Snørgl der Waldwicht

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Snørgl der Waldwicht
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Betty Kamer

Snørgl der Waldwicht

Die Befreiung der Wichte

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Widmung

Ein ‚wichtiges‘ Hallo

Glückskinder

Meine neue Baumwohnung

Mein lieber Nachbar

Die Wichtenversammlung

Die Entführung

Reisevorbereitungen

Die Verabschiedung

Die Glückskinder

Wir brauchen ein Schiff

Auf zum magischen Vogelfelsen

Alles an Bord

Kleiner Bote mit großem Herz

Die Lofoten

Zwei neue Gefährten

Ein Schloss in den Wolken

Unerwartete Hilfe

Weder Tor noch Schlüssel

Rätselhaft

Der magische Spiegel

Wichtenkäfige

Endlich frei

Zurück an Bord

Der Fluss Kemijoki

Rovaniemi

Zurück nach Hause

Traumreise

Magische Sprüche

Impressum neobooks

Widmung


Snørgl

der Waldwicht


Die Befreiung der Wichte

Teil I

für Kinder ab 8 Jahren und junggebliebene Erwachsene

Über meine Schreiberline

Sie wurde 1965 in Berlin (a.B.) geboren, wo sie nach dem Realschulabschluss an einer Gesamtschule, erfolgreich eine Ausbildung zur Rechtsanwalts- und Notariatsfachangestellten absolvierte.

Bereits während der Schulzeit entdeckte sie ihre Vorliebe für das geschriebene Wort, doch als berufstätige Mutter von drei Kindern ruhte diese Leidenschaft für eine lange Zeit.

Schon vor über 25 Jahren dachte sie zum ersten Mal an mich und so war es nur eine Frage der Zeit, bis sie mich und meine Freunde aufregende Traumreisen unternehmen ließ und uns in ihren Büchern Leben einhauchte.

Deutsche Erstveröffentlichung Oktober 2019

Copyright © der Originalausgabe Betty Kamer

Impressum:

Betty Kamer

c/o Autorenservice Paessler

87700 Memmingen

kontakt@betty-kamer-schriftstellerin.com

Illustration & Covergestaltung: Betty Kamer

Druck: epubli, ein Service der

Neopubli GmbH, Berlin

Printed in Germany

Bildbearbeitung funny.pho.to

Das Werk, einschließlich seiner Teile und des Covers, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung der Autorin unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Meine Schreiberline hat die Glückskinder in diesem ersten Teil nach ihren Enkelkindern benannt.

Und dir, lieber Raphael, einen herzlichen Dank für dein Probelesen …

Als sie die Idee für mich vor über 25 Jahren hatte, waren es noch ihre eigenen Kinder, die zu kleinen Helden in ihrem Buch wurden. Lange, viel zu lange lag meine Geschichte in einer Kartonage und ich freue mich von ganzem Herzen, dass sie mich nun endlich auf Reisen schickt.

Mich, Snørgl der Waldwicht


Snørgl, der Waldwicht

Die Figuren unserer Geschichte:

Die Oberwichte:

Vegard (der Kluge), Dellingur (der Glänzende) und Dagbjartur (der Taghelle)

Die Waldwichte:

Snørgl (wird bei uns Snörgl ausgesprochen, der Lesewicht), Djarfur (der Mutige), Galdur (der Wilde), Vökull (der Wachsame), Tamin (der Schneider), Pokki (der Koch und Bäcker), Pegjandi (der alle Blumen kennt), Styggur (der Nachdenkliche), Stubbur (der Arzt), Reifur (der Kreative), Léttféti (der Kletterer), Svipdapur (der Dichter), Gulltoppur (der Maler) und Gosi (der Handwerker)

Die Elfen:

Lýsa (die Leuchtende), Elin (die Strahlende) und Sóla (die Sonnige)

Die Tiere:

Kibuz der Kauz, das Glühwürmchen, Pauri der Papageitaucher, Mink der Marder, Halia und Sami die Seeadler, Jola das Rentier

Die verbannten Waldwichte:

Böggvir (einer der Schaden anrichtet), Amur (der Große) und Allsvartur (der die Farbe schwarz liebt)

Die Glückskinder in diesem Buch:

Kai, Sonja, Ben, Maja, Leon und Emily

Ein ‚wichtiges‘ Hallo

Eines solltest du wissen, bevor wir uns mit meinen Freunden und den Glückskindern auf die erste Traumreise begeben:

Der Name eines jeden Kindes wird von einer Elfe bei seiner Geburt in das ‚Große Verzeichnis‘ eingetragen.

