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Die Gespenstersonate

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DER STUDENT. Ich glaube, ich mache, daß ich wegkomme …

JOHANSSON. Sehen Sie doch das Fräulein, sie hat ihr Armband aus dem Fenster fallen lassen … Das Fräulein hat ihr Armband durch das offene Fenster verloren.

DER STUDENT nähert sich leise dem Fenster, nimmt das Armband auf und reicht es dem Fräulein, das schweigend dankt. Der Student geht zu Johansson zurück.

JOHANSSON. So, der Herr wollen gehen … Das ist nicht so leicht, wie man glaubt, wenn er einem das Netz über den Kopf geworfen hat … Und er fürchtet nichts zwischen Himmel und Erde … ja, eines, oder vielmehr eine Person …

DER STUDENT. Warten Sie mal, vielleicht weiß ich es!

JOHANSSON. Wie können Sie das wissen?

DER STUDENT. Ich mutmaße! – Ist es – ein kleines Milchmädchen, das er fürchtet?

JOHANSSON. Er wendet sich immer ab, wenn er einem Milchwagen begegnet … und dann redet er im Schlaf, er ist, glaube ich, einmal in Hamburg gewesen …

DER STUDENT. Kann man diesem Mann trauen?

JOHANSSON. Man kann ihm alles – zutrauen!

DER STUDENT. Was tut er jetzt da um die Ecke?

JOHANSSON. Er hört zu, was die Armen sagen … säet ein kleines Wort aus, pflückt einmal einen kleinen Stein heraus, bis das Haus einstürzt … sinnbildlich gesprochen … Sehen Sie, ich bin ein gebildeter Mann und bin Buchhändler gewesen … Wollen Sie jetzt gehen?

DER STUDENT. Es wird mir schwer, undankbar zu sein … Dieser Mann hat einstmals meinen Vater gerettet, und nun verlangt er nur einen kleinen Gegendienst …

JOHANSSON. Was für einen?

DER STUDENT. Ich soll hingehen und die Walküre sehen …

JOHANSSON. Das verstehe ich nicht … Aber er hat immer neue Einfälle … Sehen Sie, jetzt spricht er mit dem Schutzmann … er hält sich immer an die Polizisten, ersucht sie um etwas, wickelt sie mit Interesse ein, bindet sie mit falschen Versprechungen und Vorspiegelungen, alles während er sie aushorcht. – Sie sollen sehen, ehe es Nacht wird, ist er in dem runden Salon empfangen!

DER STUDENT. Was will er da? Was hat er mit dem Obersten zu schaffen?

JOHANSSON. Ja … ich ahne, aber ich weiß nicht! Sie werden es wohl selbst sehen, wenn Sie dahin kommen! …

DER STUDENT. Nie komme ich da hinein …

JOHANSSON. Das hängt allein von Ihnen ab! – Gehen Sie in die Walküre!

DER STUDENT. Ist das der Weg?

JOHANSSON. Freilich, wenn er es gesagt hat! – Sehen Sie, sehen Sie ihn an auf dem Streitwagen, im Triumph von den Bettlern gezogen, die keinen Heller Lohn bekommen, nur einen Wink, daß es bei seinem Begräbnis etwas geben wird!

DER GREIS im Rollstuhl stehend, von einem Bettler gezogen, von den übrigen begleitet. Huldigt dem edlen Jüngling, der mit Gefahr seines eigenen Lebens die Vielen bei dem gestrigen Unglücksfall gerettet hat. Heil, Arkenholz!

DIE BETTLER entblößen die Köpfe, ohne jedoch Hurra zu rufen.

DAS FRÄULEIN im Fenster winkt mit ihrem Taschentuch.

DER OBERST starrt aus seinem Fenster heraus.

DIE GREISIN steht an ihrem Fenster auf.

DIE JUNGFER auf dem Balkon zieht die Flagge in die Höhe.

