Loe raamatut: «Natur-Dialoge»
Systemische Therapie und Beratung
In den Büchern der Reihe zur systemischen Therapie und Beratung präsentiert der Carl-Auer Verlag grundlegende Texte, die seit seiner Gründung einen zentralen Stellenwert im Verlag einnehmen. Im breiten Spektrum dieser Reihe finden sich Bücher über neuere Entwicklungen der systemischen Arbeit mit Einzelnen, Paaren, Familien und Kindern ebenso wie Klassiker der Familien- und Paartherapie aus dem In- und Ausland, umfassende Lehr- und Handbücher ebenso wie aktuelle Forschungsergebnisse. Mit den roten Bänden steht eine Bibliothek des systemischen Wissens der letzten Jahrzehnte zur Verfügung, die theoretische Reflexion mit praktischer Relevanz verbindet und als Basis für zukünftige nachhaltige Entwicklungen unverzichtbar ist. Nahezu alle bedeutenden Autoren aus dem Feld der systemischen Therapie und Beratung sind hier vertreten, nicht zu vergessen viele Pioniere der familientherapeutischen Bewegung. Neue Akzente werden von jungen und kreativen Autoren gesetzt. Wer systemische Therapie und Beratung in ihrer Vielfalt und ihren transdisziplinären und multiprofessionellen Zusammenhängen verstehen will, kommt um diese Reihe nicht herum.
Tom Levold
Herausgeber der Reihe Systemische Therapie und Beratung
Astrid Habiba Kreszmeier
Natur-Dialoge
Der sympoietische Ansatz in Therapie, Beratung und Pädagogik
2021
Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats des Carl-Auer Verlags:
Prof. Dr. Rolf Arnold (Kaiserslautern)
Prof. Dr. Dirk Baecker (Witten/Herdecke)
Prof. Dr. Ulrich Clement (Heidelberg)
Prof. Dr. Jörg Fengler (Köln)
Dr. Barbara Heitger (Wien)
Prof. Dr. Johannes Herwig-Lempp (Merseburg)
Prof. Dr. Bruno Hildenbrand (Jena)
Prof. Dr. Karl L. Holtz (Heidelberg)
Prof. Dr. Heiko Kleve (Witten/Herdecke)
Dr. Roswita Königswieser (Wien)
Prof. Dr. Jürgen Kriz (Osnabrück)
Prof. Dr. Friedebert Kröger (Heidelberg)
Tom Levold (Köln)
Dr. Kurt Ludewig (Münster)
Dr. Burkhard Peter (München)
Prof. Dr. Bernhard Pörksen (Tübingen)
Prof. Dr. Kersten Reich (Köln)
Dr. Rüdiger Retzlaff (Heidelberg)
Prof. Dr. Wolf Ritscher (Esslingen)
Dr. Wilhelm Rotthaus (Bergheim bei Köln)
Prof. Dr. Arist von Schlippe (Witten/Herdecke)
Dr. Gunther Schmidt (Heidelberg)
Prof. Dr. Siegfried J. Schmidt (Münster)
Jakob R. Schneider (München)
Prof. Dr. Jochen Schweitzer (Heidelberg)
Prof. Dr. Fritz B. Simon (Berlin)
Dr. Therese Steiner (Embrach)
Prof. Dr. Dr. Helm Stierlin (Heidelberg)
Karsten Trebesch (Berlin)
Bernhard Trenkle (Rottweil)
Prof. Dr. Sigrid Tschöpe-Scheffler (Köln)
Prof. Dr. Reinhard Voß (Koblenz)
Dr. Gunthard Weber (Wiesloch)
Prof. Dr. Rudolf Wimmer (Wien)
Prof. Dr. Michael Wirsching (Freiburg)
Prof. Dr. Jan V. Wirth (Meerbusch)
Themenreihe »Systemische Therapie und Beratung«
hrsg. von Tom Levold
Reihengestaltung: Uwe Göbel
Umschlaggestaltung: Heinrich Eiermann
Umschlagfoto: © vectortwins – stock.adobe.com
Abbildungen: © Carolina Vidal
Fotos: © nature & healing gmbh
Redaktion: Dr. Eva Dempewolf
Satz: Verlagsservice Hegele, Heiligkreuzsteinach
Printed in Germany
Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck
Erste Auflage, 2021
ISBN 978-3-8497-0391-2 (Printausgabe)
ISBN 978-3-8497-8340-2 (ePUB)
© 2021 Carl-Auer-Systeme Verlag
und Verlagsbuchhandlung GmbH, Heidelberg
Alle Rechte vorbehalten
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Carl-Auer Verlag GmbH
Vangerowstraße 14 • 69115 Heidelberg
Tel. +49 6221 6438-0 • Fax +49 6221 6438-22
Inhalt
Vorwege
Zehn erste Annäherungen an Natur
1In Zeiten fortschreitender Erddemenz
Wo sind wir gelandet?