Was?

Du sagst, eine Elfe allein kann gar nicht alle Babys in dem Verzeichnis eintragen? Da hast du recht und ich möchte die Gelegenheit nutzen, dir kurz zu erzählen, wie das geht:

Vor Hunderten von Jahren haben die Oberwichte ihre Zuständigkeitsbereiche handschriftlich in einer Karte eingezeichnet. Mit der Zeit wurde die Fläche jedoch immer größer, in denen die Wichte und Elfen tätig waren, so dass die Wälder in immer mehr Bereiche eingeteilt werden mussten und die Karte größer und größer wurde. Irgendwann riefen sich alle Oberwichte und Elfen des Landes zusammen, um gemeinsam darüber nachzudenken, wie es weitergehen sollte, denn es herrschte inzwischen ein ziemliches Durcheinander. Und so kam es dazu, dass die Karte von den Oberwichten in vier gleiche Teile eingeteilt wurde. Für jeden Bereich waren immer drei Oberwichte, die auch ein Kartenteil in ihrer Obhut hatten, verschieden viele Waldwichte (die alle auch in diesem Abschnitt in den Bäumen lebten) sowie mindestens eine Elfe zuständig.

Auch die Oberwichte Vegard, Dellingur und Dagbjartur aus dem Wald, in dem ich lebe, haben einen Teil dieser großen Karte erhalten. Ihnen zugeteilt wurde die Elfe Lýsa, die zusammen mit ihren Schwestern und anderen Elfen im Tal der Schmetterlinge lebt.

Die Hauptaufgabe der Waldwichte bestand schon immer darin, Traumreisen mit einem Kind zu unternehmen, das ihnen zugeteilt wurde.

Ach du meine Güte, du kannst dir ja wahrscheinlich gar nicht vorstellen, welche Kinder ich meine.

Schau mal, es gibt Kinder, die hin und wieder traurig oder unglücklich sind. So kann es vorkommen, dass Eltern beschließen umzuziehen, um mit ihren Kindern in einer anderen Stadt oder einem anderen Land zu wohnen. Dann müssen sich Freunde manchmal trennen, was einen schon sehr unglücklich machen kann.

Vielleicht musste sich ein Kind auch von seinem Haustier verabschieden, weil es sehr krank war und nicht mehr bei ihm bleiben konnte. Ich weiß auch von einigen Kindern, die sich wegen einer Krankheit große Sorgen um jemanden aus der Familie machten oder weil die Großeltern zu weit weg wohnten. Wieder ein anderes Kind war sehr traurig darüber, dass es sich mit seinem Bruder oder seiner Schwester gestritten hatte.

 

Von diesen Kindern erfuhren die Wichte durch die Elfen. Sie waren es, die ihnen von den Kindern erzählten.

Doch woher die Elfen von diesen Kindern wussten, fragst du dich?

Ich verrate es dir: Sie erfahren es von den Glühwürmchen, die des nachts in ihrem Auftrag unterwegs sind und mit ihrem Licht in die Fenster der Kinderzimmer leuchten. Sie sehen die Traurigkeit oder die Tränen der Kinder und berichten den Elfen von ihnen. Den Namen des Kindes gibt eine der Elfen dann an die Oberwichte weiter, die während der Wichtensitzung die Aufträge an uns Wichte verteilen. Manchmal gibt es über lange Zeit sehr wenig Aufträge, doch leider kommt es immer wieder vor, dass wir Waldwichte mit unseren 'Glückskindern' eine Traumreise unternehmen müssen. Weißt du, Traumreise heißt es deswegen, weil der zuständige Wicht das Kind in seinen Träumen auf eine Reise mitnimmt, um sie ihre Sorgen vergessen zu lassen.

