Handbuch des Strafrechts

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10. Sonstige Fragen






a) Beteiligung



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Die Teilnahme des Opfers ist jedenfalls dann eine zwingende Voraussetzung für die Vollendung der Erpressung, wenn man mit der hier vertretenen Ansicht eine Nötigung durch vis absoluta nicht zulässt und dagegen eine Vermögensverfügung des Opfers fordert. Weil die Rechtsgüter des Opfers aber nicht gegen das Opfer selbst geschützt werden sollen, bleibt das Opfer straflos. Es liegt eine sog. „

notwendige

Teilnahme

 vor. Werden Mittelsmänner zwischen den Erpressungstäter und das Erpressungsopfer eingeschaltet, so ist unstreitig, dass die im Lager des Erpressers stehenden Personen die Erpressung

unmittelbar

 fördern. Die im Lager des Opfers stehenden Personen fördern die Tat hingegen nur

mittelbar

. Diese mittelbare Förderung würde an sich ausreichen, um auch sie als Gehilfen der Erpressung,

§§ 253

,

27 StGB

, anzusehen. Aus dem Sinn des

§ 253 StGB

 ergibt sich allerdings, dass diese Fälle der Hilfeleistung „im Interesse des Opfers“ straflos bleiben müssen. Gleiches muss auch für neutrale Vermittler gelten, wobei hier umstritten ist, ob in diesen Fällen die Rechtsfigur der Einwilligung eingreift oder ein Fall des

§ 34 StGB

 vorliegt.



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Eine

Mittäterschaft

 setzt voraus, dass der Betreffende selbst in der Absicht handelt, sich oder einen anderen rechtswidrig zu bereichern. Wirken mehrere Personen zusammen, wobei derjenige, der die Nötigung vornimmt, selbst keine Bereicherungsabsicht hat und auch von der Bereicherungsabsicht der anderen nichts weiß, ist dennoch eine

Mittäterschaft

 anzunehmen, wobei allerdings der Nötigende selbst nicht wegen

§ 253 StGB

, sondern nur wegen

§ 240 StGB

 bestraft werden kann.

Anstiftung

 und

Beihilfe

 zu einer Erpressung kann ferner auch derjenige begehen, dem die Bereicherungsabsicht fehlt. Diese Bereicherungsabsicht ist aber kein besonderes persönliches Merkmal, weshalb in diesen Fällen die Strafe nicht nach

§ 28 Abs. 1 StGB

 gemildert wird.



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Fraglich ist, ob auch derjenige wegen

Beihilfe

 zu bestrafen ist, der dem Täter zwischen Vollendung und Beendigung der Tat hilft, der also z.B. nach Eintritt des auf der Nötigung basierenden Vermögensschadens dem Täter dabei hilft, die Bereicherung tatsächlich herbei zu führen. Während die Rechtsprechung grundsätzlich eine Beihilfe (ebenso wie die sukzessive Mittäterschaft) zwischen Vollendung und Beendigung für möglich ansieht, lehnt die wohl h.M. in der Literatur dies zutreffend ab.






b) Notwehrbefugnisse des Opfers



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Selbstverständlich kann sich das Opfer gegen den erpresserischen Angriff im Rahmen der Notwehr,

§ 32 StGB

, zur Wehr setzen. Im Hinblick auf die Gegenwärtigkeit des Angriffs und die Erforderlichkeit der Verteidigung muss man jedoch nach den bedrohten Rechtsgütern Vermögen, Willensfreiheit und dem vom Nötigungsmittel alternativ angegriffenen Gut unterscheiden, weil sich entsprechend unterschiedliche Abwehrbefugnisse ergeben können. Droht der Erpresser z.B. einem Opfer damit, Beweismittel bezüglich einer vom Opfer begangenen Straftat der Polizei zu übergeben, wenn das Opfer ihm nicht 1000 Euro zahle, dann kann das Rechtsgut „Vermögen“ hier unproblematisch durch die bloße Nichtzahlung des Geldes verteidigt werden. Die im Nötigungsmittel liegende Bedrohung führt ebenfalls nicht zu einem Notwehrrecht des Opfers, weil dieses kein Recht darauf hat, nicht angezeigt zu werden. Daher kann die Gegenwehr (z.B. die Wegnahme oder Zerstörung der Beweismittel, notfalls auch die Tötung des Erpressers, um ihn an der Anzeige zu hindern) nur auf die Beeinträchtigung der Willensfreiheit des Opfers gestützt werden. In diesem Zusammenhang ist es fraglich, ob der Angriff auf die Willensfreiheit mit dem Ausspruch der Drohung abgeschlossen ist oder noch solange gegenwärtig ist, wie der psychische Zwang aufrechterhalten wird. Zwar wird mit

§ 154c StPO

 dem Opfer eine Möglichkeit gegeben, sich den Behörden zu offenbaren (weshalb die Gefahr i.S.d.

