Hot kisses and a gun

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Hot kisses and a gun
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Kathrin Fuhrmann & Bettina Kiraly

Hot kisses and a gun

Impressum

© dead soft verlag, Mettingen 2021

http://www.deadsoft.de

© the authors

Cover: Irene Repp

http://www.daylinart.webnode.com

Bildrechte:

© Thorsten Schmitt – Shutterstock.com

© Arthur – studio10 – Shutterstock.com

© N_Jay –Shutterstock.com

1. Auflage

ISBN 978-3-96089-472-8

ISBN 978-3-96089-473-5 (epub)

Inhalt:

Hollywood – Marcus Lovett hofft auf seinen Durchbruch als Schauspieler. Eine Independent-Produktion scheint seine große Chance. Doch einen schwulen Cowboy spielen? Dank seines homosexuellen Co-Stars gestaltet sich der Dreh heißer als erwartet.

Charlie Walker kämpft mit seinen eigenen Dämonen. Seine dunkle Vergangenheit hoffte er, hinter sich gebracht zu haben. Marcus ist eine willkommende Abwechslung und die Spannung zwischen ihnen wird bald fast unerträglich. Doch hat ihre Beziehung eine Chance, wenn beide Geheimnisse verbergen?

Kapitel 1

Marcus suchte den Straßenrand nach einem Parkplatz ab. Kein leichtes Unterfangen in Beverly Hills, dem Nobelviertel von Los Angeles, in dem sein Agent Don Derringer eine riesige Villa besaß.

Trotzdem fanden ihre Besprechungen generell in dessen Büro statt, in einer Seitenstraße des Rodeo Drives.

Marcus wendete. Ihm blieb kaum etwas anderes übrig, als auf und ab zu fahren, wenn er nicht meilenweit durch die Gegend laufen wollte. Er schaute auf die Armbanduhr, eine Hugo Boss Ikon, die sein ganzer Stolz war. Er kam zu spät und Derringer hasste Unpünktlichkeit. Das war kein guter Start für das Gespräch.

Marcus schlug auf das Lenkrad und beugte sich vor. Er brauchte doch nur eine kleine Lücke, in der er seinen Mustang Fastback GT390 quetschen konnte. Endlich fand er einen Wagen, der blinkte und wohl aus seiner Parkposition herauswollte. Marcus bremste und setzte zurück.

»Zum Glück!«, murmelte er und trommelte nervös auf dem braunen Leder herum, welches um das Holzlenkrad gewickelt war, um edler zu wirken. Er hatte einiges an seinem Kultwagen verändert und steckte jeden Cent in die Restaurierung und Instandhaltung, den er irgendwie erübrigen konnte. Viel war das nicht, schickte er doch einen horrenden Betrag monatlich nach Hause, um sein Gewissen zu beruhigen. Denn er war in einer Nacht-und-Nebel-Aktion abgehauen und hatte all seine Verpflichtungen zurückgelassen, um hier, in Hollywood, seinem Traum hinterherzujagen. Und bisher hatte er es nicht einen noch so schwierigen Moment lang bereut.

Marcus hastete in das gläserne Vestibül und ließ sich an der Rezeption anmelden. Derringers Büro befand sich im zehnten Stockwerk und da Marcus enge Räume nicht sonderlich mochte – und da war sein Mustang die Ausnahme – sprintete er die Treppe hoch.

So war er einigermaßen außer Puste, als er endlich seinem Agenten gegenüberstand und die Hand ausstreckte. »Mr Derringer.«

Der schaute mit zusammengezogenen Brauen an ihm herab. »Sie sind spät dran, Mr Lovett. Wieder einmal.«

Marcus zwang die Lippen zu einem entschuldigenden Grinsen. Er zog die Hand zurück und rieb sie an seiner anderen. »Ja, die Parksituation ist hier mehr als … angespannt.«

»Das ist Ihre Ausrede?« Wieder streifte ihn dieser Blick. Er mochte es nicht, so angeschaut zu werden, als wäre er minderwertig und nicht gut genug, um einbezogen zu werden oder mit einem Mindestmaß an Respekt behandelt zu werden. Leider kannte er diesen Blick zur Genüge. Britney hatte ihn immer so angeschaut, wann immer sie einen Wunsch geäußert hatte, den er ihr nicht erfüllen konnte.

