Larandia - Das Bündnis der Zehn

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Larandia - Das Bündnis der Zehn
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Vorwort

Larandia

Kapitel 1 Aufbruch der Widerstandskämpfer

Kapitel 2 Eine Welt zerbricht

Kapitel 3 Alles auf Anfang

Kapitel 4 Der mysteriöse Wandler

Kapitel 5 Gefährliches Zusammentreffen

Kapitel 6 Die Flucht ins Hinterland

Kapitel 7 Die Geheimnisse werden gelüftet

Kapitel 8 Godric Godfrey

Kapitel 9 Absturz mit ungeahnten Folgen

Kapitel 10 Erzählungen aus der Vergangenheit

Kapitel 11 Das Date und der Wolf

Kapitel 12 Ankunft im Silberwald

Kapitel 13 Tiefe Gefühle und tödliche Gefahr

Kapitel 14 Unerwartete Hilfe

Kapitel 15 Die Geschichte Larandias

Kapitel 16 Das Tor zur Welt

Kapitel 17 Aufeinandertreffen zweier Welten

Kapitel 18 Die Schlacht an der Burgruine

Kapitel 19 Ungewisse Zukunft mit neuen Freunden

LARANDIA

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

LARANDIA – Das Bündnis der Zehn (Band 1)

B.L.BELL

Erstausgabe

August 2021

© 2021 DerFuchs-Verlag

D-74889 Sinsheim

info@DerFuchs-Verlag.de DerFuchs-Verlag.de

Alle Rechte vorbehalten.

Das Werk, einschließlich aller Teile, ist urheberrechtlich geschützt.

Alle Rechte, insbesondere die der Vervielfältigung, Verbreitung, Übersetzung und Verfilmung liegen beim Verlag. Eine Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen ohne Genehmigung des Verlags ist strafbar.

ISBN 978-3-96713-018-8 (Taschenbuch)

ISBN 978-3-96713-019-5 (ePub)

Larandia widme ich allen Fantasybegeisterten, die gerne in neue Welten eintauchen und eine Vielzahl von Charakteren schätzen. Allen, die auch nicht davon abgeneigt sind, dass ihre Charaktere eine Achterbahn der Gefühle erleben und sich erstmal selbst finden müssen. Larandia war mein erstes selbst geschriebenes Buch und ich hoffe, ihr Leser könnt mithilfe dieser Geschichte für einige Stunden dem Alltag entfliehen. Besonders möchte ich dem DerFuchs-Verlag danken, dass er sich meinem Werk angenommen hat und es zu dem Buch hat werden lassen, was es nun ist. Mein lieber Papa, danke das du immer an mich und mein Schreiben geglaubt hast. Du hast mich ermutigt, immer das zu tun, was mich glücklich macht. Bitte pass weiterhin oben vom Himmel auf uns alle auf.

Vorwort


»Mein Sohn, am Tage deiner Geburt zitterten sogar unsere Feinde vor deinem Namen. Mit Stolz und voller Freude sah ich dich, mein Sohn, heranwachsen zu einer Waffe des Krieges. Vergiss niemals, dass unser Geschlecht schon immer über Larandia geherrscht hat und wir unser Land stets mit Würde und Weisheit regiert haben. Wenn meine Zeit gekommen ist, mein Sohn, sollst du König werden!«

(König Amandaiil Savage)


Larandia

Kapitel 1

Aufbruch der Widerstandskämpfer


Es war schon früher Abend, als sich eine kleine Gruppe von fünf Personen der Südstraße, etwas abseits vom Silberwald, näherte. Im blassen, klaren Licht der Septembersonne lagen graugrüne Wälder, Böschungen und ein schmaler Pfad vor ihnen, der sich hoch hinauf auf einen Berg schlängelte. Die Gruppe beschloss, gleich den Aufstieg anzugehen, solange noch kein Feind oder Verfolger in Sicht war. Oben schien sich nichts zu bewegen. Kurz darauf ließen sie sich auf der Ostflanke des Berges nieder – in einer Senke mit grasbewachsenen Seiten. Sie waren völlig außer Atem und ihnen taten die Füße weh. Obwohl alle lange Märsche gewohnt waren, fehlten ihnen doch die Pferde. Die hatten sie in Bruch, einem kleinen Dorf in der Nähe des Nebelgebirges im Süden, erstmal zurücklassen müssen. Eine Gruppe aus Reitern wäre doch zu auffällig gewesen.