Doch wie bei den Menschen auch, gab es immer wieder Wichte, die sich nicht mehr länger herumkommandieren lassen wollten. So haben sie es wohl genannt. Das waren die, die immer neidisch auf andere waren, stets etwas haben wollten, was sie selbst nicht besaßen, ständig stänkerten und große Unruhe in das ruhige Zusammenleben brachten. Sie waren auch faul, hielten keine Ordnung in ihren Baumwohnungen, hatten keine Freude an gemeinsamen Spieleabenden und immer wieder gab es Ärger mit ihnen. Und stelle dir einmal vor: es gab sogar Wichte, die keine Kinder mochten. Ja, wirklich!

Eines Tages erwischte Dagbjartur die Waldwichte Böggvir, Amur und Allsvartur dabei, wie sie versuchten, die Karte zu stehlen. Gerade noch rechtzeitig konnte er sie wieder an sich nehmen und noch in der gleichen Nacht brachten die drei Oberwichte und die Elfe Lýsa die Karte in ein Versteck. Keiner von uns Waldwichten erfuhr, wo sich dieser geheime Ort befand. Was wir alle damals nicht ahnten: auf dieser alten Karte war etwas eingezeichnet, was für Kobolde von größter Bedeutung ist.

Die Wichte Böggvir, Amur und Allsvartur jedoch wurden verbannt und mussten den Wald sofort verlassen.

Und es kehrte wieder Ruhe und Frieden in unserem Wald ein.

Während einer Wichtensitzung vor ein paar Wochen baten wir die Oberwichte, doch einmal gemeinsam eine Traumreise unternehmen zu dürfen. Da hatten die Oberwichte auch gar nichts dagegen. Doch es musste noch ein Weg gefunden werden, um das möglich zu machen.

Unser Abenteuer begann, als uns allen die Elfe Sóla berichtete, dass etwas Schreckliches geschehen sei: Sie hatte erfahren, dass Wichte, die sehr weit von unserem Wald entfernt leben, entführt wurden und dringend Hilfe benötigen.

Ich hatte sofort Böggvir, einen der verbannten Wichte im Verdacht, doch Gewissheit hatte ich nicht.

Vermutlich haben ihm sogar Allsvartur und Amur dabei geholfen, die Wichte zu entführen.

Wie ihnen das wohl gelungen ist?

Doch wer es auch war: sie haben nicht mit mir und meinen Freunden gerechnet …

Glückskinder

Seit je her sind unsere Glühwürmchen schon für die Elfen unterwegs, um ihnen über die Kinder in ihren Zimmern zu berichten. Von fröhlichen und lachenden, aber eben auch von traurigen Kindern.

Der erste Besuch bei den Kindern ist eigentlich kein richtiger Besuch, denn das Glühwürmchen zeigt uns zwar, wo das Kind wohnt, jedoch bringen wir ihm nur ein Wichtenbuch. Persönlichen Kontakt haben wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Du fragst dich, was das für ein Buch ist?

Das sage ich dir natürlich sehr gerne: Es handelt sich um ein Buch über Waldwichte, Traumreisen, Elfen und Abenteuer, das die Oberwichte vor langer Zeit geschrieben haben. Ein solches Buch wird dann dem jeweiligen Kind in den Garten, auf den Balkon oder vor die Haustür gelegt. Und wie kleine Beobachter bleibt das Glühwürmchen dann in der Nähe der Wohnungen oder Häuser um zu sehen, wie das Kind auf das Buch reagiert. Wenn es kein Interesse hat und nicht an uns Wichte und die Elfen glaubt, dann ist es auch nicht sehr sinnvoll, sie zu besuchen, um mit ihnen eine Traumreise zu unternehmen.

Sieht das Glühwürmchen jedoch, dass das Kind in dem Buch liest und dadurch auch zeigt, dass es sich für uns interessiert, dann ist es für uns auch möglich, sie in ihren Träumen zu begleiten.

