Loe raamatut: «Geliebter Unhold», lehekülg 6

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~4~

Liebster Riath,

ich versuche seit drei Tagen, die richtigen Worte zu finden. Es ist nun ein halbes Jahr her, dass du ohne ein Wort des Abschieds nach Hause gereist bist. Mir ist bewusst, dass du eine schwere Zeit durchmachen musst, dass du den Verlust deines geliebten Vaters betrauerst. Er war ein großer Mann, Riath, so wie du es nach ihm sein wirst. Ich bin mir dessen sicher. Als wir uns liebten, und verzeih meine romantische Beschreibung, habe ich gespürt, dass du dich davor fürchtest, in seine Fußstapfen zu treten und dann zu versagen. Du hast dich immer an ihm orientiert und jetzt fragst du dich, wer du ohne ihn bist. Hab keine Furcht davor, der zu sein, der du bist. So übel ist der Mann nicht, den ich gesehen habe. Der wahre Mann, er ist stark und er ist gewiss einzigartig.

Riath, ich weiß nicht, ob du mich vielleicht deshalb an jenem Morgen nicht mehr sehen wolltest und dich davongeschlichen hast, weil ich unsere Seelen, ohne dich zu fragen, verschmelzen ließ. Ich wollte schlicht, dass du siehst, wer ich wirklich bin. Dass wir nicht so verschieden sind, wie ich gerne vorgebe.

Ich muss gestehen, dass ich verletzt war, als ich allein aufwachte, und ich gebe zu, dass ich die letzten Monate trotzig darauf gewartet habe, dass du mir schreibst. Bis mir bewusstwurde, dass es nicht an dir ist, mir zu schreiben, und dass ich, wenn ich von dir hören möchte, selbst zur Feder greifen sollte.

Und das tue ich hiermit. Um dir eigentlich nur eines mitzuteilen.

Mir bedeutet die Nacht mit dir alles, und meine Gedanken sind bei dir, immerzu.

Wenn du auch so fühlst, und sei es nur ein bisschen, lass es mich wissen.

In Liebe und Zärtlichkeit,

dein Kacey.

Die Kerzen warfen tanzende Schatten auf die Zeltwand und draußen zog ein Sturm auf. Riath konnte die schweren Wolken und den bevorstehenden Regen spüren, ebenso den aufkommenden Wind, der das Blätterdach des Waldes rascheln ließ, und die Feuchtigkeit und das Knistern in der dichten lebendigen Aura der Wildnis. Er spürte es als Kitzeln und Kribbeln auf und unter der Haut, als ob er eins mit der Natur wäre. Der Sturm lud sich an ihm auf – und er lud sich an ihm auf. Riath konnte den Umschwung des Wetter immer spüren, vor allem wenn es sich um ein Gewitter handelte.

Außerdem stank es nach nassem Hund. Es stank immer nach nassem Hund, kurz bevor der Regen einsetzte.

Riath strich mit dem Daumen über die Zeilen, das Papier war vergilbt, übersät mit seinen eigenen Fingerabdrücken, die Ränder lösten sich bereits auf, weil er den Brief immer mit sich trug. Und noch immer nicht darauf geantwortet hatte.

»Ha! Jetzt … sitzt … du … in der Falle!« Marks hob die Hände, nachdem er eine Figur auf dem Brett versetzt hatte, und klatschte einmal triumphierend.

Riath sah nicht einmal hin, starrte noch immer gedankenverloren den Brief an.

Hab keine Furcht davor, der du sein, der du bist.

Aber jetzt hasst du mich, dachte er und nagte an der Innenseite seiner Wangen, während er versuchte, das beengte Gefühl in seiner Brust zu deuten.

Er bekam die Schadenfreude seines Getreuen nur am Rande mit. Sie saßen vor dem Bett auf zwei klapprigen Stühlen, ein viereckiger Tisch stand in ihrer Mitte, Marks war ihm und dem Spielbrett zugewandt, ganz konzentriert, während Riath mit überschlagenen Beinen so auf dem eigenen Stuhl saß, dass er auf den Eingang blicken und den Arm über die Rückenlehne legen konnte, als Stütze für seine Hand, mit der er den Brief vor sein Gesicht hielt. Er zeigte Marks nur sein Profil, schien das Spiel kaum zu beachten.

Sein Getreuer lehnte sich in seinem Stuhl zurück und verschränkte vor der breiten, in schwarzes Leder gewandeten Brust die muskulösen Arme, wie ein General, der von einer Anhöhe aus auf ein blutiges Schlachtfeld blickte und den Sieg bereits sicher hatte.