§ 34 StGB

 „anders abwendbar“ wäre), dies schließt jedoch die Gegenwärtigkeit des Angriffes auf die Willensfreiheit und daher das Notwehrrecht,

§ 32 StGB

, nicht aus. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass das Notwehrrecht in diesen Fällen deswegen zumindest eingeschränkt ist, weil der Erpresste die Notwehrlage selbst verschuldet hat.






c) Versuch



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In

§ 253 Abs. 3 StGB

 wird die Versuchsstrafbarkeit ausdrücklich angeordnet. Erforderlich ist, dass der Täter zum Versuch unmittelbar ansetzt (

§ 22 StGB

). Hierzu ist es ausreichend, wenn der Täter zur Nötigungshandlung, d.h. zur Drohung oder Gewalt, unmittelbar angesetzt hat. Im Hinblick auf eine Drohung ist dies z.B. dann der Fall, wenn der Täter den „Erpresserbrief“ in den Briefkasten eingeworfen hat. Darauf, ob er ein zur Drohung oder Gewaltanwendung taugliches Mittel verwendet, kommt es nicht an. Ein Versuch liegt daher auch dann vor, wenn der Täter im vorigen Beispiel vergessen hat, den Drohbrief in das Briefkuvert zu stecken. Ebenso wie beim Raub,

§ 249 StGB

, liegt aber noch keine versuchte (räuberische) Erpressung vor, wenn der Täter mit der schussbereiten Pistole in der Hand in das Haus des Opfers eindringt, um dieses, sobald er es antrifft, mit der Waffe zu bedrohen und Geld zu fordern, da hier mit der nötigenden Handlung selbst gerade nicht begonnen wurde. Typische Fälle lediglich versuchter Erpressung sind diejenigen, in denen das genötigte Opfer die bereits ausgesprochene Drohung nicht ernst nimmt oder diejenigen, in denen der Täter einen Anspruch auf den erpressten Vermögensvorteil besitzt, dies aber verkennt. Ebenfalls lediglich um einen Versuch handelt es sich dann, wenn die Übergabe des Geldes von der Polizei observiert wird, sodass der Täter zu keiner Zeit eine ernsthafte Chance hat, die übergebenen Vermögensgegenstände zu behalten.






d) Besonders schwere Fälle



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§ 253 Abs. 4 StGB

 enthält eine Regelung über besonders schwere Fälle, die, wie auch sonst im Strafrecht, (erst) auf der Strafzumessungsebene zu berücksichtigen sind und die den Strafrahmen auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr festlegen. Die Verhängung einer Geldstrafe ist also nicht mehr möglich. Trotz des Strafrahmens wird die Tat aber nach

§ 12 Abs. 3 StGB

 nicht zum Verbrechen. Während

§ 253 Abs. 4 S. 1 StGB

 die allgemeine Anordnung für (unbenannte) schwere Fälle enthält, werden in

§ 253 Abs. 4 S. 2 StGB

 zwei Beispiele herausgehoben, bei denen ein solcher besonders schwerer Fall „in der Regel“ anzunehmen ist: Wenn der Täter (1) gewerbsmäßig oder (2) als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Erpressung verbunden hat. Die Frage des gewerbsmäßigen und bandenmäßigen Vorgehens richtet sich dabei nach den üblichen Regeln, die auch z.B. für den Diebstahl (

§§ 242

,

243 Abs. 1 S. 2 Nr. 3

,

244 Abs. 1 Nr. 2 StGB

) oder den Betrug (

§ 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StGB

) gelten. Die Motivation des Gesetzgebers bei der Einführung dieser Regelbeispiele (durch das Verbrechensbekämpfungsgesetz 1994) war es, insbesondere der Schutzgelderpressung als Erscheinungsform der organisierten Kriminalität entgegenzutreten.






e) Konkurrenzen



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Unabhängig von der Frage, ob sich die Nötigungsmittel in