Auf dem kleinen Gipfel fanden sie ein kreisrundes Mauerwerk, welches mit Moos und Efeu überwuchert war. Hier und da befanden sich kleine Feuerstellen. Anscheinend war hier ein beliebter Rastplatz. Sie hatten Hunger, doch die Gruppe wagte es nicht, ein Feuer zu entfachen – aus Angst, sie könnten gesehen werden. Daher mussten sie sich mit einer Hand voll Beeren und einem Laib Brot begnügen.

Einer von ihnen stellte sich auf die zertrümmerte Mauer ringsum und spähte in das Landesinnere. Weit und breit war nichts zu sehen. Unter ihnen schlängelte sich, neben der Südstraße, ein breiter, klarer und tiefer Fluss. Es war der Fluss Elmo, der Larandia in zwei Teile spaltete. Er entsprang einer Quelle im äußersten Norden, zwischen Tar‘Nerith und Tel’Eiylan, und floss nach einer langen Reise quer durch das ganze Land in das Meer im äußersten Süden des Bezirkes Tel’Navar.

Er suchte mit seinem Blick die weiten Ausläufer des Gebirges ab: Die Näheren waren eintönig braun und grau, dahinter die höher gelegenen Berge mit weißen Spitzen. Das Nebelgebirge, ein riesiger Gebirgspass, teilte Larandia und zog sich vom Süden bis in den hohen Norden. Vor seinem Auge taten sich die endlosen Weiten von Sommerland auf. Dieses mussten sie noch durchqueren, um ins Königreich Elenduiel vorzudringen. Denn dort lag ihr eigentliches Ziel: Der zerstörte Königspalast der Hauptstadt Kaladar.

»Sanduiil, was sieht dein elbisches Auge?«, fragte eine männliche Stimme und ihr Besitzer blickte zu dem Elben empor.

Der stand in seiner glänzenden Robe von ihm abgewandt. Seine langen weißen Haare hatte er zu einem Zopf geflochten. Die spitzen Ohren standen weit ab. Er trug einen moosgrünen Overall, braune Schnallenstiefel und auf dem Rücken einen Bogen. In seinem Ledergürtel steckten zwei kleine Dolche.

»Ich sehe keine Regung oder Bewegung des Feindes. Niemand ist uns gefolgt. Wir dürften sicher sein. Aber wir sollten nicht lange verweilen. Verfolger und Späher könnten sich jederzeit nähern«, sprach dieser mit einer Stimme wie Samt.

»Wir sind seit drei Tagen und Nächten unterwegs. Wir müssen so schnell es geht über den Gebirgspass kommen und nach Elenduiel vordringen. Dort ist die Pforte in die Menschenwelt. Wir brauchen jegliche Hilfe, auch wenn unsere Chancen schlecht stehen«, sagte der Mann hinter dem Elben und trat neben ihn.

Er trug eine dunkelblaue Kutte mit goldenen Rändern. Seine aschblonden Haare standen wild ab, er hatte einen Dreitagebart, kräftige Hände und an seiner rechten Hüfte steckte ein langes Schwert in der Scheide. Wenn man genau hinsah, konnte man an seinen Fingerspitzen kleine Funken erkennen, welche aus diesen hervor waberten.

Der Name des Mannes war Gollnow. Er war ein Magier und hatte über viele Jahrhunderte die Kunst der Magie erlernen müssen. Feuer und Wassermagie einzusetzen war nicht schwer, doch die Macht der Ogham-Magie zu erlernen, eine Kunst. Diese Art der Zauberei musste man immer mit Bedacht einsetzen, denn jede Art von Magie raubte dem Körper Energie. Daher hatte sich Gollnow auch im Schwertkampf ausbilden lassen, um nicht allzu verwundbar zu sein. Seine Macht war geschwächt, je mehr er sich von seinem Reich Tel’Eiylan im Westen entfernte. Daher führte Gollnow immer ein Schwert mit sich. Reine Vorsichtsmaßnahme.

»Verliere nicht gleich den Mut, mein treuer Freund. Allein unsere Vereinigung zeigt, dass wir anders denken und handeln als unsere Vorfahren. Wir haben uns miteinander verbündet und erbitten Hilfe«, antwortete Sanduiil und wandte sich vom Späherposten ab.