DER GREIS klatscht in die Hände. Mitbürger, es ist freilich Sonntag, aber der Esel im Brunnen und die Ähre auf dem Acker gewähren uns Absolution, und obwohl ich kein Sonntagskind bin, so besitze ich sowohl die Gabe der Weissagung als auch die Gabe der Heilkunst, denn ich habe einmal einen Ertrunkenen wieder ins Leben zurückgerufen … ja, das war in Hamburg, an einem Sonntagvormittag, so wie jetzt …

Das Milchmädchen kommt, nur von dem Studenten und dem Greis gesehen; sie streckt die Arme in die Höhe wie eine Ertrinkende und sieht den Greis starr an.

DER GREIS setzt sich, sinkt darauf voller Grauen zusammen. Johansson! Fahr mich weg! Schnell! – Arkenholz, vergessen Sie nicht die Walküre!

DER STUDENT. Was bedeutet dies alles?

JOHANSSON. Das werden wir schon sehen! Das werden wir schon sehen!

*

Im runden Salon: im Hintergrund weißer Ofen mit Stutzuhr und Kandelabern und einem Spiegel darüber; rechts Vorzimmer mit der Perspektive in ein grünes Zimmer mit Mahagonimöbeln; links steht die Statue, von Palmen beschattet, kann mit einem Vorhang verhüllt werden; links im Hintergrund Tür nach dem Hyazinthenzimmer, wo das Fräulein sitzt und liest. Man sieht den Rücken des Obersten, der im grünen Zimmer sitzt und schreibt.

Bengtsson, der Diener, in Livree, kommt aus dem Vorzimmer mit Johansson in Frack und weißer Halsbinde.

BENGTSSON. Sie können nun servieren, während ich die Röcke abnehme. Sie haben doch schon serviert?

JOHANSSON. Am Tage rolle ich ja den Streitwagen, wie Sie wissen, aber des Abends serviere ich auf Gesellschaften, und es war immer mein Traum, einmal in dies Haus zu kommen … Es sind sonderbare Leute, nicht wahr?

BENGTSSON. Ja–a, ein bißchen ungewöhnlich, kann man wohl sagen.

JOHANSSON. Ist es ein Musikabend, oder was soll es sein?

BENGTSSON. Es ist das gewöhnliche Gespenstersouper, wie wir es nennen. Sie trinken Tee, sagen kein Wort, oder der Oberst spricht allein; und dann knabbern sie an kleinem Gebäck, alle auf einmal, so daß es klingt wie Ratten in einer Bodenkammer.

JOHANSSON. Warum wird es Gespenstersouper genannt?

BENGTSSON. Sie sehen aus wie Gespenster … Und das haben sie nun seit zwanzig Jahren betrieben, immer dieselben Menschen, die dasselbe sagen, oder sie schweigen, damit sie sich nicht zu schämen brauchen.

JOHANSSON. Ist hier nicht auch eine Frau im Hause?

BENGTSSON. Freilich, aber sie ist töricht; sie sitzt in einer Garderobe, weil ihre Augen das Licht nicht vertragen … Sie sitzt da drinnen … Zeigt auf eine Tapetentür in der Wand.

JOHANSSON. Da drinnen?

BENGTSSON. Da sitzt sie! Ich sagte ja schon, daß sie ein bißchen ungewöhnlich sind …

JOHANSSON. Wie sieht sie denn aus?

BENGTSSON. Wie eine Mumie … wollen Sie sie sehen? Öffnet die Tapetentür. Sehen Sie, da sitzt sie!

JOHANSSON. Herr du meines Le– …

DIE MUMIE lallt. Warum macht er die Tür auf, hab ich nicht gesagt, daß sie geschlossen sein soll!

BENGTSSON plappert. Ta, ta, ta, ta! Die kleine Närrin soll jetzt artig sein, dann kriegt sie auch was Gutes! – Schönes Papchen!

DIE MUMIE wie ein Papagei. Schönes Papchen. Is Jakob da? Kurrrre!