§ 253 StGB

 und

§ 240 StGB

 decken, was davon abhängt, ob man für

§ 253 StGB

 eine Vermögensverfügung verlangt und daher vis absoluta – im Gegensatz zu

§ 240 StGB

 – ausklammert, ist

§ 253 StGB

 lex specialis gegenüber

§ 240 StGB

. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn der Täter mit der Drohung zwei unterschiedliche Zwecke verfolgt, von denen nur einer auf die erstrebte Vermögensverschiebung gerichtet ist. Auch

§ 241 StGB

 wird von

§ 253 StGB

 als lex specialis verdrängt. Dagegen ist das Verhältnis der lediglich versuchten Erpressung bei gleichzeitig vollendeter Bedrohung umstritten. Das gleiche Problem stellt sich im Hinblick auf das Verhältnis der lediglich versuchten Erpressung und der vollendeten Nötigung.

§ 255 StGB

 ist dagegen lex specialis gegenüber

§ 253 StGB

. Im Hinblick auf einen erpresserischen Menschenraub,

§ 239a StGB

, liegt Idealkonkurrenz vor, da nur auf diese Weise im Schuldspruch zum Ausdruck kommt, dass die Erpressung, die bei

§ 239a StGB

 nur beabsichtigt sein muss, tatsächlich vollendet wurde. Ebenfalls Tateinheit kommt mit einer gleichzeitig verwirklichten Bestechung,

§ 334 StGB

, in Frage.

 



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Umstritten ist das Konkurrenzverhältnis zwischen einem

Betrug

,

§ 263 StGB

, und einer Erpressung,

§ 253 StGB

, sofern die (nach der hier vertretenen Ansicht erforderliche) Vermögensverfügung einerseits durch eine

Drohung

, andererseits durch eine

Täuschung

 hervorgerufen wird. Dies kann z.B. dann vorliegen, wenn der Täter nur vortäuscht, die Mittel zur Zufügung eines empfindlichen Übels zur Hand zu haben (er droht dem Opfer mit einer völlig ungefährlichen Spielzeugpistole, die das Opfer für eine echte Waffe hält). Die Rechtsprechung vertrat dabei schon früh die Ansicht, dass in diesen Fällen die Irrtumserregung ein wesentlicher Bestandteil der Drohung sei, sodass allein eine Erpressung vorliege. Ein Betrug würde insoweit bereits tatbestandsmäßig ausscheiden. Allerdings hatte das RG auch teilweise danach differenziert, ob der Entschluss zur Vermögensverfügung „teils auf dem Einfluß der Furcht vor der Drohung, teils auf dem selbstständigen Einfluß der Täuschung beruht“ (dann lägen beide Tatbestände nebeneinander vor) oder ob der „Drohende die falsche Behauptung nur auf, um das in Aussicht gestellte Übel, die Macht oder den Willen des Drohenden, die Drohung auszuführen und dergleichen mehr in einem möglichst gefährlichen Licht erscheinen zu lassen“. In den letzteren Fällen wolle der Täter die Drohung durch die Täuschung nur „wirksamer erscheinen lassen“, ihr komme daher keine eigenständige Bedeutung zu, weshalb ein Betrug bereits tatbestandlich ausscheide. Die Gegenansicht löst das Problem hingegen auf Konkurrenzebene, sieht den Betrug also als tatbestandlich erfüllt an. Dieser Ansicht ist deswegen zu folgen, da in den geschilderten Fällen sämtliche Elemente des Betrugstatbestandes vorliegen und insbesondere auch die Vermögensverfügung durch die Täuschung mitbedingt ist. Dies ermöglicht z.B. auch eine Bestrafung eines Gehilfen, der lediglich von der Täuschung, nicht aber von der Nötigung Kenntnis hat. Idealkonkurrenz kann hingegen dann vorliegen, wenn die Täuschung nicht nur zur Verstärkung der Drohung eingesetzt wird bzw. der Täter nicht nur über das in Aussicht gestellte Übel und seine darauf gerichteten Einflussmöglichkeiten täuscht, sondern wenn die Täuschung Tatsachen betrifft, die mit dem in Aussicht gestellten Übel nicht zusammenhängen.



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Dient die Erpressung der Sicherung eines durch andere Straftaten (z.B. durch einen Diebstahl,

§ 242 StGB

, oder einen Betrug,

§ 263 StGB

) erlangten Vermögensvorteils, so ist nicht wegen Erpressung, sondern nur wegen Nötigung zu bestrafen. Der Angriff auf das Vermögen stellt eine straflose Nachtat in Form einer sog.

Sicherungserpressung

 dar. Nach anderer Ansicht ist in diesen Fällen bereits der Tatbestand der Erpressung ausgeschlossen.