 

Sein Blick fiel auf zwei schlummernde Personen. Die eine wirkte ziemlich klein, etwas stämmig und war von vielen Furchen und Narben im Gesicht gekennzeichnet. Sie trug eine braune Hose, ein ockerfarbenes Shirt, hatte wettergegerbte und ledrige Haut, eine kräftige Nase, dicke Füße und Hände. Auf dem Schoß lag eine doppelschneidige Axt und auf seinem Kopf thronte ein silberfarbener Helm. Der Name des Gnoms war Tulip, ein Vetter zweiten Grades des Gnomenkönigs Golatas. Der Elb lächelte, wenn er auf den kleinen Gnom herabsah, doch keineswegs belustigt. Er war immer wieder verwundert, wie viel Mut, Ausdauer und Kraft diese kleinen Geschöpfe hatten. Er begegnete ihm im Blauwald, als er sich zu weit in das Gebiet der Gnome mit ihrer Hauptstadt Gondrax vorgewagt hatte. Dort hatte Sanduiil versucht, Verbündete zu finden.

Sein Vater, der große Elbenkönig Fanras, hatte die Gabe der Voraussicht. Nicht immer ganz zutreffend und zu hundert Prozent genau, jedoch war stets etwas Wahres dran gewesen. Fanras hatte einen dunklen Schatten am Horizont des schwarzen Landes und der verfluchten Toten-Stadt War gesehen. Das Böse, das dort lauerte und von der damaligen Hohepriesterin Zerodyme gebannt worden war, durfte unter keinen Umständen wieder auferstehen, sonst würden alle in größter Gefahr sein. Der Schwarze Fürst, ein mächtiger Schwarzmagier, konnte nach einem erbitterten Kampf vor vielen Jahrhunderten endlich besiegt werden und in Larandia kehrte Frieden ein. Es hatte zu viele Opfer gegeben und das ganze Land war auseinandergerissen worden. Dies durfte unter keinen Umständen erneut passieren.

Sollte sich nun das verbannte Böse wieder erheben? Sanduiil fühlte sich eh und je Larandia und seinen Bewohnern zutiefst verpflichtet und wollte dieser Prophezeiung nachgehen, kostete es, was es wollte ...

Der Gnom Tulip hatte seinen Kopf gegen die zarte Schulter einer weiteren Person gelehnt. Sanduiil bemerkte, wie Gollnows Augen auf ihr Antlitz geheftet waren, und schmunzelte leicht. Ihr langes, schwarzes und seidiges Haar war an einigen Stellen am Kopf geflochten. Ihre Haut wirkte ebenmäßig und sehr blass. Sie trug ein rubinrotes knielanges Kleid, schwarze Leggins und braune Lederstiefel. Serenity war die Tochter der Paladinkönigin Narissa und hatte in einer Nacht- und Nebelaktion das Königreich Tar’Nerith hoch oben im Norden verlassen. Sie hatte ihr behagliches Leben im Palast von Azul aufgegeben, um sich der kleinen Gruppe anzuschließen.

Es war wahrlich keine Reise für schwache Nerven oder verwöhnte Prinzessinnen. Doch dies störte Serenity keinesfalls. Sie hatte von frühester Kindheit an die Heilung von Verwundeten und Kranken erlernt – genauso wie den Nahkampf mit Stangenwaffen und einige tödliche Zaubersprüche im Namen der Gerechtigkeit. Diese durfte sie aber nur einsetzen, wenn es keinen anderen Ausweg mehr gab, denn die Macht der Magie schwächte die Körper der Paladine besonders, da sie eigentlich nicht dafür gemacht waren.

Gollnow konnte seinen Blick nur schwer von der schlafenden Schönheit abwenden. Doch in seinem Leben hatte er keinen Platz für solche Schwärmereien oder tiefere Gefühle, denn er hatte sich mit Leib und Seele ganz seinem Volk und seinem Oberhaupt Xaramas verschrieben. Manchmal war es jedoch schwierig, Herz und Verstand in Einklang zu bringen.