Riath streckte den freien Arm aus, ließ die Hand scheinbar suchend über die Köpfe der hölzernen Spielfiguren gleiten und machte seinen letzten Zug, ohne hinzusehen. »Deine Königin fällt«, sagte er gelangweilt und warf Marks Spielfigur um.

Marks fiel das Grinsen aus dem Gesicht. Er klappte wie eine Holzpuppe nach vorne und starrte ungläubig auf das Brett, als hätte Riath ihm vor seinen Augen ins Essen gespuckt.

»Aber…«, stammelte er fassungslos, »…aber… wie… hast … Das kann doch gar nicht sein! Du hast nicht mal hingesehen!«

Riath faltete den Brief mit einer Hand zusammen und steckte ihn wieder unter sein Hemd, wo er seitjeher verborgen lag. »Du wirst immer besser.« Er stand auf.

Marks‘ Blicke folgte ihm, sein Kiefer stand noch immer offen und seine Arme waren zu einer stummen, verständnislosen Geste erhoben. »Wie

»Es ist Melecays Lieblingsspiel.« Riath ging zum Tisch, auf dem ein Krug mit Wein und Kelche aufgebahrt waren, und schenkte ihnen ein. »Das Spiel der Könige. Es heißt, niemand hatte ihn je geschlagen.« Er schnaubte, stellte den Krug wieder ab. »Lügen, wenn du mich fragst. Aber selbst wenn nicht…«- mit beiden Kelchen ging er zurück, setzte sich und überreichte Marks einen davon - »…muss ich dieses Spiel blind können, denn er kann es auf jeden Fall.«

Marks nahm den Kelch entgegen und lehnte sich im Sitzen zurück. »Du versuchst noch immer, wie er zu denken.«

»Falsch«, Riath nippte an seinem Wein, dann zeigte er mit einem ausgestreckten Finger und dem Kelch in der Hand auf seinen Berater, »ich versuche klüger und schneller zu denken als er.«

»Und glaubst du wirklich, dass ein Brettspiel uns dabei hilft?« Marks schwenkte nachdenklich den Wein direkt unter seiner Nase, sein Gesicht wurde grimmig.

Riaths Blick schweifte ab. »Nein, aber es kann auch nicht schaden, immerhin spielen wir gegen ihn. Es ist gut zu verstehen, wie er denkt.« Er würde diesem Mistkerl einfach in allem trumpfen. In allem. Dazu brauchte er nicht mehr, als sein Denken zu verstehen.

Im Augenwinkel krampfte sich Marks‘ Hand um seinen Kelch zusammen, sodass die Knöchel weiß hervortraten und die Sehnen wie gespannte Stricke unter der Haut aussahen. »Wie kannst du hier nur so ruhig sitzen und nichts tun, ich drehe bald durch.« Er riss sich zusammen und fuhr sich mit den Fingern über die Augen, lehnte sich wieder nach vorne, als ob er Halt an der Tischkante suchte und sich darauf stützen musste. »Ich schlafe unruhig, wälze mich umher, wandere ziellos herum. Ich will endlich etwas tun, endlich zurückschlagen. Aber du … du sitzt hier und spielst Spiele und trinkst Wein. Das macht mich wahnsinnig.«

Riath sah ihn mit schiefgelegtem Kopf besserwisserisch an, er blinzelte liebreizend. »Und glaubst du nicht auch, dass es ebenso unsere Feinde wahnsinnig macht?«

Marks runzelte die Stirn, doch aus seiner Miene war herauszulesen, dass er verstanden hatte.

»Sie erwarten, dass ich den nächsten Zug mache, sie sind darauf vorbereitet, Marks.«

»Aber wir haben doch nicht viel Zeit, Melecay, Eagle, Kacey, Xaith. Alles überschlägt sich!«

»Vertrau mir«, säuselte Riath schmunzelnd, er war die Ruhe in Person. »Ich habe alles unter Kontrolle.«

Marks nagte dennoch nervös an der Innenseite seiner Wange. »Ich weiß, dass du das hast, aber mein Geist ist unruhig, Abwarten liegt mir nicht im Blut.«

»Dann solltest du lernen, zu meditieren und innere Ruhe zu finden, denn die wirst du in den nächsten Tagen brauchen.«

Marks starrte ihn an, als ob er ihn zum Tode verurteilt hätte. »Was hast du vor?«

»Ich habe einen Plan und werde heute Nacht mit seiner Ausführung beginnen.« Riath hob den Kelch an die Lippen und trank gemächlich, während Marks` neugieriger Blick auf seiner Wange brannte und sein Getreuer wie ein Jagdhund auf der Stuhlkante saß, bereit dazu, wie ein abgeschossener Pfeil der Beute hinterher zu jagen. Riath ließ sich Zeit mit dem Schlucken, weil er ein Arschloch war.