Regnet es?
Wo bist du?
Was spricht dich an?
Was will sich erinnern?
Wie antwortest du?
Ist die Welt noch von Belang?
Bist du bei Sinnen?
Unentwegt mittendrin
2Praxis des Streunens
Zwischen häuslichem Schutz und wildem Raum
Ohne Ziel, jedoch nicht ohne Halt
Gesunde Verstörungen
Wechselseitige Begegnungen
Zirkularität erfahren
Chancen auf Rückkoppelung
Eigenlebendig, miteinander und spontan
Unglückliche Verwechslungen
Wege zur Mit-Sprache
Sympoietische Annäherungen
3Weiter weben
Grüne Grenzen
Moderne Trennungen
Unzulässige Verbindungen
Kulturelle Situationen
Zeichen der Zeit
Fachliche Netze
Rückblicke
Öko-Gewebe heute
4Der sympoietische Ansatz
Welten bilden sich wechselseitig
Leben heißt Mit-Werden
Reziproke Wahrnehmung gehört zur irdischen Grundausstattung
Lebendig zusammen mit einer lebendigen Welt
Menschen sind erdverbundene Wesen
Kooperative und fürsorgliche Gemeinschaften
In Sprache lebend, mit Symbolen Welten schaffend
Über Erinnerung mit größeren Gedächtnisräumen verbunden
Archaische Archive sind Erinnerungsräume der Zuversicht
Sympoietische Kommunikationskultur
Erdverbindung, Erinnerungspraxis und Resonanzkultur – die drei Lernfelder
Handeln formt die Welt – sechs Leitlinien
Partizipativ
Forschend
Wechselseitig
Topologisch
Leiblich
Phänomenal
Sympoietische Praxis nimmt viele Wege
Sympoietische Grundlagen im Überblick
5Zeit für Geschichten
Ernesto: What a life!
Frische Luft
Oh, mein Papa
My comfort is killing me softly
I landed already
What a life
Renata: Wild beatmet
Salto Mortale
Wellenritt
Waldschule
Zwischenschlichtungen
Gebirgsgänge
Bannbrüche
Neuland
Antonia: Entnebelungen
Einladungen ans Feuer
Flussaufwärts
Marc: Bis in die Fingerspitzen
Magic Mushrooms
Durstgeschichten
Fuck – what now?
Ein elementarer Krimi
Ganz in den Körper kommen
6Unterwegs
Nahe der Erde
In frischer Luft
Archaische Schlichtheit
Mimesis und Selbstvertrautheit
Feuer und Dialog
Dialog im sympoietischen Raum – Poly-Kultur
Unsere Nische – ein sicherer Raum
Horizonte und Landschaften
Unterwegs Zeichen lesen
In Erinnerung
In Sprache handeln
Beständiges Werden
Wohin reichen unsere Erinnerungshorizonte?