Der Elb hatte sich in der Zwischenzeit der fünften Person zugewandt. Die saß auf einem Felsen, schärfte ihr Schwert und blickte düster in die Runde. Seine Statur glich der eines Kämpfers, eines Gladiators. Die Arme waren muskelbepackt und seine Haut tief gebräunt von der Sonne. Die Haare kohlrabenschwarz und er hatte sie zu einem Zopf gebunden. Die Rüstung war dunkelgrau und schon ein klein wenig in Mitleidenschaft gezogen worden. Um seine Taille trug der Krieger einen Gürtel, an welchem kleinere und auch größere Dolche baumelten.

Andariel, so der Name des Mannes, war ein ehemaliger Soldat der königlichen Leibgarde des Geschlechtes Savages. Er hatte nach dem Sieg über die Beasts und den Schwarzen Fürsten neue Herausforderungen gesucht – in den Weiten des Sommerlandes wie viele andere auch. Im Königreich Elenduiel wollte niemand mehr leben. Es war zu trostlos, einsam und alles erinnerte an den Krieg. Der Königspalast in der Hauptstadt Kaladar hatte man fast komplett zerstört.

Es schmerzte Andariel zu sehr, dorthin zurückzukehren, doch er wusste ebenso wie seine Begleiter, dass sich dort ein magisches Portal zu einer ihnen fremden Welt befand. Zu einer Parallelwelt, die sich Erde nannte. Von dort waren damals in der ersten Zeitrechnung die Speziellen Menschen nach Larandia gekommen. Es hieß, man hatte sie wegen ihrer Andersartigkeit aus ihrer eigenen Heimat vertrieben und sie ließen sich in Elenduiel nieder, erkannten das Geschlecht Savage als ihre Herrscher an und kämpften von diesem Tage an für ihre neue Heimat.

Doch niemand hatte wirklich etwas für diese anderen Menschen übrig gehabt. Allein schon ihre Fähigkeiten: Gedankenlesen, Feuer mit bloßer Gedankenkontrolle entfachen und leiten, das Verwandeln in Tiere und das Bewegen oder Leiten von Gegenständen – auch mit bloßer Gedankenkontrolle. Für fast alle Bewohner Elenduiels waren sie Hexen oder böse Schwarzmagier gewesen. Böses Blut.

Die Herrscher der Savages begegneten diesen Speziellen Menschen allerdings mit Würde und Respekt, boten ihnen ein neues Leben in ihrem Königreich und, solange niemand aus ihren Reihen zu Schaden kam und sie ihre Kräfte für das Gute einsetzten oder im Kampf gegen Feinde, sollte niemand ihnen ein Haar krümmen. So war das Gesetz – bis zum heutigen Tage.

»Andariel, über was zerbrichst du dir den Kopf?«, fragte Sanduiil und setzte sich zu ihm.

»Über alles. Was gedenkt Ihr in der Neuen Welt zu finden?«

»Hilfe. Neue Verbündete. Wir müssen versuchen, unsere Völker wieder zu vereinen. Wir müssen besonders das Spezielle Volk einen und erneut einen König auf den Thron von Elenduiel setzen«, sprach der Elb und begutachtete seine Dolche.

»Wenn dies geschieht, wird der Zauberbann der großen Zerodyme gebrochen und der Schwarze Fürst aus dem Schwarzen Land entkommen! Ihr seid wahnsinnig!« Andariel schüttelte entschieden den Kopf und rammte sein Schwert in den Boden.

»Nicht, wenn wir vorher an die Klinge der Hoffnung herankommen. Sie wurde mit dem Kronprinzen Van Savage in den Eishöhlen der Skriills eingefroren. Ob sein Körper diesen Jahrhunderte langen Schlaf überlebt hat, wage ich zu bezweifeln, doch wir müssen es versuchen. Ich glaube daran. Zudem leben Nachkommen des Speziellen Volkes ebenfalls auf der Erde. Beides müssen wir hierherbringen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich das Böse in War wieder erhebt. Mit jedem Jahr wird der Zauberbann von Zerodyme schwächer«, vernahmen beide eine Stimme, welche zu Serenity gehörte.

Sie hatte sich erhoben und sah mit fester Miene die beiden Männer an.

»Serenity hat Recht. Die Hohepriesterin ist mit einem langen Leben gesegnet, doch auch sie ist nicht unsterblich. Und wie ich gehört habe, neigt sich bald auch ihre Zeit dem Ende zu. Sie ist die letzte Hohepriesterin ihrer Art. Wenn Zerodyme stirbt, ist der Zauber gebrochen. Seit über fünfhundert Jahren ist der hart erkämpfte Frieden nun schon in unserem Land, aber ich sehe dies nur als eine kurze Ruhe, ehe uns der große Sturm heimsucht.« Der Gnom Tulip hatte sich mittlerweile erhoben und stützte sich auf seine doppelschneidige Axt.

