Tasuta

Weil Schottlands Herz für die Freiheit schlägt

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Märgi loetuks
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Seitdem duldete Isabella stillschweigend nicht nur jede Liaison, sie entschuldigte sie sogar mit jeder erdenklichen Ausrede. Selbst das Bruce uneheliche Kinder haben sollte, kehrte sie unter den Teppich. Mitsamt der Information, dass er sich angeblich das Stillschweigen der Mütter erkauft habe. Nichts schien zu ihr durchzudringen, als hätte Bruce sie unter eine Glasglocke gestellt. Während er sich vor ihren Augen amüsierte, litt sie Höllenqualen. Obwohl Isabella das nie zugeben würde. Doch er kannte seine Schwester besser als sie glaubte.

Sie war nie selbstbewusst gewesen, aber seit es Bruce gab, traute sie sich fast gar nichts mehr zu. Fand sich durchschnittlich und betonte ständig ihr Glück, dass ausgerechnet ein Mann wie er um ihre Hand angehalten hatte. Ihre Empathie, die Gutherzigkeit und das große Herz, über allem lag ein trauriger Schatten. Beinahe jede Geste, jeder Blick wirkte fast entschuldigend. Es tat weh sie so zu sehen. Zu wissen, wie offen und fröhlich sie sein konnte, wenn Bruce nicht da war. Doch sie war alt genug, um eigene Entscheidungen zu treffen. Trotzdem würde er sie in dieser Hinsicht nie verstehen und sich für keine Liebe auf dieser Welt so aufgeben wie sie es tat, oder still vor sich hin leiden. Bruce merkte davon natürlich nichts - oder er wollte es nicht merken - sondern hurte weiter durch fremde Betten.

Ian widmete sich den Resten, blies dann zwei Kerzen aus und nahm die dritte mit ins Schlafzimmer, das im Westflügel lag. Nachdem er die Kerze auf den Nachttisch gestellt hatte, legte er sich auf das Bett und verschränkte die Hände im Hinterkopf. Dabei dachte er an seine glückliche Kindheit, die jedoch vom viel zu frühen Tod der Mutter überschattet wurde. Aber dank Louise de Valé, die sein Vater als Erzieherin eingestellt hatte, konnten die Wunden heilen, denn sie war wie eine Mutter für seine Geschwister und ihn gewesen. Fürsorglich und warmherzig, mit viel Sinn für Humor. Oft hatte sie sich allerhand Streiche mit ihnen ausgedacht und nannte sie ´Mes cinq enfantsˋ. Jedes aufgeschürfte Knie wurde von ihr persönlich verarztet, jede Träne fortgeküsst und jedes ihrer fünf Kinder war zutiefst erschüttert gewesen, als sie vor einem Jahr gestorben war. Seitdem schien das Haus leerer als je zuvor. Louise fehlte ihm schrecklich. Deswegen besuchte er nicht nur das Grab der Mutter, sondern auch Louises fast jeden Tag. Im Park, unter der schiefgewachsenen Kiefer, die sie so sehr geliebt hatte. Dass sie ihre letzte Ruhestätte auf dem Familienbesitz fand, war von seinem Vater veranlasst worden. Louise hatte keine Verwandten und doch eine Familie gehabt. Selbst sein Vater hatte ihren Tod beweint.

Nicht der Tod ist das Ende, erinnerte sich Ian an Louises Worte zurück, die sie nach dem Debakel mit Sina zu ihm gesagt hatte, sondern jedes Leben, das nicht gelebt wird. Deshalb solltest du alles Schlechte abwerfen, und dann fülle dein Leben erneut - auf verschwenderische Weise. Mit allem, was du hast. Mit allem was du bist und mit allem, was du geben kannst.

Es war anzunehmen, dass Louise damit keine Beteiligung an den schottischen Aufständen gemeint hatte, dennoch würde sie seine Pläne unterstützen, dessen war sich Ian sicher. Weil es sein Weg war. Ja, verdammt, er wollte leben. Sich spüren und etwas Sinnvolles tun. Nicht jeden Tag mit Papieren verplempern. Wozu hatte er fähige Männer wie Lionel?

Je näher der Abschied von Elderslie rückte, desto mehr bekam es Jodie mit der Angst zu tun. Wie ein Vogel, der zwar immer fliegen wollte, aber überfordert war, sobald man ihn aus dem sicheren Nest warf. Zwar versuchte sie gefasst aufzutreten, doch das zerrte an ihrer Kraft.