Gedächtnisräume – The Big Five
Die Entdeckung mythischer Resonanzen
Das mythische Archiv
Mytho-mimetische Praxis
Zwischen den Dingen
In den Gefügen des täglichen Lebens
Kommunikative, besondere und verzehrbare Dinge
Schöne Aktanten
Atmosphärische Kompetenz
Zufälle und Fügungen
Materielle Semiotik
Einander anvertraut
7Kollegiale Gespräche
Sozialpädagogik: »Der Platz hält mich aus, und die Bäume laufen nicht davon«
Psychotherapie: »Ich höre das Herz der Erde pochen«
Organisationsberatung: »Ganz logisch: topologisch, mythologisch, phänomenologisch«
Bildungsmanagement: »Zeitwende im Zeitraffer«
Visuelle Kommunikation und Gestaltung: »Wider Palimpseste aus Neon«
Im Nachgang
Ökologien der Aufmerksamkeit
Mein Dank gilt
Literatur
Über die Autorin
Vorwege
»Bücher sind nur dickere Briefe an Freunde.«
Jean Paul
Zehn erste Annäherungen an Natur
Dieses Zitat von Jean Paul stand auf einem Lesezeichen, das mich und einige Bücher längere Zeit begleitete. Wohin es irgendwann verschwunden ist, das weiß ich nicht, aber während der Arbeit an diesem Text war es nah und hat mich dazu ermutigt, mehr zu beschreiben denn zu erklären, mehr zu umkreisen denn zu begraden, aber auch immer wieder zu betonen, was mein Standpunkt ist und mit welchen Fäden er verknüpft sein kann.
Einen gebührlichen Abstand zu den Lesenden zu wahren, war mir dennoch wichtig. Nicht zuletzt deshalb, weil es selbst bei guten Freund:innen ratsam ist, abzuklären, ob der Gebrauch und die Verständnisräume von zentralen Wörtern sinnvolle Überschneidungen schaffen und befruchtende Dialoge ermöglichen.
Ein solch zentrales Wort findet sich hier sogar im Titel, und ich gestehe, es ist ein kompliziertes Wort: die Natur. Selbst wenn es auf den folgenden Seiten selten vorkommt, so klingt es doch durch den gesamten Ansatz. Daher will ich vorweg ein wenig zusammentragen, was mit dem Begriff Natur alles gemeint sein kann.
Natur ist für viele alles, was nicht menschengemacht ist und sein eigenes Leben, seine eigene Rhythmik hat.
Andere sagen möglicherweise: »Ja, aber Moment, auch der Mensch ist Natur, folglich ist alles, was er tut und macht, auch natürlich.«
Andere gehen noch weiter und finden, dass diese Natur-Mensch-Einheit einem größeren geistigen Plan folgt, an dessen Spitze der Mensch eingesetzt ist.
»Weit gefehlt!«, denken die nächsten. Die Natur sei so etwas wie die natürliche Feindin des Menschen, gegen die er sich durch ihre Beherrschung zur Wehr setzen muss.
Für wieder andere hat sich das menschliche Gebaren von der Natur abgelöst und sie zum messbaren Ding und zur marktbaren Ware gemacht. Aus dieser Perspektive stehen die Menschen jetzt vor dem Problem, dieses komplexe Ding Natur so bei Laune zu halten, dass es weiter fortfährt mit seinem schönen atmosphärischen Gleichgewicht, auf das auch die Menschen angewiesen sind. Hier schließen sich alle Bestrebungen nach einer ökologischen Ökonomie oder einer ökonomischen Ökologie an.
Dann gibt es jedoch solche, für die ist Natur einfach heilig, vielleicht von vielen Gött:innen oder von einem Gott bewohnt. Sie finden, diese Heiligkeit muss geehrt, allenfalls geschützt oder gefeiert werden.
Unglaublich, aber wahr ist, dass es auch (noch) solche gibt, die das Wort Natur gar nicht kennen! Es gibt tatsächlich Völker, in deren Sprache Natur nicht vorkommt. Sie kennen Berge, Bäume, Flüsse, Pflanzen per Namen; sie wissen, wo sie sind, was sie tun, wer ihre Nachbarn sind und allenfalls sogar, wie man mit ihnen in Kontakt kommen kann oder umgeht. Aber Natur als Ganzes kennen sie nicht, wozu auch all das in einen Begriff packen? Sie wollen sich das alles ja nicht vom Leibe halten oder es gar vergessen, was bei Überbegriffen oder Großwörtern, wie ich sie nenne, oft geschieht.
Daneben gibt es auch jene Stimmen, für die Natur zu einem Unwort geworden ist. Politisch zutiefst unkorrekt, weil es in sich die Geschichte der naturalistischen, kolonialistischen Unterdrückung enthält und festhält, wie sie meinen.