»Genauso hatte es mir mein Vater vorausgesagt. Daher bin ich von Pelarion aufgebrochen und traf auf Tulip im Blauwald. Dich, mein guter Freund Andariel, haben wir vor einer Schlägerei in einem Wirtshaus am Fuße des Elmos in Bruch gerettet«, lachte Sanduiil und warf sein langes weißes Haar in den Nacken.

»Von wegen gerettet – ich kam sehr gut alleine klar. Ich mag es nur nicht, wenn man mir das verweigert, wofür ich bezahlt habe. Und der Wirt war sehr knauserig«, meinte Andariel und verschränkte die Arme vor der Brust.

»Das sehe ich zwar anders, aber lassen wir dich mal in dem Glauben.« Tulip tätschelte ihm den Oberschenkel, da er nicht höher kam.

»Wie gut, dass ich auf meiner Flussreise in Richtung Osten auf Gollnow traf. Du kamst gerade mit einem Boot vorbei und nahmst mich mit«, sprach Serenity dankbar in Richtung des Magiers und lächelte ihn an.

Gollnow wurde sofort wieder warm ums Herz, als er in ihre eisblauen Augen blickte.

»Ohne dich wäre ich verloren gewesen. Ich war noch nie auf der anderen Seite des Nebelgebirges im Osten. Auch das Königreich Elenduiel kannte ich bis jetzt nur von Erzählungen meiner Mutter und der Lehrer«, schwärmte Serenity und strahlte über beide Ohren.

»Ja, nun, wir müssen uns beratschlagen. Ewig können wir hier nicht verweilen. Die Feinde könnten uns schon dicht auf den Fersen sein. Der Mond geht bereits auf. Wir sollten versuchen, uns schlafen zu legen und beim ersten Sonnenstrahl die Reise fortzusetzen«, sagte Gollnow.

Er räusperte sich etwas verlegen und blickte zur wachsbleichen Scheibe des Vollmondes empor. Serenity und Tulip entfernten sich einige Schritte von ihnen und schauten über den Rand ins Tal hinab. Sanduiil, Gollnow und Andariel setzten sich beieinander und Gollnow beschwor mit wenigen Worten für jeden eine kleine bläuliche Flamme. Sie war winzig klein, gerade einmal so groß wie ein Hühnerei, doch sie strahlte eine behagliche Wärme aus und man verbrannte sich nicht an ihr. Sie sollten einen in der Nacht nur etwas wärmen.

»Ihr Magier seid schon wirklich nützlich, das muss man euch lassen«, meinte Andariel und beobachtete die blaue Flamme in seiner Hand.

»Danke für das Kompliment. Wie du jedoch weißt, beherrschen wir noch viel mehr als nur dieses bisschen Hokuspokus«, meinte Gollnow und zwinkerte ihm zu.

»Ja, ja – ihr seid alle ganz tolle Helden«, sagte Sanduiil und schüttelte den Kopf.

»Was willst du damit sagen? Hältst du dich etwa für etwas Besseres, Elb?«, meinte Gollnow und blickte ihn herausfordernd an.

»Mein lieber Freund, mein Volk ist das älteste Volk der Geschichte. Wir haben in unserem Jahrtausende langen Bestehen schon alles gesehen: Große Könige fallen und auferstehen, Magier sich duellieren bis aufs Blut, tausende Kriege gefochten in großen Schlachten – ich sollte vielleicht anfangen, wenn dies alles vorbei ist, ein Buch zu schreiben«, überlegte Sanduiil und musste leise lachen.

In diesem Augenblick kamen Tulip und Serenity vom oberen Rande der Senke herbeigeeilt und in ihren Gesichtern spiegelte sich Furcht wider.

»Was ist los?«, fragte Sanduiil und sprang sofort auf.

»Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich einige Schatten gesehen habe, die den Hang hinaufkommen«, stammelte Serenity und umklammerte ihren Stab.

»Hast du sicher etwas gesehen?«, fragte Andariel und schaute prüfend in alle Richtungen.