»Ich …«

»Die Parksituation war angespannt?«, höhnte sein Agent und schüttelte den Kopf. »Ich wage es nicht, Sie zu einer Audition zu schicken, bei der keine Amateure sitzen!«

Marcus räusperte sich. Die Besprechung verlief noch schlechter als erwartet, aber immerhin kamen sie gleich auf den Punkt. »Ich werde natürlich pünktlich sein. Bei jeder Audition und auch bei zukünftigen Gesprächen mit Ihnen, Mr Derringer. Es tut mir wirklich leid, dass Sie …«

Der Agent winkte ab und ließ ihn stehen, um durch das große Büro zu flanieren. Er trug ein weißes Hemd, das nur zur Hälfte geschlossen war, zu einem ebenfalls weißen Anzug. Lediglich die Schuhe und der Gürtel stachen hervor, da beides aus Krokodilleder gefertigt war. Gut zwanzig Goldketten lagen um seinen Hals. Sie hatten unterschiedliche Längen und bewegten sich bei jedem Schritt auf der nackten Haut ihres Trägers.

Marcus verkniff sich sein Grinsen. Zwar war er ärgerlich, weil sein Agent ihn wieder geringachtete, indem er ihn schlicht stehen und nicht zu Ende sprechen ließ, aber allein die Aufmachung seines Gesprächspartners weckte seine Belustigung. Derringer dachte wohl, er wäre eine Mischung aus Sunny Crockett und Mr T. Zusammengenommen war er eher eine Witzfigur als stylisch, aber Mode war schließlich eine Geschmacksfrage. Er selbst hielt die Siebziger für tot und das war auch gut so. Abgesehen von den wirklich coolen Autos hatte die Vergangenheit nichts zu bieten. Die Gegenwart, die Neunziger, versprachen einen genialen Aufbruch in die Zukunft. Alles konnte nur besser werden – außer den Autos, die wurden nur hässlicher.

Mr Derringer schenkte sich großzügig Alkohol ein und drehte sich mit dem Glas in der Hand zu ihm um. »Also, Sie baten um diese Unterredung. Es eilte, sagten Sie. Worum geht es?«

Marcus rieb die Hände. »Ich habe von diesem Vorsprechen gehört …«, sagte er vorsichtig. Eigentlich war es Mr Derringers Job, ihm die Termine für geeignete Auditions auszuhandeln und sie ihm dann mitzuteilen. Es war enervierend, warten zu müssen und es nicht selbst in der Hand zu haben, wohin sein nächster Schritt ihn führte.

Mr Derringer hob das Glas und prostete ihm zu. Erst nachdem er einen Schluck genommen und mit zufriedener Zustimmung genickt hatte, richtete er seinen Blick wieder auf Marcus.

»Diesem Vorsprechen? Mr Lovett, wissen Sie, wie viele Vorsprechen jede Woche stattfinden?«

Bisher war Marcus von einem die Woche ausgegangen, denn zu mehr wurde er nicht geschickt. Allerdings hielt er es für unklug, dies nun anzumerken. Offenbar erwartete Derringer auch keine Antwort, denn er schüttelte den Kopf und leerte sein Glas, um es fortzustellen. Er schlenderte wieder auf ihn zu, um an seinem großen Schreibtisch nach seinem Planer zu fischen.

»Allein in dieser Woche sind es zweiundzwanzig bei halbwegs anerkannten Studios.«

Marcus runzelte die Stirn. »Zweiundzwanzig.« Und er war bei einem gewesen.

»Richtig.« Er hob die Brauen. »Von welchem könnten Sie also sprechen? Diesem?« Er deutete auf eine Position in dem Buch, die Marcus nicht sehen konnte. »Oder diesem?« Derringer tippte auf eine andere Stelle.

Marcus biss die Zähne fest aufeinander. Seine Belustigung war vollständig verflogen und auch der Anblick des Agenten half nicht mehr, seinen Ärger zu zerstreuen.

»Ich spreche von der Audition für ›Riding the bull‹.« Er spürte seine Anspannung in jeder Faser seines Körpers und entließ den Atem in einem langgezogenen Zug. Es stand heute wohl noch ein langes Lauftraining an, um sich wieder zu beruhigen.

