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Die Gespenstersonate

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DER STUDENT. Wer ist die dunkle Dame, die dort mit der Pförtnersfrau spricht?

DER GREIS. Ja, sehen Sie, das ist ein wenig verwickelt, aber es steht im Zusammenhang mit dem Toten da oben, wo die weißen Bettücher zu sehen sind.

DER STUDENT. Wer war denn das?

DER GREIS. Er war ein Mensch, so wie wir, am sichtbarsten aber war seine Eitelkeit … Wenn wir Sonntagskinder wären, würden wir ihn bald aus der Haustür herauskommen sehen, um die auf Halbmast gezogene Konsulatsflagge zu betrachten – er war nämlich Konsul und liebte Kronen, Löwen, Federn auf dem Hut und bunte Bänder.

DER STUDENT. Sie sprechen von Sonntagskindern – ich bin wirklich an einem Sonntag geboren …

DER GREIS. Ach! Sind Sie –? Ich konnte es mir ja denken … ich sah es an der Farbe Ihrer Augen … aber da können Sie sehen, was andre nicht sehen, haben Sie das bemerkt?

DER STUDENT. Ich weiß nicht, was andre sehen, aber zuweilen … ja, darüber spricht man ja nicht.

DER GREIS. Ich war meiner Sache fast gewiß! Aber zu mir können Sie davon sprechen – denn ich – verstehe dergleichen! …

DER STUDENT. Zum Beispiel gestern … ich fühlte mich zu der unbekannten Straße hingezogen, wo dann das Haus zusammenstürzte … ich kam dahin und blieb vor dem Gebäude stehen, das ich nie zuvor gesehen hatte … Da bemerkte ich einen Riß in der Wand, hörte, wie es in dem Windelboden krachte; ich sprang herzu und riß ein Kind an mich, das an der Wand entlang ging … in der nächsten Sekunde stürzte das Haus ein … ich war gerettet, aber in meinen Armen, wo ich das Kind zu halten glaubte, war nichts …

DER GREIS. Das muß ich sagen … Ich glaubte freilich … Erklären Sie mir eins: Warum gestikulierten Sie vorhin am Springbrunnen? Und warum sprachen Sie mit sich selbst?

DER STUDENT. Sahen Sie nicht das Milchmädchen, mit dem ich sprach?

DER GREIS schaudernd. Das Milchmädchen?

DER STUDENT. Freilich! Sie, die mir die Schöpfkelle gab.

DER GREIS. Ach so! Sie haben es auf die Weise … Nun ja, ich kann nicht sehen, aber ich kann andres … Jetzt sieht man eine weißhaarige Frau sich an das Fenster mit dem Straßenspiegel setzen. Sehen Sie die Alte am Fenster! Können Sie sie sehen? Gott! Das war meine Braut, einstmals, vor sechzig Jahren … Ich war zwanzig Jahre alt. – Fürchten Sie nichts, sie erkennt mich nicht wieder! Wir sehen uns tagtäglich, aber es macht nicht den geringsten Eindruck auf mich, obwohl wir einander damals ewige Treue schwuren; ewige!

DER STUDENT. Wie unverständig Sie ehedem in dieser Welt waren! Heutzutage sprechen wir nie von dergleichen mit unsern Mädchen.

DER GREIS. Verzeihen Sie uns, Jüngling, wir verstanden es nicht besser! – Können Sie aber sehen, daß diese Greisin jung und schön gewesen ist?

DER STUDENT. Das kann man nicht mehr sehen. Ja, sie hat einen schönen Blick, die Augen sehe ich nicht!

DIE PFÖRTNERSFRAU kommt mit einem Korb heraus und streut Tannenreiser.

DER GREIS. Die Pförtnersfrau, ja! – Die dunkle Dame dort ist ihre Tochter mit dem Toten, und deswegen erhielt der Mann den Platz als Pförtner … aber die dunkle Dame hat einen Freier, der vornehm ist und Aussicht hat, reich zu werden; er ist im Begriff, sich scheiden zu lassen, nämlich von seiner Frau, die ihm ein steinernes Haus schenkt, um ihn loszuwerden. Dieser vornehme Freier ist ein Schwiegersohn des Toten, und Sie sehen seine Betten, die dort oben auf dem Balkon gelüftet werden … Eine verwickelte Geschichte, sollt ich meinen!

DER STUDENT. Schrecklich verwickelt!

DER GREIS. Ja, so ist es, nach innen und nach außen, obwohl es so einfach aussieht.

DER STUDENT. Aber wer war denn der Tote?

DER GREIS. Sie fragten vorhin, und ich antwortete; könnten Sie um die Ecke sehen, da wo die Hintertreppe ist, so würden Sie einen Haufen Armer bemerken, die er unterstützte, wenn es ihm in den Sinn kam …

DER STUDENT. Er war also ein barmherziger Mensch?

DER GREIS. Ja … zuweilen.

DER STUDENT. Nicht immer?