»Ja, ich habe es auch gesehen. Dunkle Gestalten. Sie bewegen sich rasch auf uns zu«, erwiderte Tulip und zückte seine Axt.

»Zieht all eure Waffen und bleibt dicht zusammen«, befahl Andariel und zog sein Schwert aus der Scheide, das im Mondlicht blitzte.

Sanduiil zog seinen Bogen und spannte den ersten Pfeil. Gollnow konzentrierte sich und bunte Funken sprühten aus seinen Fingerspitzen. Serenity erhob ihren Stab und aus dem unteren Ende klickte plötzlich eine scharfe Spitze hervor. Sie lauschten alle in die Nacht hinein.

Die Nerven war zum Zerbersten gespannt. Eine Zeit lang wagten sie alle kaum zu atmen. Stumm und wachsam starrten sie in die Dunkelheit. Nichts geschah. Weder Bewegungen noch Laute drangen durch die Nacht.

Doch, da war etwas!

»Leise«, murmelte Andariel und seine Augen verengten sich zu Schlitzen.

»Was ist das dort drüben?«, keuchte Serenity auf und deutete in Richtung Westen.

Über den Rand der Senke erhoben sich Schatten. Wie viele es waren oder ob es gar nur einer war, konnten sie nicht erspähen. Alle strengten ihre Augen an. Die seltsamen Schatten begannen zu wachsen, wurden immer größer und größer. Es gab keinen Zweifel mehr: Drei große Gestalten in roten Kutten standen am Rand der Senke und starrten kurzzeitig auf die Gruppe herab. Alle spürten eine undurchdringliche Kälte und ihr Atem formte sich zu Rauchschwaden. Dann kamen sie langsam näher.

»Rotkutten! Zieht Eure Waffen und bleibt zusammen!«, rief Andariel und stellte sich schützend vor Tulip und Serenity.

»Du musst mich nicht verteidigen, ich bin eine ausgezeichnete Kämpferin«, meinte Serenity und trat einige Schritte nach vorn.

 

»Wenn sich eine Frau schon dem Feind entgegenstellt, muss ich das ja auch tun, sonst hält man mir meine Feigheit noch ewig vor«, jammerte Tulip, schwang seine Axt und stürmte ebenfalls los.

»Ich sagte doch, nicht nach vorne! Zusammenbleiben!«, brüllte Andariel, schüttelte wütend den Kopf und hastete ebenfalls den Gestalten entgegen.

»Immer muss es nach deren Kopf gehen«, meinte Sanduiil und eilte seinen Freunden zu Hilfe.

Alle schwangen ihre Waffen und mit einem lauten Donnergrollen begann die Schlacht in der Senke. Serenity und Tulip stürzten sich laut schreiend auf eine Gestalt und man hörte das Aneinanderschlagen der Schwerter. Andariel lieferte sich unterdessen einen wilden Schlagabtausch, knallte mehrmals zu Boden, rappelte sich jedoch entschlossen immer wieder auf. Sanduiil feuerte zwei Pfeile ab, welche die dritte Gestalt direkt in Herz und Kopf trafen. Elbenpfeile waren mit einer magischen Substanz überzogen, die sich gegen nicht-menschliche Wesen richtete und ihnen Schaden zufügte. Gollnow raunte einige Zauberformeln und errichtete Schutzbarrieren, um weitere Feinde abzuhalten. Serenity hob ihren Stab und rammte die dolchartige Spitze in den Kopf des Rotkuttenträgers. Von hinten näherte sich Tulip und hieb mit seiner Axt mitten in den Rumpf der Kreatur. Die zischte laut und fiel dann auf den matschigen Boden. Andariel focht mit seinem Angreifer einen heftigen Kampf aus, wurde dabei unter lautem Aufschrei an der Schulter verletzt. Er blutete, blickte wütend auf seinen Gegner und hieb diesem daraufhin mit einem Schlag den Kopf ab.

»Flieht mit mir! Flieht mit mir hinab Richtung Sommerland. Vielleicht können wir irgendwo Schutz finden. Der Weg führt uns zum nächsten Dorf. Beeilt euch und bleibt um Himmels willen zusammen«, rief Gollnow und ein heller Strahl aus seiner Hand, leuchtete ihnen den steinigen, holprigen Weg ins Tal hinab.

Die Truppe lief hinter dem Magier her, blickte sich ständig prüfend um, ehe sie in der Dunkelheit verschwanden.