»Riding …« Derringer schüttelte den Kopf und überflog seine Einträge mehrfach. »Da sind Sie falsch informiert. Es gibt kein Projekt mit diesem Titel.«

Einen Moment war Marcus irritiert, dann ahnte er den Grund dafür und wechselte mit einem Seufzen das Standbein. »Es ist eine Independent-Produktion.«

Derringers Miene wurde zu dem Abbild absoluter Abscheu. »Independent«, zischte er. »Wollen Sie Erfolg haben und in der Branche anerkannt oder belächelt werden?« Er klappte den Terminplaner mit einem deutlichen Knall zu. »Was auch immer die drehen, es wird nicht in die Kinos kommen.« Er lehnte sich gegen seinen Schreibtisch und verschränkte die Arme vor der Brust. »Also, wie lief es am Mittwoch?«

Marcus trat wieder von einem Fuß auf den anderen. »Das kann ich nicht einschätzen«, gab er widerwillig zu. »Sie suchten Statisten.«

»Nun, ich werde am Montag nachhorchen. Am Dienstag habe ich ein weiteres Vorsprechen organisiert. Betty gibt Ihnen die Daten. Wenn Sie weiterhin keine Fragen haben, widme ich mich nun wieder meiner Arbeit.« Derringer stieß sich vom Tisch ab und umrundete ihn.

»Ist es wieder ein Vorsprechen für eine Statistenrolle, oder komme ich dieses Mal wenigstens zu Wort?« Marcus presste die Zähne wieder aufeinander. Er sollte besser den Mund halten.

Derringer nahm auf seinem Stuhl Platz und zog den Planer an sich. »Es ist eine unterstützende Rolle, wenn ich mich recht entsinne. Sind Ihnen Statistenrollen nicht gut genug? Möchten Sie dafür nicht mehr vorsprechen?«

Marcus stieß den Atem aus. Er wollte eine richtige Rolle. Er wollte in den Credits genannt werden und auf dem roten Teppich mit all den großen Namen entlangspazieren! Aber natürlich lernte man sein Handwerk am besten im Einsatz und am Beispiel anderer, also in Produktionen, und da war es egal, ob man einen Satz hatte oder nur schmückendes Beiwerk war. »Natürlich gehe ich zu jeder Audition.« Selbst für Werbung war er sich nicht zu schade, schließlich musste er Geld verdienen, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten – und den von Britney.

»Schön. Guten Tag, Mr Lovett.«

Marcus blieb, wo er war. Er war deutlich entlassen worden, aber er wollte sich nicht einfach wegschicken lassen. Er räusperte sich und traf seine Entscheidung. »Ich würde mir diese Independent-Sache trotzdem gerne anschauen. Ich habe mit einem Freund gesprochen, Len Myers, er ist Maskenbildner und für die Produktion engagiert.« Er unterbrach sich kurz, weil sich der schneidende Blick des Agenten auf ihn legte. »Er sagt, sie haben Jonathan Demme als Regisseur.« Aufregung ließ seine Stimme beben. Er liebte die Werke des Filmemachers, da sie stets facettenreich waren und Dinge infrage stellten. Die Sicht auf allseits anerkannte Wahrheiten.

 

Derringer verengte die Augen. »Sie sprechen doch nicht von diesem Schwuchtelfilmchen?«

Marcus klappte den Mund zu, unfähig etwas hervorzubringen.

»Sie wollen wirklich in diesem … Auf keinem Fall! Hollywood mag es gerade als brandaktuelles Thema sehen, aber damit bekommen diese abartigen Kerle eine Lobby und fühlen sich in ihrem Treiben noch bestätigt!« Derringers Lippen kräuselten sich. »Es ist abnorm und sollte unter Strafe gestellt werden!«

Marcus räusperte sich. »Ich möchte nicht auf die Straße gehen und für die Rechte der … Schwulen demonstrieren, Mr Derringer, ich möchte lediglich eine Rolle ergattern. Demme ist ein anerkannter Regisseur, die Produktion low Budget und damit habe ich eine Chance …«

»Einen Kerl abzuknutschen?«

Marcus stoppte mitten im Satz. Sein Mund stand einen Moment offen, was sicherlich recht dämlich aussah, dann fing er sich und räusperte sich. Er drehte sich und ließ den Blick über die Einrichtung schweifen. Viel Weiß, viel Chrome und Leder. Es war sicher schick, aber nicht ganz sein Stil. Er mochte es alt und rustikal. Alt und rustikal waren hier nur Mr Derringers Ansichten. »Wenn Sie es so formulieren …«

»Gut, dann sind wir uns ja einig.«

Marcus runzelte die Stirn. »Wenn ich einen Kerl knutschen muss, um endlich mit meiner Karriere voranzukommen, sei’s drum!!!« Aber er hoffte doch, dass es nicht zwangsweise dazu käme. Sollte er sich lieber zuvor über den Film informieren? Denn bisher war ihm weder bewusst gewesen, dass es sich um einen Milieufilm handeln würde, noch dass in ihm geküsst werden würde.