Ebenso wie das Schicksal ihrer Mutter. Jetzt, da sie darüber Bescheid wusste, wäre sie gern für sie dagewesen und wollte sie nicht alleine lassen. Gleichzeitig fühlte Jodie, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis sie endgültig mit dem Vater aneinandergeraten würde.

„Hast du alles für morgen, Kind?“ Die Mutter blickte auf die Truhe.

Jodie nickte. Gerade hatten sie die wenigen Habseligkeiten gepackt. Um nicht aufzufallen, musste sie sich auf das Nötigste beschränken. Mary hatte in der gebotenen Eile abgetragene Kleider auf dem Markt besorgt. Muriel lieh ihr zusätzlich das einzige, das sie besaß. Nun lief die Magd in Jodies grünem Lieblingskleid herum und sie würde ab morgen das zerschlissene braune tragen. Der bloße Gedanke daran löste einen regelrechten Juckreiz aus.

„Die Papiere auch?“, erkundigte sich die Mutter zum dritten Mal.

„Ich habe sie unter den Kleidern verstaut.“

„Stimmt, das sagtest du ja bereits. Tja dann, Muriel Healy aus Perth.“ Ihr Lächeln war traurig. Jodie wurde noch schwerer ums Herz. „Während der Reise solltest du den Namen verinnerlichen“, gab die Mutter ihr mit zitternden Lippen einen Rat, bevor sie ihr das Kreuzzeichen auf die Stirn machte. „Wir sehen uns beim Abendessen.“ Ihre Mutter fuhr sich mit den Händen über das Kleid. „Unser letztes gemeinsames Abendessen“, wisperte sie, bevor sie hinauseilte.

Jodie kämpfte gegen die Tränen an und blickte sich um. Zum ersten Mal seit langem empfand sie ihr Zimmer nicht wie ein Gefängnis, sondern wie einen Zufluchtsort. Fast ihr ganzes Leben hatte sich hier abgespielt. Nie hätte sie gedacht, dass es ihr so schwerfallen würde, das alles hinter sich zu lassen. Vielleicht für immer, denn wer wusste schon, was sie erwartete.

Aufseufzend bückte sie sich zur hellen Holztruhe hinunter. Die Scharniere waren locker, das Holz abgeblättert. Wie ein kleines Kind hatte sich Muriel auch über diesen Tausch gefreut und die neue Truhe eigenhändig ins Gesindezimmer geschleppt.

„Das wird schon“, sprach sich Jodie Mut zu und legte das Kästchen - das sie in ein Leinen gehüllt hatte - auf die Truhe.

„Was wird schon, Lowland?“

Jodie erstarrte. Diese Stimme hätte sie unter Tausenden erkannt, aber ihre Fantasie musste ihr einen Streich spielen! Langsam richtete sie sich auf, drehte sich um und prallte beinahe zurück. „William“, hörte sie ihr eigenes Flüstern und hatte Tränen in den Augen.

Seine dunkelbraunen Locken kräuselten sich wie eh bis knapp unter die abstehenden Ohren. Der lange Bart war ungewohnt. Von der Kerbe am Kinn war deshalb nichts zu sehen. Dafür nahm sie sofort eine ungewohnte Ernsthaftigkeit wahr. In den Zügen seines Gesichts und in den braunen Augen. Aber als er grinste, kam für einige Sekunden der alte William zum Vorschein.

„Du hast mich übrigens bei meinem Namen genannt.“ Tadelnd hob er den Zeigefinger. „Sag bloß, du hast es vergessen?“

Befreit lachte sie auf. „Willkommen zuhause, Highland.“ Sie hatte das Gefühl, als wäre Malcolm gerade bei ihnen, obwohl der Gedanke verrückt war.

„Schon besser, Kleines.“ William breitete die Arme aus. Sie lief zu ihm hin und im nächsten Augenblick drehte er sich lachend mit ihr im Kreis, um sie dann vorsichtig auf die Füße zu stellen. Lächelnd blickte sie zu ihm hoch. Er war um fast drei Köpfe größer als sie.

„Bist du es wirklich?“

William lächelte, beugte sich zu ihr und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. „Wer sollte ich sonst sein? Oder kennst du noch einen Riesen außer mir?“

„Nicht, dass ich wüsste. Aber wo kommst du so plötzlich her und wie ist es dir ergangen? Hast du Mutter schon gesehen?“ Sie nahm Williams Hände und zog ihn mit zum Bett, wo sie sich niederließen.