Bei einem solchen Kind setze ich mich dann am nächsten Abend, also besser gesagt in der Abenddämmerung, auf das Fensterbrett vor ihrem Kinderzimmer und warte zusammen mit dem Glühwürmchen geduldig, bis mein ‚Glückskind‘ auf mich aufmerksam wird. Meist sehen sie zuerst das Licht des Glühwürmchens und werden neugierig. Wenn es mir dann das Fenster öffnet, stelle ich mich ihm vor und wir können uns unterhalten, da ich ja kein Fremder mehr bin. Mit Fremden soll man ja nicht reden und auch nicht mitgehen. Weißt du, da das Kind ja bereits in dem Buch über mich gelesen hat, kannte es mich irgendwie schon. Dann unterhalten wir uns über die Familie, die Freunde und so erfahre ich auch, was sie traurig macht. Auch reden wir über die Hobbys und welche Bücher sie gerne lesen. So kommt für mich der Moment, der so wichtig ist: Wir unterhalten uns über das Buch. Unser Wichtenbuch. Und ich erzähle von den Reisen, die wir in den Träumen gemeinsam unternehmen können und von den Abenteuern, die zu erleben sind. In den meisten Fällen erfahre ich so auch, was das Kind am liebsten erleben würde, oder wo es gerne einmal hin möchte.

Und dann ist es Zeit, auf eine Traumreise zu gehen... wohin auch immer das Kind reisen möchte, was auch immer es zu erleben wünscht, welche Sehnsucht es auch immer hat. Denn durch das magische Pulver der Elfen können wir diese Traumreise gemeinsam erleben.

Als ich meine erste Aufgabe bekam, war ich sehr erstaunt, da ich zuvor noch nie richtig auf die Glühwürmchen geachtet hatte. Ich dachte doch tatsächlich, dass die mit kleinen Lämpchen durch die Gegend fliegen und man deshalb ihr Licht sehen kann. Aber das stimmt natürlich nicht.

Weißt du, Glühwürmchen besitzen eine im Tierreich seltene Fähigkeit: Sie erzeugen durch eine chemische Reaktion Licht – eine so genannte Biolumineszenz. (Ich konnte das Wort beim ersten Mal nicht richtig lesen und schon gar nicht aussprechen. Wenn es dir genauso geht, dann frage bitte jemanden aus deiner Familie.) Ja, ich weiß, das ist ein schweres Wort. Aber es heißt wirklich so und bedeutet, dass die Glühwürmchen in der Lage sind, Licht zu erzeugen. Dass machen sie, in dem sie durch einen Energiebaustein - den sie in ihrem Körper produzieren - und Sauerstoff eine chemische Reaktion auslösen. Vielleicht denkst du, dass das Licht der Glühwürmchen sicher warm und gelblich ist. Das dachte ich jedenfalls, bis Elin die Elfe es mir erklärte. Denn das Licht ist ganz hell und kalt.

Wie ich das meine, dass es kalt ist?

Frag doch mal bei dir zu Hause nach, ob ihr noch alte Glühbirnen habt. Wenn eine Glühbirne kaputt ging, musste man sie zunächst abkühlen lassen, bevor man sie auswechseln konnte. Das Licht dieser Glühbirnen war nicht so hell, aber dafür wurde die Glühbirne selbst sehr heiß. Und bei den Glühwürmchen ist das genau umgekehrt: das Licht ist super hell, aber dafür gibt es keine Wärme ab. Es nutzt also die ganze Energie dafür, hell zu leuchten und nicht, um Wärme abzugeben.

Das Leuchten dient den Tieren hauptsächlich dazu, sich zu verständigen. Manche blinken ganz schnell hintereinander und dann wieder lange durchgehend. Ich habe mich schon oft gefragt, über was die sich wohl unterhalten – aber danach gefragt habe ich noch nie.

In unseren Wäldern leben sie sicher, da auch sie früher gerne von Vögeln und Spinnen gefressen wurden. Du brauchst dich nicht zu erschrecken, denn das ist ganz natürlich. Aber seitdem die Elfen allen Tieren im Wald erklärt hatten, wie wichtig die Glühwürmchen für uns sind und wie sehr wir auf die Zusammenarbeit mit ihnen angewiesen sind, werden sie von den Tieren in Ruhe gelassen und respektiert.