Er wandte Marks das Gesicht zu. »Aber du wirst ihn hassen.«

Sein Gegenüber wirkte nicht überrascht, eher gelangweilt. Er seufzte, dabei schien sein Oberkörper wie ein ausgehöhlter Erdhaufen in sich zusammen zu sacken. »Wann habe ich je einen deiner Pläne gemocht?«

Riath grinste verschlagen.

~5~

Ein Sturm zog auf, kaum dass die Sonne untergegangen war, hatte sich der Horizont mit dunklen, bedrohlichen Wolken zugezogen und in der Ferne zuckten bereits grelle Blitze durch die schwarzen Formationen. Der Wind war schwül, aber Kacey schloss dennoch die Fenster. Ihm war kalt, seine Zehen und Finger fühlten sich an wie Eiszapfen, waren steif und blutleer.

Da er ausnahmsweise an diesem Tag ordentlich gegessen hatte – Ardor sei Dank –, wusste er instinktiv, dass auch dieses Phänomen nichts mit seiner sterblichen Hülle zu tun hatte, sondern mit seiner Magie. Er konnte fühlen, wie unruhig seine goldene Aura war, wie ein See, in den man einen Felsen geworfen hatte, sodass die spiegelnde Oberfläche Wellen schlug.

Nachdem er die Buntglasfenster geschlossen hatte, ging er zurück zu seinem Tisch, der im Schlafgemach stand, von zwei Kerzenständern erhellt, und beugte sich wieder über die Bücher, die er zu diesem Thema herausgesucht und aufgeschlagen hatte.

Er las nicht in seinem Studierzimmer, da er die Arbeit nicht mit dem Privaten verbinden wollte, zumal Studenten manchmal in diesen Raum kamen. Noch immer wollte er um jeden Preis verhindern, dass jemand mitbekommen könnte, wie er mit seiner eigenen Kontrolle rang.

In seinem Schlafgemach fühlte er sich sicher, niemand außer ihm und Ardor kamen hier herein, es sei denn, er gestattete es, wie bei … Xaith.

Aber das Thema war erledigt. Geschichte. Die zarten Berührungen, der sanfte Liebesakt Nacht für Nacht nur noch eine Erinnerung an etwas, das niemals hatte sein können.

Der Hauch einer süßen Liebe.

Mit dem falschen Mann.

Wie so oft.

Kacey schloss die Augen, wusste nur zu gut um seine Schwäche für M´Shiers, als ob das Schicksal es vorsah, dass sie sich zueinander hingezogen fühlten. Er schüttelte den Kopf, verbannte Erinnerungen und Sehnsüchte und klappte die Lider auf, um sich auf die Zeilen aus dem Buch zu konzentrieren.

Ein Lehrbuch über Kontrolle.

Er las und las, schüttelte dabei aber frustriert den Kopf. Das, was er die ganze Zeit befürchtete und was er tief im Herzen bereits die ganze Zeit wusste, bestätigte sich nur damit.

Wenn ein Magier die Kontrolle über seine Fähigkeiten verlor, hing das mit seinen Gefühlen zusammen. Vor allem bei Kindern geschah dies häufig, oder bei Zauberkundigen, die von ihrer Begabung nichts wussten. Ein Wutanfall, tiefe Trauer, Freude und starke Lust, wie beim ersten Liebesakt, führten zum Kontrollverlust.

Aber Kacey war gestern nicht übermäßig aufgewühlt gewesen, hätte er ein Problem damit, seine Magie zu kontrollieren, dann wäre dies während der Versammlung bereits geschehen.

Tatsächlich hatte er in dem Moment, als es geschah, nur dagesessen und war von seiner Arbeit abgelenkt gewesen. Müdigkeit und Erschöpfung halfen Magiern sogar, ihre Fähigkeiten unter Kontrolle zu behalten. Meist machte Magie sich selbstständig, wenn sie unterdrückt wurde.

Beides hatte er nicht getan.

