Lugege ainult LitRes'is

Raamatut ei saa failina alla laadida, kuid seda saab lugeda meie rakenduses või veebis.

Loe raamatut: «Reisen in die Felsengebirge Nordamerikas», lehekülg 13

Font:

Neuntes Kapitel

Das Winden über Sandbänke — Der weiße Ansiedler — Purple-Hill-Paß — Die schönen Aussichten — Die Kieswüste — Biber im Colorado — Musik im Lager — Brechen des Steuerruders — Der ChimneyPeak — Reise um den ChimneyPeak — Angeschwemmtes Land — Der Schläferfelsen — Red Rock Gate — Light House Rock — Porphyrpaß — Kiesebenen — Lang Range und Short Range — Indianer am Ufer — Hohe Ufer — Uferschwalben — Lager auf der Sandinsel

Der Morgen des 13. Januar wurde mit Holzeinnehmen begonnen; ich benutzte daher die kurze Zeit, einen Spaziergang zu unternehmen, um mich von dem Charakter einer Reihe niedriger Felsenhügel zu überzeugen, die in geringer Entfernung über dem Schilf und den Weiden emportauchten. Der Weg dorthin war indessen so schwierig, und dichtes, verworrenes Gestrüpp hinderte dermaßen meine Schritte, daß ich nur langsam vorwärtskam und die Pfeife der »Explorer« mich zurückrief, noch ehe ich den bezeichneten Punkt erreicht hatte. Ich erkannte indessen aus der Ferne, daß die Formation, ähnlich der des Pilot Knob, vulkanischer Art war, welche Meinung Dr. Newberry, unser Geologe, bestätigte.

Als ich wieder auf dem Ufer anlangte, war das Dampfboot zur Abfahrt bereit; Dr. Newberry und ich, die anerkannten Nachzügler der Expedition, nahmen unsere Plätze ein, und kurze Zeit darauf befand sich die »Explorer« vor der Sandbank an derselben Stelle, an der wir am vorhergehenden Abend aufgelaufen waren. Der Anker wurde wieder ausgeworfen, die langweilige Arbeit des Windens begann, und ich präparierte einige Vögel, die ich in der Frühe auf dem Ufer geschossen hatte. Die Seichtigkeit des Flusses erschwerte das Winden so sehr, daß Kapitän Robinson auf Erleichterung des Dampfbootes drang und die ganze Bemannung, mit Ausnahme der bei der Winde Beschäftigten, im Ruderboot ans linke Ufer sendete. Auch hier weckten einige Felsenhügel in der Ferne unsere Neugierde, so daß Dr. Newberry und ich aufbrachen, um über die mit Weiden bewachsenen Ebenen zu diesen hinzueilen.

Wir gerieten indessen bald zwischen eine große Anzahl langgestreckter Lachen und morastiger Teiche, so daß wir in dem hohen Schilf nicht nur voneinander getrennt wurden, sondern uns auch glücklich schätzten, unseren Weg wieder aus dem gefährlichen Labyrinth herausgefunden zu haben; geduldig warteten wir daher auf dem sandigen Ufer auf das Flottwerden unserer Expedition. Nach harter Arbeit gelangte das Boot endlich wieder in tiefes Wasser, und während mehrerer Stunden hinderte uns trotz der vielen Krümmungen des Flusses nichts in unserer Fahrt. Wir erblickten zahlreiche Herden von Gänsen, doch gelang es uns nicht, einen der so erwünschten Braten zu erhalten, indem das Stöhnen der Maschinen die Scheu dieser vorsichtigen Vögel noch vergrößerte. Auch Indianer sahen wir hin und wieder auf dem Ufer; es waren kleine, wild aussehende Gestalten, die man auf den ersten Blick als Fremdlinge in dieser Gegend erkannte. Sie gehörten nach Mariandos Aussage zum Stamm der verräterischen Apachen, und beide Dolmetscher rieten uns, stets vor ihnen auf unserer Hut zu sein, da diese Wüstenbewohner nur zum Rauben an den Colorado gekommen seien.

Zu unserer rechten Seite näherte sich die Kieswüste immer mehr dem Fluß, so daß sich zwischen derselben und den trüben Fluten nur noch ein ganz schmaler Uferstreifen befand, der spärlich mit schlanken, aber durch einen alten Brand versengten und getöteten Weidenbäumen und niedrigem, noch lebendem Gestrüpp bewachsen war. Zu unserer Linken dehnte sich der fruchtbare Boden des Tals weiter aus, und wir erblickten dort sogar Spuren einer neuen Kultur sowie am Abhang eines kleinen Hügels die flüchtig zusammengefügte Hütte eines weißen Ansiedlers.