Derringer schürzte die Lippen und maß ihn einmal mehr. »So einer also.«

Marcus atmete tief durch. »Es ist mir völlig egal, ob ich eine Tonne Make-up tragen muss, Frauenkleider oder auch ein albernes Superheldenkostüm, solange ich endlich vorankomme, Mr Derringer. Ich bin es leid, Rasenmäher zu verkaufen oder der Typ hinten links in der Gruppe zu sein!«

Dafür hatte er nicht alles hinter sich gelassen! Sein Studium, seine Familie, seine Liebe …

Er verbannte den Gedanken an Britney schnell und ballte die Fäuste. »Ich will vorsprechen.«

»Dann sehen Sie zu, wie Sie an eine Audition geraten. Ich werde keinen meiner Klienten bei einem moralisch fragwürdigen Projekt unterbringen.« Er verengte die Augen. »Aber ich habe einen Slot für einen Actionfilm. Den Russen wird ordentlich der Hintern versohlt.« Er grinste begeistert. »Das ist eher der Stoff, aus dem eine Oscar-Nominierung ist. Nicht dieses … Schwuchtelzeug.«

Marcus presste die Lippen aufeinander. Er hasste diese Geringschätzung und da war es egal, ob sie sich gegen ihn richtete oder gegen andere.

»Ich lasse Betty die Daten heraussuchen.« Derringer griff nach dem Telefon und drückte auf einen Knopf, bevor er den Hörer an sein Ohr presste. »Betty, die Informationen für die ›Killingparty‹-Audition geben Sie an Mr Lovett weiter.« Er legte auf. »Viel Erfolg.«

»Danke.« Marcus blieb unsicher. Sollte er noch einmal auf das andere Vorsprechen zurückkommen?

Letztlich konnte er Derringers Mitarbeit nicht erzwingen. »Auf Wiedersehen.« Marcus ging zur Tür, wo er noch einen Blick zurückwarf. Vielleicht sollte er sich einen anderen Agenten suchen, allerdings war er damit vor zwei Jahren auch nicht sonderlich erfolgreich gewesen.

Im Vorraum schaute die Sekretärin von ihrer elektrischen Schreibmaschine auf. »Einen Moment noch, Mr Lovett.« Sie tippte und zog das beschriebene Blatt dann heraus, um es zu falten und ihm zu geben. »Bitte sehr. Viel Erfolg, Mr Lovett.« Sie lächelte zu ihm auf.

Marcus nahm ihr den Zettel ab und klappte ihn auf. Zwei Adressen und zwei Daten waren notiert. »Danke, Betty.«

»Sehr gern.« Ihr Grinsen wurde tiefer. »Sagen Sie, bleiben Sie in der Stadt?«

Er schüttelte den Kopf. »Ich muss noch raus nach Cherryoak Falls zu einer Rasenmäher-Präsentation.« Marcus verdrehte die Augen und lehnte sich an den Schreibtisch. »Es wird sicher ein spannender Abend.«

»Oh, nun, dann wünsche ich Ihnen viel Vergnügen.« Sie strich sich mit ihren pinken Fingernägeln durch das Haar und befeuchtete sich die Lippen. »Ich werde heute Abend im Golden Hen sein, für den Fall, dass Sie die Rasenmäher doch noch verschmähen wollen.«

»Eine interessante Einladung.« Marcus musterte sie schnell. Betty war brünett, schlank und bebrillt. Der strenge Hosenanzug war nicht sexy, aber sicherlich versteckte sie darunter eine hübsche Figur. »Ich werde versuchen, es einzurichten.« Er zwinkerte und stieß sich vom Tisch ab. »Wir sehen uns.«

Die Treppe lockte ihn und so trabte er sie in unerhörter Geschwindigkeit herab. Vor der Tür schnappte er nach Atem, stemmte die Hände in die Mitte und hob den Kopf, um in die Sonne zu schauen. Er hatte noch etwas Zeit, bevor er sich auf den Weg zu seinem Broterwerb machen musste, nur was sollte er damit anfangen?

Sollte er Len einen Besuch abstatten?