„Lass mich erst zu Atem kommen“, bat William. Seine Stimme war tiefer geworden. Jodie schaute auf seine sehnigen Hände und entdeckte einige Narben. „Ich traf nur auf Mutter“, sagte er nach kurzem Schweigen und krauste die Stirn. „Sie saß in der Küche und hat geweint. Ich wollte sie nicht stören, also bin ich gleich zu dir gekommen. Kannst du mir sagen was los ist?“ An seinem Kilt mit dem rot-schwarzen Tartan hingen winzige Moosflechten. Jodie zupfte einige weg und ließ sie auf den Teppich rieseln.

„Sie hat dich sehr vermisst“, wich sie aus, weil sie nicht über ihre Reise sprechen wollte. Noch nicht. Außerdem brannte sie zu sehr darauf, einige Antworten zu bekommen. „Genauso wie ich.“

William blickte sich im Zimmer um. „Kannst du oder willst du mir nicht antworten? Hier sieht es jedenfalls nach Aufbruch aus.“ Auf einmal grinste er und zeigte die ausladende Lücke zwischen den Schneidezähnen. „Hast du vor zu heiraten und Mutter weint deshalb?“

„Nein.“ Sie zögerte. „Es wird viel über dich gesprochen. Du wirst unseren Eltern viele Fragen beantworten müssen.“

„Vor allem Vater.“ Sein Gesicht verdunkelte sich. „Dir auch?“

„Auf dich ist ein Kopfgeld ausgesetzt und man nennt dich Outlaw. Vater ist nicht gerade begeistert über diese Entwicklung.“

„Kann ich mir denken.“

„Du bist kein Mörder, soviel ist klar“, beeilte sie sich zu versichern.

„Wie man es nimmt“, erwiderte er und suchte ihren Blick. Der Hass in seiner Stimme ließ sie aufhorchen. „Auch wenn du lieber etwas anderes hören würdest. Doch um der Gerechtigkeit Genüge zu tun, darf man manchmal nicht zimperlich sein.“

„Was hast du getan, William?“ Ängstlich forschte sie in seinem Gesicht.

„Das geht nur mich etwas an.“

Jodie wartete einen Atemzug lang. „Mutter?“

Überrascht hob er den Blick. „Du weißt davon?“

„Sie hat mir alles erzählt.“ Doch um der Gerechtigkeit Genüge zu tun, darf man manchmal nicht zimperlich sein. „Hast du diesen … George getötet?“

„Noch nicht, aber er kommt auch noch dran. Alle Halunken, die unsere Mutter im Stall vergewaltigt haben.“

„Alle?“, rief Jodie entsetzt aus. „Du meinst … wurde sie etwa …? Mutter hat nur diesen George erwähnt.“

„Das wusste ich nicht.“ William raufte sich das Haar. „Aber sie hat keine Ahnung, dass ich alles gesehen habe. Das soll auch so bleiben, hörst du?“ Jodie vermochte nur zu nicken. Was um alles in der Welt hatte ihre Mutter tatsächlich durchmachen müssen? „Jeder einzelne dieser fünf Bastarde hat sie vergewaltigt. Jeder einzelne.“ Übelkeit erfasste Jodie. „Leider konnte ich nicht eingreifen, weil es schon zu spät war. Als ich zum Stall schlich, sind die Männer zu ihren Pferden gegangen und haben sich darüber amüsiert, dass sie es Mutter besorgt haben. Mit zerrissenem Gewand hat sie sich aus dem Stall geschleppt, während die Männer fortgeritten sind. Ich habe mich versteckt, um ihr die Scham zu ersparen. Vater ist eine Stunde später zum Stall gekommen. Er war völlig neben sich und hat die Zeit vermutlich genutzt, um sich zu betrinken. Im gleichen Augenblick habe ich mir geschworen, diese elenden Schweinehunde zu jagen.“ Er seufzte. „Aber seitdem habe ich jeglichen Respekt vor Vater verloren.“

 

Nun wurde ihr klar, warum ihr Bruder am nächsten Morgen so hasserfüllt gewesen war und Tage später fortging. „Vater hat versucht sie davon abzuhalten, William. Ich habe es selbst gesehen, bevor er mich in den Keller gesperrt hat. Von den Blessuren in seinem Gesicht ganz zu schweigen.“

„Wie lange hat er gekämpft? Fünf Minuten? Und was du noch nicht weißt: Er hat vor Mutter behauptet, dass er im Dorf Hilfe holen wollte. Das ist gelogen! Allerdings hat Mutter keine Ahnung und ich finde, dass Vater es richtigstellen muss. Tut er das nicht, werde ich es eines Tages tun. In Wahrheit machte er nämlich keinen Finger krumm, sondern hat sich feige besoffen. Dabei hätte er unsere Brüder und mich wecken können. Zu viert hätten wir die Tat bestimmt verhindern können. Also hör damit auf, ihn in Schutz zu nehmen. Ihn, der dich und Mutter seit diesem Tag schlecht behandelt.“ Auf Williams Stirn hatte sich Schweiß gebildet.