Besonders häufig kann man diesen schönen Anblick des fliegenden Lichts in trockenen Sommernächten sehen: Plötzlich wimmelt es im Dunkeln vor kleinen Lichtpunkten. Es sind Glühwürmchen, die je nach Art entweder durchgehend leuchten oder in kurzen Abständen aufblinken.

Ja, was gibt es noch zu erzählen? Ah ja: die weiblichen Glühwürmchen können nicht fliegen und krabbeln meist auf Bäumen herum und die männlichen Glühwürmchen fliegen so etwa einen Meter über dem Boden. Na ja, und eigentlich sind es auch keine 'Würmchen', sondern Käfer.

Siehst du, jetzt weißt auch du, warum man manchmal im Dunkeln scheinbar kleine Lichtlein schweben sehen kann.

Lass mich kurz nachdenken… ja, nun habe ich dir alles über die Glückskinder und auch über die Glühwürmchen erzählt, glaube ich zumindest.

Meine neue Baumwohnung

„Ich bekomme diesen vermaledeiten Knoten nicht auf. Verwichtelt und zugenäht.“

Oh je, diese Stimme erkenne ich unter hundert anderen Stimmen. Das ist ganz sicher Galdur, der sich wieder einmal über etwas ärgert.

Ich gehe lieber einmal nachsehen, was da los ist. Galdur hat seine Wohnung nämlich im gleichen Baum, wie ich. Wir sind also quasi Nachbarn, auch wenn sich der Eingang zu seiner Wohnung auf der anderen Seite des Stammes befindet. Doch lass mich dir zuvor erzählen, was es mit den Bäumen auf sich hat:

Nun, wir Wichte leben schon seit sehr langer Zeit zusammen mit den Tieren in Mischwäldern. Weißt du, das sind Wälder, in denen es viele Laubbäume gibt, wie zum Beispiel Buchen, Birken, Ahorn, Eichen und auch Nadelbäume wie Tannen, Lärchen und Fichten.

In den Wäldern halten alle Bewohner ganz fest zusammen, weil wir uns gegenseitig helfen können.

Freundschaft ist ja nicht nur für Wichte sehr wichtig, sondern auch für die Menschen. Ich denke, wer ohne Freunde ist, muss sehr einsam sein und auch wenn man sich nicht jeden Tag sieht oder miteinander sprechen kann, so ist es doch wichtig, immer aneinander zu denken und füreinander da zu sein.

So pflegen die Wichte schon immer eine ganz dicke Freundschaft zu den Vögeln, die ja auch in diesen Wäldern leben. Einige von ihnen haben sogar ihre Brutplätze tatsächlich in den Bäumen und nicht in einem Nest auf einem Zweig. Ja wirklich. Das sind richtige tolle Höhlen im Innern der Baumstämme. Diese Vögel nennt man 'Höhlenbrüter'.

Das ist zum Beispiel die Meise, der Star, der Buntspecht, die Kohlmeise und der Waldkauz, um dir nur einige Vögel zu nennen.

Verwichtelt, verwichtelt … ich rede und rede. Ich wollte dir eigentlich etwas anderes erzählen.

Also, wir Wichte lebten früher in kleinen, etwas windschiefen Häusern am Boden des Waldes. Jedoch kam es immer wieder einmal vor, dass Menschen mit ihren Vierbeinern in den Wäldern spazieren gingen und sie von der Leine ließen. Unverantwortlich, wenn du mich fragst. Ständig schnupperten sie mit ihren feuchten Nasen am Waldboden herum, gruben Löcher in den Boden und zerstörten oftmals sogar unsere Häuser. Und ich sage dir, es ist nicht nur einmal geschehen, dass wir uns vor den erwachsenen Menschen verstecken mussten, die nach ihren Vierbeinern suchten. Die dürfen uns nämlich gar nicht sehen!

Warum, fragst du?

Naja, manche von den erwachsenen Menschen haben keine Fantasie mehr und glauben nicht, dass es uns wirklich gibt. Und wenn sie uns entdecken, dann verlieren wir für einige Tage unsere Fähigkeiten und können in dieser Zeit keine Traumreisen unternehmen.