Holstedt ist der Name des Mannes, der jene Strecke kulturfähigen Bodens zu seinem Eigentum ausersehen hat und zu jener Zeit eine Anzahl von Arbeitern damit beschäftigte, Kanäle und Wasserrinnen zu ziehen, um mittels derselben auch in trockenen Jahreszeiten seinem Acker eine befruchtende Feuchtigkeit erhalten zu können. Es gehört gewiß eine bedeutende Selbstverleugnung und sichere Aussicht auf späteren Gewinn dazu, sich in so tiefer Wildnis eine Heimat zu gründen; denn es ist nicht anzunehmen, daß sich dorthin jemand zurückzieht, der mit sich und der ihn umgebenden Natur allein zu sein trachtet und in letzterer gleichsam Ersatz sucht für das, was er in der zivilisierten Heimat hinter sich zurückließ. Amerika ist aber das Land greller Widersprüche; blendende Schätze birgt die leblose Wüste; paradiesische Landstriche bleiben unbeachtet, und über dieselben hinweg zieht gleichgültig der goldgierige Mensch, um in jener sein einziges, aber verführerisches Ziel zu verfolgen.

Doch auch auf dem rechten Ufer wurde das Tal allmählich verdrängt, und zwar nicht durch Kiesebenen, sondern durch hohe, imposante Felsmassen, die steil und majestätisch emporragten. Die Vegetation verschwand mehr und mehr und beschränkte sich zuletzt auf kleine Weidenwaldungen in den Mündungen der Schluchten und auf den sandigen Inseln, während die buntfarbigen Trachyt- und Porphyrmassen den eigentümlichen Anblick riesenhafter Kakteen zeigten, die teils kandelaberförmig oder einsamen Schildwachen nicht unähnlich über dem kahlen Gestein emporragten, teils wie runde Auswüchse gleichsam an den Abhängen klebten und aus der Ferne kaum von den Felsen selbst zu unterscheiden waren.

Der gewöhnlich klare Himmel hatte sich an diesem Tag mit einem dichten, grauen Wolkenschleier überzogen; eisiger Wind sauste uns aus den wilden Schluchten entgegen und kräuselte das gelbe Wasser des Stroms, der sich im wilden Andrang schaumerzeugend über verborgene Felsen und Holzklippen dahinstürzte und dem Steuermann die gefährlichen Stellen verriet.

Da wir auf der geringen Räumlichkeit des Dampfbootes uns weder durch Bewegung noch durch andere Mittel der empfindlichen Wirkung des eisigen Windes zu entziehen vermochten, so war es uns fast erwünscht, als wir schon gegen vier Uhr nachmittags, nach Zurücklegung von etwa zehn Meilen, durch zahlreiche Sandbänke gezwungen wurden, auf dem rechten Ufer zu landen. Wir schlugen daselbst unser Lager auf, und fanden in den ausgewaschenen Höhlen am Fuß der Berge Schutz vor der rauhen Witterung und Holz genug, um eine angenehme, wärmende Temperatur um uns zu verbreiten. Die Nacht war stürmisch und kalt; der Regen schlug schauerweise an die straffen Wände unserer Zelte; doch als ich in der Frühe des 14. Januar ins Freie trat, schwamm das ganze westliche Ufer des Colorado in Sonnenschein, während auf der Ostseite bläuliche Schatten sich lagerten und zackige Gebirgszüge phantastische Linien auf dem glänzenden Spiegel des Stroms zeichneten. Die hellroten und violetten Felswände, noch feucht vom nächtlichen Regen, schienen mit frischer Farbe überstrichen zu sein und verliehen der Landschaft durch die grellen Kontraste einen überaus lieblichen Reiz. Ich erstieg die nächste Höhe, um mir von dort aus eine Ansicht des Felspasses zu verschaffen, durch den am vorhergehenden Tag unser Weg geführt hatte und den wir, auf Veranlassung der schönen Färbung des Gesteins, mit dem Namen »Purple-Hill-Paß« belegt hatten.

Wir brachen endlich auf, und es wurden, nachdem wir kaum die Mitte des Stroms erreicht hatten, die ganzen Kräfte unserer Mannschaft in Anspruch genommen, um die »Explorer« über eine Reihe von Sandbänken zu schaffen. Welcher Verlust an Zeit mit diesen rasch aufeinanderfolgenden Hindernissen verbunden war, geht daraus hervor, daß wir uns in der Frühe des vierten Tages unserer Reise erst fünfundzwanzig Meilen von Fort Yuma befanden, doch hofften wir noch immer, weiter nördlich besseres Fahrwasser zu finden, um die Reise in der uns bestimmten Zeit zurücklegen zu können.