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Da nach der hier vertretenen Ansicht die Erpressung eine Vermögensverfügung des Genötigten voraussetzt, besteht ferner ein

Exklusivitätsverhältnis zum Raub

, es können also nicht gleichzeitig ein Raub und eine räuberische Erpressung vorliegen. Nach der Ansicht der Rechtsprechung ist hingegen die (räuberische) Erpressung als Grundtatbestand des Raubes anzusehen und wird von diesem im Falle einer vollendeten Wegnahme verdrängt, wenn auch die sonstigen Voraussetzungen des

§ 249 StGB

 vorliegen. Tateinheit ist lediglich in denjenigen Fällen denkbar, in denen dasselbe Nötigungsmittel dazu eingesetzt wird, die eine Sache wegzunehmen, während damit gleichzeitig die Vermögensverfügung über eine andere Sache erzwungen werden soll. Wird hingegen zuerst ein Raub versucht, danach aber – bezogen auf denselben Gegenstand – eine Vermögensverfügung herbeigeführt, tritt der versuchte Raub hinter der vollendeten (räuberischen) Erpressung zurück. Gleiches gilt im umgekehrten Fall einer zuerst versuchten (räuberischen) Erpressung bei später vollendetem Raub. Wird hingegen der Raub versucht, später dann aber der Erfolg durch eine einfache Erpressung erreicht, liegt Idealkonkurrenz vor. Auch im Hinblick auf einen Diebstahl gilt das Exklusivitätsverhältnis. Auch hier kommt es darauf an, ob der Täter einem anderen einen Gegenstand wegnimmt (dann Diebstahl) oder diesen zur Vermögensverfügung nötigt (dann Erpressung). Nur in Ausnahmefällen kann hier eine Idealkonkurrenz vorliegen, etwa dann, wenn der Täter eine dem Vermögensinhaber nahestehende Person zur Wegnahme einer Sache (Diebstahl, eventuell in mittelbarer Täterschaft) und anschließenden Herausgabe an ihn (Erpressung) nötigt oder wenn dasselbe Nötigungsmittel sowohl zur Herausgabe der einen als auch zur Wegnahme der anderen Sache führt. Bleibt offen, ob der nötigende Täter die Sache durch eine Wegnahme oder eine Vermögensverfügung erlangt hat, ist eine Wahlfeststellung möglich. Dies hat auch der BGH – inkonsequent – lange Zeit so gesehen, stellt sich aber inzwischen im Hinblick auf seine Grundannahme, dass die (räuberische) Erpressung Grundtatbestand des Raubes sei, auf den Standpunkt, es sei in diesen Fällen ausschließlich wegen einer (räuberischen) Erpressung zu verurteilen.



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Soll das spätere Erpressungsopfer durch eine vorausgegangene Brandstiftung eingeschüchtert werden, ist nach der Rechtsprechung die inzwischen in

§ 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB

 normierte Qualifikation nicht erfüllt, da es an dem erforderlichen sehr nahen zeitlichen, sachlichen und räumlichen Zusammenhang fehlt. Nötigt der Täter mehrere Personen, die dann gemeinsam oder jeder für sich eine Vermögensverfügung vornehmen, liegen auch mehrere Fälle des

§ 253 StGB

 vor. Andererseits liegt nur eine Erpressung vor, wenn der Täter durch mehrere Nötigungshandlungen auf das Opfer einwirkt, um dieses zu einer Vermögensverfügung zu nötigen, was am Ende dann auch gelingt. Anders ist allerdings dann zu entscheiden, wenn der Täter erkennt, dass sein Nötigungsversuch fehlgeschlagen ist und er daher zur weiteren Verwirklichung seines Zieles neu ansetzen müsste.






11. Nebenfolgen



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Nach § 256 Abs. 1 StGB kann sowohl in den Fällen der einfachen als auch der räuberischen Erpressung vom Gericht Führungsaufsicht nach

§ 68 Abs. 1 StGB

 angeordnet werden.






12. Sonderproblem: Chantage



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Ein Sonderproblem im Rahmen der Erpressung stellt seit jeher die Schweigegelderpressung, die sog. „Chantage“, dar. Hierunter versteht man die Androhung, enthüllende oder kompromittierende Tatsachen den staatlichen Behörden oder der Öffentlichkeit mitzuteilen, wenn der Betreffende dem „Erpresser“ kein Schweigegeld zahlt. Ebenso wie die konkrete Mitteilung an die Behörden, ist auch die Ankündigung bzw. Androhung dieser Mitteilung an sich nicht rechtswidrig. Sie wird aber regelmäßig mit einem inkonnexen Vorteil verknüpft, sodass in aller Regel eine Verwerflichkeit nach

§ 253 Abs. 2 StGB

 vorliegen wird.