So haben wir Wichte uns mit den Tieren des Waldes beraten und es wurde die perfekte Lösung für uns gefunden: mit Hilfe der Stare, der Buntspechte, der Rotkelchen und der Waldkäuze haben wir unsere Wohnungen genau so gebaut, wie die Höhlenbrüter ihre Nester bauen. Nur eben nicht hoch oben in den Bäumen, sondern ganz unten in den Stämmen. Und wir bekamen sogar kleine Fenster und Türen.

Aber wieder zurück zu dem, was ich dir erzählen wollte: Warte mal, verwichtelt noch einmal. Was war das gleich noch? Ach ja, jetzt weiß ich es wieder:

Also … bis zu dem Moment, als Dellingur mir den Umzug in diese Baumwohnung anbot, wohnte ich mit Tamin gemeinsam in einer Baumwohnung. Ich freute mich sehr über eine eigene Wohnung. Nicht, dass wir uns nicht verstanden hätten. Im Gegenteil: Ich fand es immer sehr schön, mit ihm über alles Mögliche zu reden, während er etwas für uns anderen Wichte nähte. Ein Hemdlein hier, ein Höslein da. Die Stoffe färbt er immer in den schönsten Farben, die Gulltoppur speziell für ihn anmischt. Jedoch brauchten seine Stoffe, die Nähmaschine und der große Tisch, auf dem er die Stoffe zuschneiden konnte, mehr und mehr Platz und ich musste meine Bücher – du musst wissen, ich bin ein absoluter Lesewicht – sogar schon unter dem Bett verstauen. Da kam mir das Angebot von Dellingur schon ganz gelegen.

 

Nach der Verbannung von Böggvir, Amur und Allsvartur waren nämlich zwei Baumwohnungen frei geworden.

Was fragst du? Warum zwei Wohnungen?

Weißt du, weil Böggvir und Amur sich auch eine Baumwohnung geteilt hatten. Die Wohnung der beiden war sehr groß und so haben wir in einer Versammlung beschlossen, dass nach ihrer Verbannung Gosi dort seine Werkstatt einrichten sollte. Ich sage dir, wenn wir Gosi nicht hätten, würden wir wahrscheinlich alle auf dem Boden sitzen, schlafen und essen. Er ist es nämlich, der uns so wunderschöne Möbel fertigt und immer alles reparieren kann, was zu Bruch gegangen ist. Dafür lieben wir ihn alle sehr.

Ganz oft verschönert uns Reifur die Möbel dann auch noch mit Moos. Darin ist er ein wahrer Meister.

Doch anfänglich war ich etwas skeptisch, als Dellingur zu mir kam und mir den Einzug in die Baumwohnung von Allsvartur anbot. Alles an Allsvartur war schwarz. Seine Kleidung und auch die Einrichtung in seiner Baumwohnung. Wie schrecklich, findest du nicht auch? Es ist doch viel schöner, wenn man sich bunt kleidet und auch bunte Bilder an den Wänden hat oder etwa nicht?

Denn 'Allsvartur' heißt in die Menschensprache übersetzt: der Tiefschwarze. Und ich sage dir, als ich die Wohnung zum ersten Mal betrat, sträubten sich mir die Haare unter meiner Wichtenmütze zu Berge.

Mit der Kohle aus dem erkalteten Lagerfeuer hat er alles geschwärzt. Und ich meine wirklich alles: Sein Bett, den Tisch, die Wände, sein Regal und auch seinen Stuhl. Fürchterlich, ganz fürchterlich. Damit die Farbe hält und nicht bei jeder Berührung abfärbt, hat er alles in seiner Baumwohnung mit dem Harz aus den Bäumen überzogen. Es war immer so dunkel bei ihm, dass ihn niemand von uns besuchen mochte.

Doch mit tatkräftiger Unterstützung durch meine lieben Wichtenfreunde haben wir diesen dunklen Ort in ein wahrhaft 'goldiges' zu Hause für mich verwandeln können. Gosi zum Beispiel, baute mir ratz fatz einen neuen Tisch mit zwei passenden Stühlchen und sogar auf meinen Wunsch hin in meine Leseecke ein richtig tolles Regal, in dem alle meine Bücher ihren Platz gefunden haben.