Hatte sich mir von den Höhen des Ufers aus eine herrliche Aussicht gegen Süden geboten, so stand das Bild, das sich, als wir auf den Sandbänken hielten, in nördlicher Richtung vor uns ausdehnte, demselben in keiner Weise nach.

Werke von Menschenhänden, welche die getreueste Nachahmung einer bildenden Natur sind, werden als Meisterwerke bewundert; wo die schaffende Natur in ihren Formen gleichsam an den Kunstsinn ihrer edelsten Geschöpfe erinnert, da steigert sich oftmals das Erstaunen teilnahmsvoller Beschauer. Dieser Art nun war das Panorama, in das uns hineinzudrängen wir eben im Begriffe standen. Weithin dehnte sich der glanzreiche Spiegel des Stroms mit all seinen schäumenden Wirbeln und schwarzen Baumstämmen vor uns aus. Ähnlich kunstreich und sinnig geordneten Kulissen, schoben sich wilde Felsmassen, jedesmal Vorsprünge bildend, weit in die Fluten hinein und spiegelten in denselben ihre hoch aufstrebenden Wände und Türme in der ganzen Pracht einer schönen Beleuchtung. Ein schmaler Waldstreifen trennte die Felsen von den trügerischen Bildern im Wasser und umsäumte gleichsam die ausgedehnte, glatte Fläche, die durch den Widerschein des wolkenlosen Himmels im reinsten Lichtblau prangte. Durch die vergrößerte Entfernung veränderte sich stufenweise die Farbe des Gesteins der sichtbaren Punkte und ging von schönem Rot in ein unbestimmtes Violett und ein duftiges Blau über. In weiter, nebeliger Ferne tauchten neue Gebirgszüge vor uns auf, wie um uns vorzubereiten auf die beständige Abwechslung in der uns umgebenden Szenerie.

Nachdem wir die Sandbänke überwunden hatten, erfreuten wir uns auf längere Zeit guten Fahrwassers und einer Umgebung, die unausgesetzt unsere Aufmerksamkeit fesselte. Erst in den Nachmittagsstunden traten die Felsen weiter zurück, und den Raum zwischen diesen und dem Fluß füllten zu beiden Seiten wieder die hohen Kiesebenen aus. Wo das Wasser der Gebirge in wildem Sturz die Wüste aufgerissen und nahe dem Strom kleine, unfruchtbare Täler gebildet hatte, erblickte man vielfach turmähnliche Überreste der Ebene, die mit ihren horizontalen Lagen von Sand, Kies und Lehm aus der Ferne kaum von künstlichem Mauerwerk zu unterscheiden waren. Nur gegen acht Meilen legten wir an diesem Tag zurück und bezogen unser Lager auf dem rechten Ufer, am Fuß der Hochebene, wo auf einem schmalen Streifen angeschwemmter Erde junge Schößlinge dicht gedrängt unter hohen, schwarzgebrannten Weiden wucherten.