Nein, Kaceys Sorgen wurden bestätigt, der Vorfall hatte nichts mit ihm zu tun, sondern mit der fremden Macht, die in ihm eingeschlossen war. Ganz gleich, wie sehr er mit seinen angeborenen Fähigkeiten im Reinen war, die göttliche Magie in ihm besaß ein gefährliches Eigenleben.

Und sie wollte seinen Körper übernehmen.

Kacey stützte nachdenklich das Kinn in eine Hand und rieb mit den kalten Fingerspitzen über seine vollen, weichen Lippen. Es gab keine Aufzeichnungen über seine Art Problem, denn so etwas hatte es noch nie zuvor gegeben. Er musste selbst forschen, er war auf sich allein gestellt. Und er fürchtete, seine Mitleidenden um Hilfe zu bitten, denn er hatte den Eid nicht vergessen, den Sarsar ihnen allen abgenommen hatte.

Sollte einer von ihnen das Siegel brechen und die göttliche Macht ausnutzen, waren alle anderen verpflichtet, diesen zu suchen und zu vernichten.

Wen sollte er auch um Hilfe bitte oder auch nur um Rat ersuchen? Xaith war verschwunden, als er die Briefe von Riath entdeckt hatte, Desith kümmerte es nicht, was mit anderen geschah, Sarsar war … tot oder verschollen, wer wusste das schon. Vaaks? Kacey bezweifelte, dass dieser einfache Mensch auch nur verstand, was er da eigentlich in sich trug, außerdem hatten sie kaum drei Worte gewechselt. Derrick kannte er eben so wenig, wusste nicht einmal, wo dieser war. Und Korah, Place und Ragon befanden sich irgendwo im Dschungel von Zadest.

Bliebe ja nur noch … Riath.

Kacey schnaubte. Er würde sich nicht noch einmal zum Narren machen und sein Herz vor diesem ausschütten. Und gewiss nicht sein Schicksal in dessen blutige Hände legen. Er hätte ihm nie vertrauen dürfen.

Nein, er war auf sich allein gestellt.

Ein Windzug küsste seinen Hals und verursachte ihm eine Gänsehaut. Stirnrunzelnd wandte er den Kopf. Die durchsichtigen Vorhänge auf der gegenüberliegenden Terrasse bewegten sich sacht.

Seltsam, er hatte doch alle Fenster und Türen geschlossen?

Vielleicht hatte sich der Stoff des Vorhangs dazwischengeschoben und die gläserne Tür wieder aufgedrückt. Das passierte ihm tatsächlich nicht zum ersten Mal, er war zu oft in Gedanken, einmal hatte er genau dieses Terrassenfenster in eine Lektüre versunken geschlossen, dabei den Saum seiner Robe eingeklemmt und war vornüber zu Boden gestürzt, als er einen Schritt nach vorne getan hatte. In solchen Momenten war er recht froh, dass Xaith nicht mehr da war, er konnte beinahe dessen hochgezogene Augenbraue und seine ungerührte Miene sehen, die schlimmer war als jeder Hohn.

Er schlug das Buch zu, brauchte es ohnehin nicht mehr, und raffte seine Robe, um aufzustehen. Heute trug er schneeweiße Seide, die mit klaren Diamantbändern um Taille und Kragen verziert war. Der Stoff wurde im Nacken geschlossen, der Rücken war frei, denn er zeigte die smaragdgrünen Drachenschuppen auf seinem Rücken gern herum, damit niemand je vergessen konnte, wer sein Vater war. Kaiser Eagle Airynn, der ihm diese besondere Hautzeichnung vererbt hatte.

Er war barfuß, der Saum seiner Robe umschmeichelte seine Fesseln, als er den Raum leise wie eine Katze durchschlich und die Tür schließen wollte.

»Was…?« Er erschrak, doch nur sein Herz machte einen Satz, äußerlich war er mehr wie erstarrt. Ein Schatten drückte sich auf Kniehöhe gegen die tiefrote Scheibe. Kacey zog die Tür ein Stück auf, draußen rauschte der Wind bedrohlich durch die Bäume, er hörte das dunkle Flattern der Fahnen und Banner, der Urwald war beängstigend still, kein Affe und auch kein Vogel brüllte, nur das näher rückende Donnern des Sturm ertönte in der tiefschwarzen Nacht, noch regnete es nicht.

Und auf der Schwelle der Tür saß ein alter Bekannter und legte fiepsend den Kopf schief. Lange Ohren, langes, spitzes Gesicht, bodenlose, flehende Augen.