Sogar der schüchterne Styggur (er wird in der Menschensprache Stügur ausgesprochen), der eigentlich nicht so gern mit uns anderen aktiv ist, schenkte mir eine alte, selbstgebastelte Lampe.

Das Geschenk von Reifur war jedoch der Oberknaller: Er hatte extra für mich seinen alten Ohrensessel frisch mit Moos bezogen und mir noch zwei von ihm bestickte Kissen dazu überreicht. Oh, ich liebe es, mich in den Sessel mit der hohen Lehne und den dicken Kissen einzukuscheln. Der Bezug ist so herrlich weich, dass ich schon so manches Mal beim Lesen eingeschlafen bin.

Und von Pokki habe ich zum Einzug eine große Platte voller selbstgebackener Wichtenkekse bekommen, von denen wir alle unbedingt Naschen mussten. Manche schmeckten nach wilden Erdbeeren, andere nach Nüssen. Am leckersten waren jedoch wieder einmal die Kekse, die nach Kräutern schmecken. Er probiert immer neue Rezepte aus und hat schon ein ganz dickes Buch darüber geschrieben. Darauf ist er natürlich sehr stolz und lässt uns immer mal wieder von seinen neuen Köstlichkeiten probieren. Aber ich verrate dir jetzt mal ein Geheimnis:

Manchmal schmecken die auch überhaupt nicht oder sind total verkohlt und wenn er uns dann in seiner Vorfreude fragt, ob sie uns schmecken, nicken wir meist nur, um ja nicht schwindeln zu müssen. Aber verrate ihm das bitte nicht.

Ach herrje, ich wollte dir ja eigentlich erzählen, warum mein zu Hause 'goldig' ist. Verzeih mir bitte, ich bin manchmal doch etwas schusselig und schweife beim Erzählen ab.

Also: Es hatte sich in Wichteneile herumgesprochen, dass ich in die Baumwohnung von Allsvartur einziehen würde und nicht wenige waren entsetzt. Da war mir der Vorschlag von Gulltoppur, mir bei der Renovierung zu helfen, herzlich willkommen. Gulltoppur hat ein absolutes Händchen zum Anmischen von goldener Farbe. Er behauptet, dass er sie nach einem uralten und geheimen Wichtenrezept seiner Ur-Ur-Großmutter herstellt.

So stand er mitten in meiner neuen Wohnung: mit einem großen Eimer dieser unfassbar schönen Farbe in der einen und einem zweiten Eimer mit weißer Farbe in der anderen Hand und ließ sich nicht davon abbringen, die Wände in Weiß, sowie so manches Möbelstück golden anzustreichen. Die goldene Farbe kannte ich zwar schon, war aber wieder einmal zutiefst beeindruckt. Am zweiten Eimer hing mein Blick aber richtiggehend fest.

„Meine Güte, so eine weiße Farbe habe ich noch nie gesehen. Wo hast du die denn her?“, fragte ich ihn.

„Weißt du, ich mische mir alle meine Farben selbst. Das haben wir in meiner Familie schon immer so gemacht. Wenn du zum Beispiel die Lichtfarben Blau und Grün mischst, bekommst du die Farbe Türkis. Mischt du hingegen Rot und Grün, so erhältst du die Farbe Gelb. Und nun halte dich fest: wenn du sie alle miteinander vermischst, also Blau, Grün, Türkis, Rot und Gelb entsteht die Farbe Weiß.“

Da war ich tatsächlich baff und freute mich sehr, dass er es mir so gut erklärt hatte.

Mein lieber Tamin brachte mir selbstgenähte orange-weiß karierte Gardinen und eine dazu passende Tischdecke, Pokki dekorierte meinen Esstisch, die Kommode und sogar eine im Baum befindliche Nische mit selbst gepflückten Blumensträußen aus wunderschönen Wald- und Wiesenblümchen. Gosi hatte mir ein Türschild mit meinem Namen darauf gebastelt und Pegjandi schenkte mir einen aus Stroh gefertigten Teppich.

Meine neue Wohnung war perfekt.


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