Den alten Brand bemerkte ich übrigens zu beiden Seiten des Colorado mit wenig Unterbrechung auf der ganzen Länge des Stroms; mir schien er absichtlich von den Eingeborenen angelegt gewesen zu sein. Ich hegte anfangs die Vermutung, daß dies geschehen sei, um die Ufer des Flusses für die indianischen Reisenden, die dort nur auf ihre eigenen Füße angewiesen sind, wegsamer zu machen; doch überzeugten mich die Pfade, die in gewisser Höhe an den Abhängen der Hügel und über diese sowie über die Gebirge hinwegführten, vom Gegenteil. Ich schließe daher, daß, wenn der Brand sein Entstehen nicht dem Zufall verdankte, die Anlegung desselben durch die Jagd veranlaßt worden ist. Zur heißen Sommerzeit bieten nämlich die Ufer des Colorado zahlreichen Hirschen einen schattigen Aufenthalt, und das Feuer kann möglicherweise als Mittel angewendet worden sein, das auf weite Strecken zerstreute Wild an gewissen Punkten zusammenzutreiben. Vor Eintritt der Dunkelheit stieg ich nach der etwa sechzig Fuß hohen Ebene hinauf; ein kurzer Marsch auf dieser entfernte den Fluß und seine Bäume aus meinem Gesichtskreis, und ich war überrascht durch die furchtbare Öde und Einsamkeit, welche dort oben um mich herrschte. Kein Strauch, kein Pflänzchen war weit und breit zu erblicken, nur eine gleichmäßige, sanfte Erhebung des Bodens gegen Westen bemerkbar, der sich als eine ununterbrochene Ebene nach allen Richtungen hin ausdehnte. Am merkwürdigsten erschien mir indessen die Oberfläche des Bodens, die sich in ihrem Äußeren kaum von einem Konglomerat unterschied. Kiesel von der Größe einer Walnuß bis zum Umfang einer Faust lagen dicht verstreut nebeneinander, und zwar nicht, als ob sie ihre Lage dem Zufall verdankten, sondern als wenn sie mit Fleiß mosaikartig aneinandergefügt und danach mittels einer schweren Walze in den Boden gepreßt wären, über den sie in gleicher Höhe emporragten. Erdreich war in den Fugen nicht sichtbar, und nur wenn man einzelne Kiesel entfernte, was in den meisten Fällen nicht ohne Mühe gelang, erblickte man feinen Sand, in dem die Form des aufgehobenen Steins genau ausgeprägt war. Die Steine selbst bestanden aus Bruchstücken von Porphyr, Basalt, Grünstein, Quarz, Achat, Jaspis, Karneol und Obsidian in den schönsten Farben, und durch den Einfluß des treibenden Sands und des waschenden Regens war das Äußere derselben so schön abgerundet und hatte eine so glänzende Politur angenommen, daß die untergehende Sonne sich in ihnen wie auf einer Wasserfläche spiegelte und die dadurch hervorgerufenen Blitze das Auge blendeten.

Als ich ins Lager zurückkehrte, traf ich Kapitän Robinson damit beschäftigt, am sandigen Ufer nahe einer runden Höhle eine Biberfalle aufzustellen. Der Colorado ist nämlich reich an Bibern, doch leben sie dort nicht gesellig in DörfernBeschreibung eines Biberdorfes siehe »Tagebuch einer Reise vom Mississippi nach den Küsten der Südsee«, S. 368. wie an kleineren Strömen, sondern graben sich Höhlen in den Ufern, von denen einzelne Röhren oberhalb und andere unterhalb des Wasserspiegels ausmünden. Auf langen Strecken bemerkte ich vielfach an den steilen Lehmwänden solche einfache Biberbaue, auch zahlreiche Pfade sowie Spuren an abgenagten Bäumen und Zweigen, welche mich die Anwesenheit einer sehr großen Zahl dieser Tiere in dieser Gegend erraten ließen.

Der Abend war mild und angenehm, und bis tief in die Nacht hinein saßen wir beisammen und übten uns leichte Musikstücke auf unseren Instrumenten ein. Es lag für uns ein eigentümlicher Reiz in dieser Beschäftigung, der wir mit soviel Eifer oblagen. Wir waren ja die ersten, welche geregelte Musik in diese Wildnis brachten und zum erstenmal die stumme Wüste und den verschwiegenen Fluß zu Zeugen der Ergüsse einer frohsinnigen Laune wählten. Heimatliche Klänge in der Heimat sind schön, doch im fernen, fremden Land dringen sie zum Herzen, und jeder Akkord berührt eine lang nachhallende Saite der Erinnerung. Selbst unsere rohen Soldaten schienen nicht ganz unempfindlich gegen die Musik in einer solchen Umgebung zu bleiben, denn wenn die Flammen unseres Feuers hoch aufschlugen, dann beleuchteten sie mehr als eine wilde, bärtige Gestalt, die sich lauschend hinter uns auf dem dürren Rasen ausgestreckt hatte.

Der Morgen des 15. Januar war schneidend kalt, weshalb wir uns auch nicht eher zwischen unseren warmen Decken rührten, als bis Wigham, unser gelbhaariger irischer Aufwärter, den Kopf in unser Zelt steckte und mit voller Kraft seiner Stimme ausrief: »Das Frühstück steht auf dem Tisch!« Schnell rollten wir aus unseren Feldbetten ins Freie und eilten in das Ruderboot, um dort den Hauptteil der Morgentoilette zu beendigen. Kapitän Robinson sah indessen nach seiner Biberfalle und fand, daß er nicht nur einen Biber gefangen hatte, sondern daß es den Anstrengungen des gefangenen Tieres auch gelungen war, die Kette vom Pflock zu lösen und mit der Falle, die sich an dem einen Fuß desselben festgeklemmt hatte, zu entkommen. Dieser Verlust wurde um so fühlbarer, als die Stelleisen und Fallen, die ich zu meinem Gebrauch von San Franzisko aus in dem Schoner um Kap Lukas herumgeschickt hatte, an der Mündung des Flusses zurückgeblieben waren.