Irgendwas drängte ihn dazu, es zumindest zu versuchen. Bei ihrem letzten Gespräch – vor zwei Tagen im Pub – hatte er ausführlich über seinen derzeitigen Job gesprochen. Er arbeitete gar nicht so weit entfernt an einem Hai-Horrorfilmremake. Es lag nicht auf dem Weg nach Cherryoak, aber damit konnte er leben.

Marcus sah sich um. Das Set war minimalistisch, schließlich wurde eine Strandszene gedreht und offenbar wurden dazu nur ein Dutzend Statisten in knapper Badekleidung gebraucht. Er stützte sich auf dem Zaun ab, der die Promenade vom Sand trennte. Er war nicht der einzige Schaulustige. Weitere drängten sich an die Barriere und kommentierten die Szenerie. Besonders die Attribute der weiblichen Darsteller.

Marcus ignorierte die sexistischen Anspielungen, schließlich hatte er nicht viel Zeit, um Len zu finden und auszuhorchen. Vermutlich war es auch eine sehr dumme Idee gewesen, dem Impuls nachzugeben und hier rauszufahren, um den Freund bei der Arbeit zu stören.

»Das konntest du dir wohl nicht entgehen lassen, was?«, rief eine bekannte Stimme. Marcus verengte die Augen und hob die Hand, um das Sonnenlicht auszublenden. Len winkte, wobei er auf ihn zulief. »Ich dachte erst, ich sehe nicht richtig!«

»Hi, Len.« Sie begrüßten sich mit einem nerdigen Handschlag.

»Und? Möchtest du Denise kennenlernen?« Len zwinkerte. »Ich habe wohl zu viel geschwärmt, hm?«

Denise war der Star des Horrorfilms und unter anderen Umständen sicherlich wert, seine Zeit zu vergeuden. Len drehte sich, um an den Strand zu deuten. »Dort ist sie. Sie wiederholen den Take bereits zum fünften Mal, daher würde ich es heute lieber nicht versuchen.« Len lachte und boxte gegen Marcus’ Schulter. »Dann wiederum: Welche Lady kann dir schon widerstehen?«

»Du setzt mich hier gar nicht unter Druck, oder?«

Len lachte, dann seufzte er und lehnte sich ebenfalls an den Zaun, nur von der anderen Seite her. Sein Blick lag mit deutlicher Bewunderung auf Denise. »Ich hoffe wohl, dass du es versauen wirst.«

Marcus pfiff. »So ist das. Hey, warum lädst du sie nicht einfach mal ein?« Das wäre sicherlich besser, als sie nur anzuschmachten.

Len prustete und deutete an sich entlang. »Als ginge sie mit so einem aus!« Nun musterte er Marcus. »Du bist da eine andere Hausnummer.«

»Wie wäre es, wenn du mich heute Abend in Cherryoak triffst, und wir gehen laufen? Etwas Ertüchtigung hat noch niemandem geschadet und vielleicht brauchst du in einigen Monaten nicht mehr neidisch auf meine Schenkel zu starren?«

Hitze schoss Len in das Gesicht. »Hey, da schaue ich sicher nicht hin!«

Marcus ließ das Thema fallen, schließlich war er nicht rausgefahren, um über Sport, Frauen oder Muskeln zu sprechen. »Gut.« Er räusperte sich. »Sag mal, dieses Projekt von dem du sprachst … nach diesem hier …« Nun wurde ihm ungemütlich heiß. Nutzte er ihre Freundschaft aus, um beruflich voranzukommen? Eigentlich trennte er so etwas lieber. »Ich war gerade bei Derringer und habe ihn nach dem Projekt gefragt. Ich dachte, ich könnte es ja versuchen.«

Len zuckte die Achseln. »Klar, solltest du, Mann!«

Seine Zustimmung erleichterte Marcus so sehr, dass er aufseufzte. »Derringer will mit dieser Produktion nichts zu tun haben.« Sollte er sagen warum?

»Ach nein?« Len verzog die Miene. »Tja, deswegen ist es so schwierig, Personal zu bekommen.« Er riss sich von der knappbekleideten Badenixe los und richtete seine Aufmerksamkeit gesammelt auf ihn. »Die Rolle des Everett Steele wird zum dritten Mal umbesetzt!« Er schaute sich um und beugte sich dann vor, um leise weiterzusprechen. »Hanks hat abgesagt, nachdem er das Skript gelesen hatte, Depp unterschrieb, hat sich dann aber ebenfalls wieder losgesagt …«

»Für einen Independent-Film?« Das waren erschreckend große Namen und damit schrumpften seine Chancen, eine Rolle zu bekommen, gewaltig.

