh und je die Lieder, die ihre Vorfahren aus Deutschland mitgebracht hatten.