Der Zwischenfall hatte indessen keinen Einfluß auf unseren Appetit, wir waren fröhlich und guter Dinge, und eine Stunde, nachdem wir unser Zelt verlassen hatten, bebte die »Explorer« schon wieder unter den heftigen Erschütterungen der arbeitenden Maschinen. Die Felsenketten, die sich zu beiden Seiten vom Fluß entfernten, näherten sich scheinbar in weitem Bogen wieder nördlich von uns und schlossen ein wüstes Tal ein, durch das der Strom sich uns entgegenwand. Absichtlich gebrauche ich das Wort »scheinbar«, denn die Gebirgszüge waren keineswegs zusammenhängend, und wenn auch ihre Ausläufer sich hin und wieder berührten, so glaubte ich doch abgesonderte Joche zu erkennen, die in der Richtung von Nordwesten nach Südosten ihren Weg über den Colorado nahmen.

Wir legten den Weg durch das Tal, das ganz den oben beschriebenen Charakter trug, verhältnismäßig schnell zurück. Die merkwürdigen Formationen der Felsen, denen wir allmählich näher rückten, nahmen unsere Aufmerksamkeit so sehr in Anspruch, daß wir weniger dem Eindruck unterworfen waren, den die Naturumgebung, die im vollen Sinne des Wortes ausgestorben schien, hervorrufen mußte. Nach einer Reise von ungefähr fünf Meilen gelangten wir endlich wieder zwischen Felsen, die den Strom stark einzwängten und daher seinen Lauf beschleunigten. Außer vereinzelten Cottonwood-Bäumen hatten wir im Laufe des ganzen Vormittags kein Holz auf den Ufern wahrgenommen; als sich daher hinter einem Felsvorsprung eine Gruppe halb verbrannter Weidenbäume zeigte, steuerte der Kapitän auf diese zu, um einen neuen Vorrat von Brennholz einzunehmen. Das Dampfboot landete gerade vor der Mündung einer Schlucht, und ich benutzte daher die Gelegenheit, einen kurzen Spaziergang ins Gebirge zu unternehmen. Ich folgte der Schlucht in ihrem sandigen Bett aufwärts, doch rückten die Felsenmassen, die teils aus metamorphosierten Konglomeraten, teils aus Porphyr und Trachyt bestanden, so dicht zusammen, daß ich zuletzt nur noch durch Springen von Stein zu Stein vorwärtskam. Ich erblickte daselbst auch große Massen von Glimmerschiefer, hin und wieder kupferhaltiges Gestein und starke Quarzadern. Die Spuren von Bären und Bergschafen fand ich im Sand frisch abgedrückt, doch blieb mir nicht Zeit genug übrig, mich jagend weiter zu entfernen. Ich beschränkte mich darauf, einigen Vögeln für meine Sammlung nachzustellen, und bereicherte sie an dieser Stelle durch mehrere schöne Finkenarten.

Wir verließen den Holzplatz, und mutig arbeitete die kleine »Explorer« in dem tiefen Wasser gegen die starke Strömung. Wir hatten kaum eine Meile zurückgelegt, als bei einer Biegung des Flusses plötzlich die prachtvollen Formen des Chimney Peak vor uns lagen. Nur durch die Lage des Felsens und durch Mariandos Zeugnis konnten wir überzeugt werden, daß die ungeheuren Felsmassen, die sich kühn wie Ruinen eines turmreichen, stolzen Schlosses erhoben, wirklich der Chimney Peak seien, den wir von Fort Yuma aus als einzelne Säule wahrgenommen und bewundert hatten. Der Peak lag nicht unmittelbar am Fluß, sondern etwa fünf oder sechs Meilen weiter zurück, umgeben von vulkanischen Gebirgsmassen, die teils als runde Hügel, teils in Zuckerhutform oder als Türme und Mauern bis zu achthundert Fuß hoch über dem Spiegel des Colorado emporragten.