Len zuckte die Achseln. »Demme wollte ein Zugpferd, aber die Zeit wird knapp. Hey, hast du morgen Zeit?«

Marcus nickte geistesabwesend.

»Gut, ich hole dich ab.« Er schlug ihm gegen die Brust. »Ich sollte zurück, um Denise den Schweiß von der Stirn zu tupfen.« Er zwinkerte mit einem schiefen Grinsen. »Nicht, dass sie mich bemerken würde!«

»Okay, warte.« Marcus hielt ihn am Arm zurück. »Wann?«

Len zog die Nase kraus. »Acht Uhr. Wir müssen raus nach Beverly Hills … Mach dich hübsch.«

»Haha. Ich bin naturschön.« Er gab dem Freund einen Schubs und sah ihm noch nach. Jetzt hatte er nicht erfahren, worum es in ›Riding the Bull‹ eigentlich ging und ob es tatsächlich ein ungewöhnliches Thema beinhaltete, aber letztlich hatte er es Derringer gegenüber deutlich gesagt: Es war ihm scheißegal, ob er einen Typen küssen musste, um endlich eine große Rolle an Land zu ziehen.

Kapitel 2

Charlie betrat den Eingangsbereich des Kinos erst, nachdem er sich mit einem schnellen Blick in alle Richtungen versichert hatte, sich allein auf der dunklen Straße zu befinden. Nach dem Bezahlen der Karte nickte er dem Angestellten zu. Er marschierte zum richtigen Saal und nahm in der hintersten Reihe Platz.

Es hatten nicht viele Gäste hergefunden, aber das störte Charlie nicht weiter. Er mochte es, sich in dem abgelegenen Kino Filme anzusehen, die es nicht in die großen Ketten geschafft hatten. Sie erinnerten ihn daran, dass jeder Streifen seine Zuschauer fand.

Auf dem Bildschirm verliebten sich zwei arme, aber herzensgute Menschen, während das Schicksal ihnen immer wieder Steine in den Weg legte. Die Schauspieler waren nicht sonderlich talentiert. Die Low-Budget-Produktion hatte sich professionelle Darsteller nicht leisten können. Die langgezogene Handlung, in denen sich die beiden Helden gegen alle Widerstände zur Wehr setzten, würde das breite Publikum niemals überzeugen. Dennoch war es spannend für Charlie, die beiden zu beobachten. Als die Frau in die Drogenszene abrutschte und der Mann versuchte, ihr zu helfen, wirkte der Schmerz in den Augen der beiden Menschen so überzeugend, dass sich ihm der Hals zuzog.

Gut, das schauspielerische Talent trug vermutlich gar keine Schuld daran. Frustriert beobachtete er, wie sich die Schauspieler hölzern durch die Szene kämpften. Sobald sie den Mund öffneten, verschwand die Magie, die sie mit ihren Mienen erzeugen konnten. Nein, die beiden schafften es nicht durch ihre Begabung, ihn in den Bann zu ziehen. Vielleicht reichten seine Erinnerungen an seine eigene Unfähigkeit, einem geliebten Menschen aus dem Drogensumpf zu helfen, aus, um seine Augen brennen zu lassen. Diese dunklen Tage lagen so weit zurück und lebten doch in ihm fort. Ob es ihm jemals gelänge, diese Zeit völlig hinter sich zu lassen?

Es war an der Zeit, dass er seiner Schwester wieder einmal einen Besuch abstattete. Er musste sich davon überzeugen, dass es ihr gut ging. Das würde den Schmerz in seiner Brust hoffentlich wieder verschwinden lassen.

Ein Besucher des Kinos auf der anderen Saalseite erhob sich und erregte damit Charlies Aufmerksamkeit. Abgelenkt von dem schlechten Drama auf der Leinwand sah Charlie in seine Richtung und bemerkte, dass der Mann ihn mit einem Lächeln beobachtete, während er sich durch die Reihe schob und auf ihn zukam.

 

Irritiert versuchte Charlie mehr von seinem Gesicht zu erkennen, das halb im Schatten lag. Der attraktive Mann mit den braunen, kurzen Haaren war ihm allerdings völlig fremd. Vielleicht dachte er, einen Bekannten entdeckt zu haben, und würde gleich peinlich berührt umdrehen. Also wandte Charlie den Blick wieder zur Leinwand.

Der Mann kam unbeirrt näher und schob sich sogar neben Charlie. »Hallo, Fremder.«

»Hallo«, gab Charlie knapp zurück.