„Ich nehme Vater bestimmt nicht in Schutz. Trotzdem kann ich nicht so tun, als hätte ich nichts gesehen. Das wäre nicht fair. Aber seine Lüge mit dem Dorf ist auch alles andere als das.“ Sie zog an einem Faden am Ärmelsaum. „Kennst du die Namen der Männer?“

„Aye. Jeden einzelnen. Und ich bin nicht nur gereist, Jodie. Auch wenn ich viel von Schottland gesehen habe, mein Weggehen diente nur einem Zweck: Ich wollte so viele Informationen wie möglich sammeln. Außerdem hatte ich nur diesen George als Anhaltspunkt. Nach den anderen konnte ich Mutter ja schlecht fragen. Es fiel ihr schon schwer genug über diesen einen Halunken zu sprechen - und sei es nur, dass sie mir seinen Namen nannte. Aber damit konnte ich etwas anfangen und weiß nun, mit wem ich es zu tun habe.“

„Sag mir die Namen.“

„Wozu? Willst du sie mit weiblichem Charme um die Ecke bringen?“ William lachte trocken auf, bevor sich sein Gesicht verfinsterte. „Meine Rache hat schon begonnen. Um die restlichen vier kümmere ich mich lieber höchstpersönlich.“

„Vier? Dann ist einer von ihnen also tot“, folgerte sie mit brüchiger Stimme. „Wer?“

„Du bist hartnäckiger als ich.“ Sein Lächeln blieb den Augen fern, bevor er aufstöhnte, als hätte er die Geschichte schon hundertmal erzählt. „Walter Steward war eines der Schweine, bekannt für seinen Blutdurst an Schotten und die Liebe zu seinem Sohn. Der Zufall wollte es, dass ich den jungen Steward eines Tages traf. Er mokierte sich lautstark über meine Größe und Kleidung. Ich konterte natürlich, bis er meinen Dolch forderte. Der Halunke war nicht allein, aber ich habe es mit allen aufgenommen. Glaub mir, er hätte mich ohne mit der Wimper zu zucken getötet. Das hatte er ohnehin von Anfang an vor. Genau wie ich, nachdem ich wusste, wer vor mir stand.“

„Aber sein Vater hat Mutter vergewaltigt.“

„Nach dem Tod seines Sohnes hat sich der alte Steward umgebracht. Leider kam er mir zuvor, andererseits habe ich ihn da getroffen, wo es richtig schön wehtut. Insofern geht sein Tod auf meine Kappe. ´Berühre nie, was du nicht berühren darfstˋ, das ist mein Leitspruch für diese Mistkerle.“

Jodie wusste nicht was sie sagen sollte. Rache zu nehmen - nach einer Tat wie sie ihrer Mutter geschehen war - Gleiches mit Gleichem zu vergelten oder jemanden zu ermorden, das kam ihr trotz allem falsch vor. Dennoch hatte sie kein Mitleid mit den Stewards.

„Nach einem anderen Vorfall in Lanark habe ich Bekanntschaft mit dem Kerker gemacht, falls das dein Weltbild wieder geraderückt.

„Ich könnte nie schlecht von dir denken“, versicherte sie ihm aus tiefster Überzeugung, „und wünsche dir erst recht keine Inhaftierung.“

„Na ja, allzu lange hielt ich mich nicht dort auf. Dorfbewohner haben mich befreit.“ Seine Stimme verlor sich wie sein Blick. „Eine junge Frau war unter ihnen. Die schönste, die ich je gesehen habe, und die mutigste. Eine Weile versteckte ich mich im Wald. Danach versuchte ich diese Frau zu finden. Einige nannten sie Innes, andere behaupteten, es wäre eine gewisse Marion Braidfute gewesen. Wie auch immer, sie wurde von Engländern getötet.“ Williams Züge waren mit tiefem Schmerz erfüllt. Diese Frau musste ihn sehr beeindruckt haben. Jodie ahnte jedoch auch, dass er sich an ihrem Tod mitschuldig fühlte. Ihre Hilfe hatte die Frau mit dem Leben bezahlt. „Manchmal genügen wenige Sekunden, aber die Erinnerung daran kann ein ganzes Leben überdauern“, murmelte William.