Ich war mit dem Zeichnen der merkwürdigen Szenerie beschäftigt, als heftiges, erschütterndes Aufschlagen des Rades uns davon in Kenntnis setzte, daß ein Unfall unser Boot betroffen hatte. Das eine Steuerruder war gebrochen, und so wurden wir denn genötigt, auf dem linken Ufer zu landen und den Rest des Tages mit der Ausbesserung des Schadens hinzubringen. Ein unbequemeres Lager als an diesem Tag hätten wir kaum finden können, denn das Boot lag an einer zwölf Fuß hohen, steilen Lehmwand, nach der unsere Lagerequipage hinaufzuschaffen keine geringe Mühe kostete, und auf dem Ufer wucherte hohes Schilf mit einer solchen Üppigkeit, daß es fast undurchdringlich war und ein Weg durch dasselbe erst geschnitten werden mußte. Auf der anderen Seite der Schilfwaldung erhoben sich schroffe Felshügel, so daß wir das Gepäck und die übrigen Gegenstände eine Strecke am Fuß derselben hintragen ließen, bis sich endlich eine offene Schlucht fand, die sich einigermaßen zum Lagerplatz eignete. Etwa dreihundert Schritt oberhalb des Lagers erweiterte sich das von Felsen eingeschlossene Tal bedeutend, und ich lenkte meine Schritte dorthin, um nach Wild und Exemplaren für meine Sammlung zu suchen. Guter, zeugungsfähiger Boden bildete ursprünglich die Oberfläche dieses kleinen Winkels, doch hatten die Regengüsse nach allen Richtungen hin so tiefe Furchen gezogen und so weite Strecken mit den aus dem Gebirge herabgespülten Kieseln und Bruchstücken der Felsen bedeckt, daß das Tal für den Ackerbauer dadurch jeden Wert verlor. Ungewöhnlich kräftige Mesquitebäume beschatteten einen Teil der Ebene, deren lockerer Boden, arm an Pflanzen und Grasvegetation, hin und wieder von den weitkriechenden Ranken wilder Kürbisse bedeckt gewesen war, die, in den meisten Fällen vertrocknet, nur die gelben, apfelsinenförmigen Früchte in langen, regelmäßigen Reihen zurückgelassen hatten. Wild erblickte ich gar nicht, obgleich ich vielfach die Spuren großer und kleiner Hasen auf dem Sand wahrnahm.

Ich kehrte gegen Abend ins Lager zurück und unternahm noch in Gesellschaft von Dr. Newberry und Herrn von Egloffstein die Ersteigung eines der nächsten Felsen, von dem wir eine Aussicht auf die entferntere Umgebung gewannen. Die Sonne war eben untergegangen, in orangegelbem Licht prangte der westliche Abendhimmel, und vor diesem erhoben sich, dunkelblau und scharf abhebend wie eine kunstvoll ausgeschnittene Bleiplatte, die zackigen Formen des Chimney Peak. Weithin nach Süden und nach Norden erstreckten sich die phantastischen Gebilde, während im Osten rosenfarbige Dämmerung die verworrenen Felsmassen halb verschleierte. Es war ein schöner, ein herrlicher Anblick, diese grausige Wildnis, auf der die nächtlichen Schatten mit dem letzten Abendrot gleichsam um den Vorrang zu kämpfen schienen, und wohl hatte Dr. Newberry recht, als er mit der ihm eigentümlichen Vorliebe für schöne Naturszenen ausrief: »Wie lohnt doch ein solcher Genuß für überstandene Beschwerden und Mühen, und wie schnell vergißt man, daß die Aussicht, die jetzt unser Auge entzückt, nur eine tote, starre Felsenwüste ist.« Wir stiegen wieder in die Schlucht hinab, wo Wigham schon längst ungeduldig mit dem Anrichten des Abendbrotes auf uns harrte und mürrisch versicherte, daß es nicht seine Schuld sei, wenn wir mit kalter Kost vorliebnehmen müßten.

Es war dies übrigens nur ein Schreckschuß von unserem gern zankenden Iren; der Kaffee, ohne den im westlichsten Amerika und besonders in der Wildnis keine Mahlzeit denkbar ist, war siedend heiß, das den Kaffee stets begleitende fette Schweinefleisch knisterte noch am Feuer, und das frische Brot war, dank der Sorge unseres deutschen Kochs, auch noch nicht ausgekühlt. Wir speisten, wir rauchten und wickelten uns infolge des Holzmangels früher als gewöhnlich in unsere Decken. Das Steuerruder war wieder ausgebessert worden, und zur frühen Stunde rief die Pfeife der »Explorer«: »Alle Mann an Bord!« Im weiten Bogen führte der Fluß um den Chimney Peak herum, so daß wir von allen Seiten einen Blick auf ihn gewannen. Es würde mir schwerwerden, einen Punkt zu bestimmen, von dem aus der Anblick vorzugsweise einen tieferen Eindruck auf mich gemacht hätte. Ich saß auf dem Verdeck und schaute unverwandt nach den majestätischen Felsmassen hinüber, die scheinbar in jedem Augenblick ihre Gestalt veränderten oder auch sich aneinander vorbeischoben. Obgleich wir die rotbraune Farbe des Chimney Peak zu unterscheiden vermochten, so kamen wir doch nicht nahe genug, um den Charakter des Felsens genau bestimmen zu können, doch glaube ich kaum, daß nach der Beobachtung der jenen hervorragenden Punkt einschließenden vulkanischen Gesteinsarten ein Zweifel über die Formation des Chimney Peak bestehen kann.