»Auch allein hier?«

Charlie zuckte nur mit den Schultern. Natürlich wusste er, worauf dieses Gespräch hinauslaufen würde. Hoffentlich reichte es, wenn er sein Desinteresse deutlich mit einem abweisenden Gesichtsausdruck zeigte.

»Hast du Lust auf ein wenig Gesellschaft und Ablenkung von dem mittelmäßigen Film?«, fragte der Mann mit einem verführerischen Lächeln.

»Danke, aber ich will mir nur den Film ansehen.«

»Ein spannender Streifen, wenn man die schrecklichen Schauspieler ignoriert. Ich bin mir sicher, du kannst den Film auch genießen, während ich mich ein wenig um dich kümmere.«

Die Beharrlichkeit des anderen schmeichelte Charlie. An diesem Abend war ihm nicht nach einem kleinen, unbedeutenden Abenteuer gewesen. Auch wenn er sich längere Zeit nicht amüsiert hatte, konnte er sich nicht auf etwas einlassen, wofür sich die Presse interessieren könnte.

»Tut mir leid«, murmelte er. »Du hast bestimmt kein Problem, jemanden zu finden, der auf dein nettes Angebot eingeht.«

»Ich will aber dich«, schnurrte der Fremde und legte eine Hand auf Charlies Knie. Langsam strich er höher.

Charlie suchte den Blick des Mannes. Wusste der andere, wer er war?

Die Hand rutschte auf die Innenseite von Charlies Schenkel. Der Mann benutzte seine Nägel, um über den Hosenstoff zu streichen und damit einen Schauer in Charlies Nacken zu verursachen. Er hatte dieses Spiel wirklich gut drauf.

Entgegen seiner Absicht, sich nicht auf den anderen einzulassen, reagierte Charlies Schwanz, der sich sofort aufrichtete.

»Du machst es mir schwer, dir zu widerstehen«, gestand Charlie. »Aber ich mach sowas nicht in der Öffentlichkeit.«

»Kann ich in deinem Fall verstehen. Ich würde mir auch Gedanken über Paparazzi machen. Treffen wir uns in der Toilettenanlage? In fünf Minuten?«

Charlie sog scharf die Luft ein, als der Druck der Finger zunahm. Sein neuer Freund hatte ihn also erkannt. Möglicherweise war das der Grund, weshalb er sich mit ihm vergnügen wollte. Zumindest schien es sich um keinen liebestollen Fan zu handeln, der ihn um ein Autogramm anbetteln wollte. Aus einem Impuls heraus wollte Charlie dem Mann eine Chance geben. Wenn er bereit wäre, sich an ein paar Regeln zu halten, würde Charlie vielleicht darauf einsteigen.

»In fünf Minuten. Nur oral. Kein Gequatsche. Keine Verpflichtungen. Keine Bitte um einen Gefallen. Sonst wird das nichts mit uns.«

Der Fremde nickte. Er beugte sich näher, drückte Charlie mit seinen warmen Lippen einen schnellen Kuss auf die Wange und stand dann auf. Bevor er seine Hände von Charlie nahm, streifte er dabei wie unabsichtlich seinen Schritt. Dann verließ er den Kinosaal.

Tief durchatmend lehnte Charlie sich zurück. Wollte er das wirklich durchziehen? Nein, auch wenn es noch so verlockend war. Er würde einfach gehen und den attraktiven Mann vergessen. Er wollte sich auf seine Karriere konzentrieren und keinen Skandal riskieren. Zu lange wartete er jetzt bereits auf die Rückmeldung seines Agenten. Heimlich hoffte er auf eine Rolle in einem Blockbuster, was wieder einmal zum Greifen nah erschien. Die Besorgnis, dass es nicht klappen könnte, setzte ihn gehörig unter Druck. Den könnte er mit einem Ausflug in die Toilettenanlage gut abbauen. Dennoch würde er nicht darauf eingehen.

Der Mann hatte ihn erkannt. Möglicherweise war er bloß scharf darauf, mit einer kleinen Berühmtheit rumzumachen. Unter Umständen ging es ihm allerdings darum, an Informationen zu gelangen, die er irgendeinem Klatschmagazin verkaufen konnte. So etwas war Charlie bereits einmal passiert und hatte für ziemlichen Ärger gesorgt. Das Risiko würde er also nicht eingehen.

Er stand auf und verließ das Kino, bevor dem Kerl klar wurde, dass Charlie nicht kommen würde.