BENGTSSON. Sie glaubt, daß sie ein Papagei ist, und es ist ja möglich, daß es sich so verhält … Zu der Mumie. Polly, pfeif uns mal was vor!

DIE MUMIE pfeift.

JOHANSSON. Ich hab ja viel gesehn, aber so was doch noch nie!

BENGTSSON. Sehen Sie, wenn ein Haus alt wird, so schimmelt es, und wenn Leute lange zusammensitzen und einander quälen, so werden sie närrisch. Diese Frau des Hauses – still, Polly! – diese Mumie hat hier vierzig Jahre gesessen – derselbe Mann, dieselben Möbel, dieselben Verwandten, dieselben Freunde … Schließt die Mumie wieder ein. Und was hier im Hause passiert ist, – das weiß ich nicht so genau … Sehen Sie diese Statue an … das ist die Gnädige als junge Frau!

JOHANSSON. Ach, Herr Gott! – Ist das die Mumie?

BENGTSSON. Ja! – Das ist zum Weinen! Aber diese Frau hat, durch die Macht der Einbildung oder durch etwas anderes, gewisse Eigenschaften des geschwätzigen Vogels angenommen – sie kann es nicht ertragen, Krüppel oder Kranke zu sehen … sie kann ihre eigene Tochter nicht leiden, weil sie krank ist …

JOHANSSON. Ist das Fräulein krank?

BENGTSSON. Wußten Sie das nicht?

JOHANSSON. Nein! … Und der Oberst, wer ist das?

BENGTSSON. Das werden Sie ja sehen!

JOHANSSON betrachtet die Statue. Das ist schrecklich zu denken … Wie alt ist die Frau jetzt?

BENGTSSON. Das weiß niemand. Ja aber man erzählt, daß sie mit fünfunddreißig aussah, als sei sie neunzehn, und das bildete sie dem Obersten auch ein … Hier im Hause … Wissen Sie, wozu der schwarze japanische Schirm dient, der da hinter der Chaiselongue steht? – Der heißt der Totenschirm, und der wird aufgestellt, wenn jemand sterben soll, ganz wie im Krankenhaus …

JOHANSSON. Das ist ja ein gefährliches Haus … Und hier hinein wünschte sich der Student wie in das Paradies …

BENGTSSON. Welcher Student? Ach so, der! der heute abend kommen soll … Der Oberst und das Fräulein trafen ihn in der Oper und waren beide ganz von ihm eingenommen … Hm! … Aber nun ist die Reihe zu fragen an mir: Wer ist Ihr Herr? Der Direktor im Rollstuhl … ?

JOHANSSON. Ja, ja! – Kommt der auch hierher?

BENGTSSON. Geladen ist er nicht.

JOHANSSON. Der kommt auch ungeladen! im Notfall! …

DER GREIS im Vorzimmer, Überrock, Zylinder, Krücken, schleicht sich heran und lauscht.

BENGTSSON. Ein richtiger alter Dieb, wie?

JOHANSSON. Durch und durch!

BENGTSSON. Er sieht aus wie der leibhaftige Satan!

JOHANSSON. Und ein Zauberer ist er auch wohl! – denn er geht durch geschlossene Türen …

DER GREIS tritt vor, zupft Johansson am Ohr. Schurke! – Nimm dich in acht! – Zu Bengtsson. Melden Sie mich bei dem Herrn Obersten!

BENGTSSON. Aber wir erwarten Gäste …

DER GREIS. Das weiß ich! Aber mein Besuch ist fast erwartet, wenn auch nicht ersehnt …

BENGTSSON. Ach so! Wie war doch der werte Name? Direktor Hummel?

DER GREIS. Ganz recht, ja!

BENGTSSON geht durch das Vorzimmer nach dem grünen Zimmer, dessen Tür er schließt.

DER GREIS zu Johansson. Verschwinde!

JOHANSSON zögert.