Das Klappern von Töpfen hallte zu ihnen herauf.

„Wir sollten hinuntergehen, William.“

Seine wehmütigen Züge wurden frostig. „Wieder zu verschwinden wäre die bessere Alternative.“

„Du warst nie ein Feigling“, bestärkte sie ihren Bruder, obwohl sie ihn verstand. Andererseits war ihre Aussage nicht ganz uneigennützig. Ihn bis morgen bei sich zu wissen hatte etwas Beruhigendes.

William tätschelte Jodies Hand, bevor er den Platz neben ihr verließ. Nahe der Tür lehnte er sich an die Wand und verschränkte die Arme vor der Brust. „Du willst, dass ich bleibe. Frag mich einfach direkt.“

„Bleib bitte, William“, schoss es aus ihr heraus, „denn morgen muss ich unser Elternhaus verlassen und werde nach Glamis reisen. Genauer gesagt: Zum Glamis Castle.“

Sofort war William bei ihr und zog sie beinahe grob zu sich hoch. „Etwa zu Robert the Bruce? Was zur Hölle willst du bei diesem Verräter?“ Der Druck seiner Finger verstärkte sich.

„Vater will, dass ich ihn ausspioniere.“

Im nächsten Moment stürmte Jodie hinter William die Treppe hinunter, um ihn aufzuhalten. Aber bevor es ihr gelang, schmetterte er die Stubentür auf, wo der Vater am Esstisch saß. Erschrocken erhob er sich von seinem Platz.

„William, was machst du hier?“ Sein Gesichtsausdruck war eine Mischung aus Unsicherheit und Freude.

„Du willst Jodie allen Ernstes zu Bruce schicken? Bist du völlig übergeschnappt?“

Die Freude verschwand. „Deine Schwester wird es überleben.“

„Die Kleine kennt sich nicht einmal mehr in unserem Dorf aus. Hast du eine Ahnung, wie gefährlich es da draußen ist? Vor allem jetzt, da sich beide Seiten formieren?“

„Ein Knappe wird sie begleiten.“

„Ist er bewaffnet? Versteht er es zu kämpfen?“

„Je unauffälliger sie reist, desto besser.“

„Wenn ich du wäre, würde ich mir beim Gehen noch mehr Zeit lassen, Muriel“, schallte Marys Stimme vom Gang herein. William schnaufte unwillig aus. „Bis das Essen an den Tisch kommt, sind die Herrschaften verhungert.“ Marys Mund klappte beim Eintreten zu. Mit einem Topf ging sie an ihnen vorbei. Muriel tapste hinterher. „Fischsuppe“, wurden sie von Mary informiert, deren fleischige Wangen tiefrot und von blauen Äderchen durchzogen waren. Vorsichtig stellte die Köchin den Topf auf den Tisch und wartete, bis Muriel die Karaffe Wasser abgestellt hatte. Dann zog sie die Magd am Ärmel mit sich hinaus.

„Man erzählt sich, dass du einen Mitstreiter im Kampf gegen England hast“, schlug der Vater einen versöhnlichen Ton an. Niemand hatte sich von der Stelle gerührt. „Ich hörte nur Gutes von diesem Normannen. Wie heißt er gleich?“

„Andrew de Moray“, kam es patzig zurück. „Auch einer, der sich weigert Edward die Treue zu schwören.“

Jodie schwante Böses.

„Du hast mich einen Landesverräter genannt“, hielt der Vater ihm prompt vor.

„Weil ich dich weder damals noch jetzt verstehe! Wie konntest du unterzeichnen?“

„Im Gegensatz zu dir habe ich Familie.“

„Man kann eine Familie und eine Überzeugung haben. Hätte ich meine verleugnen sollen? Was wäre ich für ein Diener Schottlands?“

„Um seinem Land zu dienen, muss man nicht andere unnötig in Gefahr bringen.“

„Du bist so zynisch, Vater“, redete sich William weiter in Rage, „was ist mit Jodie? Bringst du sie etwa nicht in Gefahr? Dreh und wende ruhig weiter jeden Stein, aber die Wahrheit findest du nicht, indem du die Schuld immer bei anderen suchst. Sie liegt offen vor dir, du musst nur aufmerksam hinsehen. Aber du hast schon immer den bequemeren Weg gewählt. Das beste Beispiel dafür ist die Ragman Roll.“