Kacey verzog missmutig das Gesicht. »Du schon wieder!« Er sollte die Tür zuwerfen, doch das konnte er diesem armen, unschuldigen Wesen nicht antun.

Der Schakal hob eine Pfote und schlug die Luft, als wollte er sich entschuldigen. Oder er wollte nur wieder ein Stück Fleisch, so wie immer, wenn er Kacey besuchte. Doch dieses Mal hatte er leider sein Abendmahl restlos verzehrt.

»Nein, heute nicht!«, beschloss er und versuchte, den Schakal mit der Hand davon zu scheuchen. »Geh zurück zu deinem Herrn, Mak.«

Der Schakal taumelte zwei Schritte zurück, sah ihn dabei aber absolut verständnislos und tiefbetrübt an. Kacey konnte fast sein Herz brechen hören.

»Ich lass dich nicht wieder bei mir schlafen!« Das sagte er jedes Mal.

Der Schakal legte den Kopf schief, als wollte er fragen: Wieso nicht? Wobei sein verletzter Blick wahrlich jedes Herz geschmolzen hätte.

Kacey ließ die Schultern hängen. »Ach was sage ich da, ich lasse dich ja doch sowieso rein, wie jedes Mal.« Und genau wie sein Herr, verschwand der Kleine ohne Abschied jeden Morgen, bevor Kacey erwachte.

Doch dieses Mal kam der Schakal nicht herein, als Kacey ihm Platz machte. Er tänzelte auf der Stelle und drehte sich einmal auffordernd im Kreis.

Kacey runzelte die Stirn, er kannte das. »Ach so.« Dann beugte er sich herab, kraulte den Schakal hinter dem Ohr, woraufhin dieser den Kopf gegen ihn drückte. Mit der freien Hand kramte Kacey in dem Beutel, der immer um Maks Rumpf geschnallt war.

Er ertastete eine winzige Rolle, wie man sie Botenvögeln in das Rohr an ihren Beinen schob, und zog sie hervor. Als er die Botschaft aufrollte, sprang ihn die bekannte Handschrift regelrecht an. Dick, als ob die Feder stark auf das Papier gedrückt worden war, geschwungen und auf eine unerklärliche Art immer einen Hauch bedrohlich.

Dreh dich um.

Kacey stockte das Herz in der Brust, tat aber, wie ihm die Botschaft geheißen, und fuhr herum.

Und da stand er und schien mit seiner Präsenz den Raum zu schrumpfen.

Plötzlich wirkte alles viel kleiner, viel enger, die edlen Möbel, das polierte Holz der Vertäfelung, die filigranen Schnitzereien, Mosaike und die teuren Stoffe verblassten ob seiner Gegenwart. Zumindest kam es Kacey so vor. Als ob alles verblasste, alles keinen Wert mehr besaß, wenn man es mit ihm verglich.

Er war älter geworden, größer. Sein strohblondes, langes Haar hatte er locker zusammengebunden, ein paar gekringelte Strähnen rahmten sein kantiges, männliches Gesicht ein. Die Lippen waren noch so voll und einladend wie eh und je, die grünen Augen schimmerten wie Absinth – oder flüssiges Gras –, ein paar Krähenfüße zierten ihn nun, was ihn absurderweise nur noch attraktiver machte. Seine Schultern und seine Brust waren breiter, er wirkte härter, buchstäblich, wie aus Granit gemeißelt. Sein dunkles Hemd war aus Leder, die Schnürung war gelockert, darunter schimmerte seine makellose, glatte Haut, die Hose spannte um seine strammen Schenkel, er trug einen Umhang, hatte ihn aber zurückgeschlagen, ein Schwert hing an seiner Hüfte. Er stand breitbeinig und mit dunklem Blick im Raum, etwas zugleich Glühendes und Frostiges schien ihn zu umgeben.

All das nahm Kacey innerhalb eines Herzschlages wahr, saugte das Bild von Riath in sich auf, und obwohl er mehrfach blinzelte, wusste er, dass er nicht träumte. Er konnte Riath spüren, nicht nur sehen.

Für einen langen Moment sahen sie einander einfach nur an. Draußen begann es zu regnen, sofort schlich sich Feuchtigkeit in den Raum, die Luft schien zu kleben.

Es war das arrogante Grinsen, das Kacey aus seiner Starre riss. Dieses unerhört selbstischere, wissende Grinsen, das zwei lange Fänge aufblitzen ließ.