IV. Die räuberische Erpressung,

§ 255 StGB






1. Tatbestandliche Voraussetzungen



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Wie bereits erwähnt, stellt die Vorschrift des

§ 255 StGB

 eine Qualifikation des

§ 253 StGB

 dar. Von der (einfachen) Erpressung,

§ 253 StGB

, unterscheidet sich

§ 255 StGB

 lediglich durch die Verschärfung des

Nötigungsmittels

. Statt „Gewalt“ muss der Täter „Gewalt gegen eine Person“ anwenden bzw. statt „mit einem empfindlichen Übel“ muss der Täter „mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben“ drohen. Diese Nötigungsmittel sind ihrerseits identisch mit denen des Raubes,

§ 249 StGB

, weshalb sich gerade in dieser Konstellation die bereits mehrfach erwähnte Abgrenzungsfrage von Raub und (räuberischer) Erpressung stellt. Die räuberische Erpressung baut als Qualifikation lediglich auf die Tatbestandserfüllung des

§ 253 StGB

 auf, sodass die besondere Bestimmung der Rechtswidrigkeit über die in

§ 253 Abs. 2 StGB

 enthaltene Verwerflichkeitsklausel nicht übertragbar ist. Allerdings dürfte eine solche Verwerflichkeit mit Hinblick auf die qualifizierten Nötigungsmittel auch stets vorliegen.



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Gewalt gegen eine Person

 zeichnet sich – im Gegensatz zur „einfachen“ Gewalt im Sinne des

§ 253 StGB

 – dadurch aus, dass sie sich gegen einen Menschen richten muss. Nach der hier vertretenen Ansicht, die (auch) für die räuberische Erpressung eine Vermögensverfügung voraussetzt, kommt als Gewalt nur vis compulsiva in Betracht. Oben wurde bereits aufgezeigt, dass insoweit eine „einfache“ Gewaltanwendung i.S.d.

§ 253 StGB

, die sich nicht gegen Personen richtet, kaum einmal vorkommen wird. Sie ist an sich nur denkbar, wenn durch die Einwirkung auf Sachen mittelbar auf den Körper des Opfers eingewirkt, d.h. nicht nur eine rein psychische Zwangswirkung ausgelöst wird. Die Gewalteinwirkung muss dabei eine gewisse Erheblichkeitsschwelle überschreiten.



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Die

Drohung

 mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben kann auch konkludent erfolgen, etwa durch das bloße Vorhalten einer Waffe. Sie muss einen Menschen betreffen, die Drohung mit der Tötung eines Hundes (oder eines sonstigen Tieres) reicht also z.B. nicht aus. Zudem ist die Drohung mit einer

gegenwärtigen Gefahr

 erforderlich. Damit ist gemeint, dass die angedrohte Gefahr für Leib oder Leben bei ungehindertem Verlauf nach menschlicher Erfahrung als sicher oder sehr wahrscheinlich anzunehmen ist. Ausreichend ist das Vorliegen einer sog. Dauergefahr, wenn diese zu einem späteren Zeitpunkt in einen Schaden umschlagen kann. Dabei erfordert es der wirksame Schutz von Erpressungsopfern, den Begriff der Gegenwärtigkeit angedrohter Gefahren nicht zu eng zu verstehen. Wie auch bei

§ 253 StGB

 kann sich die Gewalt auch gegen dritte Personen richten.






2. Rechtsfolgen



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Der Täter ist „gleich einem Räuber“ zu bestrafen. Damit ordnet

§ 255 StGB

 (auch) für die räuberische Erpressung jedenfalls die Rechtsfolgen des

§ 249 StGB

, also Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr, an. Es handelt sich also auch bei der räuberischen Erpressung um ein Verbrechen (

§ 12 Abs. 1 StGB

) mit der Folge, dass der Versuch auch ohne gesonderte Anordnung strafbar ist (

§ 23 Abs. 1 StGB

). Darin erschöpft sich der Verweis jedoch nicht, vielmehr soll die Rechtsfolge: „Bestrafung gleich einem Räuber“ auch zum Ausdruck bringen, dass die Raubqualifikationen der

§§ 250

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