DER GREIS. Ach nein! … So sind die Menschen! Hören Sie jetzt, mein Herr, schieben Sie den Wagen ein wenig vor, so daß er in die Sonne kommt, mich friert so schrecklich; wenn man sich nie bewegen kann, so stockt das Blut – ich werde wohl bald sterben, das weiß ich, aber trotzdem habe ich noch allerlei auszurichten – nehmen Sie meine Hand, dann können Sie fühlen, wie kalt ich bin.

DER STUDENT. Das ist doch arg! Weicht zurück.

DER GREIS. Gehen Sie nicht von mir, ich bin müde, ich bin einsam, aber ich bin nicht immer so gewesen, wissen Sie; ich habe ein unendlich langes Leben hinter mir – unendlich – ich habe Menschen unglücklich gemacht, und Menschen haben mich unglücklich gemacht, das eine muß gegen das andre aufgehen – aber ehe ich sterbe, will ich Sie glücklich sehen … Unsere Geschicke sind durch Ihren Vater verbunden – und durch anderes …

DER STUDENT. Aber lassen Sie meine Hand los, Sie nehmen ja meine Kraft, Sie kühlen mich aus, was wollen Sie nur?

DER GREIS. Geduld, und Sie werden sehen und verstehen … Da kommt die junge Dame …

DER STUDENT. Die Tochter des Obersten?

DER GREIS. Ja! Die Tochter! Sehen Sie sie an! – Haben Sie je so ein Meisterwerk gesehen?

DER STUDENT. Sie sieht der Marmorstatue da drinnen ähnlich …

DER GREIS. Das ist ja ihre Mutter!

DER STUDENT. Sie haben recht – nie sah ich so ein Weib vom Weibe geboren. – Glücklich der Mann, der sie zum Altar und in sein Heim führen darf!

DER GREIS. Das können Sie sehen! – Nicht alle erkennen ihre Schönheit … Gut, damit ist das abgemacht!

Das Fräulein von links in modernem englischen Reitkleia geht langsam, ohne jemand anzusehen, an die Haustür, wo sie stehen bleibt und ein paar Worte zu der Pförtnersfrau sagt; dann in Haus hinein.

DER STUDENT die Hand vor den Augen.

DER GREIS. Sie weinen?

DER STUDENT. Dem Hoffnungslosen gegenüber gibt es ja nur die Verzweiflung!

DER GREIS. Ich kann Türen und Herzen öffnen, wenn ich nur einen Arm für meinen Willen finde … Dienen Sie mir, und Sie sollen herrschen …

DER STUDENT. Ist das ein Pakt? Soll ich meine Seele verkaufen?

DER GREIS. Nichts verkaufen! – Sehen Sie, ich habe mein ganzes Leben lang genommen! Jetzt habe ich ein Bedürfnis, geben zu können! Zu geben! Aber niemand will annehmen … ich bin reich, sehr reich, habe aber keine Erben, ja, einen Lümmel, der mir das Leben aus dem Leibe quält … Werden Sie mir wie ein Sohn, beerben Sie mich lebend, genießen Sie das Dasein, so daß ich es sehe, aus der Entfernung wenigstens.

DER STUDENT. Was soll ich tun?

DER GREIS. Gehen Sie erst hin und hören Sie die Walküre!

DER STUDENT. Die Sache ist ja abgemacht – was weiter?

DER GREIS. Heute abend werden Sie da drinnen in dem runden Salon sitzen!

DER STUDENT. Wie soll ich dahin kommen?

DER GREIS. Durch die Walküre.

DER STUDENT. Warum haben Sie gerade mich zu Ihrem Medium erwählt? Kannten Sie mich denn schon?

DER GREIS. Ja, natürlich! Ich habe schon lange ein Auge auf Sie geworfen … Aber sehen Sie jetzt da, sehen Sie nach dem Balkon hinauf, wo die Jungfer die Flagge für den verstorbenen Konsul auf Halbmast hißt … und dann wendet sie die Betten um … Sehen Sie die blaue Decke? – Sie war für zweie, um darunter zu schlafen, aber jetzt ist sie für einen …

DAS FRÄULEIN wird jetzt umgekleidet am Fenster sichtbar, wo sie die Hyazinthen begießt.

DER GREIS. Das ist mein kleines Mädel, sehen Sie sie an, sehen Sie. – Sie spricht mit den Blumen, ist sie nicht selbst wie die blaue Hyazinthe? … Sie gibt ihnen zu trinken, nur reines Wasser, und sie verwandeln das Wasser in Farben und Duft! … Jetzt kommt der Oberst mit der Zeitung! – Er zeigt ihr den Hauseinsturz … jetzt deutet er auf Ihr Bild! Sie ist nicht gleichgültig … sie liest von Ihrer Heldentat … Ich glaube, es bewölkt sich, denken Sie nur, wenn es jetzt regnete! Da sitze ich hübsch in der Patsche, wenn nicht Johansson bald zurückkommt … Es bewölkt sich und wird dunkel. – Die Alte am Straßenspiegel schließt ihr Fenster.