Sein Herz raste plötzlich und er spürte, wie das Zittern einsetzte, der Druck in seiner Brust und das Stechen im Kopf, wie seine Sicht aufflammte, als hätte er nie im Leben klargesehen. Doch seine Wut trieb die Symptome zurück.

»Du Mistkerl!« Er schrie und sprang auf.

Riaths Lächeln wandelte sich in ein nachsichtiges Schmunzeln, als ob er es mit einem naiven Kind zu tun hatte, dem er erst noch die Welt erklären müsste, damit es ihn verstand. »Kacey«, sagte er ruhig – und warum musste seine Stimme so lüstern und rau und schön klingen? »Ganz ruhig.«

Ganz ruhig?!

Kacey spießte ihn mit einem wahnsinnigen, wilden Blick auf. »Du hinterhältiger, eiskalter Mörder!«

Es war, als hätte er wochenlang – seit dem Bericht seines Vaters – eine Sintflut zurückgehalten, die mit einmal aus ihm herausbrach, als er Riath erblickte und ihm die Ereignisse klar und deutlich vor Augen standen – zusammen mit dem Mann, der für den Bürgerkrieg in Carapuhr und für den Tod seiner Halbschwester verantwortlich war.

Und er hasste diesen Mann aus tiefstem Herzen, dessen war er sich genauso sicher, wie er sich sicher war, dass er ihn über alle Maßen begehrte, mehr als je irgendeinen anderen.

Dafür verabscheute er sich wiederrum selbst, was seiner Wut nur noch mehr Wind verlieh.

»Ich bin kein Mörder«, entgegnete Riath so ruhig, so von sich selbst überzeugt, dass Kacey beinahe der zierliche Kragen platzte.

»Du hast meine Schwester getötet!« Er bemühte sich nicht um Contenance, riss sich nicht zusammen, er hatte das Gefühl, zu ersticken, wenn er seine Wut nicht herausbrüllte. Angriffslustig stürmte er auf Riath zu, spürte das Kribbeln seiner Magie in der Fingerspitze, die er auf Riath richtete. »Ich habe dir vertraut, Riath! Du hast einen Krieg angezettelt, du hast dafür gesorgt, dass hunderte Unschuldige starben …«

Riath hob seine Hände in eine beschwichtigenden Geste. »Kacey, beruhige dich!« Er ging auf ihn zu, langsam, sodass sie sich in der Mitte vor dem Bett treffen würden.

»So war das nicht geplant, Riath, du hast… du hast… « Kacey hielt auf ihn zu, wollte ihn schlagen, wollte nach den Wachen schreien, wollte… wollte ihn erwürgen und kratzen und beißen und … küssen…

Was stimmte nicht mit ihm?

»… du hast meine Schwester verführt und sie ins Unglück…«

Er kam nicht weiter, denn plötzlich lag Riath Pranke über seinem Mund, drückte zu, drängte ihn zurück. Kacey wehrte sich dagegen, riss an Riaths starken Armen, die sich genauso wenig bewegen ließen wie Berge. Oder hielt sich Kacey gar an ihm fest?

Er wusste nicht, was geschah, als sie im Stehen wild miteinander rangelten, sein Kopf war wie wattiert, seine Wut beflügelte ihn, doch er fühlte sich nicht Herr über seine eigenen Handlungen. Sie taumelten, Riath sagte etwas, knurrte, Kacey verstand es nicht, biss ihm in die Hand. Er schmeckte ungewollt Riaths Blut. Herrliches, würziges, herbes Blut. Königliches Blut. Kacey konnte Riaths Geburtsrecht förmlich schmecken.

Sie landeten auf dem Bett. Wie, wusste er nicht, er lag plötzlich auf dem Rücken und spürte, wie seine Unterlage federte. Riath war über ihm, fluchte und versuchte, ihn weder mit seinem Gewicht zu erdrücken noch zuzulassen, dass er sich befreite und weiter rumschreien konnte. Noch immer drückte seine Hand auf Kaceys Mund, und noch immer steckten Kaceys Fänge in seiner Hand.

»Shhh…« Riath versuchte, ihn zu beruhigen. »Du musst tief durchatmen…«

Ja, wie denn?