Die Faust des Vaters schlug auf dem Tisch auf. Das Geschirr klirrte grell. „Verdammt, William, ich kann jeden Tag in die Kirche gehen und in Wahrheit an einen anderen Gott glauben. Die innere Haltung hat nichts mit einer Unterschrift zu tun.“

„Doch, denn damit bezieht man eindeutig Stellung. Sogar dein Treuegelöbnis an England würde mir eine Spur Respekt abverlangen, stündest du wenigstens dahinter. Aber das tust du nicht. Umso feiger finde ich dein Tun. Entweder glaube ich an mein Land und handle danach oder ich sympathisiere mit dem Feind. Jeder Mensch hat eine eigene Meinung. Wo ist die deine, Vater? Du verleugnest beide Seiten, so wie du auch jene Nacht verleugnest. Mutter kreidest du an, was sie getan hat. Statt dir selbst anzukreiden, was du nicht getan hast.“ Als der Vater alarmiert zu Jodie blickte und etwas sagen wollte, machte William eine herrische Handbewegung. „Jodie weiß über alles Bescheid und wenn du mich fragst, war das längst überfällig. Nur Mutter tappt völlig im Dunkeln, obwohl es sie als Erste etwas anginge. Und jetzt sag mir, was hätte sie sonst tun sollen? Sich betrinken, so wie du? Mein Gott, Vater, sie ist ein Opfer und keine Täterin.“

„Das geht nur deine Mutter und mich etwas an“, maßregelte der Vater ihn mit zittriger Stimme. „Umso weniger hattest du das Recht mit Jodie darüber zu sprechen.“

„Wieso? Wird dir langsam klar was du uns allen jahrelang zugemutet hast mit deiner verdammten Selbstgerechtigkeit? Nicht anders agierst du, wenn es um Schottland geht.“

„Ich versuche auf meine Art für die Unabhängigkeit zu kämpfen.“

„Indem du Jodie zu Bruce sendest? Wieso reist du nicht selbst nach Glamis und regelst zum ersten Mal in deinem Leben etwas wie ein Mann?“

„Unterstellst du mir etwa, dass ich mich hinter meiner Tochter verstecke?“ Muriel kam mit einer Holzplatte herein. Darauf waren Lachs, etwas Brot und Maisbrei geschichtet. „Hat es dir die Sprache verschlagen?“, schürte der Vater den Streit weiter.

Flugs stellte Muriel das Brett neben den Topf und hastete hinaus.

„Lassen wir es gut sein, Vater.“ William klang auf einmal resigniert. „Wir werden nie einer Meinung sein. Aber schlag dir um Gottes willen den Plan mit Jodie aus dem Kopf.“

„Das muss er nicht, William“, mischte sich Jodie ein und war auf einmal ganz ruhig. „Ich werde nach Glamis reisen und tun, was er verlangt.“ Beide starrten sie an. „Ich mache es aber für Schottland, nicht für Vater.“ Er wurde aschfahl im Gesicht und sie wusste, dass ihn ihre Worte tief getroffen hatten.

„Du hast keine Ahnung worauf du dich einlässt“, prophezeite William ihr. „Bruce und ich hatten in Salisbury mal das zweifelhafte Vergnügen. Unsere Bekanntschaft endete in einer Prügelei. Danach schwor er mir Rache und darin ist er genauso unerbittlich wie ich. Sollte er deine wahre Identität aufdecken, dann lauf! Lauf so schnell du kannst. Denn dieser Mann ist ein Wolf im Schafspelz.“

Nun sind wir (vorerst) am berühmten

-Ende-

angekommen und ich hoffe,

dass Ihnen die Leseprobe zu meinem Roman gefallen hat.

Mein Buch ist sowohl als E-Book als auch als Print-Buch erhältlich.

Über eine Rückmeldung würde ich mich sehr freuen (bettina.reiter@aon.at).

Auch auf Facebook bin ich zu finden (BettinaReiterAutorin).

Bis dahin alles erdenklich Liebe und Gute für Sie und Ihre Familie,

herzlichst, Ihre Bettina.

Weitere Bücher von mir vor historischer Kulisse:

 

„Erben der Schuld“ (England, 17. Jahrhundert) – dotbooks Verlag

„Der Wind inmitten wilder Schwäne“ (Irland, 20. Jahrhundert) – hey Verlag

„Denn ich darf dich nicht lieben“ (Frankreich, 18. Jahrhundert) – Bettina Reiter/neobooks