Das Wasser des Colorado war in dieser Region tief und sehr reißend, Felsblöcke ragten vielfach aus den Fluten hervor oder befanden sich so weit unter dem Spiegel des Stroms, daß ihre Anwesenheit durch Wirbel verraten wurde, und es erforderte daher die größte Aufmerksamkeit und Umsicht unseres Kapitäns, die »Explorer« sicher zwischen den vielen gefährlichen Stellen hindurchzubringen. Wir gelangten ohne weiteren Unfall durch diese Kette der Dome Mountains in ein kleines Tal, das, wie das auf der Südsee, ebenfalls eine von nackten Felsen eingeschlossene Wüste war.

Mit den niedrigen Ufern begannen auch wieder die Sandbänke und das zeitraubende Winden über dieselben. Nur langsam ging deshalb unsere Reise vonstatten, und wenn wir seit unserem Aufbruch von Fort Yuma auf dem Fluß auch nahe an die fünfzig Meilen zurückgelegt hatten, so betrug die Entfernung von diesem Punkt in gerader Linie kaum halb soviel.

Der Aufenthalt auf dem Dampfboot wurde durch die rauhen West- und Nordwinde keineswegs angenehm, und obgleich erst seit einigen Tagen unterwegs, blickten wir doch oft sehnsüchtig nach den Ufern hinüber, und nie mehr, als wenn wir auf dem Sand stundenlang festsaßen und der aufmunternde Ruf der beschäftigten Leute mit dem Geräusch der in kurzen Absätzen arbeitenden Maschinen abwechselte und die Kommandoworte des Kapitäns dazwischenschallten: »Turn her back! Stop her! Go ahead! Slow!«Kommandos für den Maschinenmeister: »Laß die Maschine rückwärts arbeiten! Laß sie stillstehen! Vorwärts! Langsam!« Wir kamen indessen immer wieder los und auch von der Stelle, doch konnten wir häufig des Abends von unserem Lager aus noch den Punkt übersehen, den wir am frühen Morgen verlassen hatten.

Am Abend des 16. Januar schlugen wir auf dem linken Ufer unser Nachtlager auf. Ein schmaler Waldstreifen, hauptsächlich aus Weiden und PfeilholzSo genannt, weil die geraden Zweige dieses weidenähnlichen Strauchs von den Eingeborenen zu Pfeilschäften verwendet werden. bestehend, trennte die sandige Ebene, die sich weithin gegen Osten ausdehnte, von dem hohen, sandigen Ufer. Der Colorado hatte die Merkmale seines verschiedenen Wasserstandes deutlich an der nachgiebigen Uferbank zurückgelassen und diese treppenförmig ausgewaschen; ohne Mühe konnten daher die Zelte auf einer Stelle gerichtet werden, die durch den Schutz der Bäume und den trockenen Boden den Vorzug verdiente.

Ich nahm meine Jagdgerätschaften, drängte mich durch den schmalen Saum der dicht verwachsenen Weiden und Ranken und eilte auf die Ebene hinaus, um noch einen Hafen für unsere Küche zu suchen. Ganz verschieden von den Kieswüsten, die ich schon oben beschrieb, fand ich diese mit Artemisien und niedrigen Dornen dicht bedeckt; der Boden schien angeschwemmtes Land zu sein, auf dem die losen und leichteren Bestandteile in kleine Hügel zusammengeweht waren, während die eigentliche Fläche, aus festem Schlamm und fetter Erde bestehend, zahlreiche Risse — die untrüglichen Beweise neuerer Überschwemmungen — zeigte. Auf einigen der Hügel fand ich Topfscherben, doch erkannte ich diese leicht als Überreste einer Art Gefäße, deren sich noch heute die Indianer des Tals des Colorado zum Aufbewahren ihrer Kornvorräte bedienen. Es ist wohl anzunehmen, daß auf derartigen Stellen die Eingeborenen sich nach den Frühjahrsüberschwemmungen