»Du bist ganz heiß, Kacey.« Ach, war er das? »Beruhige dich zuerst. Ganz ruhig. Ruhig… Nein! Ruhig, Kacey… ich bin nicht dein Feind … nicht… dein … Feind… Hör mich an, bitte… hör mich an, dann kannst du noch immer mit deinem Gebrüll die Garde auf den Plan rufen!« Er sprach in den Atempausen, während er Kaceys zappelnde Gliedmaßen zu bändigen versuchte. »Verdammt, Kacey, beruhige dich! Dein Herz hämmert, als ob es gleich zerspringt!«

Tatsächlich war ihm ungeheuerlich warm, doch das hatte er auf die kurze, aber heftige Rangelei und seine anhaltende Gegenwehr geschoben. Immer wieder bäumte er sich auf, wollte sich befreien, bekam immer schlechter Luft.

Auf einmal lag er auf dem Bauch, er wusste nicht, wie es geschehen war. Hitze stieg in seine Brust, in seinen Kopf, der Druck in seinem Körper wollte ihn zerbersten. Riath hatte ihn umgedreht, Riath drückte ihn auf das Bett, Riath hob sein Becken an, Riath rieb sich an ihm und…

Stopp. Nein. Riath hielt mit einer Hand weiterhin Kaceys Mund verschlossen, mit der anderen stützte er sich neben ihm ab. Er konnte ihn unmöglich umgedreht haben, und sein Körper bewegte sich auch nicht. Kacey war es selbst gewesen, er hatte sich von selbst umgedreht, er rieb sich an Riath und er drängte ihm unverfroren den Hintern entgegen.

Riath war erregt, Kacey spürte seine Härte gegen den Schlitz seiner Lederhose drücken, und reagierte unwillkürlich heftig darauf. Diese steinharte Stelle zog ihn magisch an.

Wut und Begierde verschmolzen zu einem wahnwitzigen, sinnlosen Schauspiel, quälten ihn. Er wollte es, aber er wollte es auch nicht. Er hasste sich, er hasste Riath. Und doch verzehrte er sich nach seinem Leib. Jetzt, hier, in diesem außer Kontrolle geratenen Moment.

Es ergab keinen Sinn.

Wie eine rollige Katze hob er den hinteren Teil seines Körpers und drängte sich an Riath, rieb sich an seiner Härter. Dessen Verwirrung und Unglaube standen greifbar im Raum. Kacey brauchte sein Gesicht nicht zusehen, um zu spüren, wie irritiert er von der Situation war.

Aber er war auch hart. Zum Bersten hart.

Nimm mich, dachte Kacey, brüllte in seine Hand, sodass unartikulierte, gedämpfte Laute den Raum erfüllten. Sein ganzes Gebaren war darauf konzentriert, Riath mit dem ganzen Leib anzuflehen.

Hilf mir, nimm mir die Wut, füll das Loch in mir, raub mir die Einsamkeit, steck mich in Flammen. Tu endlich was… Tu es… tu …es…

Kacey schnaufte, er wollte weinen und schreien zugleich, aus Frust und Qual. Er verspürte in diesem Moment keine Scham, noch nicht, er fühlte sich nur, als ob er sterben müsste, wenn Riath ihm nicht endlich eine sanfte Berührung schenkte.

»Sh…« Riath wollte ihn beruhigen, doch das wollte Kacey gar nicht, er bockte drängend, flehend. Zärtlich strich Riaths Daumen über Kaceys Wange, von seiner Hand tropfte dunkelrotes Blut auf das weiße Laken. »Ganz ruhig… ruhig…«

Er verlagerte das Gewicht und war plötzlich über Kacey. Seine Härte, noch in der Hose verborgen, unzugänglich, drückte unwillkürlich in die richtige Stelle, und Kacey erbebte. Es fühlte sich befreiend an, gab all dem Chaos in ihm einen konzentrierten Punkt.

Zärtliche Finger auf seinem Rücken, strichen über seine Schuppen und verursachten ihm eine warme Gänsehaut, als ob Riath jeden einzelnen Nerv mit einer Feder streicheln würde. Dann beugte er sich hinab und leckte mit der Zunge über die Schuppen, kostete sie. Er schob den Arm unter Kacey, vorsichtig, mit der anderen hielt er ihm weiter den Mund zu. Kacey schnaufte, sein Kopf war voller Nebel, doch er begrüßte diesen Zustand.

Mit einem groben Ruck hievte Riath ihn auf die Knie und zog mit der freien Hand die Robe hoch. Kacey trug nichts darunter. Riaths Hand auf seiner blanken Haut zu spüren war wie kühlende Salbe auf einer Verbrennung und gleichzeitig wie Feuer selbst. Es war verrückt, wie viel Zwiespalt dieser Mann in Kaceys Leib auslöste, in seinem Kopf, in seinen Lenden, ebenso wie in seinem… Herz.