Als Alondra ihm am nächsten Tag die Tür öffnete, wirkte sie über seinen Besuch nicht sonderlich erfreut. »Was machst du hier?«, fragte sie mehr als direkt. Ihre Augen, ebenso braun wie seine, funkelten misstrauisch. »Ich wüsste, wenn wir verabredet wären.«

»Ich bringe dir bloß ein paar Brötchen und dachte, ich nutze diesen wunderschönen Sonntagmorgen für ein Frühstück mit meiner großen Schwester. Willst du hier essen oder darf ich dich einladen?«

»Weder noch. Ich habe eigentlich in einer Stunde etwas vor.«

»Ach, dann reicht das für ein schnelles Frühstück. Ein paar Minuten Verspätung bin ich dir bestimmt wert.« Er schob sich an ihr vorbei in die Wohnung und sah sich dabei möglichst unauffällig um.

Der kleine Raum, der als Wohn- und Esszimmer mit integrierter Kochzeile fungierte, wirkte sauber und aufgeräumt. Alondra besaß nur wenige Möbel. Er hatte ihr mehrmals angeboten, ihr eine größere Wohnung zu finanzieren oder zumindest mit ein paar Sachen auszuhelfen. Seine sture Schwester wollte allerdings nichts von ihm annehmen, was über eine kleine Zuwendung hinausging. Weil sie es allein schaffen wollte. Als müsste sie sich das Leben unnötig schwer machen.

Er blieb stehen und drehte sich zu ihr um. »Soll ich mit den Brötchen in die Küche?«

»Wenn es sein muss.« Sie schloss die Eingangstür und folgte ihm dann zur Küchenecke.

»Hast du Butter und Marmelade? Die Bäckerei die Straße runter hatte nichts im Angebot.«

»Im Kühlschrank steht alles, was du brauchst, aber eigentlich habe ich bereits gefrühstückt.«

So wie er. Schließlich war es bereits kurz vor zehn. »Einen Kaffee trinkst du doch trotzdem mit mir?«

Sie nahm ihm die Tüte mit den Brötchen ab und verstaute sie in einer Brotdose. »Haben wir nicht vor gut einem Jahr besprochen, dass diese Überraschungsbesuche meine Pläne durcheinanderbringen? Struktur ist mir wichtig, wie du weißt. Du sollst anrufen, bevor du bei mir auftauchst.«

Damit sie ihre Wohnung für seinen Besuch vorbereitete?

Diesen Verdacht hatte sie nicht verdient. Dennoch meldete sich sofort wieder seine Besorgnis zu Wort.

»Ich wollte dich sehen«, sagte er und bemühte sich um einen harmlosen Tonfall. »Zuerst war es zu früh, um durchzuklingeln, und dann hat es keinen Unterschied mehr gemacht.«

»Warum bist du wirklich hier, Ramón?« Sie stemmte die Hände in die Hüften und kniff die Augen zusammen.

»Muss ich das wirklich aussprechen?«

»Habe ich dir in den letzten Jahren Anlass zu Misstrauen gegeben?«, fragte sie mit nörgelndem Tonfall. »Hattest du in den vergangenen Monaten den Eindruck, deine Sorge wäre angebracht? Denkst du wirklich, du müsstest mich wieder rund um die Uhr kontrollieren?«

Auf so eine Diskussion ließ sich Charlie gar nicht erst ein. »Ich bin für dich verantwortlich. Egal, wie viel Zeit vergangen ist, ich werde mir immer Sorgen um dich machen.«

»Ich habe vor kurzem fünf Jahre Drogenfreiheit feiern dürfen. Du kannst stolz auf mich sein.«

»Das bin ich.« Er trat auf sie zu und zog sie in seine Arme. Vielleicht konnte er auf diese Art ihren Unmut besänftigen. Natürlich war er sich darüber im Klaren, dass sie ihr Leben dem Anschein nach endlich im Griff hatte. Ihr Job machte ihr Spaß. Sie hatte sich einen Freundeskreis aufgebaut, der sie nicht in Schwierigkeiten bringen würde. Regelmäßig besuchte sie Treffen mit anderen Drogenabhängigen, hatte sogar die Patenschaft für einen anderen Süchtigen übernehmen dürfen. Inzwischen war sie für ihr Verantwortungsgefühl und ihre Verlässlichkeit bekannt. Niemand zweifelte daran, dass sie ihre dunkle Vergangenheit hinter sich gelassen hatte.