DER GREIS. Jetzt schließt meine Braut das Fenster … siebzig Jahre … Der Spion ist der einzige Spiegel, den sie benutzt, denn darin sieht sie nicht sich selbst, nur die Außenwelt und von zwei Seiten, aber die Welt kann sie sehen, daran hat sie nicht gedacht … Eine schöne Greisin übrigens …

Jetzt sieht man den Toten in Leichenkleidern aus der Haustür kommen.

DER STUDENT. Großer Gott, was sehe ich?

DER GREIS. Was sehen Sie?

DER STUDENT. Sehen Sie nicht den Toten in der Haustür?

DER GREIS. Ich sehe nichts, aber ich erwartete es gerade! Erzählen Sie …

DER STUDENT. Er geht auf die Straße hinaus … Pause. Jetzt dreht er den Kopf herum und betrachtet die Flagge.

DER GREIS. Was sagte ich? Er wird sicher auch die Kränze nachzählen und die Visitenkarten lesen … wehe dem, der fehlt!

DER STUDENT. Jetzt biegt er um die Ecke …

DER GREIS. Er will die Armen an der Hintertreppe zählen … die Armen dekorieren so schön … »gefolgt von den Segnungen vieler«. Ja, aber meinen Segen bekommt er nicht! Er war ein großer Schurke, unter uns gesagt …

DER STUDENT. Aber wohltätig …

DER GREIS. Ein wohltätiger Schurke, der immer an ein schönes Begräbnis dachte … Als er das Ende nahen fühlte, beschummelte er den Staat um 50000 Kronen … Jetzt drängt sich seine Tochter in die Ehe einer andern und grübelt über die Erbschaft nach … er, der Schurke, hört alles, was wir sagen, und das ist ihm wohl gegönnt! – Da kommt Johansson!

JOHANSSON von links.

DER GREIS. Berichte!

JOHANSSON spricht unhörbar.

DER GREIS. Also nicht zu Hause? Du bist ein Rindvieh! – Und der Telegraph? – Nichts! … weiter! … Um sechs heute abend? Das ist gut! – Das Extrablatt? – Der ganze Name da: Student Arkenholz, geboren … Eltern … ausgezeichnet … Ich glaube, es fängt an zu regnen … Was sagte er denn? … So, so! Er wollte nicht? – Aber er muß! – Da kommt der Vornehme! – Schieb mich um die Ecke, Johansson, dann kann ich hören, was die Armen sagen … Und Arkenholz, Sie erwarten mich hier … verstehen Sie? – Schnell, schnell!

 

JOHANSSON schiebt den Stuhl um die Ecke.

DER STUDENT bleibt stehen und betrachtet das Fräulein, das in den Blumentöpfen scharrt.

DER VORNEHME in Trauerkleidung, redet die dunkle Dame an, die auf den Bürgersteig gegangen ist. Ja, was kann man dabei machen? – Wir müssen warten!

DIE DAME. Ich kann nicht warten!

DER VORNEHME. Steht es so? Dann geh aufs Land!

DIE DAME. Das will ich nicht.

DER VORNEHME. Komm hierher, sonst hören sie, was wir sagen. Sie gehen an die Anschlagsäule und setzen ihre Unterhaltung unhörbar fort.

JOHANSSON von rechts, zu dem Studenten. Mein Herr bittet den Herrn, das andere nicht zu vergessen!

DER STUDENT langsam. Hören Sie einmal – sagen Sie mir erst: wer ist Ihr Herr?

JOHANSSON. Er – er ist so viel und ist alles gewesen.

DER STUDENT. Ist er klug?

JOHANSSON. Ja, was ist klug? – Er behauptet, er habe sein ganzes Leben nach einem Sonntagskind gesucht, aber das kann Unwahrheit sein …

DER STUDENT. Was will er, ist er geizig?

JOHANSSON. Er will herrschen … Den ganzen Tag zieht er umher in seinem Wagen wie der Gott Thor … er besieht Häuser, reißt sie ein, erschließt Straßen, bebaut Marktplätze; aber er bricht auch in Häuser ein, kriecht durch Fenster, zerstört Menschenschicksale, tötet seine Feinde und verzeiht niemals. – Können der Herr sich vorstellen, daß der kleine Lahme ein Don Juan gewesen ist, obgleich er seine Frauen immer verloren hat?

DER STUDENT. Wie läßt sich das vereinen?

JOHANSSON. Ja, er ist so Herzschlau, daß er die Frauen dazu bringt, ihn zu verlassen, wenn er ihrer überdrüssig ist … Indessen, jetzt ist er gleichsam ein Pferdedieb auf dem Menschenmarkt, er stiehlt Menschen auf mancherlei Weise … Mich hat er buchstäblich aus den Händen der Gerechtigkeit gestohlen … ich hatte nämlich etwas begangen, von dem er wußte; statt mich einsperren zu lassen, machte er mich nur zum Sklaven; ich tue Sklavendienste für das bloße Essen, das nicht das beste ist …

DER STUDENT. Was will er denn hier in diesem Hause tun?

JOHANSSON. Ja, sehen Sie, das will ich nicht sagen! Das ist so verwickelt.