»Ist ja gut… ist gut…« Riaths dunkle Stimme war rau, heiser, seine Gelassenheit war der größte Hohn.

Kacey wollte ihn erwürgen, ihn anschreien, ihn treten, damit er wegging und gleichzeitig weiter machte.

Kühle Knöchel fuhren unendlich langsam und zärtlich über seinen Damm. Kacey stieß ein Stöhnen in Riaths Hand. Seine Beine wurden sanft auseinander gedrückt, er spreizte sie bereitwillig. Riaths muskulöser Körper lehnte sich über ihn, sein heißer Atem küsste Kaceys Ohr, während seine Fingerspitzend sanft seine zusammengezogenen Hoden streichelten, als wollte er ihn besänftigen. Ein Ziehen zerriss Kaceys eigene Härte, sie zuckte und pulsierte flehend, als wäre Riath ihr Meister, ihr Bändiger. Als ob nur seine Berührung ihr Linderung verschaffen könnte.

Verräterische Härte…

Als Riath die Hand wegnahm, brüllte Kacey wieder und bäumte sich auf wie ein wildes Tier, er erkannte sich selbst nicht wieder, war in seinem eigenen Leib gefangen, seiner Gier ausgeliefert.

Dann endlich etwas Feuchtes, drängte in ihn, langsam… Stück für Stück, schob sich vorwärts, unaufhaltsam, brennend und prickelnd, sodass er sich entgegendrückte. Riath nahm gleich zwei Finger, bis zum Anschlag. Kacey fiel regelrecht in sich zusammen, alle Anspannung wich. Es ergab keinen Sinn, aber das musste es auch nicht. Es fühlte sich gut an, das war alles, was er wusste und woran er in diesem Moment dachte. Es fühlte sich gut an, warm und richtig.

Riath ließ seinen Mund los, Kacey atmete frei, nur ein Keuchen entfloh ihm hin und wieder. Ein Streicheln fuhr über seinen Rücken, über den Nacken in sein Haar, wühlte sanft darin und fuhr wieder zurück, über seine Seiten, seine Rippen, Fingerspitzen rieben über seine rechte Brustwarze, ein Kitzeln fuhr durch seine Nerven. Riaths Hand glitt über seinen flachen Bauch, brachte ihn zum Flattern, fand zwischen seine Beine und umfasste seine Härte, umschloss sie mit warmen, kräftigen Finger, die für ihre Größe und Stärke viel zu sanft und lieblich waren. Mit dem Daumen zog Riath Kreise um Kaceys tropfende Spitze, während seine Finger ganz gemächlich Kaceys Innerstes ertasteten und seinen empfindlichsten Punkt berührten.

»Nimm mich«, keuchte Kacey und drängte sich ihm entgegen, »nimm mich endlich mit deinem verdammten Schwanz, du verdammter Hurensohn!«

Zweimal verdammt, so viel hatte er in den letzten sieben Jahren nicht geflucht.

Falls er Riath beleidigt oder gekränkt hatte, so überspielte er es gekonnt, stattdessen ließ er kurz von Kacey ab, richtete sich auf und … gab ihm, was er wollte. Mit sanften, tiefen Stößen, die Kaceys Wange über das Laken schruppen ließ. Doch es blieb bei einem ruhigen Akt. Riath schien ihn nicht um seinetwillen zu nehmen, war nur in ihm, um in ihm zu sein. Um ihn zu reizen, bis Kacey mit einer Wucht den Höhepunkt erreichte, die ihn ins Kissen beißen und Riaths Namen knurren ließ. Er zog sich um Riaths Härte zusammen, hielt ihn mit dem Leib regelrecht fest, während er den kleinen Tod starb. Und es war genau das, was sein Körper verlangt hatte: Riath in ihm, während er kam. Denn kaum ebbte die Lust ab, fühlte er eine Ruhe, die er seit Jahren nicht mehr verspürt hatte.

»Sh«, hörte er Riath besänftigend machen, der sich neben ihm ausstreckte und mit einer Hand in sein Haar fuhr, die weichen Lippen auf seine Schulter drückte, während Kacey atemlos dalag und so entspannt war, dass er kaum die eigenen Glieder spürte. »Jetzt ist es gut«, versprach Riaths warme, dunkle Stimme, »jetzt ist es besser.«

Und so war es.

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Neljas raamat sarjas "Chroniken der Bruderschaft 4"
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