Ich kenne auch solche, für die ist Natur einfach eine unter mehreren relevanten Um-Welten menschlicher Gesellschaften. Es ist jener Teil, der zu den Naturwissenschaften zählt und sich vom Geist der Geisteswissenschaften unterscheidet. Uff.
Und viele wissen von all dem nichts oder zumindest nicht so und finden Natur einfach schön. Sie freuen sich, wenn sie ins Grüne schauen oder sich draußen aufhalten können, darüber, wenn sie einem Schmetterling oder einer Blume begegnen, wilde Brombeeren vom Strauch essen oder Mangos – je nachdem, wo sie sich aufhalten.
Mhm.
Wir sehen: Natur ist ein komplexes Wort.
Ich würde mich wohl gerne zu den Zuletztgenannten zählen, aber so unschuldig kann ich mich nach vielen Jahren psychologischer Arbeit in und mit der Natur nicht präsentieren und schon gar nicht, wenn ich trotz aller Bedenken dieses Wort in den Titel nehme und in Umlauf bringe.
Bekanntlich können wir niemandem vorschreiben, wie er oder sie etwas versteht – glücklicherweise, möchte ich hinzufügen.
Was ich jedoch hoffe: dass mit dem, was auf den kommenden Seiten geschrieben ist, auch der Begriff Natur sich dreht und wendet, dass er sich verschiedentlich erhitzt und mit Sinn und Geschichten befüllt, dass er sich verwurzelt, verflüssigt, belüftet und dass er im Leben und in den Praxisfeldern aller, die ihn für wichtig halten, einen guten Platz einnehmen kann.
Astrid Habiba Kreszmeier
Altstätten, im Frühjahr 2021
1In Zeiten fortschreitender Erddemenz 1
»Es könnte immerhin sein, dass es für erdgebundene Wesen, die handeln als seien sie im Weltall beheimatet, auf immer unmöglich ist, die Dinge, die sie solcherweise tun, auch zu verstehen.«
Hannah Arendt, Vita Activa, S. 10
Wo sind wir gelandet?
Regnet es?
Nach vielen sonnigen Tagen regnet es.
Das mag ein etwas seltsamer Beginn für eine Art Fachbuch sein, dennoch ist er genau richtig. Weil es eben von großer Bedeutung ist, dass es regnet. Früher kamen mir eher abfällige Gedanken, wenn andere übers Wetter redeten. Sie sollten doch mit dem Small Talk aufhören und über etwas Wichtigeres sprechen. Über das, was sie wirklich beschäftigt, was ihnen wirklich wichtig ist. Und bestimmt habe ich mich auch über mich geärgert, wenn mir nichts Besseres eingefallen ist, als zu sagen: Regnet es bei euch auch? Sich über das, was uns umgibt, also unter anderem und ganz wesentlich das Wetter, auszutauschen, war nahezu ein intellektuelles Armutszeichen.
Das sehe ich heute nicht mehr so. Im Gegenteil, ich halte es für außerordentlich wichtig, dass wir wieder mehr wahrnehmen, ernst nehmen und mitteilen, was für Witterungen wir gerade erleben. Welche ganz sinnlich wahrnehmbaren Atmosphären, welche elementaren Qualitäten mit uns sind. Es scheint mir für unsere körperliche, psychische und soziale Gesundheit – oder anders, für unser gedeihliches Zusammenleben hier auf Erden – wesentlich, dass wir nicht nur über unsere smarte Wetter-App, sondern auch hautnah bemerken, dass es draußen heiß, nass, trocken, windig, nebelig, sonnig ist. Wetter ist wesentlich, nicht nur, aber auch für Menschen.
Wo bist du?