DER GREIS. Verschwinde!

JOHANSSON verschwindet in das Vorzimmer.

DER GREIS läßt den Blick durch das Zimmer schweifen; bleibt in tiefer Verwunderung vor der Statue stehen. Amalia! … Das ist sie! … Sie! – Er streift durch das Zimmer, befingert die Sachen, ordnet seine Perücke vor dem Spiegel, kehrt zu der Statue zurück.

 

DIE MUMIE in der Garderobe. Schönes Papchen!

DER GREIS zuckt zusammen. Was war das? Ist hier ein Papagei im Zimmer? Aber ich sehe keinen!

DIE MUMIE. Ist Jakob da?

DER GREIS. Es spukt!

DIE MUMIE. Jakob!

DER GREIS. Mir wird bange! … Solche Geheimnisse bewahren sie hier im Hause! Betrachtet, den Rücken der Garderobe zugewendet, ein Gemälde. Das ist er! … Er!

DIE MUMIE erscheint hinter dem Greis und zupft an seiner Perücke. Kurrr–e! Sind Sie Kurrre?

DER GREIS schreckt empor. Gott im hohen Himmel! – Wer ist denn das?

DIE MUMIE mit menschlicher Stimme. Ist das Jakob?

DER GREIS. Ich heiße wirklich Jakob …

DIE MUMIE mit Rührung. Und ich heiße Amalia!

DER GREIS. Nein, nein, nein … Ach, Herr Je …

DIE MUMIE. Wie ich aussehe! Ja! – Und habe so ausgesehn! Zeigt auf die Statue. Es ist erbaulich zu leben – ich lebe meistens in der Garderobe, um nicht zu sehen und um nicht gesehen zu werden … Aber du, Jakob, was suchst du hier?

DER GREIS. Mein Kind! Unser Kind!

DIE MUMIE. Sie sitzt da.

DER GREIS. Wo?

DIE MUMIE. Dort im Hyazinthenzimmer!

DER GREIS betrachtet das Fräulein. Ja, das ist sie! – Pause. Was sagt ihr Vater? der Oberst, meine ich! Dein Mann?

DIE MUMIE. Ich war einmal böse auf ihn, und da sprach ich über alles …

DER GREIS. Nun?

DIE MUMIE. Er glaubte mir nicht, sondern antwortete: »So etwas pflegen alle Frauen zu sagen, wenn sie ihren Mann morden wollen.« – Es war auf alle Fälle ein schreckliches Verbrechen. Sein ganzes Leben ist ja gefälscht, seine Stammtafel ebenfalls; ich lese hin und wieder in dem Adelskalender, und da denke ich: Er läuft mit einem falschen Taufschein herum wie ein Mädchen, und das wird ja mit Zuchthaus bestraft.

DER GREIS. Das tun viele; ich entsinne mich, daß du ein falsches Geburtsjahr hattest …

DIE MUMIE. Das hat mich meine Mutter gelehrt … dafür war ich nicht verantwortlich! … Aber du trugst doch die größte Schuld an unserm Verbrechen …

DER GREIS. Nein, dein Mann rief dies Verbrechen hervor, als er mir meine Braut nahm! – Ich war so beschaffen, daß ich nicht verzeihen konnte, ehe ich nicht gestraft hatte – ich faßte es als gebietende Pflicht auf … und tue das auch jetzt noch!

DIE MUMIE. Was suchst du hier im Hause? Was willst du? Wie bist du hereingekommen? – Ist es wegen meiner Tochter? Wenn du sie anrührst, mußt du sterben!

DER GREIS. Ich will ihr Wohl!

DIE MUMIE. Aber du sollst ihren Vater schonen!

DER GREIS. Nein!

DIE MUMIE. Dann mußt du sterben; in diesem Zimmer; hinter diesem Schirm …

DER GREIS. Mag sein … aber ich kann den Biß nicht loslassen, wenn ich einmal zugebissen habe …