auf einige Zeit niederlassen, um, ähnlich den Bewohnern des Niltals,Wenn ich mich zu diesem Vergleich veranlaßt fühlte, so bezieht sich derselbe eben nur auf die Handlungsweise der verschiedenen Völker; denn die unerschöpfliche Fruchtbarkeit des Nilschlamms gestattet keinen Vergleich mit dem sandigen Absatz des Colorado, der, ungeheuren, größtenteils nackten Felsenregionen entströmend, nur wenig mehr befruchtende Bestandteile mit sich führt, als das aufgelöste Gestein bietet. auf dem frisch befruchteten Boden schnelle und sichere Ernten zu erzielen, wobei die aufgeweichte Erde den die Bequemlichkeit liebenden Kindern der Wildnis bei ihrem Mangel an zweckmäßigen Ackergerätschaften bedeutend zu Hilfe kommt. Der Erfolg meiner Jagd war nur sehr gering, ich erlegte einige Rebhühner, außer diesen einen Spottvogel und einen Neuntöter. Auch Wildspuren erblickte ich, doch rührten diese von Bergschafen her, die nur an den Fluß und wieder zurück ins Gebirge geeilt waren.

Der Morgen des 17. Januar war kalt und unfreundlich, der Himmel trüb, und trüb nahm sich die schattenlose, einfarbige Wüste aus; kräftig arbeitete die kleine »Explorer« stromaufwärts, Meile auf Meile legte sie in dem auffallend guten Fahrwasser zurück und führte uns bald wieder zwischen Felsen, die durch ihre Formen die Aufmerksamkeit eines jeden fesselten. Schwarze Basaltmassen ragten anfänglich

nur in geringer Höhe über den Pappeln und Weiden des Ufers empor, doch schienen sie zu wachsen in dem Maße, als wir uns nördlich bewegten, bis sie sich an die hundertundfünfzig Fuß hoch über den Spiegel des Stroms erhoben.

Dort befand sich eine Gruppe in so merkwürdige Form zusammengedrängter Hügel, daß wir bei deren Anblick einen Ausruf des Erstaunens nicht zu unterdrücken vermochten. Da lag nämlich auf felsigem Ruhebett, Kopf und Rücken auf bequeme Weise anlehnend, die furchtbare Gestalt eines fest schlummernden Riesen. Sein Haupt bedeckte scheinbar wolliges Haar, die Augen waren dicht geschlossen, und mit dem Zeichen der größten Behaglichkeit neigte sich das Kinn auf die hohe Brust. Er lag auf dem Rücken mit auf der Brust gefalteten Händen, die Knie waren etwas erhoben, und aufwärts zeigten die Spitzen seiner Füße. Ein weites Gewand oder eine Decke schien den trägen Schläfer zu verhüllen, doch konnte man gleichsam durch diese Hülle hindurch den riesenhaften, aber regelmäßigen Bau der Glieder erraten.

So lag der Riese da und schlief, so hatte er dagelegen und geschlafen seit Tausenden und aber Tausenden von Jahren, und so wird er ruhen, bis ein mächtiger Wille ihn dereinst zertrümmert. Voller Verwunderung schaute ich auf das merkwürdige Gebilde von leblosem Stein, und unwillkürlich versank ich in Betrachtungen. »Ist dieser Schläfer das Bild einer am Colorado noch schlummernden Zivilisation? Nein, gewiß nicht, denn die Zivilisation wird auch dort, und zwar mit den Geißeln eines ewig hadernden Menschengeschlechts, geweckt werden, der Riese aber wird ruhig weiterschlafen! Oder ist er vielleicht das Bild der Urbesitzer des Landes, die nationenweise einem ewigen Schlaf in die Arme geschleudert werden und kaum in der Geschichte der Völker einen Platz finden? Ja, was die meisten der jetzigen Bewohner des großen Kontinents für entwürdigend halten, das scheint hier die Natur selbst getan zu haben: sie schaffte in dem ewig schlafenden Riesen ein vielsagendes Denkmal einer bald vollständig untergegangenen Rasse. Auf den Trümmern hingeopferter Nationen entstehen neue Geschlechter, vielfach die Fähigkeiten und Neigungen ihrer Vorgänger entstellend!« So dachte ich, als das Boot sich immer weiter entfernte, das Bild des Schläfers sich verschob und zum formlosen Steinhaufen entstellt wurde.