Nach vielen sonnigen Tagen regnet es. Ich sitze im Dachzimmer eines Hauses in den Südhängen des ostschweizerischen Rheintales. Der bräunlich-graue Wolkenhimmel und ziehende Nebel lassen mich zwar die Ebene sehen, die der Rhein dereinst mäandernd mitgestaltet hat, jedoch die prächtigen Bergketten auf der anderen Seite bleiben gerade verhüllt. Das macht gar nichts. Weil ich weiß, dass es sie gibt. So oft haben sie sich mir gezeigt (und ich mich ihnen), dass ihre Gegenwart in meinem räumlichen Empfinden lebendig ist. Sie halten den Raum und mich in ihm, so scheint es mir, so fühle ich es. Und ich bin ihnen so dankbar. Dankbar bin ich auch diesen Hügeln und Hängen, den Nasen und Kuppen, ganz besonders den sieben Birken, dem Holunder und der großen, alten Linde am Hang vor unserem Fenster. Ich will es jetzt zu Beginn nicht übertreiben mit meinen Liebesbekundungen an diese Landschaft, mit der ich lebe, das würde kein Ende nehmen. Ich würde dann ja auch von den menschlichen Nachbarn erzählen müssen, den Bauern und Bäuerinnen, den Handwerkern und Kassiererinnen, den Physiotherapeuten und Versicherungsmaklern. Aber auch damit wäre es nicht getan, ich müsste nämlich auch den Straßen, die hier im Hang angelegt sind, danken, und unserem Auto und dem Fahrrad und dem schicken Airbook und meinem schier unverwüstlichen Telefon und den vielen Dingen, die mit mir leben. Keine Sorge, soweit wird es nicht kommen, und dennoch ist mir wichtig hier einzubringen, dass ich mich als Schreibende an einem Ort befinde. An einem ganz wirklichen Ort, in einer geografischen, biologischen und freilich auch kulturellen Situation. Dieser Ort mitsamt seinen wilden Welten und menschengemachten Dingen spricht mit, schreibt mit. Nichts geschieht ohne den Ort, an dem wir gerade sind.
Alle folgenden Überlegungen und Geschichten möchten unter anderem daran erinnern, dass wir Menschen Teil einer Welt sind, die lebt und pulsiert. Dass es einen Unterschied macht, ob wir und unsere menschlichen Mit-Lebenden nicht nur wahrnehmen, dass es uns gibt, sondern auch wo es uns gibt. Vor allem auch wie wir mit diesem Wo in Beziehung sind und mit ihm kommunizieren. Der Regen trommelt kräftig auf die Dachfenster, schön.
Was spricht dich an?
Ich sitze im Dachzimmer eines Hauses in den Südhängen des ostschweizerischen Rheintales. Dort unten in der Ebene, wo heute Rietflächen, Wiesen und fruchtbares Ackerland, kleine städtische Siedlungen und Dörfer einander abwechseln und die der Rhein in begradigter Linie durchzieht, dort war vor langer Zeit ein Gletscher, dann ein großer See, dann ein mäandernder Fluss.
Funde in den Halbhöhlen an den Hängen deuten auf prähistorische Besiedelung hin und sollen gar bis zu 10.000 Jahre alt sein. Als geologische oder archäologische Information sagt mir das noch nicht viel. Allerdings geschieht es, dass mich aus der langen Zeitgeschichte des Raumes etwas anhaucht und zum Eintauchen einlädt. Es sind dann nicht Gefühle im eigentlichen Sinn, sondern eher Ahnungen, organismische Wahrnehmungen, ja körperliche Empfindungen, die mich an dieses Feuer in der Halbhöhle rufen. Gemeinsam mit den anderen sitze ich dann dort, den Älteren und Jüngeren, eingebettet in diese ungeheure Vielfalt der Wildnis rund um uns, ja vielleicht mit einem Blick auf den mäandernden Fluss, der uns so viel Nahrung beschert. Unsere Körper wissen sich zu bewegen, kräftig und sanft in diesen Felsen, Moosen, Wäldern, mit den Tieren und Pflanzen und unter uns. Hand in Hand bei der Jagd, am Feuer, bei den Gängen durchs Land, beim Sammeln und Graben. Hier werden Kinder geboren, hier sterben andere, manche jung, manche alt. Wir erzählen die Geschichten des Tages und wohl auch schon die Geschichten der Ahnen. Wir singen und tanzen.
Solche Bilder kann mir diese Landschaft zurufen. Andere Landschaften erzählen andere Geschichten. Alle laden ein, zu erinnern.